The Project Gutenberg eBook of Natalie, by Fanny Tarnow This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Natalie Ein Beitrag zur Geschichte des weiblichen Herzens Author: Fanny Tarnow Release Date: May 5, 2023 [eBook #70609] Language: German Produced by: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This transcription was produced from images generously made available by Bayerische Staatsbibliothek / Bavarian State Library.) *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK NATALIE *** #################################################################### Anmerkungen zur Transkription Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1815 so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert. Mehrmals wurden grammatische Fälle verwechselt oder anders verwendet als heute üblich; dies wurde in der vorliegenden Fassung weitgehend korrigiert, um die Verständlichkeit des Textes zu gewährleisten. Manche Wörter wurden in verschiedenen Schreibweisen verwendet (z.B. ‚Hofnung‘/‚Hoffnung‘); dies wurde so beibehalten, sofern beide Wortformen mehrmals im Text vorkommen. Besonders die Vorsilben ‚auf-‘ und ‚aus-‘ werden oft anders verwendet als heute üblich; dennoch wurden diese so belassen wie in der gedruckten Fassung, wenn der Sinn aus dem Textzusammenhang heraus erkennbar bleibt. Umlaute in Großbuchstaben (Ä, Ö, Ü) werden meist durch deren Umschreibungen (Ae, Oe, Ue) dargestellt. Die Buchanzeigen wurden vom Bearbeiter an das Ende des Texts verschoben. Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt; besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet: kursiv: _Unterstriche_ gesperrt: +Pluszeichen+ Antiqua: ~Tilden~ #################################################################### Kleine Romanenbibliothek +von+ und +für+ Damen. Vierte Lieferung. Natalie. von Fanny Tarnow. Berlin, bei Ferdinand Dümmler, 1815. Natalie. Ein Beitrag zur Geschichte des weiblichen Herzens von Fanny. Schwölle Lethe auf zu Ozeanen, Unterging’ in ihr die Liebe nicht. E. M. Arndt. Berlin, bei Julius Eduard Hitzig. 1811. Erster Abschnitt. Mit ungehemmten Flügeln dringen Wir jung, als Adler in die Luft -- Doch jeder Tag kürzt uns die Schwingen Und endlich sinken wir gelähmt zur Gruft. +E. M. Arndt.+ Natalie war die älteste Tochter des Geheimenraths Alberti, der, in einer ziemlich ansehnlichen Provinzstadt Deutschlands, von seinen Zinsen lebte, und ein großes Haus ausmachte. Schon sehr früh kam in das tief empfindende, und fast unauslöschlich bewahrende Gemüth des Kindes der erste Mißlaut, der greller und greller darin forttönte, bis Nataliens ganzes Wesen verstimmt war. Der Vater liebte das Kind außerordentlich; aber die Kleine wandte sich mit unerklärbarer Scheu von ihm. Er durfte sich ihr nicht nähern, als sie noch auf dem Arm der Amme ihr verstandloses, nur vom Instinkt geleitetes Leben führte, ohne daß sie ihm den lebhaftesten Widerwillen zeigte. Erbittert darüber wollte er ihre Neigung erzwingen und ihr -- wie viele Thränen und Flüche erzeugte nicht schon dieser, noch bei vielen Eltern geltende Begriff! -- den Sinn brechen. Die Ruthe wurde die Zuchtmeisterin Nataliens, so oft sie bei seinen Liebkosungen weinte, und die Wirkung entsprach natürlich dem gewählten Mittel: die Abneigung der Kleinen wurzelte tiefer, und als er sie einst in ihrem dritten Jahre zwang, bei Tisch neben ihm zu sitzen, und bei hundert kleinen Possen, die sie auf sein Geheiß vornehmen mußte, freundlich zu bleiben, erlag die zarte Natur dem unzart angestrengten Geiste, und sie brachte den Rest des Tages in Verzuckungen und Krämpfen hin. Die Mutter, äußerst duldsam und nachgebend, konnte nur von ihrer so schmerzlich aufgeregten Mutterliebe den Muth erhalten, ihrem Gatten Vorwürfe zu machen, die vielleicht jetzt, nach so oft und so lange unterdrücktem Gefühl, zu unfreundlich wurden. Dies, und die eigne unangenehme Empfindung, mit der er, an Nataliens Wiege, den Konvulsionen zusah, die ihren Lebensfaden zu zerreißen drohten, wirkten wie oft im ähnlichen Fall. Das Bewußtseyn des eignen Unrechts wurde Bitterkeit gegen die arme kleine Natalie, die er aus seinem Herzen verstieß. Ihren Platz nahm ein später geborner Knabe ein, dem alle Liebkosungen, alle Vorzüge des Lieblings zu Theil wurden, während Nataliens ungewöhnlich früh sich entwickelnder Geist den Druck unverdienter Strenge und Härte erleiden mußte. Die Mutter suchte ihr dies heimlich und verstohlen durch innigere Liebe zu ersetzen, ob sie gleich in Gegenwart ihres Mannes das Kind kaum zu beachten schien. Unbeschreiblich tief wurde das junge Gemüth hiervon ergriffen, und der trübe Anklang, den es in Natalien weckte, tönte durch ihr ganzes Leben fort. In ihrem vierten Jahre wurde sie zu einer alten Demoiselle in die Schule geschickt, die keine andre Hülfsmittel des Unterrichts kannte, als die Fibel und Luthers Catechismus. Die Bequemlichkeit der Mutter, die es lästig fand, das Kind zu Hause zu beschäftigen und zu hüten, und keine Ahndung davon hatte, daß es auch in der Schule schlecht aufgehoben seyn könne, spannte die Kleine in dies Joch. Trotz der erbärmlichen Anweisung, lernte sie in acht Wochen fertig lesen, und diente nun der pädagogischen Eitelkeit der Erzieherin zum Spielwerk. Aber so wie die Leidenschaftlichkeit ihres Gemüthes, durch das Gefühl unverdienter Härte und unschuldig erduldeten Wehes im elterlichen Hause, aufgeregt wurde: so ward jetzt in der Schule ihre Phantasie zu einer noch verderblichern Thätigkeit gereizt. Von den sechs Stunden, die sie täglich in einem kleinen, engen Zimmer zubringen mußte, war nur eine dem Hersagen ihrer Lektion und dem Lesen ihrer Blattseite bestimmt. Die übrige Zeit mußte sie unthätig und still sitzend, mit der Fibel in der Hand, zubringen. Nur das rege Spiel ihrer Phantasie vermochte diese Stunden auszufüllen, und zu diesem Nachtheil gesellte sich später noch der des vielen Auswendiglernens von Gesängen und Sprüchen, welches, da sie dem Gelernten keinen Sinn geben konnte, ihrem Gedächtniß die gefährliche Fähigkeit erwarb, auch unbegriffen zu fassen und zu bewahren. Unter diesen Umgebungen wurde der sanften Psyche bald die Mondscheindämmerung der ersten, süßen Kindlichkeit entrissen, ein Verlust für das innre Leben, der auch der Matrone noch fühlbar bleiben muß. Natalie erfuhr in diesem Zeitpunkt, als Grund der Abneigung ihres Vaters ihre frühere Antipathie gegen ihn, und diese Unnatur legte sich wie eine Schuld auf die junge Seele. Sie glaubte, nun seine Härte zu verdienen, und duldete sie mit sanfter Ergebung, die aus der Innigkeit hervorging, mit der sie sich seit dieser Entdeckung an den Vater hing. Aber eben diese Liebe machte sie gegen sein hartes Zurücktreten doppelt empfindlich. Oft fiel sie in einem einsamen Moment ihrer Mutter, die sie unaussprechlich liebte, weinend um den Hals. Diese verstand sie nicht, ließ dies unbemerkt hingehen, oder nannte ihr Weinen wohl gar Unart. Viel Güte mußte aber die Natur in Nataliens Herz gelegt haben, weil sie, so von allen Seiten gepreßt, doch unverstockt und weich, und sogar gegen den vorgezognen Bruder, dem sie ein willenloses Spielwerk seiner Unarten seyn mußte, liebevoll blieb. Nur eine sonderbare Verschlossenheit, und eine für ihr Alter ungewöhnliche Tiefe und Leidenschaftlichkeit der Empfindung kam in sie. So ward sie sechs Jahr. Eines Tages wurde sie wegen einer zerrissenen Schürze von ihrer Mutter bestraft. Der Vater trat unerwartet ins Zimmer, und, ohne sich nach der Ursache zu erkundigen, entriß er der Mutter die Ruthe, und schlug unbarmherzig auf das zu seinen Füßen nur noch winselnde Kind los. Empört fiel ihm die Mutter in den Arm und während er sich von ihr loszumachen, und sie aus dem Zimmer zu drängen strebte, floh die arme Natalie zum Fenster -- und stürzte sich, vor den Augen der Eltern, aus dem zweiten Stock des hohen Hauses, auf die Gasse hinab. Ein Wunder erhielt sie unbeschädigt, aber die feineren Lebenstheile hatten durch die heftige Erschütterung gelitten und sie fiel in eine lange, gefährliche Nervenkrankheit. Ihr Vater schwur der Mutter, Natalien nie wieder zu züchtigen und ihr die Erziehung derselben allein zu überlassen; allein mit diesem Schwur war ihr auch der Vater ganz verloren. Nie vergab er ihr die Empfindung, mit der er sie für todt von der Straße aufgenommen und der Mutter entgegengebracht hatte. Noch vor Weihnachten warf sie jene Krankheit nieder, und als sie zum erstenmal wieder von ihrer Mutter, die sie mit der treuesten Zärtlichkeit pflegte, an die Luft getragen wurde, standen die Pfirsichbäume des Gartens hinter dem elterlichen Hause in voller Blüthe, und die Sonne lächelte das kleine Wesen aus dem blauen wolkenlosen Frühlingshimmel freundlich und erquickend an. Nie vergaß Natalie dieser Stunde. -- Kann aber der Mensch hienieden schon getröstet und freundlich einig mit dem Leben werden, wenn er als Kind solche Thränen weint? -- Natalie wenigstens ward es nie. -- Sie genas; aber eine große Nervenschwäche blieb ihr zurück, und von der Schönheit, welche sie, vor dieser Krankheit, unter allen Kindern der Stadt auszeichnete, sah man keine Spur mehr. Lange noch mußte sie aus Schwäche auf Krücken gehen und über ein halbes Jahr blieb sie völlig taub. So, von jeder Freude, jedem Spiel der Kindheit geschieden, öffnete sich ihr in der Lectüre eine neue Quelle des Genusses. Ihre Eltern lebten rauschend gesellig, sahen viel Gesellschaft in ihrem Hause und waren noch öfter abwesend. Die Mutter konnte, wenn sie auch gewollt hätte, diese Lebensweise nicht ändern, und da Natalie nicht auf dem gemeinschaftlichen Kinderzimmer bleiben konnte, räumte man ihr ein kleines Stübchen ein, dessen Fenster auf einen nur sechs Ellen großen Hof gingen, gab ihr ein eignes, altes, treues Mädchen zur Pflegerin und überließ sie so sich selbst. Ihren Vater sah sie in diesem kleinen Stübchen nie; ihre Mutter alle Tage mehreremale, aber außer ihrem Arzt weiter keinen Menschen. Ach, die gute Mutter brachte ihr fast täglich etwas, woran sie sich freuen sollte, und das leidende Kind war ihrem Herzen näher denn je. Das einzige, was Natalie liebte und forderte, waren Bücher. Sie erhielt deren, so viel sie wollte, aus einer Leihbibliothek, und keiner bekümmerte sich darum, was sie las. Unersättlich gab sie sich diesem Genuß hin, der ihr eine Welt neuer Bilder zuführte, und in dieses so reizbare, so unnatürlich aufgeregte und verletzte Gemüth zogen nun die Heroenbilder der griechischen und römischen Welt ein. Ihr Inneres erhob sich in der Begeisterung für diese Gestalten, die ihr nicht fremdartig erschienen; aber sie lernte sie nicht aus Schriften kennen, die für ihr Alter berechnet waren, und so traten die Gräuel entarteter Menschheit, Laster und Verbrechen in einem Zeitpunkte vor sie hin, wo der jugendlichen Seele noch alles als reizende Dichtung erscheinen soll, aus der sich dann später die Blüthe des Ideals entwickelt. Für Natalien hatte das Ideale dieser Heroengestalten der Vorwelt auch noch den Nachtheil, daß es ihren Sinn für einfache Güte und schimmerlose Tugend schwächte und sie später oft verleitete, Extravaganz mit Größe, Ungewöhnlichkeit mit Originalität zu verwechseln. Alle ihre Gedanken und Empfindungen nahmen eine hohe, stolze, begeisterte Gestalt an, weil sie glaubte, nur so könne und müsse die Tugend sich äußern. Nach ihrer gänzlichen Wiederherstellung sandte man sie in eine französische Schule. Auch hier ward Prunk mit ihr getrieben, da sie schon nach Verlauf von vierzehn Tagen richtig las, und ihre Mutter erfuhr nun, daß Natalie ausgezeichnete Geistesanlagen habe. Eifrig sorgte sie jetzt für Lehrer aller Art, und zweifelte keinesweges, daß sie ihrer Tochter nicht allein eine glänzende, sondern auch eine Erziehung gebe, die, nach ihrer Ansicht, nichts zu wünschen übrig ließ. Auch jetzt in der Schule blieb Natalie sehr einsam. Alles, was sie umgab, drängte sie mehr in sich selbst zurück, und sie versank so in die innre Welt ihrer dämmernden Phantasieen und Träume, daß die Erscheinungen der äußern unbeachtet an ihr vorüber glitten. Alle ihre Freistunden füllte Lektüre aus, und ihr Kopf wurde ein wahres Chaos von dichterischen Ideen und einzelnen wissenschaftlichen Notizen. Ihr Gedächtniß faßte ungeheuer viel, und bei allem, was sie las, dachte sie an ihr künftiges Leben und suchte es darin zu verweben. So war sie nur noch an Jahren Kind, aber ihrer Phantasie, ihrem Herzen, ihrem Gemüthe nach, ein sechzehnjähriges, tieffühlendes Mädchen. Schwärmerische Religiosität und eine stille elegische Wehmuth waren die Grundtöne ihres Wesens, mit denen eine trübe, namenlose Sehnsucht innig verschwistert war. Die vielen Romane die sie las, vorzüglich Lafontaines Werke, die sie in diesem Zeitpunkt allen andern vorzog, machten sie frühe mit dem Glück und mit der Gewalt der Liebe bekannt, und der tägliche Besuch des Schauspiels vermehrte noch das Unheil, das ihr unausbleiblich aus dieser vorzeitigen Kenntniß erwachsen mußte. Einzig in den Träumen ihrer Phantasie lebend, entfremdete sie sich ganz der Wirklichkeit, und bald gelang es dieser Zauberin, ihr eignes Leben, das drückende Verhältniß zu ihrem Vater, die verstohlne Liebe der Mutter, mit einem Kolorit auszuschmücken, dessen Reiz ihr Ersatz für die Bitterkeit desselben wurde. So verlor sie schon als Kind die Wahrheit der ersten Gefühle an leere Phantasieen, die sie auf die Gränzlinie führten, wo ein dichterisches Leben sich von der Wahrheit scheidet, mit der es vereint bleiben muß. Ihr Vater nannte sie seit jenem Sprung aus dem Fenster nie wieder Tochter -- nie hörte sie seit jenem Tage ein freundliches Wort von ihm; kaum seine Hand durfte sie küssend berühren, und noch nie hatte sie erfahren, wie es sich in Vaterarmen und an einem Vaterherzen ruhen lasse. Bei Tische nur sah sie den ihr allein Unfreundlichen, der gegen seinen Sohn und die kleine Elise, ihre Schwester, der liebevollste Vater war. Alle ihre Bedürfnisse erhielt sie aus der Hand ihrer Mutter, und wenn der Vater Spielzeug oder Näschereien kaufte, war Natalie nie mit in der Austheilung begriffen. Sie war ausgestoßen aus dem Kreise seiner Kinder, und ihr Herz wurde unter dem Schmerz dieses Gefühls so weich, daß alles sie verletzte. Sie glaubte sich von keinem geliebt; selbst die Zärtlichkeit ihrer Mutter schien ihr nur Mitleid, und der Glaube an Menschenherz, den Kinder so rein und ungetheilt haben, war ihr fremd. Die Furcht, zurückgestoßen zu werden, machte ihr jede Annäherung unmöglich, und ihr schüchternes, oft für Einfalt gehaltenes Wesen, ihr gänzlicher Mangel an Kindlichkeit und an jugendlicher Lebhaftigkeit, zog auch nicht zu ihr hin. Aber wo ihr ein Laut der Liebe, eine Miene milden Wohlwollens entgegen kam, da hing sie sich denn auch, fast immer unerrathen von dem Gegenstande, mit unaussprechlicher, leidenschaftlicher Innigkeit an. Diese fand sie nie erwiedert, und so grub sich das schmerzliche Gefühl des Allein- und Verlassenseyns immer tiefer in das jugendliche, verstimmte Gemüth, das keinen andern Trost hatte, als sich in seiner eignen Tiefe immer heißer zu schmerzlichen Gefühlen aufzureizen. Aber auch im äußern Leben ward sie nur zu oft unzart angefochten. Ein Beispiel davon werde aus vielen hier angeführt. Ihr Vater kaufte ein nur wenige Meilen von seinem Wohnorte gelegenes Gut. Es wurde verpachtet, doch mit dem Vorbehalt, daß die Familie jeden Sommer einen Monat dort leben wolle. Natalie liebte, wie fast alle jungen Leute, das Landleben, das sie bis dahin nur aus Dichtern kannte, und der erste in P.... verlebte Monat wurde der glücklichste ihres Lebens. Das Gut hatte eine sehr angenehme Lage am Ufer eines mit Holz bekränzten Sees, und dieser Aufenthalt wurde für Natalien zur Quelle eines ihr ganz neuen Genusses, der ihr Herz mehr befriedigte, sie stiller und in sich heitrer machte, als Alles, was ihr bis dahin geboten war. Weinend schlich sie am Morgen der Abreise im Garten umher und küßte verstohlen die Blätter und Blumen der Gänge und Lauben zum Abschied. Mit jedem Monat wurde in der Stadt das Bild der zu P.... verlebten Zeiten in ihrer Seele heller und mit froher Sehnsucht erwartete sie im folgenden Jahre die Reise dorthin. Der Sommer kam und mit der ersten kindlich frohen Empfindung ihres Lebens hörte sie den Tag zur Abreise bestimmen und sah die Koffer packen. Der Wagen fuhr vor -- alle waren schon eingestiegen; nur Natalie stand noch am Schlage, als der Vater ganz unerwartet das harte Wort sprach: sie soll nicht mit! Ins Auge der Mutter stieg eine Thräne. Natalie fühlte sich durch diesen despotischen Befehl ängstlich beklemmt -- ohne jene Thräne der Mutter wäre ihr Herz daran versteinert. -- Jetzt trat sie mit der unbeweglichen Miene, die ihr den Augen des Vaters gegenüber, die lange Uebung, ihre Gefühle zu verschleiern, gegeben hatte, nur näher, um mit stummer Unterwürfigkeit seine Hand zum Abschied zu küssen. Doch als sie sich nun zur Mutter wandte und in ihrer innigen, wehmüthigen Umarmung fühlte, wie weh dem Mutterherzen war, wurden ihre Augen naß -- schnell rollte der Wagen fort und Natalie blieb von der ganzen Familie +allein+ zurück. -- O wie schwer legte sich das eiserne Gewicht dieses grausamen Wortes auf ihr Herz! -- Ihr Gefühl war zu bitter für Thränen, und das mitleidige Bedauern der Dienstboten verhärtete sie noch mehr, weil sie sich dadurch gedemüthigt fühlte. Als ihre Mutter ihr aber am folgenden Tag durch einen Boten ihre mit eingepackten Kleider und zugleich Geld zu einem Dutzend Comödienbillets sandte, erweichte sie dies Zeichen der Liebe und der Theilnahme, und sie weinte viel. Die gute Mutter that noch mehr; zu klug, um Natalien offne Mißbilligung des väterlichen Betragens zu zeigen, schrieb sie an eine ihrer Freundinnen und bat sie, sich der Kleinen während ihrer Abwesenheit anzunehmen. Diese kam und fand Natalien in dem einsamsten, verstecktesten Winkel des Hauses, still weinend. Vor dem Anblick der fremden Gestalt stockten Nataliens Thränen, -- aber der milde, tröstende Ton der fremden Stimme zersprengte die Hülle der tiefen Verschlossenheit, die gewöhnlich das wunde Herz der armen Kleinen deckte, und sie weinte sich an den fremden, theilnehmenden Herzen recht sanft aus. Aber keine Klage, kein Vorwurf kam über ihre Lippen -- sie hatte nur Thränen, die aber noch lange noch viele Jahre nachher, schmerzend bei dieser Erinnerung flossen. Das erste Wiedersehn der Mutter und Tochter, bei der Rückkehr vom Lande, war rührend. Die Ungerechtigkeit des Vaters, und das monatlange Entbehren des geliebten Kindes, machten die Mutter muthiger, ihre Liebe für Natalien zu zeigen, deren dankbares Herz dieser erhöheten Zärtlichkeit einen Werth gab, der ihre eigne Liebe zur heißesten Schwärmerei erhob. Auch ihre Schwester Elise wurde ihr immer theurer. Sie trennte sich wenig von ihr, und ob gleich sie selbst nie mit einer Puppe gespielt hatte, nähte sie doch jetzt häufig und viel für die Puppe der Schwester. Dabei lehrte sie sie lesen und erzählte ihr Geschichten, die sie für das Alter der Schwester artig und faßlich einzukleiden wußte. Auch war ihr die Kleine fast ganz übergeben, und Mutter und Wärterin ruhig, wenn sie sie unter ihrer Aufsicht wußten. Bis zum eilften Jahr rang Natalie noch mit der von ihrer Krankheit zurückgebliebenen Nervenschwäche; aber da entfaltete sich ihr bis dahin verspäteter Wuchs so schnell, daß sie in Jahresfrist ihre, das Mittlere übersteigende, Größe erhielt. Man glaubte sie nun nicht länger wie ein Kind ansehn und behandeln zu dürfen, und ihre Mutter beschloß, sie confirmiren zu lassen, wodurch sie nach der noch bestehenden Sitte ihrer Vaterstadt, gesellschaftsfähig wurde, da bis zu diesem Zeitpunkt die jungen Mädchen strenge von allen öffentlichen Vergnügungen und großen Gesellschaften ausgeschlossen sind. Natalie ward also dem Prediger vorgestellt, dessen Religionsunterricht sie, gemeinschaftlich mit den andern Catechumenen, einen Winter lang besuchen sollte. Der religiöse Anklang ihres Innern hoffte hier Nahrung zu finden, und fand sie. Was ihr gepredigt ward, war streng orthodoxe Glaubenslehre, deren Mystizismus Natalie aber wie Poesie ergriff. Von dieser Seite war sie noch unangefochten, unschuldig und selig wie ein Kind. Auch lag eine religiös-moralische Tendenz tief in ihrem Gemüthe. Sehr früh fing sie an, sich zu beobachten, zu prüfen und nach dem Einen, was ihr Noth schien, zu streben. Mystik und Glaube waren so durch alle Adern ihres Gemüths gegangen, daß man sie nicht von diesem lösen konnte, ohne es unheilbar zu verwunden, und auch hier trat jetzt ein feindseliges Wesen zu ihr, und führte sie aus den Blumengefilden ihres lebendigen Glaubens in die Wüste einer todten Speculation. Diese Religionsstunden besuchte mit Natalien die Tochter eines sehr angesehenen Kaufmanns, Emma Busch. Die beiden Mädchen kannten sich bis zu diesem Zeitpunkt wenig, kamen sich aber jetzt näher, und Natalie, deren Weg zum Hause des Predigers bei Emmas Wohnung vorbei führte, holte diese gewöhnlich ab. Hier lernte Emmas Vater sie kennen. Dieser, ein Spötter alles Heiligen und Schönen und der Apostel einer Lehre, die alles frech verlacht, was die Farbe eines tieferen und seligeren Lebens trägt, fand Natalien mit ihrem sinn- und geistvollen Blick und ihrem, zu ihrem Alter so wenig passenden, trüben Ernst, so auffallend, daß er sich ihr näherte. Emma theilte ihm einige Aufsätze mit, worin Natalie niedergelegt hatte, was sie von den Lehren des Predigers in ihrem Herzen bewahrte, und er fand in ihnen eine so feste Zuversicht des Unsichtbaren, ein so sehnsuchtvolles Ergreifen des Ueberirdischen, eine so liebevolle Schwärmerei für jedes Gebot der Glaubenspflicht, daß es ihm der Mühe werth erschien, den Geist und das Herz, dem sie entflossen, näher kennen zu lernen. Emma bat jetzt, von ihm geleitet, Natalien häufig zu sich; der Vater gesellte sich oft auf dem einsamen Zimmer der Tochter zu ihnen und fand Mittel, Natalien zum Reden zu bringen. Ihre Religiosität hatte sie ihm in einem fast lächerlichen Lichte gezeigt und nur die Sonderbarkeit der Erscheinung ihn angezogen. Jetzt lernte er ihren Geist und die mannigfaltigen Kenntnisse, die sie so spielend eingesammelt hatte, daß sie selbst sie für höchst unbedeutend hielt, achten, und bedauerte, daß diese nur für den Aberglauben wuchern sollten. Großmüthig beschloß er, sie aufzuklären und sie für sein System und seine Philosophie des Lebensgenusses anzuwerben. Der Spott, mit dem er jetzt das Heiligste angriff, das gutmüthige Bedauern, daß sie mit ihrem, hellerer, höherer Erkenntniß so fähigen Geiste, auf einer Bahn wandle, wo sie nur den Pöbel der Geisterwelt zu Gefährten habe; die Zuversicht, mit der er behauptete, sie werde sich früher oder später von dieser geistigen Unmündigkeit lossprechen und sich den denkenden Menschen aller Nationen zugesellen, die es ja einstimmig schimpflich fänden, +zu glauben+, wo die Vernunft zu +wissen+ fordre, erregten bald in Nataliens Gemüth -- dessen Selbstständigkeit noch nie der Beifall eines geachteten Menschen weckte -- eine Zwietracht, die Busch künstlich nährte und immer giftiger machte. Eine leise warnende Stimme trieb sie von ihm hinweg; aber sein Witz, sein glänzender Geist, und die Anerkennung des ihren, die er zuerst ihr zeigte, zogen sie immer wieder zu ihm, der ihr jene warnende Stimme bald als Stimme des Vorurtheils verdächtig zu machen wußte. Frech zerriß er den Isisschleier, der das Heiligste im Menschen, die Mystik, deckt -- wie eine Leiche zergliederte er ihr ihren frommen Wahn und vertröstete sie, bei ihren bangen Zweifeln und Klagen, bei ihrem Ringen nach Wahrheit, immer auf das helle Sonnenlicht, das dieser Nacht, in die er sie hinabstieß, folgen sollte. Lange und schmerzlich kämpfte sie gegen diese neue Lehre; aber allmählig erkaltete ihr Herz gegen das Wesen, das nur noch in ihrem Begriffe wohnen sollte, und gefühllos seelig blieb, wenn die Kreatur hienieden verging in unnennbarem Schmerz. Sie erlaubte sich jetzt ein System, dem der edle Ernst einer strengen Pflichterfüllung einwohnte; aber mit dem Glauben verlor diese Pflicht ihre Huld, und die Tugend wurde ihr zu einer strengen Disciplin, die keine freie, freudige Uebung des Schönen duldete. Sie hatte dieses -- wie es in ihrem Alter auch sein soll -- bis jetzt mehr begeistert empfunden, als geistig begriffen, und es war noch nicht durch ihr ganzes Wesen gegangen, um sich unzertrennlich mit ihm zu verbinden. Daher hatte später ihr Gemüth einzelne lichte Punkte, ihr Karakter treffliche Seiten; aber dem Ganzen fehlte Einheit und Harmonie. Von frühster Jugend an verworren und angefochten durch alles, was sie umgab, trat jetzt in einem für ihre innere Bildung entscheidenden Zeitpunkt, Busch zu ihr, und was er ihr als die Lehre einer neuen geistigen Offenbarung gab, trennte die Hauptkräfte ihres Gemüthes; ihre Seele floh verschüchtert zurück, und der Geist eignete sich, der Natur entgegenstrebend, die Natalien bestimmt hatte, schöner in ihrem Herzen als in ihm zu leben, fast ausschließend ihre fernere Bildung zu. Wo in den nächstfolgenden Jahren Kindlichkeit und Wahrheit in ihr aufgingen, war es als wehmüthiger Anklang einer Zeit, die sie nie klar genossen hatte. Dieser Gang ihrer Bildung zog sich durch viele Jahre verderblich fort, und traf mit den Begebenheiten ihres äußern Lebens zusammen, deren Faden wir hier wieder aufnehmen müssen. Das Osterfest kam und mit ihm der Tag ihrer Einsegnung. Tief erschüttert legte sie in der Kirche, an der Spitze von achtzig jungen Mädchen, im Namen aller, ihr Glaubensbekenntniß öffentlich ab, und sank fast ohnmächtig zu den Füßen des Predigers, als er ihr das Gelübde abforderte, im Leben und im Tode einer Lehre treu zu bleiben, die Ihr ein Gewebe von Pfaffentrug und Pfaffenwahn zu seyn dünkte, und deren wahrhaft göttlichen Geist sie nicht von den ihn umhüllenden und verdunkelnden Menschensatzungen zu sondern wußte. Derselbe Abend war bestimmt, sie in die geselligen Zirkel ihres Wohnortes einzuführen. Ihre Mutter fuhr den Nachmittag mit ihr Visiten zu machen und am Abend in eine sehr zahlreiche Assemblee. Hier trat nun die kaum vierzehnjährige Natalie in einen Zirkel von Mädchen, deren fast keins unter sechszehn Jahr war, und von Jugend auf mit dieser Lebensweise vertrauter und bekannter denn sie, sich darin leicht, wie in einem angemessenen Element, bewegten. Natalie dagegen verstand nichts schlechter, als die Kunst zu figuriren. Die Welt und der sogenannte Weltton waren ihr nicht fremd; sie kannte beide aus ihren Romanen ziemlich richtig; aber die Befangenheit der jugendlichen Schüchternheit lag auf ihr und genirte sie in allem. Ihr Herz zog sie zu keinem von diesen Menschen hin; es waren ihr Gestalten aus einer ihrem Sinn fremdartigen Welt, und keine Glanz- und Gefallsucht reizte sie, sich ihnen gleich stellen zu wollen. So blieb sie, von den Herren unbemerkt, von den jungen Mädchen für einfältig, oft auch für stolz gehalten, allein, und nur bejahrte Männer sah man zuweilen im freundlichen Gespräch mit ihr, so wie auch manche ältere Frau für sie das Lob eines guten, bescheidenen Mädchens hatte. Die Liebe hatte von jeher eine zu wichtige Rolle in den Träumen ihrer Phantasie gespielt, als daß sie jetzt nicht unwillkührlich unter den jungen Männern nach einer Aehnlichkeit mit ihrem Ideal hätte umherblicken sollen. Aber keiner kam ihm nahe, und sie war zu stolz, einem Manne gefallen zu wollen, den sie nicht ganz vorzüglich achtete. Natürlich fand sie, unter diesen Umständen, das gesellige Leben sehr fade, und zog sich bald, soviel als möglich, in ihre stille, geliebte Einsamkeit zurück, die ihr der gehaltvollern Freuden so viele bot. Nur Konzerte und Schauspiele versäumte sie selten. Wie musterhaft sie aber selbst das Pianoforte und die Harfe spielte, wie kunstmäßig ausgebildet ihre schöne Kontra-Altstimme war, wußte, ihre Lehrer ausgenommen, niemand, da sie vor ihren Eltern, die selbst nicht musikalisch waren, und vor Fremden, höchstens einen leichten Tanz, eine gewöhnliche Arie, spielte und sang. Musik, Lectüre, Malerey, feine weibliche Handarbeiten und der Unterricht ihrer Schwester, deren einzige Lehrerin sie in diesem Zeitpunkt war, füllten ihre Zeit so angenehm aus, daß sie die Stunden verloren achtete, die sie der Gesellschaft opfern mußte. Ihre Rolle darin wurde ihr bald so langweilig, daß sie sich den Spielparthien anschloß, weil ihr diese Art der Langeweile noch die erträglichste zu seyn schien. Ihre Mutter überließ sie in der Wahl ihrer Lebensweise und ihres Umgangs ganz sich selbst, und lernte sie immer mehr lieben und achten. Der Vater blieb kalt und fremd gegen sie, und mancher schmerzliche Auftritt zog noch durch ihr Leben; doch die Hofnung, durch Liebe, Treue und Gehorsam früh oder später noch seine Abneigung zu besiegen, stärkte nicht allein ihren Karakter, sondern erhielt auch ihr Herz weich und liebevoll. Um diese Zeit starb ihr Bruder Georg, mit dem sie in den letzten Jahren recht freundlich zusammen gelebt hatte. Sie hatte sein Krankenbette nicht verlassen, ob er gleich an einem sehr bösartigen Fleckfieber darniedergelegen und der Arzt dringend ihre Entfernung gefordert. Der Gedanke und das Bild des Todes waren ihr nicht fremd; seit frühster Jugend hatte sie es oft liebend angeschaut -- aber diese Zuckungen des entfliehenden Lebens, dieser verzerrende Kampf der Krankheit, eh’ er, der sanfte tröstende Genius, die Bande löset, die die Seele an den Körper fesseln, war für sie neu und schreckensvoll. Doch nur tief empfindend, und durchaus nicht empfindelnd, hielt sie bis zur letzten Minute bei ihm aus und ihre Lippen küßten sein entfliehendes Leben auf. Der Ernst in ihrem Wesen wurde durch diesen Verlust und durch den Eindruck der bei ihm einsam zugebrachten Sterbestunde, wo die Nachtlampe matter und matter aufloderte, wie sein Röcheln leiser und leiser wurde, dann mit ihm zugleich erlosch und sie ohnmächtig bei dem Todten niedersank, noch finstrer, und sie verlor das Vertrauen zu den Menschen ganz, als sie sich mit ihrer Trauer verspottet fühlte. Ihre Eltern besaßen nicht fern von dem Kirchhofe, wo Georg ruhte, ein Gartenhaus. Natalie hatte dort schon öfter einige Tage, allein mit Elisen und ihrem Mädchen, zugebracht, und that es auch jetzt, weil sie gerne einmal in früher Morgenstunde das Grab ihres Bruders einsam besuchen wollte -- und giebt es auch einen schönern, beruhigendern Anblick, als der Aufgang der Sonne über den Gräbern unsrer Geliebten? -- Auch Natalien ward hier eine ernste Stunde, voll erhebender Blicke über das Grab hinaus, voll reiner treuer Vorsätze für ein Leben, das sie nur zu lieben vermochte, wenn sie fühlte, es heilige sie für ein höheres. Tiefes wahres Gefühl zog sie auf ihre Knie nieder; sie betete innig und fühlte sich wieder in der hellen leichten Welt ihres früheren Glaubens einheimisch. Zu ihrem Unglück hatte sie Zeugen gehabt. Einige junge Wildfänge, die eine Brunnenkur so früh herausgelockt hatte, sahen durch die Thorgitter des Gottesackers ihr weißes Gewand schimmern; neugierig schlichen sie näher und sahen Natalien nun weinen, niederknien und beten. Nach vier und zwanzig Stunden war diese Erzählung zur lächerlichen Burleske verdreht, in Jedermanns Munde. Nataliens gegen den Schein des Lächerlichen krankhaft empfindliche Seele würde dadurch gekränkt worden seyn, hätte sie nicht auch von ihrem Vater die bittre Weisung erhalten, solche Narrheiten künftig zu unterlassen, und ihre Familie nicht, wie sich selbst, durch ihre Romanenstreiche zu prostituiren. -- O wie verschüchtert, wie blöde und geängstet, floh ihre Seele nach solchen Auftritten in ihre Verborgenheit zurück! -- wie scheu und sorgsam verhüllte sie ihr Herz, das so tief fühlte, wie einsam und ungeliebt es auf der Erde sey und doch mit der leidenschaftlichsten Schmerzenssehnsucht an dem Ideal eines Wesens hing, in dessen Schutz sie sich zu einem freudigeren Seyn hätte aufrichten können und mögen! -- Der einzige Umgang, für den sie Interesse bewahrte, war das Buschische Haus. Sie verbarg jetzt dem Vater auch ihr Gemüth und ihr innres Leben, da ihr eine geheime Stimme sagte, er werde sie damit nur verhöhnen; aber gern und willig traf sie mit ihm im Umtausch geistiger Ideen zusammen. Die Tochter Emma bildete sich nach und nach zur feineren Kokette, und war auch ohne allen höhern Anklang. Ihr Verhältniß zu Natalien war jenes, das man so häufig unter jungen Mädchen dieses Alters findet, und das oft Freundschaft genannt wird, so wenig es auch auf diese Benennung Anspruch machen kann, da es nichts als flüchtiges, jugendliches, aus dem öftern Zusammenseyn entstandenes Wohlwollen ist, dem in der Regel nicht die geringste Aehnlichkeit des Geistes und des Herzens zum Grunde liegt. Auch galt dies Verhältniß Natalien für nichts mehr, als was es wirklich war, bis sich ihm ein Interesse andrer Art zugesellte. -- Emma war die einzige Tochter ihrer reichen Eltern und seit früher Jugend von ihrem Vater seinem Schwestersohn +Rudolph Holm+ bestimmt, damit das Vermögen hübsch in der Familie bleibe. Rudolph hatte vor acht Jahren seine Vaterstadt als ein sehr fähiger talentvoller Jüngling verlassen, um sich auf Universitäten und Reisen für seine künftige Bestimmung als Arzt auszubilden. Bei seiner Abreise versprach ihm Busch Emmas Hand, wenn er sich durch seine Kenntnisse und seine Aufführung derselben werth machen werde, und nahm es über sich, als künftiger Vater, jetzt schon zu seinen Studien-Kosten beizutragen, da Rudolph nur ein sehr mäßiges Vermögen besaß. Dankbarkeit, Erinnerung an Emmas aufblühende Reize, die er als zehnjähriges Kind bei seiner Abreise verlassen hatte, und die Aussicht auf den Besitz ihres großen Vermögens, machten ihm mit jedem Jahr den Gedanken dieser Verbindung lieber. Nicht so Emma, der sein Bild ganz fremd geworden war und die in ihm nur das Hinderniß einer Verbindung mit ihrem Geliebten, dem Hofrath M... sah. Jetzt, da die Zeit der Zuhausekunft Rudolphs sich nahte, bat er ihren Vater um Erlaubniß, mit seiner reizenden Cousine Briefe wechseln zu dürfen, und Emma erhielt nun einen Brief, der zu ihrem gehaltlosen Wesen und zu ihrem ungebildeten Geiste einen, ihr selbst fühlbaren, Contrast bildete. Sie theilte ihn Natalien mit, und da diese sich durch den Geist, der daraus sprach, eben so angezogen wie Emma abgeschrecket, fühlte, so ließ sie sich nicht lange bitten, dieser bei der Antwort zu helfen. Die Hülle eines fremden Namens schützte sie vor der schüchternen Verlegenheit, mit der sie unter ihrem eignen auftrat, und Rudolph fühlte sich lebhaft von dem geist- und gefühlvollen Wesen angezogen, das sich ihm im Spiegel dieser Briefe zeigte, die Natalie bald ganz allein schrieb und Emma nur kopirte. Die Zartheit des Verhältnisses zwischen Rudolf und dieser, gestattete für alles +Künftige+ nur leise Andeutung, und so berührten seine Briefe nur Gegenstände der Kunst, der Litteratur und der Natur Italiens, wo er sich eben aufhielt und von wo er nach St. zurückkehren sollte. Natalie begleitete ihn in ihren Antworten auf allen seinen Wanderungen durch dies Land der Herrlichkeit, und welcher Anklang auch dort durch Kunst, Natur und Vergangenheit in ihm geweckt wurde, immer wurde er von ihr verstanden und traf auf Sinn und Gefühl für das, worüber er sich entzückt, gerührt, begeistert, gezeigt hatte. Er lernte so ihren gebildeten Geist und ihre Kenntnisse kennen, wie ihm die elegische Stimmung, mit der sie ihn vorzüglich gerne zu den Ruinen versunkner Größe und den Denkmalen einer herrlichern Vorzeit begleitete, ihr tiefes Gefühl verrieth. -- Groß -- schwärmerisch -- begeistert für Liebe, Vaterland und Freiheit, wie er ihr erschien, mußte er Nataliens ganze Seele mit desto unwiderstehlicherer Macht ergreifen, da sie bisher fremd und einsam unter Menschen gelebt hatte, die ihres Herzens heiligste Melodien nur mit dem Schellengeklingel eines seelenlosen Leichtsinns zu begleiten vermochten. Selbst der exzentrische Sinn, den Rudolf zeigte, mußte auf Nataliens romantisches, zum Ueberspannten sich hinneigendes, Gemüth tiefer wirken, als wenn er ihr in der stillen Ruhe eines auf edle Selbstständigkeit gegründeten Karakters erschienen wäre. -- Rudolph war einer jener Menschen, welche die Natur nicht für die Mittelmäßigkeit bestimmte; doch schon in der frühsten Jugend erhielten seine Anlagen eine schiefe Richtung, die ihn den Schein mit dem wirklichen Seyn so verwechseln lehrte, daß er sie später nie wieder klar zu scheiden vermochte. In seinen Universitätsjahren sank er einmal, als Spielwerk eines tief gefallnen Weibes, bis zur niedrigen Gemeinheit. Dies Bewußtseyn raubte ihm jede jugendliche Illusion der Phantasie und des Herzens in Hinsicht auf das wirkliche Leben, das er nur noch in einer Beleuchtung aufzufassen vermochte, die einen tiefen Schatten auf die Menschheit warf, da ihm die Kraft fehlte, den verlornen Glauben und die verlorne Liebe wieder gewinnen zu können. Nach und nach starb auf diesem Wege jedes höhere Bedürfniß der Menschheit in ihm ab, und ward ihm zur Fabel. Seine ganze Cultur war nur verfeinerte, glänzend ausgebildete, Thierheit, und er vermochte mit der Leerheit dieses entgötterten Lebens zu spielen, und war eitel auf die Verruchtheit, mit der er alle seine geistigen Kräfte nur für den Genuß und die Auszierung des äußern Lebens wuchern ließ, in dem es ihm zum Höchsten geworden war, glänzend zu figuriren. Die Menschen betrachtete er nur als Maschinen zu seinen Experimenten und jede Leidenschaft war ihm bloß Aufgabe für seine seltne Kunst der Darstellung. Doch nicht bloß gegen andre war er Schauspieler, er war es auch im geheimsten Zusammenseyn mit sich selbst, und diese Selbsttäuschung gab jeder von ihm gespielten Rolle einen Zusatz von Wahrheit, der auch das unbefangne Urtheil über ihn leicht bestach. Gefühl, Witz, Humor, alles war bei ihm nur eine elektrische Explosion, zu der er sich systematisch und wissentlich vollud. -- So mußte er, um nicht unter dem Gefühl eigner Erbärmlichkeit zu Boden zu sinken, die Menschen verachten; er konnte nur zu stehen wähnen, so lange ihm jede moralische Kraft, Spannung der Leidenschaft -- die reinste Liebe, gewürzte Sinnlichkeit -- die Tugend ein Epikuräismus der Vernunft hieß, der freiwillig entbehrt, um länger, sichrer und gefahrloser zu genießen. Sein Aeußeres war anziehend. Eine große edle Figur, ein römisch geformter Kopf mit ernsten Zügen -- dunkelblaue, sehr sinn- und geistvoll blickende Augen -- eine reine, für den höchsten Affekt der Leidenschaft, wie für die Nüancen der leichtesten, witzigsten Unterhaltung, kunstmäßig ausgebildete Stimme, und eine Gabe, sich darzustellen, die der Würde an Wirkung glich, bildeten ein Ganzes, dem man mit Achtung für den Geist, der es beseelte, näher trat. Auch mißlang es ihm nur selten, Menschen für sich einzunehmen, die er gewinnen wollte; oft reizte es ihn aber, vor sich zurückzuschrecken, um später den Triumph des Sieges über diesen ungünstigen Eindruck zu genießen. Natalie ergriff, unter Emmas Namen, seine Phantasie -- das einzige Medium, durch das ihm Eindrücke kommen konnten, die er sich selbst als Gefühle anzulügen vermochte -- und er gefiel sich in der Ueberzeugung, ein so gehaltvolles Wesen zur gewaltigen Leidenschaft für sich aufreizen zu können, so wohl, daß er lebhaft auf ihren ersten Anblick gespannt war. Emma fuhr ihm bei seiner Ankunft, mit ihren Eltern und seiner Familie bis zu einem nah bei St. liegenden Dorfe, entgegen. Sie war früher voll Scheu und Widerwillen gegen ihm gewesen; allein Nataliens begeisterter Glaube an Rudolfs Karakter, die siegende Beredsamkeit ihres heißen vollen Herzens, hatten endlich Emma Vertrauen zu ihm eingeflößt. Sey nur wahr gegen ihn, ganz wahr, bat Natalie oft. O Emma, wenn du diesem edlen Menschen, dieser großen, liebevollen Seele Gerechtigkeit wiederfahren ließest: so würdest du dein Schicksal freudig in seine Hände niederlegen, überzeugt, daß er für dich und sich nur das Edelste fühlen kann. Von ihr ermuntert und beredet, beschloß Emma, sich ihm offen zu entdecken, wie sie sich auch verpflichtete, ihm Nataliens Antheil an ihren Briefen ganz und auf immer zu verheimlichen. Natalie forderte und wünschte diese Verschwiegenheit aus Blödigkeit und Demuth; das heitre Vertrauen, mit dem sie in ihren Briefen zu ihm geredet hatte, wurde jetzt, bei dem Gedanken an seine persönliche Bekanntschaft, zur ehrfurchtsvollen Scheu gegen ein, in ihrem Sinn, ihr so weit überlegnes Wesen. Emma schwieg gerne, weil ihrer Eitelkeit die hohe Achtung gefiel, die Rudolfs Briefe aussprachen, und sie sich, von ihren Reizen unterstützt, fähig glaubte, sich, ihm gegenüber, auf der Höhe erhalten zu können, auf die der Freundin Geist sie gestellt hatte. Rudolf hatte sich auf ihren ersten Anblick sentimental einstudirt und Phantasie hatte an diesem Moment so lange gebildet, daß er jetzt wirklich bewegt zu seyn glaubte, als er in der Ferne seine Mutter, seine Brüder, Busch, und neben diesem, eine weibliche jugendliche Gestalt erblickte. Rasch sprang er aus dem Wagen, und sein erster Blick suchte das Auge voll Seele, die Gestalt voll Adel und Anmuth, mit der seine Phantasie Emma geschmückt hatte, die jetzt, als eine reizende Blondine, mit einem Ausdruck von Koquetterie und Verschmitztheit, den selbst die Verlegenheit dieses Augenblicks nicht zu verhüllen vermochte, vor ihm stand. Die Worte, womit er sie begrüßen wollte, verstummten unwillkührlich, und er stand sichtbar befangen vor ihr. Schnell wurde er indessen seines Aeußern wieder mächtig, wenn gleich in seinem Innern die Wirkung des ersten Anblicks widrig forttönte. Er knüpfte ein Gespräch mit ihr an, und berührte die Saiten, die ihn in ihren Briefen so harmonisch ansprachen; aber die paar Floskeln, mit denen Emma sich für diese Unterhaltung ausgeschmückt hatte, wurden von ihm bald für das, was sie waren, erkannt, und es drängte sich ihm die Ueberzeugung auf, sie habe den von ihr erhaltenen Briefen nur ihren Namen geliehen, und ein andrer Geist, ein andres Herz habe daraus zu ihm geredet. Das Romantische dieser geheimnißvollen Unsichtbarkeit verstärkte noch bei ihm den früher erhaltenen Eindruck und diese Stimmung wurde Emma sehr günstig, da sie ihm, einige Tage nach seiner Ankunft, ihre Liebe für den Hofrath gestand, und die Entscheidung über ihre Zukunft in seine Hände legte, weil nur die Zurückgabe des von ihrem Vater erhaltenen Versprechens, diesen zur Einwilligung bewegen konnte. Galant und gern gab er sich die Miene, als opfre er ihrem Glück und der Freiheit ihrer Wahl eine sehr geliebte Hofnung, und verwendete sich bei Busch so dringend für die beiden Liebenden, daß er auch seine Einwilligung in ihre Verbindung bewirkte. Geschickt entlockte er aber bei dieser Gelegenheit Emma’n das Geständniß, daß eine ihrer Freundinnen Antheil an ihren Briefen gehabt, sie jedoch durch einen Eid verpflichtet habe, ihm nie ihren Namen zu nennen. Er hoffte indessen, seine unbekannte Freundin bald auszufinden, und die Spannung, die ihm das Sonderbare dieses Verhältnisses gab, contrastirte so angenehm mit der gewöhnlichen Erschlaffung seiner Empfindungen, daß er sich selbst mit dem Erwachen einer ihm längst verloren gegangenen Wahrheit und Innigkeit des Gefühls schmeichelte. Die ersten Tage lebte er im Familienzirkel, dann erschien er in den größern Gesellschaften, wie auch an öffentlichen Versammlungsörtern, und unterjochte bald Männer und Weiber durch den Ernst seines Wesens, der so viel tiefen Gehalt anzudeuten schien und den alle jene Talente und Annehmlichkeiten verlieblichten, ohne deren Schimmer Tugend und Seelenwerth in der Welt nur wie eine seltne Schaumünze gelten, die man begafft, ohne sie in Handel und Wandel aufzunehmen. Natalie vermied ihn in den ersten Tagen, voll wehmüthiger Ahndung und banger Sehnsucht, die sie selbst nicht verstand. Der allgemeine Beifall, den er fand, und seine Resignation auf Emmas Hand, die sie im Colorit eines schönen, edlen Opfers sah, machten sie noch schüchterner, weil sie sich unbeschreiblich unbedeutend neben ihm fühlte und ängstlich fürchtete, daß er sie, bei persönlicher Bekanntschaft, unwerth finden möge, seine Achtung, seine Freundschaft, seinen Briefwechsel, so lange unter fremdem Namen genossen zu haben. Noch immer von Allen gemißbilligt, getadelt, verkannt, oft sogar verhöhnt, war sie äußerst mißtrauisch gegen ihren eignen Werth, da ihr aus der Liebe eines verehrten Wesens noch nie das Gefühl der Billigung ihrer Individualität aufgegangen war; sie wußte, wie sie dies von gleichgültigen, ungeachteten Menschen geschmerzt hatte, und diese Erinnerung wurde ihr zum Maaßstab des unendlichen Schmerzes, mit dem sie Rudolf, den sie über alles ehrte, sich gleichgültig und achtungslos würde von sich wegwenden sehen. Es schien ihr so kühn, so unglaublich, daß er -- der Größte, der Edelste -- gerade sie, die Ungeachtete, Uebersehene, seiner Achtung, seiner Freundschaft würdigen solle. -- Emma war ihm so gut als verlobt, Emma war so hübsch, so witzig, so klug; unter der Hülle ihres Namens war es so leicht, ihm zu schreiben -- aber ihm nun als die reizlose, verlegene, im Leben oft unbeholfne Natalie unter die Augen zu treten -- ihr Stolz, ihr Herz, ihr Mißtrauen -- Alles sprach dagegen. Nein, sagte sie, von ihm unerkannt, bleibe es mein schönstes Glück, ihm schweigend durch das Leben zu folgen, und nie verrathe ihm ein Blick, ein Wort, das Herz, das ihn so unaussprechlich ehrt, und dem er einst so freundlich gesinnt war. So gestimmt, vergingen ihr einige Wochen, ehe sie den Muth erhielt, ihre Mutter in eine der Assembleen zu begleiten, wo sie gewiß seyn konnte, ihn zu treffen. Er war bei ihrer Ankunft noch nicht da, und sie nahm, wie gewöhnlich, eine Karte. Aber unwillkührlich erzitterte sie, so oft sich die Thüre hinter ihrem Sitze öffnete, und als sie endlich seinen Namen nennen hörte, der Ton seiner Stimme zu ihr drang, wechselte sie die Farbe, und verlor fast sichtlich ihre Fassung. Er ging unter den Spieltischen umher, sprach hie und da einige Worte, und sie gewann Zeit, sich für den Augenblick zu sammeln, wo er ihr, nach Endigung ihrer Parthie, von der Frau des Hauses vorgestellt wurde. Sie zog seine Aufmerksamkeit nicht auf sich; die stumme Verbeugung, mit der sie seine Anrede beantwortete, empfahl sie ihm auch nicht, und er vergaß bald, daß er sie überhaupt gesehen hatte. Natalie blieb ihrem Vorsatz, sich ihm durch nichts bemerklich machen zu wollen, treu, und änderte auch ihre Lebensweise keinesweges. Selten nur sah er sie in Gesellschaften, noch seltner in dem Kreise junger Mädchen, und wenn er sie denn einmal antraf, war es am Spieltisch, oder bei Tische an der Seite älterer Männer, unter denen es einige gab, die sich lebhaft und achtungsvoll für sie interessirten. Ihre Kenntnisse und Talente waren und blieben allen ein Geheimniß, und nie hörte er ihrer anders, als wie eines ganz gewöhnlichen Mädchens erwähnen, dem der Muthwille in seinen Aeußerungen oft einen Anstrich romanhafter Thorheit lieh. Natalie hingegen war eine desto aufmerksamere Beobachterin seines Lebens, und der Schein von Ungewöhnlichkeit, den er allem gab, was er sagte und that, wurde dem Bilde, das sie von ihm mit wahrer Andacht in ihrem Herzen trug, zum immer stralenderen Heiligenschein. Sie liebte ihn unaussprechlich, und mit der Stärke, die die ersten erwachenden Gefühle einer so glühend leidenschaftlichen Seele, wie die ihrige, bezeichnen mußte. In diesem schönen Zeitpunkt, wo ihr Herz zum erstenmal das Gefühl des höchsten Lebens inne ward, ließ selbst seine Kälte sie nicht unbefriedigt, weil es ihr genügte den Gegenstand für dies Gefühl gefunden zu haben. An eigentliche Liebe dachte sie auch nicht, und diese Gottheit feierte, wie fast immer in reinen Seelen, ihren ersten Einzug unter einem fremden Namen. Natalie nannte ihr Gefühl, Ehrfurcht, Anerkennung seines Seelenwerthes, Genuß im Anschaun der geistigen und sittlichen Schönheit seines Karakters, und kaum erlaubte sie sich den leisen Wunsch, daß seine Freundschaft einst der Lohn ihres stillen Strebens, derselben werth zu werden, seyn möge. In das Buschische Haus kam sie jetzt selten, da Emma, seit ihrer Verlobung, fast ausschließlich in der, Natalien fremden, Familie ihres künftigen Gatten lebte, und weil sie, im Bewußtseyn, wie gerne sie in Rudolfs Nähe war, voll Jungfräulichkeit jeden Ort mied, wo sie gewiß seyn konnte, ihn zu treffen. Desto emsiger suchte Rudolf nach seiner unsichtbaren Geliebten, und trat fast jedem Mädchen von Emmas Bekanntschaft näher, um die Ersehnte zu entdecken. Keine wich ihm aus, jede stand den schönen Mann gerne Rede; aber von jeder wandte er sich bald nachlässig und getäuscht ab, bis er auf Louise Wiese traf, die mit dem Zauber seltner Schönheit den Glanz eines nicht allein brillanten, sondern auch brillantirten Geistes verband. Sie nahm den allgemein gefeierten Mann zuvorkommend auf, und that, als sie den Irrthum erfuhr, der ihn ihr näher führte, nichts, um ihn zu vernichten, sondern manches, das Rudolf darin bestärken mußte. Die Entfernung, in der sie Rudolfen bis jetzt geblieben war, ihr wörtliches Abläugnen jedes Antheils an Emmas Briefen, den sie doch oft in unwillkührlichen Aeußerungen zu verrathen schien, erklärten sich ihm durch ihre Verlobung mit einem Manne, dem sie, wie man allgemein wußte, nur in Rücksicht auf sein Vermögen und den Wunsch ihrer Eltern, ihre Hand versprochen hatte. Louisens Geist vermochte den seinen zu fassen; sein Witz belustigte sie; ihre Eitelkeit gefiel sich in seiner Auszeichnung, und unmerklich gewann sie wahres Interesse an ihm; aber die Empfindung, die Flamme schöner Begeisterung für Alles, was den Menschen erhebt und veredelt, die Natalie ihm gezeigt hatte, galt Louisen nur für eine halb tragische, halb romanhafte Posse, und so ließ sie Rudolfen bald unbefriedigt. Die schönsten, geistvollsten Weiber mehrerer Länder waren ja schon sein gewesen -- was er jetzt suchte, und in der Schreiberin jener Briefe zu finden glaubte, war ein weibliches Wesen, das mit hoher Geistesbildung, die Neuheit des Herzens, die Reinheit des Sinnes und das tiefe, leidenschaftliche Gefühl verband, von dem er sich versprach, daß es seine eigne erstorbene Empfindung wieder wecken, und ihm einen Genuß gewähren würde, um dessen Art und Wesen er nicht bestimmt vorher wußte. Das weibliche Geschlecht war ihm in allen seinen Schwächen und Eigenheiten bekannt, und eben darum langweilig geworden. Nur fremde Leidenschaft konnte ihn noch reizen und spannen, und je seltener man mit der Biegsamkeit der meisten weiblichen Karaktere jene Stärke des Karakters, jene Energie der Seele, die alle Kräfte und Empfindungen, unzertheilt, wie Sonnenstrahlen in einen Brennpunkt in dem, mit unermeßlicher Liebe umfaßten Gegenstande sammelt, vereint findet, je mehr dürstete er, sie zu finden. Er fühlte, Louisens Liebe für ihn werde in ihrem Leben nie mehr als eine Episode werden, und so spürte er, ohne doch das mit ihr angeknüpfte Verhältniß aufzugeben, von Neuem wieder, wie ein Raubvogel, nach dem Herzen umher, das er zu seinem Opfer ausersehen hatte. -- Das Schicksal trieb jetzt Natalien aus der Unsichtbarkeit, die sie so lange geschützt hatte, hervor -- er erblickte sie, und tief und blutig schlug er seine Krallen in das weiche, wehrlose Herz. Von allen Vergnügungen liebte Natalie nur die Maskeraden. Hier schwand ihr das drückend Einengende des gewöhnlichen Lebens, und frei zeigte sie oft unter der Maske ihren Witz und ihre Laune, die aber fast immer nur verhüllter Unmuth über die Leere des Lebens und über die Schaalheit der Menschen war. Jetzt erneuerte der Winter die Maskenbälle, und es vereinigte sich manches, den ersten dieses Winters glänzend und zahlreich zu machen. Natalie fuhr, als Pilgerin gekleidet, mit ihrer Mutter hin, und trieb sich unter dem Gewühl herum, als plötzlich ein feierlicher, schauerlicher Marsch die Tanzmusik unterbrach. Eine Reihe seltsamer, schauererregender Gestalten trat ein. Die blutgefärbten, entblößten Arme, die finstern, fantastischen Gewänder, die Schlangen ums Haupt und auf der Brust, die Feuerbrände, und der aus Menschengebeinen gethürmte Altar, den sie in der Mitte des Saals aufstellten, kündigte sie als dem Schönen und der Freude abholde Wesen an. Die Feier ihrer Mysterien begann, und plötzlich stand in gigantischer Größe und furchtbarem Ernst der Gebieter unter ihnen. Ein Wink von ihm, und die Flamme des Altars schlug prasselnd in die Höhe; ein zweiter Wink ordnete diese Gruppen zu einem Tanz, den aus der Ferne eine Musik begleitete, in der man den Schrei der Verzweiflung, den Seufzer ewiger Hofnungslosigkeit, zu hören wähnte. -- Ein stilles Entsetzen schlich durch den weiten Saal -- unwillkührlich erweiterte sich der Kreis, der diese Gestalten, für die man keinen Namen hatte, einschloß. Plötzlich wie er erschienen war, verschwand der Gebieter, und, als rufe ein stummer Befehl sie in ihre Welt zurück, stürzten Tänzer und Tänzerinnen in unordentlicher Eile und Verwirrung zum Saale hinaus, und ein stürmisches Allegro der wieder einfallenden Tanzmusik folgte ihnen auf ihrer Flucht. -- Das Ganze war Rudolfs Erfindung, der sich in solchen düstern Spielen einer furchtbaren Phantasie, und in dem schneidenden Contrast dieser Erscheinung zu dem frohen Treiben der versammelten Menge gefiel. Eine Theaterversenkung entzog ihn schnell den Blicken, und schon nach einigen Minuten trat er, im schwarzen Domino verhüllt, wieder in den Saal. Seine eben gespielte Rolle hatte ihm eine Spannung zurückgelassen, mit der er nicht sogleich in die lustigen Neckereien der übrigen Masken einzustimmen vermochte. Einsam lehnte er sich an einen Pfeiler, und gedachte der Namenlosen, die höchst wahrscheinlich mit dieser bunten Menge unerkannt bei ihm vorüberzog, als der Eintritt der drei Parzen ihn aus seiner Träumerei zog. Still und ernst, wie es den unsterblichen Töchtern des Orkus ziemt, wandelten die drei Schwestern durch den Saal; doch bald fesselte eine derselben seine Blicke ausschließlich. In dunkles Grau gekleidet, umfloß sie ein schwarzer Schleier, aus dem ein Gesicht hervor blickte, dessen hoher Ernst zu dem Göttlichen hinwies, wo es das Menschliche verläugnete. Erhaben und geisterartig schritt sie durch die Versammlung, und deutete dem, der sich ihr näherte, sein Schicksal in geheimnißvollen Worten. Rudolf folgte ihr und hörte eine der sinnvollen Antworten, in denen sie sich als Dienerin der ernsten, heiligen Nothwendigkeit, deren Gewalt sich jedes Erdenschicksal beugen müsse, ankündigte. Bald indessen verlor sich die Menge, der sie überdem auszuweichen suchte, und er konnte sich ihr ungestört nähern. Wird man Dich, ernste Göttin, fragte er, hier im Saal der Freude willkommen heißen? -- Ein großes dunkles Auge wandte den Blick auf ihn -- milde senkte es sich nieder, und nach einer kleinen Pause antwortete sie ihm in leisem gedämpften Tone. Weh dem Frohen, dessen Freude bei meinem Anblick erbleicht und dessen Herz kein Vertrauen zu mir bewehrt! Kann die Bewohnerin der Unterwelt dieses von dem im Lichte Gebornen, im Lichte Lebenden, erwarten? Liebe, Vertrauen und Freude wohnen nur auf der Oberwelt -- aber was die Erde deckt, was keine Sonne erhellt, ist finster und schauerlich, und mit namenlosem Grauen fassen die Schrecken der Unterwelt auch den Muthigsten. -- Und doch sendet Euch meine Welt Schatten und Träume -- doch ist schon auf der Erde das Schönste und Heiligste unsichtbar wie die Musik, und ruht wie ein heiliger Traum in Seelen, die es ahndend erkennen, daß Liebe und Schönheit im Lethe nicht untergehen. O wenn Du, Ernste, die Liebe kenntest, dann würdest Du auch um den Schmerz der Sehnsucht, um des unendliche Weh in der Brust des armen Menschen wissen, und uns erhören, wenn Liebe und Jugend um Schonung eines unersetzlichen Lebens flehen? -- Ist denn dem Menschen das Geliebte verloren, so lange er es mit Schmerzen beweint? -- Das Leben ist grausam -- es entreißt mit der Geliebten auch die Liebe; ich dagegen löse sanfter und schonender das Band der Herzen nur, um es in meiner Welt fester zu schlingen und es vor der Entweihung zu schützen, der es im Leben preis gegeben seyn würde. -- Ja Du hast Recht -- das Leben ist grausamer als Du: -- hält es doch auch mir die Geliebte schmerzlicher verborgen, als Du es zu thun vermochtest! Natalie hatte ihn beim ersten Blick erkannt. Nur die Maske verbarg ihm das Beben ihrer Stimme und ihr Erröthen bei seiner Annäherung. Diese letzten Worte rührten sie innig -- ach vielleicht, vielleicht suchte er sie -- sie fühlte, der erste Laut ihrer Stimme müsse sie in diesem Moment verrathen, und stand schweigend neben ihm. -- Ungesehen, fuhr er fort, als gehöre sie der Geisterwelt an, wandelt die Geliebte mit mir im Lichte -- gekannt, geliebt, und doch vielleicht nie von mir erblickt, nie gefunden. -- Suche sie in Deinem Herzen, stammelte Natalie leise, dann wirst Du sie auch in Deiner Nähe finden. O wenn Du die Schmerzenssehnsucht kenntest, mit der ich sie, sie allein seit frühster Jugend gesucht habe -- wie ich immer so voll Ahndung war, sie zu finden -- sie so oft rief -- Antwort zu vernehmen glaubte -- der Stimme nacheilte über Land und Meer, und dann fand, sie sey nur der Wiederhall meiner eignen klagenden Sehnsucht gewesen! -- Ich ging mit ihrem Bilde durch die ganze Natur, und sah, wie selbst das Leblose nach der schönsten Form ringet und sie findet, die Perle in der Tiefe des Meers, wie der Krystall im Schoos der Erde -- und nur der Mensch sollte ausgeschlossen seyn vom allgemeinen Gesetz der Schönheit, zu der alles anstrebt? Nein, sagte mein Herz, was die Form für das Seelenlose ist, das ist die Liebe für den Menschen, und von neuem zog die Hofnung in mein Herz. Vergeblich! Kein lebendes Weib trat zwischen mich und die gesunkene Menschheit! Keine edle weibliche Seele verhüllte mir mit ihrer Schönheit die Mißgestalt der Welt, die mein Wirken empfangen sollte! -- da ward ich rauh und hofnungslos und bitter; aber mir blieb doch noch ein Traum von ihr in der Seele -- ein Traum -- und er ward mir gedeutet -- doch auch das nur wieder im Traum, und ich stehe auf der entlaubten Stätte meiner frühern Jugend, wo ich die Geliebte zu finden wähnte, einsamer und hoffnungsloser denn je. Als Du einsam auf dem Vesuv standest, und Deine Arme der flammenden Morgenröthe entgegen breitetest, da riefst Du ihren Namen durch die feiernde Natur, und hellere Glutwolken sandte der ewig jugendliche Gott des Tages vor sich her. -- Jene Minute sey Dir Sinnbild Deines Lebens -- unter Dir der gährende Krater einer gesunkenen Welt -- über Dir der Himmel eines schönern Landes, und vor Dir die Morgenröthe der Hoffnung. -- Natalie fühlte, daß diese Anspielung auf einen seiner Briefe sie ihm verrathen mußte, und wandte sich daher, bei den letzten Worten, leise ab, um sich im Gewühl zu verlieren. Aber er faßte rasch und feurig ihre Hand -- o so trog mich, rief er aus, mein Herz nicht! ich habe gefunden, was ich so lange, so sehnlich suchte. Sie sind es, Sie -- o Gott, Sie können mir nun nicht mehr unsichtbar bleiben wollen -- Sie -- o Gott, wie soll ich Sie nennen? -- mein Einziges, mein Alles? Natalie war tief erschüttert -- ein sanftes Weinen unaussprechlicher Seeligkeit machte sie einige Minuten stumm. Mit sehr edler Haltung wandte sie sich dann zu ihm, ich werde Ihnen nicht immer Namenlos bleiben, sagte sie ihm mit den schönen Tönen der Liebe; ich lebe in Ihrer Nähe, und Sie haben mich oft gesehen, wie ich Sie. Aber daß Sie mich nicht auffanden, berechtigt mich, nach meinem Gefühl, Ihnen auch heute, in der schönsten Stunde meines Lebens, meinen Namen zu verschweigen. Rasch entwich sie und verlor sich in der Menge. Noch durchsuchte Rudolf alle Nebenzimmer, wie sie schon wieder als Pilgerin gekleidet neben ihrer Mutter stand, und sich mit einigen Bekannten unterhielt. Eben so vergeblich waren seine spätern Nachforschungen. Nataliens beide Schwesterparzen waren zwey sehr fern wohnende, in St. ganz unbekannte Mädchen, mit denen sie schriftlich alles verabredet hatte, die erst am Tage der Maskerade eintrafen, im Ballhause abstiegen, wo Natalie sich auf ihrem Zimmer umkleidete, und die am andern Morgen St. zeitig wieder verließen. Man hielt, da man dies erfuhr, die dritte Parze auch für eine Fremde, nur Rudolf traute der erhaltenen Versicherung, daß sie in seiner Nähe lebe, und er sie oft sehe. Von Neuem begann er nun wieder seine Nachforschungen, ob ihm, unter den Mädchen seiner Bekanntschaft, nirgends ein Wiederschein dieses Geistes begeben. -- Doch vergebens war alle seine Mühe, da Natalie, still und seelig in sich selbst versunken, ihm mit einer ihr selbst unerklärlichen Schüchternheit sorgfältiger denn je auswich. Eines Abends fiel in einem ziemlich vertrauten, um eine Bowle Punsch versammelten, Männerzirkel, das Gespräch auf weibliche Geistesbildung. Die mehrsten der Anwesenden wollten sie auf bloße Toiletten- und Gesellschaftskunst beschränken, welches Ferdinand mißbilligte. Man kam endlich von den allgemeinen Sätzen zur Anwendung auf einzelne Frauen und Mädchen, und fing an, Preise auszutheilen. Busch, der an dem Gespräch nur wenig Antheil genommen hatte, sagte leise zu Rudolf: da du es so gut aufnimmst, wenn die Grazien unter Minervens Helm Versteckens spielen, so hätte ich wohl Lust, dich auf ein Mädchen aufmerksam zu machen, das, fast von allen unbemerkt und ungekannt, ihren Geist und ihre Talente eben so sorgfältig verbirgt, wie andre Mädchen ihre Gebrechen. Und dies Mädchen heißt? fragte Rudolf mit der allergespanntesten Erwartung. Natalie Alberti. Wie, diese Natalie, von der ich mich kaum entsinne, drei Worte gehört zu haben, die ich fast nie anders als beim Spiel- und Eßtisch gesehen habe, diese stumme, allenthalben übersehene unbeachtete Natalie? unmöglich! -- Sie hat einen kleinen Anstrich sentimentaler Thorheit, und bei vielem Verstande fehlt ihr durchaus die Gabe, ihn geltend zu machen. Ich selbst schelte sie oft einfältig; allein nie rede ich eine Viertelstunde mit ihr, ohne diesen Mangel an Feinheit und Gewandtheit zu vergessen. ~Il y a du radotage dans ses sentiments; mais c’est le radotage de l’enthousiasme; a un caractère plein de vigueur, elle joint une sensibilité qui ne goûtera jamais le bonheur que par l’organe d’un amour passioné.~ Rudolf ging unruhig nach Hause. An dem, was Busch ihm gesagt hatte, erkannte er seine Unbekannte, und Natalie hatte er bis jetzt so ganz übersehen, daß er sich nun nicht einmal ein Bild ihres Aeußern zu entwerfen vermochte. Nach einigen Tagen erst traf er sie in einer Gesellschaft, und konnte nun nach dem ersten Blick das Auge kaum wieder abwenden von diesem jugendlichen Gesicht, voll Züge sanfter Wehmuth und eines stolzen Ernstes, der mit der einfachen, kindlichen Demuth ihres Wesens sonderbar verschmolzen war. Er sah jetzt den geistvollen Blick ihres großen dunklen Auges, das sich unter der langen Wimper so sinnvoll hob und so zart jungfräulich senkte, und wenn er sich gleich einräumen mußte, man könne dies Gesicht übersehen, so blieb es ihm dafür desto unbegreiflicher, wie ein Auge, das einmal auf dieser Gestalt geweilt habe, nicht immer unwillkührlich zu ihr zurückkehre. Er näherte sich ihr und knüpfte ein Gespräch an; ihr Erröthen, das Beben ihrer Stimme, das Senken ihrer Augen vor seinem Blick, und mehr noch, die tiefe innige Empfindung, die jedes ihrer Worte beseelte, bestätigten ihm, was er sich beim ersten Blick gesagt hatte: Sie ist es! Am andern Morgen ging er zu ihrer Mutter, sie zu einer Schlittenparthie für den Nachmittag einzuladen, und bat zugleich um die Erlaubniß, Natalien fahren zu dürfen. Sehr gern, erwiederte sie, wenn Sie meine Tochter nur bereden können, mitzufahren. Sie klingelte und ließ Natalien rufen. In ihrem einfachen, weißen Morgenanzug, in der noch ungeregelten Fülle ihrer braunen Locken, in der holden Verlegenheit bei ihrem Eintritt und in dem noch holdern Erröthen, mit dem sie seine Bitte bewilligte, erschien sie ihm sehr reizend. Natalie war jetzt gewiß, von ihm erkannt und geliebt zu seyn, und dies Bewußtseyn hob sie mit Wunderkraft zu einem stillen Selbstgefühl, das ihr die Würde und die Anmuth lieh, die das Mißtrauen gegen sich selbst bis jetzt in ihr unterdrückt hatte. Er fuhr sie am Nachmittag und fand sie in den sinn- und gemüthvollen Aeußerungen ihres Gesprächs ganz dem Bilde entsprechend, das er sich früher von ihr entworfen hatte. Je mehr er das aber erkannte, je mehr staunte er über sie, da es ihm, der alles für den äußern Schein berechnete, und der die Eitelkeit für das erste Lebensprincip der weiblichen Seele hielt, unbegreiflich war, daß man Tugenden und Talente vorsätzlich verschleiern, und sich an ihrem Besitz genügen lassen könne, ohne Prunk damit treiben zu wollen. Er zeigte ihr eben so fein als gefühlvoll die zarteste innigste Liebe, und sie genoß des unaussprechlich süßen Glückes, ihren Werth und ihre Bildung von dem Manne geehrt zu sehen, dessen Achtung das höchste Ziel ihrer Wünsche war. Er sprach ihr viel von sich, und sie faßte ihn ganz in dem wunderbaren, romantischen Lichte auf, in dessen Beleuchtung er sich ihr zu zeigen für gut fand, und wurde so mehr und mehr ein freudiges williges Opfer eigner Verworrenheit und fremder Verruchtheit. In Natalien tönte die Unterredung auf der Hinfahrt den ganzen Nachmittag und Abend nach. Sie war bewegt durch die leidenschaftliche Sehnsucht nach einem Herzen voll Liebe, die Rudolf ihr gezeigt hatte, und hielt sich für betrübt, da sie doch eigentlich nur glücklich war. Die Freude unterschied sich in ihr vom Schmerze nur durch die süßere Thräne, und ihr Herz war mit dem Kummer so vertraut, daß sie jetzt auch der schönsten Stunde seinen Trauerkranz gab. Und als sie am Abend wieder mit Rudolf nach Hause fuhr, wurde ihr der gestirnte Himmel, das eilige Hinfliegen über die beschneiete, eingefrorne Erde, das Geläute der andern voraufgeeilten Schlitten, alles, zu bedeutenden Bildern, die ihr Herz noch schwerer machten und beklemmter. Rudolf erweichte sie noch mehr durch den Vergleich ihrer heutigen Fahrt mit dem Leben, wo man auch bei heiterm Sonnenschein ausfahre und die Nacht dann so schnell komme -- und wie der Mensch nur durch die innre Wärme sich in der Jugend gegen die äußre Kälte schütze, und dann allmählig, allmählig zur Eisstatue erstarre, weil ja kein zweites Herz das seine decke und erwärme. -- Nataliens Thränen flossen -- in ihrer Seele stand der Gedanke: o sage ihm heute, wie er geliebt ist -- aber als er, ehe noch das sprachlose Herz Worte finden konnte, sich zu ihr herunter bog und fragte, ob sie, die er seit Jahren so heiß, so treu und einzig liebe, auch noch jetzt ihm unbekannt bleiben wolle? -- da -- Seelige Natalie -- verhülle nach dem leisen zitternden Laute deiner Antwort nur immer das überfließende Auge tiefer in den herabgesunknen Schleier! -- Ach, Du warst ja nur so seelig, weil Du einen Glücklichen gemacht zu haben glaubtest! -- Ja wohl rollt ihr hinweg, ihr schönen, himmlischen Minuten der jungen Liebe und des frischen Lebens -- doch wohl dem, der auch heilig genossen hat! Ihm wird das Morgenroth seiner frühern unvergeßlichen und unersetzlichen Hoffnungen und Wünsche dann im öden Lebenswinter zum Abendroth, das sich wie eine höhere Aurora um das kalte, einsame Grab legt. -- Von diesem Abend an lebte Natalie nur für ihn, und auch er fand sich in diesem ungetheilten Besitz ihres Herzens befriedigter denn je. Mit der schwärmendsten Vergötterung hieng sie mit allen ihren Gedanken, Gefühlen und Empfindungen, mit allen Wünschen, Hoffnungen und Freuden ihres Lebens an ihm. Die Freiheit, deren sie im elterlichen Hause genoß, gab Rudolf Gelegenheit, sie täglich auf ihrem Zimmer zu sehen, und in diesen Stunden stiller Unterhaltung entfaltete ihr Geist seine schönsten Blüthen. Kam die Mutter einmal herauf, so fand sie Natalien am Flügel, wo Rudolf mit seiner Flöte oder Violine ihr Spiel begleitete; oder vor Nataliens Staffeley; oder Rudolf las ihr auch vor, und unterrichtete sie im Englischen, das er sehr schön und fertig sprach. Sie dankte ihm denn herzlich für seine Bemühung, und Rudolf ging, mit seiner gewöhnlichen Leichtigkeit, so ganz in ihre Ansichten ein, daß sie ihre Tochter bald nirgends so gut aufgehoben glaubte, als in seiner Gesellschaft. Auch trug er wirklich nicht wenig zu der hohen, seltenen Geistesbildung bei, die Natalie späterhin unter den Weibern so vereinzelte, aber für ihr eigentliches innres Leben, das bei dem Weibe doch nur im Gemüth schön gelebt wird, trug dieser Umgang nur schädliche Früchte. Die ungetrübte kindliche Unschuld und Demuth des Mädchens, die stille jungfräuliche Würde ihres Benehmens, ihre Begeisterung für Alles, was ihrem Sinn, als schön, edel und groß, entgegen kam, und ihr Herz voll der allerinnigsten, reinsten Liebe, wurden für ihn eine Schule weicher Menschlichkeit, die oft einen Abglanz wahren Gefühls auf ihn warf; aber für Natalien wurde die gewaltsame Spannung seiner geistigen Kräfte, in der sein Innres immer fortbebte, und er oft von der weichsten Sentimentalität zur Lustigkeit, von Begeisterung zur possenhaften Laune überging, und mit allen Affekten nur ein Spiel trieb, sehr gefährlich. Bewundernd, wo sie nicht fassen konnte, eignete sie sich von ihm unvermerkt die Fähigkeit an, Genuß darin zu finden, Andere über sich zu täuschen, und einen angenommenen Karakter wie eine Rolle, mit Kunst und Feinheit, durchzuführen. Der Uebergang von der bisherigen Wahrheit ihres Karakters -- ihre Verschlossenheit war nie Verstellung -- bis zu diesem Punkt, war so langsam, daß er von ihr fast unbemerkt blieb, und wo denn in ihr ein Resultat dieser Aenderung ans Licht trat, da nannte er es Ausbildung und Entwickelung -- und wie sollte sie es nicht auch dafür halten, da es ihr von ihm, den sie als den ersten der Menschen in ihrem Herzen trug gekommen war? -- Doch ein so tief gesunkner Mensch wie Rudolf konnte nicht mehr die Fähigkeit besitzen, durch Tugend, Liebe und Wahrheit beglückt zu werden. Auf Stunden konnte er sich mit seinen erlogenen Gefühlen täuschen; aber das Band zwischen ihm und diesen Gottheiten war zerrissen, und in seiner Seele nichts mehr, woran es sich von neuem hätte knüpfen können: denn in ihm war keine Wahrheit mehr. So wurde es ihm denn bald Bedürfniß, durch Nataliens treue einfache Liebe seiner Eitelkeit zu fröhnen, die leidenschaftliche Innigkeit derselben zur Schau auszustellen und ihre Bildung für sein Werk auszugeben. Von seiner Liebe, von seinem Beifall beseelt, sollte das bis jetzt ganz unbeachtete Mädchen plötzlich alle überstralen, und bald bittend, bald gewaltsam, entriß er Natalien den Schleyer, worin sie ihre Tugenden, ihr Herz, ihre Talente hüllte. Er sprach jetzt laut und bewundernd von ihr, zeigte in Gesellschaften gern und nicht immer zart seinen Einfluß auf sie, verrieth ihre Kenntnisse, ihre Talente, und zwang sie, da andre zu verdunkeln, wo sie bis jetzt freiwillig im Schatten gestanden hatte. Für sie wurde ihre Liebe zur Sonne, die alle bis dahin schlummernden Kräfte ihres Geistes und ihrer Seele zur freudigsten Thätigkeit weckte, und sie wurde durch die plötzliche, von Rudolf herbeigeführte, Aenderung ihres Standpunktes im geselligen Leben durchaus nicht eitel, weil sie sich alle ihr dargebrachte Huldigungen nur als ein von ihm entlehntes Eigenthum aneignete, und nur seine Freude daran, seinen Stolz darauf, genoß. Ihre Demuth wurde Bescheidenheit, aber in ihren Reden und in ihrem Benehmen blieb sie das einfache, freundliche Mädchen, voll Achtung für jedes fremde Talent, das sie neidlos ehrte und noch immer gern dem ihrigen vorgezogen sah. Sie sang jetzt in mehrern Concerten mit dem entschiedensten Beifall -- ihre Gemälde und Stickereien prangten in der Kunstausstellung der fernen Residenz -- einzelne ihrer Gedichte und Compositionen erschienen in mehreren der gelesensten Journale, und Rudolf sorgte trefflich dafür, daß die Chiffer, mit der sie ihre Arbeiten unterzeichnete, nicht unbekannt blieb. Er erreichte seinen Zweck, die Augen der ganzen Stadt wandten sich auf Natalien, die man als sein Werk, sein Geschöpf, anstaunte. Fremde suchten die Bekanntschaft des geistvollen Mädchens, und wer sich Natalien nur mit Neugierde genaht hatte, verließ sie mit Achtung für die Güte des Herzens und für die Innigkeit des Gefühls, die alle ihre Handlungen beseelte, und Kleinigkeiten oft einen zauberischen Werth lieh, der sie dem Herzen unvergeßlich machte. Sogar ihr Vater hörte jetzt so viel von ihr sprechen, wurde auf seinen häufigen Reisen so oft nach ihr gefragt, daß er die Neugierde nicht unterdrücken konnte, seine Tochter kennen zu lernen. Sein Ton gegen sie verlor das Harte, das Geringschätzende, und ohne zärtlich zu werden, ward er anständig und höflich, da sie ihm, außer ihren Talenten, für die er wenig Sinn hatte, auch in andern ihn mehr interessirenden, Fächern zu genügen, und ihm ihre Unterhaltung angenehm zu machen verstand. Die Landwirthschaft war seit einigen Jahren sein Steckenpferd: Natalie las viel darüber, machte für ihn Auszüge aus neuen, in fremden Sprachen für dies Fach geschriebenen, Werken, und fand bald selbst Interesse daran. Hiedurch gewann sie außerordentlich bei ihm; er fing ordentlich an, sich auf diese Tochter etwas zu Gute zu thun und sie zu achten. Die Mutter hing mit unaussprechlicher Zärtlichkeit an ihr und hatte unbedingtes Vertrauen zu Nataliens Karakter und zu ihrem Herzen, dessen Weichheit ihr allein bekannt war. So verrannen einige glückliche Monate. Allgemein glaubte man Natalien mit Rudolf verlobt, und er lebte selbst mit ihren Eltern in der Sicherheit eines solchen Verhältnisses, da er seine Liebe für Natalien gar nicht verhehlte, und seine Hoffnung, ihre Hand zu erhalten, oft und deutlich aussprach. Ihre große Jugend und von seiner Seite die Nothwendigkeit, erst seinen Ruf und seine Praxis zu gründen, ehe er an eine häusliche Einrichtung denken konnte, schienen es zu rechtfertigen, daß er seine förmliche Anwerbung noch verschob. Natalie lebte in dieser Hinsicht in der sorglosesten Ruhe, fest überzeugt, er werde zur rechten Zeit darüber reden, und so lange er schweige, müsse es schöner und besser seyn, darüber zu schweigen. Auch sprach sich in ihrem Verhältniß zu ihm die Zartheit ihrer Empfindungen so schön aus, daß das Wort Liebe nur sehr selten unter ihnen genannt wurde, und daß er, trotz des täglichen ungezwungnen Beisammenseyns kaum einmal ihre Lippen berührt hatte. Er ehrte zuweilen das Sittlichschöne, wenn es ihm ästhetisch schön erschien -- darum ließ er Natalien in dieser zarten Reinheit, die auch für die Minute des höchsten Vertrauens und der zärtlichsten Liebe nur seelenvolle Blicke, nur eine gefühlvolle Thräne, aber selten Worte, und nie mehr, hatte. Rudolf, der fast keinen Unterschied zwischen der Bühne und dem wirklichen Leben kannte, interessirte sich lebhaft für die Errichtung eines Liebhabertheaters. Es kam zu Stande; aber alle seine Versuche, Natalien zur Annahme einer Rolle zu bewegen, blieben fruchtlos, da ihr Vater sich durch einen Machtspruch bestimmt dagegen erklärte, und Rudolf mußte die Hoffnung aufgeben, seine Natalie auch auf der Bühne glänzen zu sehen. Hier traf er wieder mit Louisen zusammen, die er, bis zu seiner nähern Bekanntschaft mit Natalien, ausgezeichnet hatte, und dann, auf eine für ihren Stolz sehr demüthigende Art, verließ und vernachlässigte. Sie war jetzt die Verlobte des Jägermeisters Rhode, eines guten, schlichten, sehr reichen Mannes, der stolz darauf war, das schönste Weib im ganzen Lande sein zu nennen. Und dies war Louise unwidersprechlich! -- ein Meisterstück der schaffenden Natur, werth durch Pinsel und Meißel den schönsten Kunstidealen zugesellt zu werden. Auch der Geist, der diesen Körper belebte, war nicht alltäglich, aber von Jugend auf für Glanz und Gefallsucht erzogen, -- kannte sie kein höheres Glück, als von ihrem Geschlechte beneidet und bewundert, von dem männlichen vergöttert, beide die übermüthige Herrschaft ihrer Schönheit empfinden zu lassen. Dies war der Zweck, für den sie alles berechnete, an dessen Erreichung sie ihr ganzes Leben setzte, und auf diesem Wege war ihr Natalie feindlich begegnet! -- Wie sie unter den Weibern, ragte Rudolf unter den Männern hervor. Gewohnt, alles, in Bewunderung, sich vor ihr beugen zu sehen, war er, dessen Blick, Benehmen und Miene so deutlich verriethen; ich lasse nie über mich herrschen -- eine neue Erscheinung für sie, die ihr einer nähern Beobachtung werth schien. Er näherte sich ihr -- sie that alles, um ihn zu fesseln, ließ sich sogar herab, die Täuschung, die ihn ihr zuführte, zu benutzen, ohne die Gefahr zu ahnden, der sie sich Preis gab. Die stolze, gefühllose Louise fühlte, ihm gegenüber, zum erstenmale, daß sie ein Herz hatte. Sie war im Begriff, sich zu verheirathen, und nicht modisch genug erzogen und gesinnt, um sich vor oder nach ihrer Heirath eine ernstliche Intrigue erlauben zu wollen, so wenig sie auch, auf der andern Seite, Willens war, auf den Genuß, sich gehuldigt zu sehen, Verzicht zu leisten. So nahm sie dies Erwachen ihres Herzens für Gefühl befriedigter Eitelkeit, obgleich der leise Wunsch: ach stände Rudolf an Rhodens Stelle! ihr wohl hätte verrathen können, was sie fühlte -- aber eine bittre, schmerzliche Empfindung sollte sie erst später mit dem Geheimniß ihres Herzens bekannt machen. Es war in einem von Rudolf veranstalteten Liebhaber-Konzert, als Natalie zum erstenmale öffentlich auftrat. Louise sang eine recht hübsche Romanze -- sie endigte, -- und jetzt führte Rudolf aus einer der letzten Reihen Natalien vor. Mit sittsamer Anmuth trat sie zum Orchester, und ihr holdes Erröthen sicherte ihr im Voraus die Nachsicht, mit der die Zuhörer einen jugendlichen schülerhaften Versuch aufnehmen zu müssen glaubten. Welches Erstaunen ging aber durch den Saal, als sie, mit ihrer reinen, vollen, kunstmäßig ausgebildeten Stimme, eine der glänzendsten und schwersten italiänischen Arien mit einer Sicherheit, Präzision und Rundung vortrug, die bei einer Dilettantin Bewunderung erregte und verdiente. Ihr Gesang erweichte und gewann ihr alle Herzen und sie erhielt ungetheilten Beifall. Louise wurde darüber mit ihrer Romanze ganz vergessen. Sie fühlte das, und es kostete sie Mühe, in das allgemeine Lob mit einzustimmen. Aber als Rudolf, dessen Eitelkeit ihren Haß gegen Natalien forderte, zu ihr trat, diese enthusiastisch lobte, und sie mit einer an Unart gränzenden Kälte verließ, weil er nur Auge, nur Ohr für Natalien hatte, fuhr sie mit einer ihr bis dahin fremden Bitterkeit im Herzen zu Hause. Unwillig riß sie beim Auskleiden die Blumen aus dem Haar -- ich liebe ihn nicht, rief sie heftig, ich hasse ihn -- ja wahrhaftig ich hasse ihn -- aber ungestraft soll er mich nicht mit seiner Vorliebe für dies Gänschen verhöhnen. Ich will ihn zu meinen Füßen sehen, und mein spottender, triumphirender Blick soll mich dann rächen! Sie versuchte jetzt manches, ihn wieder an sich zu ziehen; aber jeder Versuch mißlang, und das Gefühl gekränkter Eitelkeit, gekränkter Liebe, rächte jetzt alle die, mit deren Herzen sie früher oft, im Bewußtseyn ihrer Macht, so grausam gespielt hatte. Sie wollte ihn jetzt vergessen, und beredete Rhode, mit ihr, gleich nach ihrer Verbindung, eine Reise zu machen, von der sie nur, beim Eintritt des Winters zurück kamen. Ihr Stolz hatte ihr nie erlaubt, sich zu gestehen, daß sie Rudolf liebe; nur ihre Eitelkeit wähnte sie durch diesen Abfall von ihr, der Rose, zu der farb- und geruchlosen Feldblume gekränkt, und glaubte, es sich selbst schuldig zu seyn, ihm fühlbar machen zu müssen, wie er sich in unbegreiflicher Blindheit vergriffen habe. Willkommen war ihr daher das Liebhabertheater, das ihn ihr wieder näher führen mußte. Es wurde mit Menschenhaß und Reue eröffnet. Rudolf spielte den Baron Meinau, Louise seine Gattin. Ihr kunstvolles, richtiges Spiel, gehoben durch den Wiederschein eines ihr selbst unbekannten Gefühls, und durch den Zauber ihrer auf dem Theater unwiderstehlichen Schönheit, erwarb ihr den rauschendsten, an Vergötterung gränzenden Beifall, den Rudolf in seiner Rolle mit ihr theilte, und der beiden für die Folge die ersten Rollen sicherte. Beide waren eitel -- beide fanden Genuß in dieser trunkenen Anerkennung ihres Kunsttalents, und das Gefühl, daß sie sich auf der Bühne als Folie gegenseitig nicht entbehren konnten, führte sie bald auch im Leben näher zusammen. Sie wollte ihm gefallen -- und er? -- o Louise, um deinetwillen ziehe ich einen schonenden Schleier über dies Gewebe weiblicher Schwäche und männlicher Buhlerey. Das erste erwachende, von Dir selbst verkannte, Gefühl Deines Herzens, führte Dich irre und Du wurdest, wo Du Dich geliebt glaubtest, nur das Opfer besonnener Unwürdigkeit! -- Natalie sah ihn anfänglich weniger oft -- dann selten und immer seltener; doch sie wußte, daß er, als Directeur des Liebhabertheaters, viel zu thun habe, und daß das Studium seiner Rollen ihn gleichfalls Zeit koste. Seine häufigen Besuche im Rhodischen Hause galten ihr für das, wofür er sie ihr gab, für Privatproben. Auch theilte sie -- so sehr gerecht gegen jedes fremde Verdienst, enthusiastisch für Kunst und Talent eingenommen -- seine Bewunderung Louisens, und sprach diese oft lauter und wärmer aus, als er es zu thun wagen durfte. Sah sie ihn doch noch zuweilen, und dann zärtlicher als er je gewesen war! Ihr Vertrauen zu ihm blieb ungetrübt vom leisesten Zweifel und sie gegen ihn arglos und leichtgläubig wie ein Kind. O wäre er nur wahr gegen sie gewesen! -- sie wäre mit tiefer Trauer von ihm geschieden; aber sie wäre dann sanft und kindlich geblieben; sie hätte ihn entschuldigt, um ihn, auch getrennt, fortlieben zu können. -- Ach, verlorenes Glück der Liebe thut wehe -- doch Wollust ist dieser Schmerz gegen das Gefühl betrognen Glaubens und gemißbrauchten Vertrauens, -- und kommt +der+ Pfeil aus der Hand des Geliebten, dem wir unser ganzes Herz gaben -- ach dann bringt uns keine irdische Zukunft den geraubten Frieden wieder zurück! -- Rhode wurde auf Louisens häufigen Umgang mit Rudolf aufmerksam. Man brauchte einen Deckmantel dafür, und wer taugte dazu mehr, als Natalie? Ihr argloses Vertrauen hatte Louise gegen Rudolf so oft Dummheit gescholten, seinen Feuergeist so oft im lächerlichen Contrast mit Nataliens heiliger Einfalt ihm dargestellt, daß er anfing, sich der Achtung zu schämen, die er bis jetzt für sie gefühlt hatte. Die Idee, seine Verbindung mit Louisen unter Nataliens Schutz fortzuführen, erschien ihm im Lichte einer feinen geistreichen Intrigue, und er führte Louisen bei Natalien ein, welche sie, auf seine Empfehlung, mit zärtlicher Zuvorkommenheit empfing. Zum erstenmal genoß Natalie der Annehmlichkeit, mit einem geistvollen liebenswürdigen Weibe nicht bloß Worte, sondern auch Ideen wechseln zu können, und sie gab sich daher mit voller Herzlichkeit der schönen Frau hin, die sie an Werth und Reiz so hoch über sich stellte, daß sie in ihr ein Vorbild zum Nachstreben sah. Ihre Liebe für Rudolf sprach sich so unverkennter in jedem Blicke, jedem Worte aus, er war so sichtlich die Seele ihres Lebens und ihres ganzen Daseins, daß Rhode in ihrer Verbindung mit Louisen die gründlichste Widerlegung seines Argwohns zu finden glaubte. Nataliens Güte, ihre einfache Anspruchlosigkeit, ihre Bescheidenheit, ihre Achtung fremden Verdienstes, auch dann, wenn es schimmerlos war, machten sie ihm, der sich von seiner Frau oft übersehen, und durch ihren Geist überflügelt fühlte, sehr theuer. Sie war jetzt fast täglich in seinem Hause, und Rudolf fand in diesen verwickelten Verhältnissen eine neue Würze seines Verständnisses mit Louisen, und konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Faden dieser Intrigue noch feiner und künstlicher auszuspinnen, wobei er auf Rhodens sichtbar werdende Neigung zu Natalien rechnete. Die Unfähigkeit dieser, irgend jemand zu täuschen, die heilige Treue ihres eignen Herzens, erhielt sie noch im Frieden unumschränkten Vertrauens zu dem Geliebten und der Freundin, als Treulosigkeit, Verrath und Arglist sie schon mit unzerreißbaren Fäden umsponnen hatten. Nataliens Vater entschloß sich, jetzt, mit dem Frühjahr, sein Gut selbst zu beziehen, und sie wurde nun von den Eltern ernstlich über ihr Verhältniß mit Rudolf befragt. Erröthend bat sie die Mutter, ihr jede fremde Einmischung darin zu ersparen, deren sein Herz nicht bedürfe und die das ihrige verwerfe. Schonend und leise deutete diese auf seine seltneren Besuche und seine sichtliche Auszeichnung Louisens, die ja schon der Stoff allgemeinen Stadtgespräches sey. Natalie stritt -- aber sie fühlte selbst das Unbefriedigende ihrer Antwort auf die einfache Frage der Mutter, warum er jetzt, bei der Annäherung ihrer bevorstehenden Trennung von ihm, nicht die Einwilligung der Eltern suche? -- doch erhielt sie das geforderte Versprechen, ihr allein die Lösung des Knotens zu überlassen. Diese Unterredung hatte sie schmerzlich angegriffen. Sie fing an, sich zu gestehen, was sie schon lange mit stillem Gram gefühlt hatte, ohne sich Rede darüber stehen zu wollen, daß es zwischen ihm und ihr nicht mehr so sey, wie ehemals, ohne daß sie dem, was sich zwischen ihre Herzen gezogen hatte, einen Namen zu geben wußte. Es war wie ein Nebel -- wollte sie es ins Auge fassen, es untersuchen, so war es fort -- und dann doch wieder da, so ängstigend, so beklemmend. Sie gestand es sich ungern und nur versteckt und geheimnißvoll, daß er sie vernachlässige -- aber warum? -- unmöglich, unmöglich konnte sie den Argwohn erregenden Verdacht ihrer Mutter theilen -- sie schämte sich seiner -- sie hätte sich verachtet, hätte er nur einen Moment in ihr haften können. -- Lieber gab sie sich alle Schuld -- wähnte, nur in ihr wohne der Argwohn -- der Freund sey rein und edel und fest, und sie schon unwürdig, wenn sie dem leisesten Zweifel an ihm, dem Trefflichen, dem ach! so unaussprechlich Geliebten, auch nur ihr Ohr leihe. Dann trat sie ihm zuweilen mit Blicken so voll innigen Vertrauens, so voll treuer, unwandelbarer Liebe, entgegen, daß die Rinde um sein Herz zersprang, und er wieder der Alte seyn wollte. Doch eben diese Erweichung, dies Gefühl des Unrechts gegen sie, machte ihn dann so leidenschaftlich heftig, daß Natalie schüchtern vor seinen stürmischen Ergießungen zurückwich. So kamen sie immer weiter aus einander -- nur die todte Form ihrer Verbindung bestand noch; die Seele der Liebe und des Vertrauens war ihr entflohen, und um Natalien wurde es unbeschreiblich trüb und einsam. In dieser Stimmung war sie, als Rhode eines Morgens mit funkelnden Blicken, mit blassen verstörten Zügen, zu ihr eintrat, und ihr Rudolfs Briefe an seine Frau zuwarf. Ein Kammermädchen dieser hatte sich mit ihr überworfen, und in der ersten Aufwallung ihrer gereizten Bosheit, Rhoden entdeckt, was sie von dem Verständniß seiner Frau mit Rudolf erlauscht, errathen, und gewußt hatte. Er forderte Beweise und erhielt die Briefe, die er jetzt Natalien brachte. Sie entfaltete sie mit der höchsten Seelenangst -- aber bei den ersten Zeilen schon überhüllte eine Ohnmacht schonend das gebrochene Herz, und sie sank erbleichend in Rhodens Arme. Das schmerzlichste Mitleiden mit ihr, die ihm viel theurer war, als er selbst wußte, regte seine Wuth noch heftiger auf. Bube! rief er knirschend, den Schmerz dieses Engels sollst Du mir, so wahr Gott lebt, schwer büßen! und, ohne ihr Erwachen abzuwarten, klingelte er ihrem Mädchen und ging. Natalie schlug die Augen wieder auf, und schauderte, daß es Tag und Sonnenschein um sie war. Stumm und ohne Thränen las sie jetzt langsam die Briefe durch, und erhielt die Ueberzeugung, daß Rudolf nicht nur treulos gegen sie, das Weib eines Mannes, den er Freund nannte, verführt, sondern auch planmäßig darauf gerechnet habe, Rhode durch sie zu beschäftigen, und ihn dadurch gegen sein Verhältniß mit Louisen blind zu machen. Da stand sie nun an einem Abgrund, in den sie sich, mit der ganzen Gewalt ihrer Empfindungen, hineinstürzte. Gränzenlos, wie ihre Liebe, war auch ihr Schmerz; ohne Thränen, ohne Klage, ohne Vorwurf, wühlte er in seiner eignen Tiefe, und alle freundlichen Gestalten des Lebens schieden von ihr. Sie blieb den Tag einsam auf ihrem Zimmer, und saß gegen Abend wie vernichtet in der Ecke des Sophas, als sich leise die Thüre öffnete, und Rudolf eintrat. Mit dem Ausdruck des Schreckens stand sie auf, -- blaß, von Schaam und Demüthigung entstellt, sah sie ihn zögernd ihr näher treten, die ernst, stolz und kalt vor ihm stand. Ich fühle, wie unwürdig ich vor Ihnen stehe, fing er mit jener leisen, tiefen Stimme an, deren Gewalt über Nataliens Herz er kannte; daß ich aber, trotz dieses Gefühls, hier erscheine, beweiset, daß ich nie aufgehört habe, Sie für größer als Ihr Geschlecht zu halten. Ersparen Sie sich jede fernere Unwürdigkeit -- mir jedes Wort, und verlassen Sie mich. Nicht eher, als bis ich die Bitte ausgesprochen habe, die mich herführt, und die mein und Louisens Schicksal in Ihre Hände legt. In meine Hände? fragte Natalie ernst. In Ihre, weil ich weiß, daß da, wo die Pflichten der Tugend enden, die der Größe und des moralischen Heroismus beginnen, und welches Herz war je mit diesen vertrauter, als das Ihrige? -- wäre Louise Ihnen fremd, Sie würden Ihr reines Auge von ihr abwenden; aber jetzt, wo Sie von ihr beleidigt sind, steht der Mann, der das Herz eines Engels verwundete, mit der Zuversicht der Erfüllung seiner Bitte vor Ihnen. Die ungewöhnlichste Handlungsweise war für Natalien da, wo es auf Selbstverläugnung, Opfer und Edelmuth ankam, nur die gewöhnlichste, und in diese Seele konnte nie ein Gefühl des Hasses oder der Rache kommen. Rudolf fand sie ganz anders wie er sie sich, da er ihre Liebe für ihn und die Weichheit ihres Herzens kannte, gedacht hatte. Nur die schmerzliche Blässe des Gesichtes deutete auf Kampf und Gram -- ihr Ton, ihre Haltung, ihr ganzes Wesen, sprach strengen, ehrfurchterregenden Ernst aus. Reden Sie, sagte sie, und setzte sich. Nicht so sehr sein Anblick, als die Entwürdigung des früher so hoch verehrten Mannes, erschütterte sie. Hätte er entseelt zu ihren Füßen gelegen, es hätte sie nicht so peinlich ergriffen, als diese moralische Entstellung, in der er jetzt, gedemüthigt, ihr gegenüber stand. Rhode ist entschlossen, sich so öffentlich als möglich zu rächen, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß er in Louisen sich selbst mit beschimpft. Morgen schon soll sie sein Haus verlassen, und die Scheidungsklage dann gleich beim Consistorium eingereicht werden. Mir hat er eine Ausforderung zugesandt; es bedarf keiner Versicherung, daß ich es nicht aus Feigheit scheue, sie anzunehmen, obgleich, wenn man sich, so wie er und ich, in diesem Fall gegenübersteht, um Tod und Leben gespielt wird, -- aber Nataliens Herzen lege ich die Frage vor, welches Loos des Ueberlebenden und Louisens wartet? -- Kann diese, wenn er fällt, die Hand des Mörders annehmen, ohne auf ewig mit der Meinung zu zerfallen? -- Kann ich ihr die meine reichen, wenn dieser blutige Schatten sich zwischen uns stellt? -- Falle ich, so wird Rhode vielleicht im Gefühl gesättigter Rache einige Zeit Befriedigung finden -- aber ist er, der weiche einfache Mensch, geschaffen, dies Bewußtseyn auf die Dauer zu tragen? -- soll ich sterbend noch den Fluch auf ihn legen, ihn heimathlos durch die Welt zu jagen? -- Sie kennen die Strenge unserer Duellgesetze, und ich weiß auch, wie Ihr heller Geist über Duelle denkt. Haben Sie mir einen Ausgang aus diesem Labyrinth zu zeigen? Rhode ist beleidigt; ich will mich nicht rechtfertigen; der leidenschaftliche Irrthum weniger Augenblicke kostet mich das einzig wahre Glück meines Herzens -- doch darf hier so wenig von meinen Empfindungen, als von meiner Schuld die Rede seyn, sondern nur von der Verpflichtung, mein Unrecht zu vergüten, so viel ich kann. Nur in Louisen kann ich Rhoden Vergütung anbieten, und ich bin bereit, mir diese, von Schande und Reue geschmiedeten, Fesseln der schimpflichsten Leibeigenschaft anlegen zu lassen -- aber, so wahr ich lebe! wenn Rhode seinen Plan, Louisen durch die öffentliche Bekanntmachung ihres Fehltrittes zu beschimpfen, nicht aufgiebt, so bin ich verloren. Entehrt darf meine künftige Gattin vor den Augen der Welt nicht seyn, wenn sie je meinen Namen führen soll -- daher hier mein Vorschlag. Rhode kommt unter irgend einem Vorwand beim Kabinette um die Scheidung ein; Louise geht bis zu ausgemachter Sache zu ihren Eltern zurück. Daß sie geschieden werden, kostet Sie bei Ihrem Onkel, dem Präsidenten, nur ein Wort -- und ich gebe dann Louisen meine Hand, wenn diese Wahl der Welt Werk der Freiheit und keiner erniedrigenden Nothwendigkeit zu seyn scheint. Glücklich werden wir nicht mit einander seyn -- doch werde ich nie die Schonung vergessen, die ich ihr schuldig bin. Schlägt Rhode aber dies Anerbieten aus, so treffe ich morgen mit ihm an der Gränze zusammen, und das Grab deckt dann entweder meine Schuld, oder verschlingt auch ihn mit seiner Rache. In beiden Fällen lege ich Louisens Ruf in Ihre Hände. -- Auch Sie, Natalie, werden versöhnt seyn, wenn ich falle, und vielleicht dann den Mann bedauern, dem, wenn er leben sollte, Ihr Bild zur unerbittlichen Nemesis werden würde. -- Ja, Natalie, hasse mich, verachte mich; nur fühle wie es mich treibt, mein Leben als Sühnopfer für Dich entströmen zu fühlen. -- Heftig weinend war er vor ihr nieder gesunken -- sie trat in stiller ernster Fassung einen Schritt zurück; noch heute, sagte sie, werde ich mit Rhoden reden, und Sie sollen am Abend um den Erfolg dieser Unterredung wissen. Mit einer ausdrucksvollen Neigung des Kopfes verabschiedete sie ihn mit diesen Worten. Er wollte fortreden -- sich entschuldigen -- da faßte sie ihn mit einem Blick, vor dem er, wie die feige Schuld vor dem Blick des unbestechlichen Richters, erröthete, und, ihr gehorchend, hinweg floh. -- Die Kraft, mit der sie ihm ihren Schmerz verbarg, der feste, edle Stolz in ihrem, sonst so kindlich weichen, Betragen, und die reine Güte, mit der sie bereit war, wohlzuthun, wo Tausende an ihrer Stelle geflucht hätten, liehen ihr in seinen Augen neue Reize. Er schwor sich, sie in die alten Fesseln zurückzuführen, und zweifelte nicht, sie versöhnen zu können, da sie ihm auch jetzt blieb, was sie ihm immer gewesen war: ein Spiel für seine Eitelkeit, eine reizende und seltene Erscheinung für seine Phantasie, deren poetische Natur und idealisches Wesen ihm ein ästhetisches Wohlgefallen einflößten, das er selbst zuweilen, wie z. B. in dieser Stunde, für Liebe hielt. Natalie sprach Rhoden noch denselben Abend, und da er seine Frau wirklich geliebt hatte, und zu den Menschen gehörte, die nur in der ersten Aufwallung des Zornes die Energie fester Entschlossenheit haben, wurde es ihr leicht, ihn zur Milde und Schonung zu stimmen. Ihre Fürsprache selbst wurde ihm zum Beispiel, und da er sie unbeschreiblich achtete, zur Regel seines Betragens. Louise, deren Ehrgefühl vor dem Gedanken einer öffentlichen, für sie so schimpflichen, Scheidung zurückbebte, und die, von guten Eltern erzogen, nur leichtsinnig, nur versunken, nicht verloren, ein Opfer ihrer Leidenschaft für Rudolf geworden war, fühlte jetzt die ganze Unwürdigkeit ihres Fehltrittes und den Werth der großmüthigen Schonung ihres Gatten. Sie erfuhr, daß sie diese Natalien verdanke, und schrieb ihr einen Brief voll Reue und tiefer Rührung. „Laß mich Dich,“ bat sie am Schluß desselben, „vor Deiner Abreise noch einmal sehen, damit Dein Anblick mir den Glauben schenke, daß die Tugend sich nicht auf ewig von ihrer gefallnen Tochter zürnend abgewandt habe.“ Natalie antwortete ihr freundlich, schlug es aber, so schonend als möglich, ab, sie zu sehen. „Ich muß,“ schrieb sie ihr, „alle Erweichungen und Spannungen meiden -- darum darf ich Dich nicht sehen. Allein die Versicherung kann ich Dir geben, daß ich Deiner ohne Groll und ohne Bitterkeit gedenke. Nicht fallen, Louise, darf und soll vielleicht nicht der Stolz des schwachen Menschenherzens seyn; vom Fall wieder erstehen ist oft schwerer und schöner. Ueber mein Schicksal mache Dir keine Vorwürfe. Glaubst Du mir aber einigen Ersatz schuldig zu seyn, war ich Dir je wirklich theuer: so laß Dich durch diesen Vorfall nicht zum Verzweifeln an Dir selbst hinreißen. Deine Reue bethätige sich durch ein künftig schöneres, fleckenloses Leben. Als gute Gattin, treue Mutter, kannst Du noch einst achtungswerther werden, als Du es je als Louise Rhode warst, und mein inniger Antheil wird Dich durch ein solches Leben begleiten.“ So milde sie aber auch gegen Louisen gestimmt war, so fruchtlos war jedes Bemühen Rudolfs, von ihr ein Zeichen der Theilnahme des heftigen Schmerzes, oder nur des Hasses, zu erzwingen. Nach einigen Wochen schon sollte sie ihre Eltern aufs Land begleiten, und er bot, für diesen kurzen, ihm noch vergönnten, Zeitraum, seine ganze Kunst auf; aber alle seine Bemühungen scheiterten an dem Ernst und der fremden Höflichkeit, mit der sie ihm nicht einmal auswich, aber jeder Erinnerung an die Vergangenheit abgestorben zu seyn schien. Zu tief, zu schmerzlich war sie verletzt; zu viel alte Wunden hatte er wieder aufgerissen, als daß sie es sich selbst hätte abgewinnen können, um die Tiefe, die zerstörende, bodenlose Tiefe ihres Schmerzes, wissen zu wollen. Nicht seine Untreue; sein Unwerth gab ihr Kraft. Der Stolz ihres Bewußtseyns hob sie zu hoch über ihn, und sie fühlte so oft: dieser Mann ist nicht werth dein Herz zu brechen, dein Karakter darf nicht sein Raub werden, daß es ihr das Vertrauen auf ihre Kraft und jene Herrschaft des Willens gab, die in solchem Kampfe den Sieg zu erringen vermögen. Man sah sie in ihrem äußern Benehmen wenig verändert; der Ernst in ihrem Wesen war noch immer milde, und der etwas sichtbarere Ausdruck desselben konnte füglich auf Rechnung der bevorstehenden Trennung von ihrem bisherigen Wohnort gesetzt werden. Willig barg sie auch die tiefen Wunden ihres blutenden Herzens, im Gewühl der Abschiedsfeste, die die letzten Wochen ihres Aufenthalts ausfüllten, und die ganze Kraft ihrer Seele wucherte für die Ueberzeugung, daß mit ihrer Achtung auch ihre Liebe erstorben wäre. Ihr Gram war kein Wurm, der den Boden umwirft und die Staude umkehrt, sondern ein Insekt, welches in den feinen, verborgenen Röhren der Pflanze nagt, bis die Blume verbleicht, abfällt, und stirbt. -- Rhode war täglich bei ihr, und die große Sorgfalt, mit der er und sie gemeinschaftlich alles unterdrückten, was Louisens Ruf nachtheilig werden konnte, verschaffte dem Gerücht Eingang und Glauben, daß Rhode’s Scheidung Folge einer ganz freundschaftlichen Uebereinkunft zwischen ihm und Rudolf sey, Braut und Frau mit einander zu vertauschen. Natalie fühlte, wie sehr Rhode’s täglich sichtlicher werdende Anhänglichkeit, und ihr häufiger Umgang mit ihm, dies, für sie höchst kränkende, Gerücht, zu bestätigen scheinen mußte, und schlug ihm eine Reise vor. Er errieth ihre Bewegungsgründe, und willigte zart und liebend ein, sie auf zwei Jahre zu verlassen, ohne ihr selbst zu verrathen, wie schwer ihm diese Trennung wurde. Natalie liebte ihn wie einen Bruder, und sie versank nach seiner Abreise, die sie ganz vereinzelt zurückließ, in einen Zustand finsterer Betäubung und starrer Fühllosigkeit, der ihr selbst das Bewußtseyn des Schmerzes nahm. Sie schien ruhig, und glaubte selbst es zu seyn. Ohne Thräne, mit kalter Fassung, schied sie von dem Schauplatz ihres bisherigen Lebens. Am Morgen ihrer Abreise rief sie vor Sonnenaufgang ihrem Mädchen, sie noch einmal nach dem Kirchhof zu begleiten, wo ihres Bruders Grab war. Dieser Abschied erweichte sie -- wehmüthige, hofnungslose Sehnsucht nach seinem tiefen festen Schlaf ergriff sie, und die Ahndung, ihr Herz werde nie wieder ruhig und leicht werden, so lange es in ihrer Brust schlage. -- Der Rückweg führte sie vor Rudolfs Hause vorbei. Es war früh vier Uhr; alle Fensterladen der Straße waren noch uneröffnet; alle Thüren verschlossen. Nur auf dem Fenster seines Schlafzimmers lag golden der Wiederschein desselben Morgenrothes, das eben das Grab ihres Bruders erleuchtet hatte. Unter dem Vorwand der Müdigkeit -- ach sie war es im andern Sinn ganz! -- sank sie auf die hohe, steinerne Thürschwelle nieder, und hier lösete sich plötzlich ihre starre Unempfindlichkeit in gränzenlosen, leidenschaftlichen Schmerz auf. Sie kühlte die brennenden Augen an dem kalten, feuchten Stein, und fühlte es mit zerreißendem, plötzlich sie mit Qual der Verzweiflung durchzuckenden Bewußtseyn, daß er wissentlich ihr Herz, ihr Glück, ihre Liebe, in den Staub getreten hatte, wie morgen unwissentlich diese Thränen, die sie um ihn weinte. -- Und in diesem Gefühl erkannte sie schreckend, daß sie ihn, den Verachteten, noch liebe! -- Diese Minute traf ihr innres Leben. -- Zweiter Abschnitt. Der Jugend Glück entflieht mit Beben Vor des Gedanken strengem Blick, Und furchtbar rauscht um unser Leben Dein Köcher, eisernes Geschick! Nataliens neuer Wohnort war lieblich und angenehm; aber sie hatte keinen Sinn mehr für seine stille, reizende Ländlichkeit. Der Geist sanfter Gefühle und milder Schwermuth war ihr entwichen, und ihr Gemüth rang gewaltsam mit dieser Umschaffung ihres innersten Wesens. Durch und durch war sie verändert. Stumm, verschlossen und kalt gegen Alles, was sie umgab, schien sie auch alle Liebe zur Kunst und Wissenschaft verloren zu haben, und mit ihrem Denk- und Empfindungsvermögen nur auf wenige herzzerreißende Erinnerungen und Gedanken beschränkt zu seyn. Die einzelnen verlornen Worte und Aeußerungen, die wie Blitze zuweilen ihr verstörtes Gemüth enthüllten, deuteten den finstersten Gram und den bittersten Unmuth gegen das Leben an. Ihr Geist, der im Umgang mit Rudolf unvermerkt von der schönen Wahrheit des Gefühls und der Idee abgewichen war, deren ein Weib bei ungestörtem Frieden so wohlthätig genießt, gab sich nun spitzfündigen Grübeleien hin, die sie mehr und mehr verleiteten, das Leben und seinen Zweck so verächtlich als möglich aufzufassen. „Weg,“ sagt sie auf einem damals von ihr niedergeschriebenen Blatte, „weg mit jedem Trost, mit jeder Hoffnung, weg mit aller Resignation. Soll ich mir durch diese geistige Medizin noch Farbe und Leben anlügen, wenn ich den Tod im Busen trage? Der Schleier, der mir die Welt und das Leben schonend barg, ist zerrissen -- ich habe die Wirklichkeit hinter ihm erblickt, und werde von ihrem Anblick nie wieder gesunden. Leben, deine Vampyrn lauschen unter Rosen versteckt -- Deine Freuden wehen uns Kühlung zu, damit der Stachel unbemerkt desto tiefer in das arglose Herz dringe, und uns desto schmerzlicher verwunde. Aber ich habe diese Rosen sich entblättern sehen -- und kenne Dich nun Du höhnischer, spottender, lügender Traum, den ich jetzt mit Ekel nur fortträume, weil ich muß, und weil es mich nicht reizt, ihn auf einer andern Erde noch einmal von neuem zu träumen. Die armseligen Zufälligkeiten des Glückes haben meine Blicke, meine Wünsche, nie auf sich gezogen -- einem schöneren, höheren Traume vertraute ich den Gehalt meines Daseins an, und die Ideale meines Herzens waren zugleich seine Ideale. Wenn es eine Vorsehung gäbe, wenn Tugend und Liebe ein wirkliches, außer meiner Vorstellung gegründetes, Dasein hätten: so müßten sie erröthen vor meinen Hoffnungen, und vor der Treue, mit der ich sie umfaßt hatte -- nur für sie lebte ich; vor den Phantomen meiner eignen Phantasie beugte ich die Knie und betete an, was ich selbst erschaffen hatte! --“ „Schreckliche, schreckliche Stunden, in denen ich begreifen lernte, daß unsre Irrthümer und Verbrechen, wohl mehr als unsre Tugenden, die Absicht des Schicksals seyn mögen -- denn warum, warum sonst diese jämmerliche Welt, voll Kummer und Verzweiflung, diese Wüste des Elends ohne Hoffnung? -- Was kann mir das Wesen gelten, dessen Wille in ihr das Gute statt des Schlechten hervorbrachte, und Fluch und Verzweiflung austheilte, wo es in seiner Macht stand, Seegen und Liebe zu spenden? -- Der Mensch muß nun so leichtsinnig, so blind, so schwach seyn, damit er nur nicht seine Blicke auf das Geheimniß seines Daseins wende, und durch seine eigne Hand die Erde wieder entvölkere. Die Vernunft würde den Selbstmord heiligen, wenn die Thierheit sie nicht unterjochte -- doch ach! dem Unglücklichen bietet selbst das Grab keine Zuflucht dar -- für ihn ist keine Rettung, keine Hoffnung, so weit Zeit und Ewigkeit reichen: +er kann sich nicht vernichten+! -- Stürze Dich in das Weltmeer, springe in die lodernde Flamme -- die tyrannische Macht, die Dich zum willenlosen Spiel ihrer Willkühr schuf, hält Dich an unzerreißbaren Fäden, und erweckt Dich wieder zu demselben jämmerlichen, und doch in seiner Jämmerlichkeit so furchtbar ernsten, Spiel, das man auf Erden +Leben+ nennt! -- Ewig dasselbe Einerlei, nur mit den Decorationen einer andern Sonne und vielleicht auch einer andern Organisation -- denn, wenn es anders, edler, schöner sein kann, sein soll, warum, warum denn nicht schon hier, da die Allmacht zum Guten in der Hand des schaffenden Wesens lag? --“ „O hätte er dieser Welt nur +die Liebe+ gelassen -- was wäre denn alles Weh der Erde? Sie würde uns mit Allem versöhnen und jede Dissonanz des Lebens in himmlischen Frieden auflösen! -- Aber Du bist mir untergesunken, holder Stern, und kannst nie wieder heraufleuchten aus Deiner Nacht -- Du warst nur ein täuschendes Irrlicht. Vertrauen dürfte der Mensch nur dann Deinem Zauber, wenn er ein Werk der Willkühr, ein Tribut der Tugend wäre, dann hätte er in Dir das Diplom seines Adels, die Bürgschaft für die Wahrheit seines Glaubens an die geistige Welt. -- Jetzt aber buhlst Du mit dem Laster und grollst mit der Tugend -- ich verwerfe Dich!“ „Ich bin jetzt ruhig. Der Sturm der Leidenschaft ist vorüber, und gefallen sind seinem Wüthen alle Blüthen seeligen Wehes und süßer Schwärmerei, die ehmals mein Leben schmückten. -- Ich bin ruhig und still wie das Grab, das auch die Gestalt des ehmals Lebenden empfängt, und Moder und Verwesung ausspeiet, wenn es geöffnet wird. -- O wenn ich zuweilen um Mitternacht noch mein Fenster öffne, meine brennenden Augen an der kühlen Nachtluft zu erfrischen, und die weite unendliche Ferne, in der nichts mehr wohnt, das ich an mein Herz ziehen dürfte, in stillem Sternenlichte vor mir liegt: dann überfällt mich eine ungestüme, heftige, hoffnungslos in mir lautaufschreiende, Sehnsucht nach den entblätterten Gefilden meiner Vergangenheit. Ich möchte dann zu seinen Füßen sinken und flehen: gieb mir meinen Glauben zurück; täusche mich noch einmal, aber tödte mich, eh’ die Täuschung sich enthüllt.“ „Ich kann nie wieder werden wie ich war. Noch könnte ich sterben für eine, für eine einzige Minute der Vergangenheit, wie ich Stunden an seiner Hand, seinem Herzen, gelebt habe. Ich möchte all meinen Schmerz, all meine Verzweiflung in ein Wort, einen Schrei zusammenfassen, und damit entseelt zu seinen Füßen niederstürzen. --“ „Was soll mir das Leben? was soll ich der Welt? -- Wie ein übergrüntes Schlachtfeld liegen beide vor mir. Tausende wandeln heiter und sorglos auf dem, aus Blut aufgesproßten, Rasen; aber mir deckt er seine Todten auf und den stummen Jammer, der unter ihm begraben liegt, und ich irre schaudernd auf ihm umher. Nur Du, letzter einschlingender Strudel dieses Lebens, Du Erdenge zwischen diesseits und jenseits, dunkles, einsames Grab, bietest mir freilich keine Hoffnung, keinen Trost, aber doch eine Zuflucht, die mich mit einem Bilde der Ruhe und des Schlummers täuscht. -- O öffne Dich mir bald -- zieh mich hinab -- verhülle das gebrochene Herz -- schließe das Auge, das keine lindernde Thräne mehr hat, sondern nur stummen Jammer! --“ In dieser finstern Stimmung verrannen ihr Monate. Ihre Eltern glaubten sie krank, und die Todtenblässe ihres Gesichtes, das in lesbaren Zügen die Geschichte ihres gebrochenen Herzens zeigte, bestätigte diesen Wahn. Man zog einen Arzt zu Rathe; sie klagte über nichts, und nur die Thränen ihrer Mutter erhielten es von ihr, daß sie von den verordneten Mitteln Gebrauch machte. Schon seit einigen Monaten hatte sie Elisen ganz von sich entfernet und ihre Eltern dringend gebeten, sie der edlen Rudolphi anzuvertrauen, die das holde Wesen, das so ganz Natur und Liebe war, gern unter ihre Zöglinginnen aufnahm. Natalie sollte jetzt, da der Arzt es zur dringendsten Nothwendigkeit gemacht hatte, für ihre Aufheiterung und Zerstreuung zu sorgen, ihre Mutter auf diese Reise nach Heidelberg begleiten. Die Veränderung des Schauplatzes, und der Anblick der herrlichen Main- und Neckargegenden, durch die ihr Weg sie führte, wurden für Natalien sehr wohlthätig, und die vielen Thränen, mit denen Elise von der geliebten Schwester schied, wirkten noch wohlthätiger auf ihr Herz. Sie konnte, wenn sie das holde Kind, mit dem weichen, liebevollen Herzen, an ihren Busen nahm, nicht verzweifeln an Menschenherz, und was sie in spätern Jahren so unauflöslich an Elisen band, war die dankbare Erinnerung an die vielen trüben Stunden, in denen sie, wie ein Genius, Natalien durch die Gewißheit ihrer Liebe und Treue emporgehalten hatte. Die zärtliche Sorge der Mutter, die liebevolle Schonung, mit der sie Natalien, zart und milde, wie nur eine Mutter es zu thun vermag, zu erheitern und zu trösten suchte, ohne je durch eine Frage das wunde Herz zu pressen, konnte für diese nicht verloren gehen. Die Ueberzeugung, die sich ihr mit der unwiderstehlichen Kraft der Wahrheit aufdrang, daß ihre Mutter ihrer zu ihrem Glück bedürfte, gab ihrem verblichenen Leben wieder, durch den Beruf, für ein fremdes Glück zu leben, Farbe und Gehalt. Die Mutter glaubte, zweckmäßige Thätigkeit werde sie am ersten heilen, und folgsam gegen ihre Wünsche, trat Natalie nach ihrer Zuhausekunft, in eine, ihr fremde, Laufbahn häuslicher Geschäftigkeit und thätiger Sorge für Andre. Die Ungebundenheit, mit der sie bis jetzt unumschränkt Herr ihrer Zeit gewesen war, verschwand, da ihre Mutter ihr die Besorgung der innern Wirthschaft übergab. Doch zog diese Thätigkeit sie mehr von der Beschauung ihres Innern, der Enthülsung des Lebens, ab, als daß sie sie zu heilen, und zur würdigeren Ansicht beider zurückzuführen vermocht hätte. Natalie führte den Haushalt, unter der Anleitung ihrer Mutter, mit musterhafter Ordnung, und erwarb sich bald eine ziemlich vollständige Kenntniß desselben. Auch die Feldwirthschaft, von der sie früher manche theoretische Kenntnisse eingesammelt hatte, lernte sie nun practisch kennen, da sie, dem Wunsch ihres Vaters zufolge, sich an das Reisen gewöhnte; ihn täglich auf ihrem flinken Pferdchen zu den Arbeitern begleitete, mit und für ihn, viele, zu diesem Fach gehörende, Werke las, und noch mehr mit ihm und andern erfahrnen Landwirthen darüber sprach. Auch vertraute ihr der Vater bald die Berechnung eines beträchtlichen Theils seiner Einnahme und Ausgabe, mit Bestimmung eines ansehnlichen Gehaltes, an. Ihr Steckenpferd aber wurde die Obstbaumzucht, die sie als Mittel, den armen Unterthanen ihres Vaters wohlzuthun, liebte, so wie sie auch die ganz vernachlässigte Schulanstalt dieser Güter zu heben wünschte, und gemeinschaftlich mit dem Prediger dafür sehr thätig war. Diese mannigfache Beschäftigung, die jede Kraft ihres Geistes in Anspruch nahm, und sie vor aller leeren Träumerei und Grübelei bewahrte, wirkte vortheilhaft auf ihr Innres, und auch ihr Aeußeres gewann durch den Genuß der reinen Landluft, durch die viele Bewegung, und durch die übertünchte Ruhe ihres Herzens. Sie wurde jetzt wirklich ein sehr reizendes Geschöpf, mit einem stolzen, edlen Wuchse, einer seelenvollen Physiognomie und dem schönsten Colorit blühender Jugend. Gewiß hätte sie sich auch auf diesem Wege wohlthätiger Güte und zweckmäßiger Thätigkeit wieder zurecht gefunden im Leben, wenn ihr Genius sie vor der verderblichen Macht eines fremden Einflusses bewahrt hätte, für dessen Gift sie, wie sie es nach ihren bisherigen Schicksal seyn mußte, nur zu empfänglich war. Dem leidenschaftlichen, verheerenden Sturm in ihrem Innern war jetzt eine Ruhe der Erschlaffung, eine Apathie der Gefühllosigkeit, gefolgt, die sie sich zu prüfen scheuete, weil das Andenken der erduldeten Qual sie von jedem festen Blick auf ihr inneres Leben zurückschreckte. Ihre Eltern sahen viel Gesellschaft in ihrem Hause, und bildeten sich zwey sehr verschiedene nachbarliche Zirkel, in denen Natalie, auf dringendes Zureden der Mutter, oft erschien. Der eine bestand aus mehreren Beamten, Pächtern, Predigern und bürgerlichen Gutsbesitzern; der andre aus dem Adel der Gegend und den Officieren eines in einer nahen Stadt stehenden Regiments. In dem ersten Zirkel gefiel sich Natalie sehr gut; sie fand die Frauen anspruchlos, die Mädchen munter und gutmüthig, die Männer mitunter gescheut und kenntnißvoll. Das ungekünstelte Wohlwollen, mit dem sie einfachen Menschen so herzlich und freundlich entgegen kam, gewann ihr bald alle Herzen; und entfernte die Scheu, die ihre höhere, feinere, Bildung im Anfang eingeflößt hatte. Sie sprach mit den Müttern so verständig, war zu Rath und That immer so rein gutmüthig, ohne alle Ansprüche, bereit, wo sie dazu aufgefordert wurde, ließ sich selbst so willig und dankbar belehren, daß sie allen lieb wurde. Den jungen Mädchen flößte sie bald Vertrauen ein; sie zeichnete ihnen Muster zu ihren Stickereien, lehrte sie feine Handarbeit machen, schnitt ihnen die neuesten Kleidermuster zu -- kurz, wer sie in diesem Zirkel sah, wo sie oft in einer Stunde mit den Männern von Kleebau und Stallfütterung, auch wohl mit einem der Prediger über Gegenstände der Litteratur und der Kunst, und mit den Frauen und Mädchen von Kohl und Wurzeln, Gänsen und Eiern, Mähen und Erntecollationen mit Interesse und freundlicher Aufmerksamkeit sprach, mußte sie lieb gewinnen. Auch war sie in diesem Zirkel allgemein geliebt, und galt jedem Einzelnen, in seinem Sinn, für ein Muster weiblicher Vollkommenheit. In dem andern Zirkel ihres nachbarlichen Umgangs fand sie hingegen Eitelkeit, Sinnlichkeit, Kleinlichkeit und das jämmerliche Wesen des engherzigsten Egoismus, wie es allenthalben, wo man sich zur großen Welt rechnet, angetroffen wird, und auch, wie gewöhnlich in diesem Kreise, mit dem Firniß äußrer Kultur überdeckt, und mit Sinn für Kunst und Talent aufgeputzt. Ihr Geist fand hier oft angenehme Nahrung, und sie lernte jetzt das Laster und das Unrecht in seiner glänzenden, schimmernden Hülle kennen, die es in der Jugend so schwer macht, es als Laster und Unrecht zu erkennen. Der Ruf ihres Geistes und ihrer Talente war ihr voran gegangen, und die beiden glänzensten Meteore dieses Zirkels, Mariane von Polliet und Graf N. kamen ihr mit achtungsvoller Auszeichnung entgegen, damit, bei der Verbindung mit ihr, Nataliens Licht mit ihrem blendenden Schimmer Eins werde und keiner seine eigenthümliche Hülle bemerke. Mariane verband mit einem kalten Herzen ein heißes Blut; aber mit der feinsten Buhlerei wußte sie beides unter dem Schleier strenger Dezenz und tiefen Gefühls zu verhüllen. Die Geschmeidigkeit ihres Geistes verstand sie als Feinheit, ihre Unbesonnenheit als Offenheit, ihre Maliçe als Witz, geltend zu machen. Sie besaß einen äußerst leisen, geübten Tact für jede fremde Individualität, und paßte derselben ihre Plane künstlich und verschlagen an. Nataliens Ernst im Benehmen gegen Männer, ihre Gleichgültigkeit über den Eindruck den sie machte, reizten oft Marianens Spott, die ihr dann ihr System über Liebe und Lebensgenuß anpries. Die Liebe, wiederholte sie ihr unermüdet, die Liebe, wie Sie sie sich denken, macht uns Weiber immer unglücklich. Wir stehen unter dem Druck eines harten Naturverhängnisses, welches unser Herz, durch seine größere Reizbarkeit, Fühlbarkeit und Weichheit, von der Herrschsucht der Männer abhängig macht, wenn wir nicht die Kunst verstehen, +uns+, und dadurch sie, zu beherrschen. Glauben Sie mir, liebe Natalie, je reiner, zarter und treuer wir sind, je weniger passen wir für die heutigen Männer, denen die Liebe zur Fabel geworden ist, und die nur ihre Sinnlichkeit, oft sogar nur ihre Eitelkeit, gereizt fühlen, wo sie uns gerne überreden möchten, daß wir geliebt sind. Im ersten Fall täuschen sie sich oft selbst, und wer darf mit ihnen darüber rechten, da die Natur nun einmal bey ihnen diese nahe Verwandtschaft zwischen Herz und Blut stiftete? -- aber im letztern wollen sie nur täuschen. Unter tausend Männern gibt es kaum Einen, dem die Ruhe, das Glück eines Weiberherzens, heilig sind; dagegen fünfhundert vorsätzliche planmäßige Verführer, -- und von den übrigen haben nur wenige den Vorsatz, einer Versuchung widerstehen zu wollen, -- alle tausend aber die gemeinschaftliche Aehnlichkeit, daß sie auch der schwächsten unterliegen. So lassen Sie uns denn, sagte Natalie ernst, unser Herz für die willkürlichen, schöneren Regungen der Menschenliebe und der Freundschaft aufbewahren, und uns nicht der Gefahr aussetzen, es zum Spielwerk eines Unwürdigen zu verschleudern. Im Ernst, Liebe, das wäre eben so häßlich und tragisch, wie ein Frühling ohne Blüthen und Nachtigallen. Lassen Sie uns lieber den Gesichtspunkt für die Liebe aufsuchen, wo wir gefahrlos mit ihr -- spielen können, wie die Aegyptischen Damen mit den Schlangen, die sie zur Kühlung im Busen tragen. Es ist ja unsre Schuld, wenn wir vergessen, daß Amor ein Kind ist, und wir also mit ihm spielen sollen und müssen, ohne mit dem muthwilligen Buben altklug thun, oder ihm gar -- wie Sie mir Lust zu haben scheinen -- eine Alongenperücke aufsetzen, und ihn darin eine Heldenrolle spielen lassen zu wollen. Das rächt sich wie jede Unnatur, und paßt höchstens für eine einfältige Landnymphe, die mit ihrem zärtlichen Schäfer, nach dem verjüngten Maaßstaab von Herkules und Herkuliska, ihren Roman spielt. Ein solches Gänschen mag ihr Herz in Thränenwasser aufweichen, und es ihrem Geliebten, mit Seufzern und Vergißmeinnicht zierlichst empfindsam garnirt, überreichen. -- Dem denkenden Weibe aber sey die Liebe nur eine vorübergehende Thorheit, ein, zum angenehmen Lebensgenuß nothwendiger, Zusatz, durch Geist und Grazie verfeinert und pikant gemacht. Unsre Unschuld, unser Ruf, unsre Ehre, sind das Eigenthum des künftigen Gatten, wodurch wir von ihm Rang und Vermögen erkaufen, und Pflicht sey es uns, sie ihm zu bewahren, wenn auch nur aus Dankbarkeit, daß er uns die Judengasse unsrer Mädchenetikette aufschließt. Gefallsucht ist aber als Quintessenz der weiblichen Liebenswürdigkeit erlaubt, und ein ganz nothwendiges Ingredienz reizender Weiblichkeit, die nichts als eine weise geistig-körperliche und körperlich-geistige Kunst ist, den Männern zu gefallen und sie zu beherrschen. Nein, sagte Natalie hier schmerzlich entrüstet, Sie lästern die Liebe und das reine Gemüth des Weibes; die Männer mögen seyn, wie Sie sie schildern -- ich weiß es nicht -- aber unter uns giebt es noch Herzen, die lieber brechen, als sich von unheiligen Empfindungen entweiht fühlen möchten. -- -- Sie schwieg hier, und ihr, nur auf der Oberfläche erstarrtes, in der Tiefe noch für alles Große und Schöne der Menschheit glühendes, Herz spiegelte sich in der Thräne, die sie Marianen zu verbergen suchte. Diese sah sie mit einem gutmüthig spottenden, höchst reizenden, Lächeln an. Wissen Sie, fragte sie, wie ich mir diese Schwärmerei empfindsamer Seelen erkläre? -- sie heißt mir der Fanatismus der Empfindeley, und sie ist auch mit den Erscheinungen jeder andern Art von Fanatismus so übereinstimmend als möglich. Je mehr der Fanatiker für seine Wolkengöttin thut und leidet, je theurer wird sie ihm, und die Gewohnheit sie anzubeten, däucht ihm bald so Wink seiner innersten Natur zu seyn, daß er es für Schande halten würde, zu fühlen und zu denken, wie andre gesund-vernünftige Menschen. Eben so geht es den Schwärmern und den Schwärmerinnen in der Liebe; die reine Geistigkeit, die vorgebliche Ewigkeit ihrer Gefühle, der seynsollende göttliche Ursprung derselben, wird ihnen zum ~point d’honneur~ -- aber -- aber -- armes Kind, wenn Sie wüßten, wie irdisch sich der geistig-geschlungene Knoten gemeinhin löset! -- Die Natur, die, früher oder später, über diese Unnatur siegt, bewirkt, daß dieser Kothurn doch nur für den Zweck, den sie der Liebe gab, wuchert. Ist dieser erreicht, so wird aus der tragischen Epopoe eine burleske Posse, und es ist daher sehr rathsam, die Stelzen gleich anfangs wegzuwerfen. Es gab vielleicht einst eine Zeit, wo die Liebe sich in dieser Gestalt zeigen mußte, wo das schalkhafte Kind zum Götterjüngling herangereift zu seyn schien -- das war aber am Ende ein poetischer Traum -- wir sind erwacht, und diese alte Zeit wird nie wieder neu werden. Die höhere Bildung, die gereifte Vernunft unsrer Zeiten, hat aus der einförmigsten, übellaunigsten Leidenschaft eine allerliebste, lustige Thorheit gemacht, und unsre Schuld allein ist es, wenn ihr heitrer Schein uns zum Irrlicht wird. -- Natalie schauderte vor der Frechheit dieser Aeußerungen zurück, und wandte sich dann zu N. den sie schon, vor der persönlichen Bekanntschaft, als sentimentalen, für die uneigennützigste Tugend, für Liebe, Wahrheit und einfachen Lebensgenuß, begeisterten Dichter geliebt und geschätzt hatte. Aber mit unbeschreiblichem Erstaunen lernte sie jetzt in ihn einen praktischen Epikuräer und den gefälligsten Verfechter jeder eignen und fremden Schwäche kennen. Er traf sie einst bey einem Besuche allein zu Hause; er fand sie lesend, und, als sie den Kopf, bey dem Geräusch seines Eintrittes, wandte, sah er in ihren Augen noch die Thränen der schönen Rührung, mit der sie gerade einen Aufsatz von ihm über die wahre Schönheit gelesen hatte. Erröthend legte sie das Buch weg; doch verstimmter denn je, für den geistreichen, gelehrten Ton seiner Unterhaltung, der ihr heute wehe that, zeigte sie ihm, was sie gelesen hatte, und fragte ihn offen und treulich, wie er diesen Widerspruch seines innern und äußern Lebens in sich dulden könne? Es wäre schlimm, antwortete er ihr, wenn die Poesie mich dem wirklichem Leben entfremdete, und ich von ihren bunten Schmetterlingsflügeln die Kraft fordern wollte, mich durch die Welt zu tragen. Also, fragte Natalie bestürzt, gilt Ihnen diese Begeisterung für Schönheit und Wahrheit, dies Suchen und Ergreifen des Umwandelbaren im wandelbaren Leben für nichts mehr als für ein leeres Spiel der Phantasie, ohne alle Realität? Wahrlich, sagte er nach einigem Schweigen, wenn ich nicht so fest überzeugt wäre, daß Täuschung über diesen Punkt sich unausbleiblich selbst zerstört, und dann viel schmerzlicher, als es die warnende Stimme des Freundes zu thun vermag; wenn ich es nicht für bedeutenden Gewinn hielte, die Welt und Menschen, so früh als möglich, in ihrer wahren Gestalt kennen zu lernen: so würde ich es mir zum Vorwurf machen, den Zauber zu zerstören, den Ihre holde Phantasie dem Leben leiht. Ach, meine Freundin, fuhr er inniger fort, es ist noch keinem Menschen vergönnt worden, an diese Träume zu glauben, bis das Grab ihn vom Lande der Träume scheidet. Früher oder später tritt die Wirklichkeit in ihrem abschreckenden Ernst vor uns, und zeigt uns die geträumten Ideale als Götzenbilder, bei deren abentheuerlicher Gestalt der reifere Mensch nur weilen kann, wie bei dem Schaukelpferde und der Puppe, die ihn in der früheren Kindheit ergötzten. Auch Ihre Stimmung, Ihre Reinheit, Ihre Schwärmerei werden Ihnen, liebe Natalie, nicht bleiben, wie sie noch keinem geblieben sind, der, mit ihnen ausgerüstet, in die Welt trat. Diese Tugenden sind liebliche Chimären, Erzeugnisse des heißen jugendlichen Herzens, die, wie jede andre Blüthe, mit der Jugend verschwinden würden, wenn auch keine Erfahrung und Einwirkung von außen sie zerstörte. Der ältre Mensch wird kühler, besonnener -- seine Pulse klopfen milder, seine Phantasie malt blasser, und ihm bleibt von seiner Jugendschwärmerei nur eine süße -- oft aber auch sehr bittre -- Erinnerung, und zuweilen der stille Seufzer, daß sie nicht dauern konnte. Weh also dem, der sein ganzes Leben an diese Träume vergaukelt! -- Nie können sie +daurendes+ Glück gewähren und das Bedürfniß des Glückes wird mit jedem Jahre stärker und leidenschaftlicher im Menschen. -- Bei Ihrer jetzigen Sinnesweise können Sie, liebe Natalie, nicht der Gefahr entgehen, irgend einmal, von allen Ihren Schwärmereien verlassen, dazustehen, ohne alle Mittel, sich wieder mit dem Leben und Ihrer Erkenntniß der Wirklichkeit zu versöhnen. Jetzt scheint es Ihnen leicht und groß, ohne alle Ansprüche auf Lebensgenuß, nur für kalte Pflichten und fremdes Glück zu leben -- aber es wird eine Zeit kommen, Natalie, wo Sie Ihre Rechte und Forderungen an Glück und Genuß tief, tief, fühlen werden; wo von dem ganzen System Ihrer jetzigen Gefühle, die Sie zum Theil für Grundsätze halten, nichts in Ihnen zurück bleiben wird, als die schmerzliche Reue, so viele Vorzüge, so viele Geisteskräfte, die Sie zu einem heitern frohen Genuß des Lebens empfingen, für diesen Zweck unbenutzt gelassen zu haben. Sie können in diesem Augenblick so wenig die Denkungsweise eines spätern Jahrzehends verbürgen, als der Träumer seinen Zustand nach dem Erwachen. Sie glauben also nicht, unterbrach ihn Natalie, daß in der moralischen Natur des Menschen jene Hinweisung auf ein Gebot der Pflicht liegt, die, wie mich dünkt, allein dem kleinen Leben Werth zu geben vermag. Das Paradies meiner Jugendträume, in dessen Besitz Sie mich noch glauben, ist schon hinter mir versunken -- aber eben das erscheint mir als das finsterste, hoffnungsloseste, Geschick, was Sie mir als Lebensweisheit preisen. Giebt es in und außer uns nichts Höheres, als die Freudenblumen irdischen Genusses; so haben wir wahrlich für den Gaumen und den Hunger eines Halbgottes nur Thierweide und Thierspeise. -- Giebt es denn eine Geisteskraft, fragte er, deren Zweck nicht durch die Ausbildung und Verschönerung des Genusses dieses Lebens erreicht wird? -- Wie hoch standen nicht die Griechen in Lust und Schmerz, deren geistiger Gesichtskreis sich doch auf dies Leben beschränkte, und deren Tugend, deren Freude, von der Erde ausging und zu ihr zurückkehrte, wie jene Bäume, deren Gipfel sich herabsenken, um zu neuen Wurzeln zu werden. Die Sentimentalität der Neueren -- ihr Hinüberspielen dieses Lebens in ein Reich der Ideen und der Träume, ist eine Frucht der Entbehrung und der Sehnsucht. -- Der glückliche Grieche, der das Leben wirklich genoß und zu genießen verstand, konnte sie daher nicht haben. Die Natur gab uns Geist und Blut; all das Dunkle unsrer Organisation, was wir so gerne in seiner Unergründlichkeit heilig nennen, sind Aufwallungen des letztern, farbige Seifenblasen des erstern, und die schöne moralische Welt, in der man so lange man jung ist, Anlage hat, den Don Quixote zu spielen, verschwindet wie ein Nebelgebild in farb- und gestaltlosen Duft, wenn uns die reifende Vernunft, durch das Glas der Erfahrung, die Dinge zeigt, wie sie sind, und in der Wirklichkeit seyn sollen. Genießen Sie immerhin Ihrer jetzigen Träume als einer Jugendblüthe; nur vergessen Sie nicht Schillers eben so schönes als gehaltvolles Wort: Was man von der Minute ausgeschlagen Giebt keine Ewigkeit zurück. -- Natalie bebte, und lange rang sie mit Ernst gegen den Einfluß dieser Menschen auf sich; aber der Schein des Lächerlichen, den man auf ihre Vertheidigung jedes edlern Zweckes unsers Daseyns warf, machte sie stumm, und ach! diese Menschen waren glücklich und ihr Glück schien die Richtigkeit ihrer Ansichten zu verbürgen. Ermattet vom vorhergehendem Kampfe, ließ sie endlich das Gift dieser Sophistereien unbeachtet in sich fortwirken. Sie faßte das Leben und das Treiben der sie umgebenden Menschenmenge schärfer ins Auge, und ihr Blick, der bis jetzt die äußern Erscheinungen wenig beachtet und nur in der Tiefe eigner Selbstbeschauung geweilt hatte, lenkte sich jetzt auf jene hin. Sie sah nun, wie die Feinheit und Sentimentalität die ästhetische Cultur, worauf die, die sie besaßen, so eitel waren, und die sie selbst bis jetzt für die zarteste Blüthe geistiger Bildung geachtet hatte, ohne innern Gehalt nie in das Gemüth drang, sondern nur auf der leichten Oberfläche des Lebens und des Karakters weilte. Ihr ernster Geist bemerkte mit tiefem Unmuth, wie die Wahrheit selbst zum Vorurtheil herabgewürdigt wurde, weil man in ihr nur den Wiederschein eigner kleiner Persönlichkeit liebte und vertheidigte. Sie sah, wie man sich einander häßlicher Gebrechen unter schönen Namen als Tugenden anrechnete -- sie sah das allgemeine Streben nach Glanz und Schein -- die knechtische Herabwürdigung des Verdienstes vor den Reichen und Mächtigen -- das leidenschaftliche Jagen nach Geld, als den Kaufpreis alles Würdigen, und ihr Gefühl dabei war finstrer, bittrer, verachtender Unmuth. Aber tiefer noch, als diese Unwürdigkeit der Schlechten und Mittelmäßigen, verwundete und schmerzte sie die Verkehrtheit der Besseren, die genug zu haben und zu thun wähnten, an einer Spekulation des Gedankens, die nie in das thätige Leben eingriff, und bei diesem leeren Ideenspiel zufrieden waren, wenn sie sich und andern ihre allmächtige Abkühlung gegen das höhere Interesse der Menschheit, für Ruhe und Reife, ihre Kälte für verständige Besonnenheit, und ihren Mangel an Begeisterung für Klarheit anrechnen konnten. -- Sie stürzte sich jetzt ins Gewühl der Welt und der Menschen, um nach einem Anklang zu horchen, der sie Befriedigung für die immer wieder neu erwachende Sehnsucht ihrer Seele hoffen lassen könnte -- vergeblich! vergeblich! -- Immer mehr verarmend an jeder schöneren Hoffnung, gereizt durch Beispiel, betäubt durch die Sophistereien eines, eben so falschen als blendenden, Raisonnements, hingerissen von dem Schimmer eines schuldlosen, fröhlichen Leichtsinnes, der nichts höheres wollte, als angenehm tändeln, gab sie sich nach und nach einem rauschenden, eitlen Leben hin, im Wahn, es, sobald sie wolle, wieder von sich weisen zu können, wie sie es jetzt sich aneigne. Das gesellige Leben wurde nun ein glänzender Schauplatz für ihre geistigen Kräfte, und sie bildete es zum reizenden Kunstwerk aus. Was Geist, Freiheit, Grazie und Talente, Liebliches und Anmuthiges, im flüchtigen Vorübergleiten des Lebens, darzustellen vermögen, stellte sie in sich dar, und empfand den Schmerz, daß es Allen, die in ihren Kreis traten, für das Höchste galt, was ein Weib ist sich darzustellen vermöge. Ihr selbst konnte es dies aber nie werden, weil sie, da ihr Gemüth eine Tiefe hatte, die dies Leben nicht zu füllen vermochte, das Gefühl höherer Bedürfnisse nicht zu ersticken vermochte. Natalie, und mit ihr jede edlere weibliche Seele, kann wohl, als Figurantin, in dem bunten Gewühl des eitlen Weltlebens auftreten, und seine flüchtigen Erscheinungen an sich vorübergleiten lassen; aber sich ihm hingeben und eine Rolle darin übernehmen, kann sie nicht, ohne jene schöne Kindlichkeit einzubüßen, die, wie die Unschuld, nur einmal verloren wird. Nur aus dem +Herzen+ des Weibes keimt sein wahres Leben fröhlich und fromm hervor, wie die Pflanze, durch Sonnenschein und Luft, sich aus dem Keime entfaltet -- wo es aber aus Eitelkeit und Weltfreude, oder auch aus dem Geist, aus Raisonnement und Wissenschaft, aufgehen soll, wird es ein Produkt aus dem Treibhause der Unnatur. Auch an Natalien rächte sich der Irrthum, mit ihrer neuen Lebensweise gefahrlos spielen zu können. Sie fühlte selbst, wie viel Gekünsteltes und Falsches sich ihr wie Kletten anheftete, und was von Andern als die feinste Blüthe ihres Geistes und ihrer Liebenswürdigkeit gepriesen wurde, machte sie mit sich selbst immer uneiniger. Sie hatte nicht den fröhlichen Leichtsinn, mit dem manches weibliche Wesen, eben so gedankenlos als heiter, durchs Leben geht, und wo sie ihn erkünstelte, blieb ihr immer das Gefühl, daß sie etwas treibe, wovon ihr Gemüth unmuthig sich abwende. Je lauter es um sie, je größer und glänzender der Kreis ihrer Bewunderer wurde, dem sie Tonangeberin, Freudenspenderin hieß, desto finstrer wurde es in ihr, und desto trüber die geheime Wehmuth, mit der sie dem, was sie einst gewesen zu seyn fühlte, nachblickte. So verstrichen zwei Jahre. Rudolf war schon seit achtzehn Monaten Louisens Gatte, und jetzt wurde sein Bruder Verlobter einer nahen Verwandtin Nataliens, und diese, mit ihren Eltern, zu seiner Hochzeit nach der Stadt geladen, die sie, seit ihrem Aufenthalt auf dem Lande, noch nicht wieder besucht hatte. Rudolf hatte sich, nach ihrer Entfernung, oft unedel über sie geäußert, und auch jetzt lag in dem Briefe, worin er sie, als ernannter Marschall bei der brüderlichen Hochzeitsfeier, zu derselben einlud, unter dem Schein der ehrerbietigsten Höflichkeit, ein leiser triumphirender Spott, der es verrieth, wie er sie noch nicht fähig halte, die an seinen Anblick gebundenen Erinnerungen, ohne tiefe, schmerzliche Erschütterung, zu ertragen. Natalie war entschlossen, die Eitelkeit dieses Menschen, der mit ihrem Herzen ein so grausames Spiel getrieben hatte, zu demüthigen. Ihr Haß, ihr Unwille konnten ihm schmeicheln, wie er es unmuthig empfinden mußte, wenn sie ihn übersah, oder ganz unbefangen sich gegen ihn zeigte, und wissentlich und vorsätzlich bot sie alles auf, ihre Erscheinung in S... so reizend und glänzend als möglich zu machen. -- O, Natalie, was war aus der schönen frommen Einfalt, aus der Demuth geworden, mit der Du ehmals Deine Tugenden verhülltest und um Deinen eignen Reiz nicht wußtest! -- Ach, Du hattest nicht allein gelitten -- Du warst auch gesunken! -- Die ehmals so stille, schimmerlose, veilchenähnliche Natalie, trat jetzt im Zirkel ihrer alten, städtischen Bekannten, als feine gebildete Weltdame, und in der reizenden, fast üppigen Blüthe jugendlicher Frische und Gesundheit, auf. Sie zog durch die Neuheit ihrer Erscheinung und durch die geschmackvolle Pracht ihres Anzuges alle Augen auf sich, und ihr Geist, ihr Witz, ihr, zur höchsten Feinheit ausgebildeter, Conversationston boten ihr, vereint mit der Grazie ihres Benehmens, unerschöpfliche Hülfsquellen dar, zu fesseln, was sie einmal angezogen hatte. Am Tage ihrer Ankunft schon traf sie Rudolf mit seiner Frau in einer Gesellschaft an. Er näherte sich ihr, sie zu bewillkommen; als sie ihm aber so stolz, so leicht und unbefangen, ohne die leiseste Spur von Verlegenheit und Zwang, entgegentrat, fühlte er sich unerwartet gedemüthigt. Bald aber nahm er sich zusammen, und wollte vor ihr durch seinen Witz und Humor glänzen, und sie das alte Uebergewicht wieder fühlen lassen; sie begegnete ihm indeß auch hier so gewandt, wußte den Gang des Gesprächs so ganz in ihrer Gewalt zu behalten, daß sie auch in diesem Wortgefecht und Witz-Spiel als Siegerin erschien. Mit einer, ihrer ganz unwürdigen, Kunst, schien sie ihn dann ferner gar nicht zu beachten, und wußte doch unvermerkt in seiner Nähe, und wo sie sich von ihm bemerkt fühlte, von neuen Seiten zu glänzen. Täglich fühlte er sich durch sie von einem neuen Zauber umstrickt, dessen Macht die Huldigung, die man ihr allgemein darbrachte, verstärkte. Und von ihr, die ehmals nur für ihn lebte, und voll anbetender Ehrfurcht zu ihm aufsah, fühlte er sich jetzt ganz achtlos übersehen, wo er ihr nicht vorsätzlich in den Weg trat, und dann aufgenommen, wie jeder andre gleichgültige Bekannte! -- Seine tief verletzte Eitelkeit brachte ihn zu dem Gefühl, welches früher Nataliens gebrochnes Herz, ihre zahllosen Thränen, ihr unermeßlicher Schmerz, ihre unendliche Liebe nicht in ihm zu wecken vermocht hatten: zur Reue über die Vergangenheit. Jeden Morgen sah er sie von neuem mit der Hofnung, in einem von ihr unbewachten Augenblick zu entdecken, ihre Gleichgültigkeit gegen ihn sey nur Maske; aber jeden Abend schied er, betrogen in dieser Erwartung, von ihr. Natalie war nicht so ganz geheilt, als sie früher es zu seyn gewähnt hatte -- die Wunde war geschlossen; aber sein Anblick, und das häufige Zusammenseyn mit ihm, dem noch immer so liebenswürdigen und verführerischen Manne, machten ihr aufs Neue die Narbe fühlbar, und ihre einsamen Augenblicke waren nicht so friedlich und heiter, wie sie selbst es in Gesellschaften zu sein schien. Was ihr Kraft gab, ihre Rolle durchzuführen, war Louisens bleiche, verweinte Gestalt. Natalie hatte ihr längst vergeben und Louise war dieser Verzeihung würdiger denn je. In dem Manne, den sie aus Liebe geheirathet hatte, fand sie den Tyrannen seines Hauses. Mutter einer Tochter, der sie Nataliens Namen gegeben hatte, suchte sie ihre früheren, jetzt von ihr so schmerzlich gebüßten, Verirrungen durch die treueste Erfüllung ihrer Mutterpflichten zu vergüten. Es erschütterte Natalien namenlos schmerzlich, als Louise sie, bei einer großen Gesellschaft in ihrem Hause, nach der einsamen Kinderstube führte, und ihr dort die kleine Natalie in die Arme legte. -- -- Gewisse Saiten der weiblichen Empfindung sind so fein, daß sie nur in den unsichtbarsten Schwingungen ansprechen -- ihre Bebung aber durch kein Wort ausgesprochen werden darf. Nataliens Augen wurden naß, als sie das kleine holde Geschöpf, das schmeichelnd seine Arme um ihren Nacken schlang, an ihr Herz drückte -- schluchzend sank Louise in ihre Arme -- und in dieser Umarmung ohne Worte fanden sich zwei Herzen wieder, die beide eines schöneren Looses würdig gewesen wären. Louisens Unglück schärfte Nataliens Verachtung gegen Rudolf aufs bitterste, und sie hätte ihr Herz lieber zerdrückt, als ihn auch nur auf einen Moment errathen lassen, daß das Gewicht der alten Ketten sie noch zuweilen drücke. Wochenlang hatte sie ja auch schon im Voraus auf ihre Rolle gegen ihn studirt, und der ihr bis zu diesem Zeitpunkt fremde Genuß der Kräfte, die sie jetzt nützte, wurde ihr Entschädigung für den Zwang, den sie sich auflegte. Der Hochzeitstag seines Bruders näherte sich. Am Polterabende desselben erschien sie, in einem, dazu von ihr verfertigten Singspiel, reizender denn je. Die theatralische prachtvolle Kleidung, die vortheilhafte Beleuchtung, ihr himmlischer Gesang, und das sinnvolle Spiel ihrer glänzenden Rolle, hüllten sie in einen Nimbus, der alle Augen blendete. Die ganze Versammlung sah nur sie, und Alles, was sie umgab, schien seine Stelle nur einzunehmen, um von ihr überstralt zu werden. Rudolf fühlte mit bitterm Unmuth, was er in ihr von sich gestoßen hatte, und als sie am Schluß allein vortrat und das Stück mit einer Anrede an das Brautpaar schloß, hieng sein dunkler Blick, leidenschaftlicher glühend, als in den schönsten Tagen ihrer Vergangenheit, an ihr. Unwillkührlich fortgerissen, wurde das Lob, das er ihr sagen wollte, zu so leidenschaftlichen Worten, daß es sie berechtigte, ihre tiefe Verachtung seiner und den so lange bezwungenen Unmuth in den Blick zu legen, mit dem sie sich schweigend von ihm wandte. -- Sie sah den Uebermüthigen, wie vernichtet, vor sich stehen -- sie hatte sich diesen Triumph gewünscht, darnach gestrebt -- aber mit dem Augenblick seines Genusses entfloh ihr der Genius schöner zarter Weiblichkeit und sie hörte auf, besser zu seyn, als ihr Schicksal! Sie kehrte mit ihren Eltern zurück, aber ihr verletztes Selbstgefühl, das Bewußtseyn, unwürdig gehandelt zu haben, verfolgte sie; sie haschte, um es zu betäuben, immer eifriger nach dem Genuß befriedigter Eitelkeit, und ihr früheres Beruhen auf eignen Werth entfremdete sich ihr ganz. In dem Zirkel von Hof- und Weltleuten, worin sie jetzt fast ausschließlich lebte, konnte ein Geschlecht, das sie in Rudolf verachten gelernt hatte, ihre Achtung nicht wieder gewinnen; sie hielt sich berechtigt, die Männer zum Spiel ihres launenvollen Uebermuthes zu machen, und fühlte nicht, daß sie sich ihnen zum Spiel hingab, weil der Beifall dieses Geschlechts ihr durch den Aufwand von Geist und Kunst, den sie es sich kosten ließ, ihn zu erwerben, zum Höchsten ihres gehaltlosen Lebens geworden war. Ihre Eltern wünschten, sie verheirathet zu sehen, und mehrere der angesehensten und rechtlichsten Männer warben um ihre Hand, die sie allen versagte, voll des entschiedendsten Widerwillens, sich je ein Verhältniß dieser Art anzueignen. Unter den Schaaren ihrer Anbeter zog mancher sie an; aber bis zum Herzen drang dieser Eindruck nie. Alle beugten sich unterwürfig vor ihrem Geiste, und huldigten der Herrschaft, mit der sie mehr eroberte und unterjochte, als einnahm und gefiel, und diese Unterwürfigkeit, dies Eingehen in ihre Launen, und die Ansichten, die sie zur Schau trug, ohne daß es wahrhaft ihre Ansichten waren, haßte sie. In ihrer Seele lag die Ahndung eines Wesens, von dem ihr Glück, Genesung, Trost, Veredlung kommen könne, dessen Liebe die Verstimmung ihres Innern in Harmonie aufzulösen vermöge. Sehr bestimmt fühlte sie, diesem Wesen noch nicht begegnet zu seyn; aber sie hielt sich auch nicht mehr der Hoffnung werth, es zu finden. Was konnte sie einem solchen Wesen noch seyn und werden? -- Zu edel einst, um nicht selbst ihre jetzige Unweiblichkeit zu fühlen, die Genuß darin suchte und fand, nicht Einem, sondern Allen zu gefallen, sagte sie es sich selbst, der Mann, den sie ihrer Liebe würdig fände, könne nur noch mitleidig in ihr auf die Spuren dessen herabblicken, was sie ehmals war. Von allen ihren männlichen Bekanntschaften wurde auch nur eine zur bleibenden Erscheinung ihres Lebens, und zugleich Beweis, wie zart sie, trotz der eignen Verstimmung, jede Blüthe einer fremden schönen Individualität ehrte. Der Prediger ihres Dorfes hatte einen jüngeren Bruder, August, dem die Natur zu einem heißen schwärmerischen Herzen das Gegengewicht eines tiefdenkenden Geistes, und ein seltnes Gleichgewicht zarter reiner Empfindung und der Anlage zu ernster Karakterfestigkeit, schenkte. In ländlicher Stille und Einsamkeit von seinem Vater erzogen, trat er jetzt, in seinem achtzehnten Jahr, in eine ihm nur aus seinen Büchern bekannte Welt. Er sollte, ehe er die Akademie bezog, noch einige Monate bei seinem Bruder zubringen, um von dessen Einsichten seine gesammelten Kenntnisse ordnen und sich zur Benutzung der neuen Quellen des Wissens, die ihm binnen kurzem geöffnet werden sollten, Anleitung geben zu lassen. Hier lernte er Natalien kennen. Dem mit Dichterideen vertrauten Jüngling, der von ihrem Geschlecht nichts, als einige ungebildete Prediger- und Pächtertöchter kannte, erschien sie wie ein höheres, durchaus idealisches, Wesen. Ihr Stand und der Luxus ihrer Umgebungen vergrößerten noch die Scheidewand zwischen ihnen, und sicherten ihn vor jedem gefährlichen Eindruck. Natalie fand ihn bald in seinen Kenntnissen und seiner rein poetischen Natur auf, und zeichnete ihn durch freundliche Güte aus. Der Prediger, der sie sehr schätzte, bat für August um die Erlaubniß, ihr elterliches Haus oft besuchen zu dürfen, damit er künftig nicht ganz als Neuling in das gesellige Leben eintrete, und August fand nun Gelegenheit, Natalien fast täglich zu sehen, und das nicht bloß im größern Zirkel, wo sie nur blendete und ihm immer fremd geblieben seyn würde, sondern auch im Familienkreise, und mitunter auf ihrem einsamen Zimmer. Sie ließ sich oft von ihm vorlesen, und knüpfte an das Gelesene Gespräche, in denen sie ihm, mit der zartesten Achtung für seine poetische Ansicht des Lebens, die sie an dem frischen, jugendlichen Gemüth liebte und ehrte, den Schatz ihrer Welt- und Menschenkenntniß öffnete, und mit Verhüllung ihrer düstern Ansichten und bittern Erfahrungen, ihn nur darauf hinwies, poetische Menschen, von den Besten, Weichheit, von Zartheit des Gefühls, Spannung der Leidenschaft, von Kraft und Energie unterscheiden zu lernen. Die innere Bestimmung des Menschen, den hohen Werth des +Selbsts+, die Kleinlichkeit des +Ichs+, zeigte sie ihm aus den mannigfaltigsten Gesichtspunkten, als das höchste Kleinod aller Spekulation des Gedankens, aller Bildung, und benutzte die rege Empfänglichkeit des Jünglings für die Lehren eines reizenden weiblichen Wesens, um seine Begeisterung für Liebe, Wahrheit und Pflicht zu läutern und zu nähren. Es that ihr unbeschreiblich wohl, Wahrheiten, deren Läugnen sie nur im Begriffe mit sich herumtrug, ohne daß ihr innerstes Gefühl ihnen je untreu wurde, das Wort zu reden, und sie gewann den Jüngling, in dieser Sorge für seine Bildung, schwesterlich lieb, und freute sich der Unbefangenheit, mit der sie ihm das zeigen durfte. Elise war in der langen Entfernung dem Herzen ihrer Schwester nicht fremd geworden. Natalie besuchte sie jährlich, und hieng mit mütterlicher Sorge und Liebe an dem Wunsch, sie vor den Abwegen zu bewahren, auf denen sie selbst verirrt war, und sie ganz für einfaches häusliches Glück zu bilden. Zufällig erwähnte sie ihrer einigemale mit großer Innigkeit im Gespräch mit August, und dieser, den die zärtliche Ehrfurcht, die Begeisterung, mit der er an Natalien hing, in einen, ihm bisher fremden, Rapport mit dem ganzen Geschlecht gesetzt hatte, faßte Elisens von ihr entworfenes Bild mit einer Wärme auf, die in Natalien zuerst den Gedanken an die Möglichkeit einer künftigen Verbindung beider weckte, mit dem sie, je öfter er sich ihr darstellte, immer vertrauter ward. Vorsätzlich heftete sie jetzt die Phantasie des Jünglings auf Elisens Bild, und führte sie auch seinem Herzen näher, indem sie ihm einige ihrer Briefe lesen ließ, in denen das Herz eines Engels und die Kindlichkeit der süßesten Unschuld sich aussprach. Nataliens Schwester hätte ihn immer interessirt; aber die Schreiberin dieser Briefe würde er geliebt haben, wäre ihm auch ihr Name unbekannt geblieben. Natalie freute sich dieses sichtlichen Eindrucks, und sorgte jetzt, mit der vollen Unbefangenheit und Freimüthigkeit einer Schwester, für ihn. Sie verschaffte ihm, als er zur Universität abging, Empfehlungen an mehrere der angesehensten Häuser, und an einige der geschätztesten Professoren, und man war es zu gewohnt, sie mit Rath und That thätig zu sehen, wo sie nützen konnte, als daß man diese Theilnahme befremdend gefunden und sie mißverstanden hätte. August fand daher durch ihre Vermittelung Zutritt in die gebildetesten Zirkeln seines neuen Aufenthalts, und Nataliens Andenken und Elisens Bild gingen mit ihm als Schutzengel durch Jahre, die nur zu oft des Jünglings Werth und Glück zerstören. Er schrieb Natalien oft, und die Rechenschaft seines Lebens und des Fortgangs seiner Bildung, die er in diesen Briefen niederlegte, erhielt ihm eine Grazie der Sittlichkeit und der Empfindung, die in dieser Reinheit den mehrsten Männern zur Fabel geworden ist. Rhode kam jetzt nach mehrjähriger Entfernung in sein Vaterland zurück, und kaufte sich in der Nähe von Nataliens Wohnort das schöne, romantisch gelegne Gut, Nepernitz. Nataliens Bild hatte ihn auf seinen Wanderungen begleitet, und führte ihn jetzt in seine Heimath zurück, wo er sie, wie ihn dünkte, reizender und liebenswürdiger, als er sie verlassen hatte, wiederfand. Auch Natalie sah mit Vergnügen den ältesten und treuesten Freund ihrer Jugend wieder; aber trotz der größeren Gewandtheit und Politur, die ihm diese Reise gegeben hatte, ging die stille herzliche Liebe, zu der sich seine Neigung für sie ausbildete, in ihrer einfachen Wahrheit für Natalien verloren, die es zu gewohnt war, das häusliche Leben und die Ehe mit dem häßlichen Zusatz von geistlosen Umgebungen und gänzlichem Mangel an schöner Natur und Poesie, in der langweiligen Einförmigkeit zu sehen, die leider nur zu oft das reinste und schönste aller Erdenverhältnisse entstellen. Wie tief sie überhaupt verletzt war, wie schmerzlich sie die Disharmonie ihrer Lebensweise und ihres Gemüthes, ihrer Ansichten und ihrer Empfindungen, fühlte, und welche stille, hoffnungslose Sehnsucht an der Blüthe ihres Lebens zehrte, mag uns ein Blatt aus ihrem Tagebuche enthüllen, das sie am Morgen ihres zwanzigsten Geburtstages schrieb. den 17. December. So sind denn also schon zwanzig meiner Lebensjahre entflohen! -- die erste schöne Jugend, die Blüthe des Lebens ist mit ihnen dahin -- ach! hat denn diese Blüthe mir geduftet? fallen ihre Blätter jetzt nur, damit die Frucht sich entwickle und reife? -- Nein -- ungenossen entflieht sie und nie kehrt sie wieder! -- Ohne Wunsch, ohne Hoffnung, ohne Sehnsucht, verarmt an Glauben und Liebe, trete ich in dies neue Lebensjahr ein. -- Mein Innres liegt in Ruinen, über denen düster der Geist finstrer Lebensbeschauung schwebt. O wie kann der Mensch so mit Bewußtseyn, so bei vollem physischen Leben, sich selbst geistig so absterben! Woran soll ich in mir das Wesen wieder erkennen, das ich vor sechs bis sieben Jahren war? Ein widriges Gift nagt an meinem Geiste -- ich fühle, wie es meinem Herzen, dem Mittelpunkt des Lebens, näher und näher schleicht; aber mir fehlt, mit der Kraft, der Wille, seinen Sitz aufzuspüren, und das Gegenmittel, ihm zu begegnen. -- Nichts gleicht dem Schmerze, mit dem wir in der Natur einsam und gespensterartig umherwandeln, wenn wir den Glauben an die Seele derselben verloren haben, und sie uns nun nichts weiter ist, als ein zweckloses Maschinenwesen, ein Kreislauf, der nur Leben schafft, damit der Tod zu würgen habe. Was ist die Harmonie des Weltalls ohne einen Hörer? -- und wenn sie dieses Hörers bedarf, um Seele und Bedeutung zu erhalten -- ach, dann sind ja diese wieder nur von ihm entlehnt? -- ich habe ihr nichts mehr zu geben, das mir aus ihrem Spiegel zurückzustralen vermöchte, und so ist sie für mich nur ein todtes Farben- und Sinnenspiel, aus dem mich kein heiliger Geist der Liebe mehr anredet. Ich fühle mich von ihr gestoßen, von ihr gerissen, und darf nirgends, nirgends, fragen, warum ich es bin? -- wer kann, wer mag mit einer blinden, willenlosen Nothwendigkeit rechten? Aber wenn neben meinem jetzigen Verstummen die Erinnerung der Zeit vor mich tritt, wo sie mir Hieroglyphe des seeligsten, vertrauungsvollsten Glaubens war, dann möchte ich Flügel nehmen und von Himmel zu Himmel, von Orionen zu Orionen fliegen, und suchen, dem ich klagen könnte, klagen dürfte, -- möchte niedersinken und stammeln: Vater, hier bin ich! verstoße mich nicht wieder! -- Aber sie sind zerschnitten, diese Bande, die mich an diesen Glauben knüpften -- das verrätherische Spiel der Kräfte ist in mir geweckt, und kein Machtspruch meines Willens vermag es mehr zu enden. -- Daß der Mensch, beim Eintritt in dies Leben, vom Schmerz empfangen wird, daß tausend Leiden ihn umringen, daß der Tod seinem Herzen Wunden schlägt, die unvernarbt bluten, bis er sie schließt, sollte mich nicht an der unsichtbaren Hand irre machen, die das Schicksal leitet. -- Aber der Zweifel, vor dem der Glaube erstarrt, die Farbe des Lebens schwindet und die ganze große Natur nur ein Abgrund wird, in dem alles Daseyn +zwecklos+ untergeht, ist der, daß der Mensch elend ist, elend wird, durch sein Sehnen nach Tugend und Liebe -- daß beide ihm nie erscheinen -- die edelsten Wünsche seiner Seele unbefriedigt, seine edelsten Anlagen unentwickelt bleiben -- daß er, um das einzige ihm erreichbare Glück zu erreichen, nichts wie Thier seyn und bleiben muß. -- Wahrheit, Tugend, Liebe -- ein heiliger Traum von eurer himmlischen Dreieinigkeit war einst in meinem Herzen -- ihr waret das Ziel, dem ich jede Kraft meines Geistes, meiner Seele, weihte -- wie Geistersonnen erhelltet ihr mir meinen Pfad: aber da stiegen die Nebel des Lebens vor mir auf, und sie zogen sich schwärzer und schwärzer zwischen euch und mich, bis ihr, verdunkelt und verschwunden, mir zu trügerischen, phantastischen Schöpfungen des eignen Herzens wurdet. -- +Wahrheit!+ -- Deine Göttlichkeit schwand mit dem entschleierten Wahn, der mir für Dich gegolten hatte. Was unschuldig und einfältig in meiner Seele ruhte, wurde durch die Weisen und Philosophen unsrer Zeit frech ans Licht gezogen und von allem Wahn gesichtet und geläutert, bis ihm die Seele entfloh, und nur ein todtes Wissen zurückblieb, das keines der Bedürfnisse meines Herzens zu befriedigen vermochte. Da wollte ich diesen Weg verlassen und zu meinem Gefühle zurückkehren. Wo und wie aber seine Wahrnehmungen von den Täuschungen der Phantasie sondern? -- Wahrheit des Gefühls war es, als früher meine Seele die Welt in der schönen Verklärung der Liebe, des Glaubens und der Hoffnung sah. -- Wahrheit des Gefühls war es, als es später wie ein höhnischer, spottender, verächtlicher Traum vor mir lag. -- Beide Ansichten gingen aus demselben Herzen, demselben Gemüth hervor -- welche Ansicht ist nun die wahrste? -- wie kann ich einer Welt trauen, deren Ansicht von dem Widerschein einer ihr ganz ungleichartigen abhängt? -- wie kann das Gefühl, von dem beide Ansichten ausgiengen, zwischen ihnen über ihre Richtigkeit und Wahrheit entscheiden? -- Ach! keine Rückkehr ins Paradies des Glaubens ist möglich, wenn der Engel der Erkenntniß mit seinem feurigen Schwerdte den Eingang verbietet. -- +Tugend?+ -- auch das Streben nach ihr ist vergeblich, und sie selbst ein Resultat von Umständen, die der Mensch so wenig herbeizuführen vermag, als die Verhältnisse, die ihm sein Eintritt in die Welt anweiset. Die Welt um uns her ist ihr zu feindlich, und das Leben, weit entfernt, sie zu dulden, zerstört sie unausbleiblich. Die Geschichte zeigt uns an einigen Menschen einzelne tugendhafte Fähigkeiten, einzelne große, edle Handlungen -- aber nur ein ganzes großes Leben kann Tugend heißen, und dies lebte keiner. Schwäche und Thorheit bemächtigten sich des Menschen bei seinem Eintritt in die Welt, und keiner, keiner, bleibt von ihnen unangefochten und selbstständig, rein und fest. Erst zeigt sich das Unwürdige außer uns in tausend mannigfachen Formen; es folgt uns auf jedem unsrer Tritte, und das oft in so verdachtloser, wohl gar anmuthiger, Gestalt, daß wir ihm das Herz öffnen, worin es denn wohnt, bis es nicht mehr schlägt. Und +Liebe+? -- ach, von allen Träumen, die mein früheres Leben verschönten, war der himmlischste auch der vergänglichste! -- Wo ich ihr außer mir zu begegnen glaubte, wurde mein reines Hingeben, durch den Unwerth des Gegenstandes, zur lächerlichen Posse, mit der jeder mich auslachen konnte, der davon hörte. -- Einst sah ich in täuschender Aehnlichkeit das Ideal meines Herzens außer mir, und da hatte das Leben Götterglanz, mein Herz den süßen Frieden des seeligsten Glücks -- aber es war nur der Widerschein der eignen Gestalt, auf der fremden, kalten Wasserfläche, die, als ich sie umfassen wollte, mich zu sich in die betrügerische Tiefe zog. -- Erstarrt kehrte ich ins Leben zurück -- mein Daseyn hing an der Hoffnung, daß Liebe mir noch begegnen würde -- und sieh! unter ihrem Namen trat mir Eitelkeit, Begierde, Habsucht, Sinnlichkeit entgegen. -- Da versteinerte ich mein Herz, damit keine unheilige Empfindung es entweihe! -- Aber nur den Glauben an diese himmlische Dreieinigkeit konnte mir das Leben rauben -- nicht die tiefe, flammende Sehnsucht darnach, die mich aufreibt und verzehrt. O könnte ich, wie Tausende um mich her, diese Sehnsucht von mir abstreifen! -- könnte ich Güte, Wahrheit, Liebe, ohne diesen schmerzlichen Widerspruch meines Gemüths, leere Trugbilder schelten, und sie von mir weisen, wie die Gespenster, die meine Amme um meine Wiege stellte! -- könnte ich mir wohl seyn lassen im nichtigen Spiel des Lebens, mir aneignen den fröhlichen Leichtsinn gehaltloser Unbefangenheit, und mich gedankenlos der Woge des Augenblicks anvertrauen! -- Aber ich kann auch das nicht! -- jene Träume sind eins geworden mit meinem Bewußtseyn, das sie mir wie einen Spiegel vorhält, so oft ich zur Beschauung meines Innern zurückkehre. -- „Und kein Ausweg, keine Hülfe! -- Einsam und unerrathen steh’ ich da, und jede Frage an das Schicksal bleibt ungelöset. Jeder Monat macht mir das Gefühl innrer Verworrenheit heimlicher, und doch führt jeder mich weiter auf dem trostlosen Pfad. --“ „Einst hätte ich noch aus eigner Kraft umkehren können -- einst konnte ich wieder einfach, milde, gut und glücklich werden -- nun ist es zu spät. -- Und so nur vorwärts, ohne Zweck, ohne Ziel, immer vorwärts, wie das Thier, das mit verbundenen Augen, das Spiel einer ihm unbekannten Macht, die fremde Maschine im ewigen Kreise treibt.“ * * * * * Ach laßt uns milde bleiben gegen dies zerrißne Gemüth, diese in Unfrieden mit sich selbst versunkene Seele! -- Wahrlich, es sind nicht die Schlechtesten unter uns, die auf diesem Wege verloren gehen! -- Vielleicht konnte nur ein großer und heiliger Schmerz Natalien von dem betretenen, immer abschüssiger werdenden, Irrpfade zurückführen -- und er ward ihr. -- Ihre Mutter ward gefährlich krank, und an diesem Sterbebette fand die geliebteste der Töchter alle ihre Tugenden wieder. Natalie wich Tag und Nacht nicht von ihrem Lager, diesem Schauplatz des rührendsten Schmerzes, und der schönsten, edelsten Liebe. Mit einer über das Grab hinausreichenden Zärtlichkeit schlossen sich Mutter und Tochter inniger und inniger an einander, je näher ihnen die unersetzlichste aller Trennungen trat. Als ein heiliges Vermächtniß legte die Mutter ihre Sorge für Elisen an Nataliens Herz und als diese, mit tausend, tausend Thränen, die treueste Erfüllung der letzten, mütterlichen Erdenwünsche gelobte: da faßte die Sterbende die verlöschende Kraft ihres Lebens in einen Blick der Liebe zusammen und bat: gieb Rhoden deine Hand -- er hat dich so lange und so treu geliebt -- ist so gut -- gieb mir für ihn dein Ja und ich habe keinen Wunsch mehr. -- Natalie sank schluchzend an das treue Herz, dessen Liebe sie erst jetzt ganz zu fühlen und zu schätzen gelernt zu haben glaubte, und gelobte alles zu thun, was die Mutter wolle -- und in dieser Umarmung trat der, von seinen Schrecken entkleidete, Tod, als milder Genius, zur Sterbenden, und berührte ihr Herz. -- Da war sie gewesen, und nur die kalte Hülle noch umschlossen Nataliens Arme -- nur auf ewig verstummten Lippen ruhten die ihrigen. -- Heilige Thränen, die der Mensch um seine gestorbenen Lieben weint, ihr seid befruchtender Himmelsthau für jeden Keim des Guten und des Schönen in unsrer Seele, und euer Schmerz hebt uns über alle Fußangeln und Dornen der Erde empor! Wie eine Gottheit leben die Heimgegangnen in unserm Herzen fort, und das Andenken an sie giebt dem Leben Würde, dem Herzen einen Wiederhall aus Eden, und jeder Freude einen leisen veredelnden Schauer. Nataliens Schmerz war groß, aber fromm und der Verlorenen würdig. Sie schwur in die Hand der Todten dem Vater -- der Schwester -- dem Liebenden zu vergelten, was sie ihr schuldig geblieben, und ihre Trauer um sie zu heiligen durch reineren Willen und größere Kraft zur Erfüllung jeder Pflicht. Der letzte Wunsch ihrer Mutter blieb in ihrem Herzen, und als Rhode nach einiger Zeit, begünstigt von ihrem Vater, um ihre Hand warb, ward ihm Gewährung seiner Bitte. Und als nun der biedre, ihr in der Wahrheit und Rechtlichkeit seines Karakters sehr achtungswerthe Mann, am Verlobungstage so froh beglückt, so unaussprechlich zufrieden, von ihr schied, fühlte sie, daß sie ihm ein schöneres Glück gewähren könne, als sie sich es zugetraut hatte, geben zu können. Sie hatte sich seit dem Tode ihrer Mutter ganz aus ihren glänzenden Zirkeln zurückgezogen, und erneuerte jetzt das Gelübde, Rhoden glücklich zu machen, allen Schimmer überflügelnden Wissens und eitlen Glanzes von sich zu werfen und nur für den Gatten und für stilles einfach-häusliches Glück zu leben. Ihre Verbindung ward auf ein Jahr ausgesetzt, damit sie Elisen, bei ihrer bevorstehenden Rückkehr aus der Pension, in diesem Zeitraum zur Führung des väterlichen Haushalts anweisen könne. Nataliens Leben hatte nun wieder einen Zweck, und sie ward von Woche zu Woche in ihrem Innern ruhiger, und einfacher in ihrem Aeußern. Ihre Freundschaft für Rhode wurde in ihrem jetzigen Verhältniß zu ihm, eine klare, sanfte Neigung, der sie mit ungetrübter Zuversicht ihr künftiges Leben anvertraute. Einige Monate nach ihrer Verlobung kam August zum Besuch nach Nataliens Wohnort. Sie fand den Jüngling edel und rein, wie er von ihr geschieden war, wieder, und empfing ihn mit achtendem Vertrauen und schwesterlicher Neigung. Die vortheilhaftesten Zeugnisse seiner Lehrer bürgten für seine Talente und seinen Fleiß, und in sich selbst trug er die Bürgschaft für seinen Karakter und für sein Leben. Mit weiblicher Feinheit forschte Natalie nach seinen weiblichen Bekanntschaften und nach dem Grad des Interesses, den er für sie fühle, und er gestand ihr erröthend: sein Herz bewahre seit lange ein Bild, welches ihn gegen den Eindruck jedes andern weiblichen Reizes schütze, ob er gleich nicht hoffen könne, es je anders als stumm und unerrathen lieben zu dürfen. -- Nataliens Auge ruhte voll milden Ernstes auf ihm -- die Hoffnung, in ihm den künftigen Gatten ihrer Elise zu sehen, war bei seiner jetzigen Anwesenheit bestimmter Wunsch geworden. Ich habe Ihnen auch noch etwas Schönes zu zeigen, fing sie, wie ablenkend, an, und trat zu ihrem Schreibtisch: Können Sie rathen, was? fuhr sie lächelnd fort. Ahndend ergriff er die dargebotene Kapsel, und versank, nach Oeffnung derselben, im Anschaun eines jugendlichen holden Gesichts, mit dem Zauber herzgewinnender Unschuld und Sanftmuth geschmückt. Und Sie fragen nicht einmal nach dem Namen des Originals? -- fragte Natalie, nach dem Schweigen einiger Minuten. -- Glauben Sie, es bedürfe für mich noch eines Namens, um es zu erkennen? unter Tausenden hätte ich +sie+ beim ersten Blick erkannt. -- Ueberrascht von der Wärme seines Tons und dieser Aeußerung schlug er heiß erröthend sein Auge nieder. -- Was diesem Gemälde, fuhr Natalie fort, für mich den größten Werth giebt, ist, daß Elise es selbst gemalt hat. Sie besitzt also alle Talente wie alle Reize und Tugenden? -- doch sie ist ja Ihre Schwester! -- aber welchen unschätzbaren Werth muß dann dies Bild für Sie haben! Und doch denke ich es nicht zu behalten; Elise soll sich künftig noch einmal an der Seite ihres Geliebten malen, wenn ihr Herz gewählt hat, und dann will ich von ihm jenes Gemälde für dieses eintauschen. Elisens Geliebter! rief August bewegt -- o der Glückliche, den sein Loos berechtigt, um diesen Preis zu werben! -- Natalie sah ihn ernst an, der, beklemmt und schmerzlich befangen, vor ihr stand. August, fing sie nach einer Pause an, ich lese in diesem Augenblick in Ihrem Herzen und that es vielleicht schon früher. Meine Elise soll einst frei von jeder Zufälligkeit des Standes und des Reichthums wählen; aber der Mann, der nach ihrem Besitze strebt, darf kein gewöhnlicher Mensch seyn. Der Beifall der Menge wiegt leicht: schwerer, als ihn zu erwerben, ist es, ein Herz zu verdienen, das sich mit reiner edler Liebe einem Manne hingiebt, in dem es nicht nur die Tugenden liebt, die es an sich billigt, sondern auch alle, die ihm abgehen. Nur eine lange, fortgesetzte Uebung des Karakters, in Allem was gut, was schön, was menschlich ist, kann dieses Preises werth machen. Mit diesem Händedruck verbürge ich Ihnen meine Achtung und den Wunsch, daß der Mann einst die Hoffnungen rechtfertigen möge, zu denen jetzt der Jüngling berechtigt. Entzückt drückte er ihre Hand an seine Lippen, und schwur, feuriger denn je, der Tugend und der Liebe ewige Treue. August, sagte sie ihm gerührt, diese Versicherung aus meinem Munde berechtigt Sie zu schönen Hoffnungen; mein Herz und das Vermächtniß meiner unvergeßlichen Mutter, geben mir auf das theure, geliebte Wesen Mutterrechte, und der einzige Weg, Elisens Hand zu erhalten, ist der Besitz meiner höchsten Achtung, die ich nur der Herrschaft eines reinen, festen Willens über alle Triebe und Neigungen zolle. Ich fordre daher von Ihnen die strengste Wachsamkeit über sich selbst, daß Ihre Liebe nie Leidenschaft werde, und dann das Leichtere, mir von heut an nie unaufgefordert von Elisen zu reden. Ach, sagte er langsam, das letztre ist hart, aber das erste unmöglich. Kann ich meiner Empfindung einen Damm aufwerfen und zu ihr sagen: Bis hierher und nicht weiter? Lieber, junger Mann, was wäre die moralische Würde des Menschen, wenn er das nicht zu thun vermöchte? -- ich weiß, wie das heiße jugendliche Herz Genuß darin findet, sich in die geglaubte Unendlichkeit seiner Empfindungen hineinzustürzen, und nur von der gränzenlosesten Leidenschaft der Liebe Befriedigung hofft. Aber noch nie hat Leidenschaft beglückt. Ich ehre die Liebe als das reinmenschlichste Band zwischen der Sinnen- und Geisterwelt -- als den schönsten Traum, der vom Paradiese her in der Seele des Menschen zurück blieb. -- Wie könnte auch ich, die früher schwer Erkrankte, vergessen, was sie mir geworden ist? -- Ihr Zauber verschönert das Alter wie die Jugend; er mildert alle Leiden, erhebt und veredelt alle Freuden, verdeckt uns die Aermlichkeit des Lebens, und erhält uns sanft, milde und menschlich, was man ohne Liebe so leicht zu seyn aufhört. -- Doch weh dem weiblichen Wesen, dem auf dem Pfade inniger, beglückender Empfindung Leidenschaft begegnet! -- Unersättlichkeit ist ihr Gepräge, und nie kann sie mit der Liebe im friedlichen Genuß einer heitern Gegenwart zusammentreffen. Leidenschaft zeigt nur die Ueberspannung des Gefühls, wie Liebe den Adel desselben an. Fast allgemein, mein Freund, wird von Euch Männern in unsern Tagen die +klare+ Tiefe eines liebenden, weiblichen Gemüths verkannt, und Euch leidenschaftlich geliebt zu sehen, ist Euch zur höchsten Gabe des weiblichen Herzens geworden. Vor diesem verderblichen Irrthum möchte ich Sie gerne bewahren, und meine Elise schützen, daß Sie nicht künftig in ihr, wie der blaue Himmel wolkenloses, Gemüth, den Nebel eines leidenschaftlichen Affekts werfen. Glauben Sie es meiner besonneren, erfahrungsreichen Ansicht, diese gewaltigen, so oft in Romanen, so selten in der Wirklichkeit, spukenden Leidenschaften entspringen nur aus einer ungezügelten Phantasie, und die heißesten Menschen dieser Art haben fast immer sehr kalte Herzen. Aber auch in der tugendhaftesten, gefühlvollsten Seele folgt der Leidenschaft, selbst im günstigsten Falle, doch die bittre Trauer über die Zerstörung einer Täuschung, die die Zeit unausbleiblich vernichtet. Gegen dies Weh ist es mir heilige Pflicht, Elisen zu schützen, und wenn Sie einst durch sie so glücklich werden wollen, als es dem lieben Geschöpf Bedürfniß werden wird, den Mann ihres Herzens zu sehen: so scheiden Sie, von heute an, von dieser Idealen einer heißen, despotisch über Willen und Vernunft herrschenden, Leidenschaft. Gründen Sie die Hoffnungen Ihrer Liebe nur auf die sanften Empfindungen eines reinen, ruhigen Herzens, eines Gemüthes voll ungetrübter Harmonie innern Friedens, und der Mann und der Greis werden mir danken, wo jetzt der Jüngling mich zu kühl und zu strenge findet. Dies Gespräch gab August nicht nur einen Anklang für sein Leben und wurde zum Grundton seiner Verbindung mit Elisen; sondern es giebt uns auch erklärende Winke über die Art und Weise, wie Natalie, in ihren neuen Verhältnissen, Manches und Vieles in sich auszugleichen strebte, und deutet uns den Weg an, auf dem sie glücklich zu werden hoffte. August nahm bei seinem diesmaligen Abschied die Gewißheit mit sich, Elisen im künftigen Jahr bei Natalien anzutreffen, und die Hoffnung einer Zukunft, deren Freuden verdienen zu wollen, sein ernster Vorsatz war. Bald darauf kam Elise nach Hause. Ganz Liebe und Natur, trug ihr Sinn und Wesen das Gepräge ächter Weiblichkeit. Sie konnte in keines Menschen Auge glänzen; aber sie gewann alle Herzen, so hell strahlte Jedem ihre Güte, ihre Anspruchlosigkeit, ihr freundlicher Sinn, und die schöne Wahrheit ihres Karakters, entgegen. Mit dem Frohsinn und der heitern Unbefangenheit ihres Alters verband sie die Kenntniß der Regeln des Anstandes und der äußern Höflichkeit, deren Befolgung ihr durch Gewöhnung daran seit frühster Jugend zur Natur geworden war, ohne darauf einen Werth zu setzen, der sie zum Verdienst erhoben hätte. Mit kindlicher Liebe und schwesterlichem Vertrauen hieng sie an Natalien, die mit unbeschreiblicher Sorgsamkeit und Zartheit alles von ihr zu entfernen strebte, was sie sich selbst untreu zu machen vermocht hätte, und mit einer Verläugnung, deren wenig Weiber in ähnlichen Lagen fähig seyn würden, es sich versagte, in den Gang ihrer Bildung thätig einzugreifen, und ihr irgend eine Aehnlichkeit mit sich geben zu wollen. Sie übertrug ihr gleich einen Theil des Haushalts, und gewöhnte sie zur strengsten Ordnung und Thätigkeit. Es war nicht das Verweilen bei unwichtigen Kleinigkeiten, welches manche Hausfrau, die nie mit ihren Blicken das Ganze einer Haushaltung umfaßt, ausschließlich beschäftigt, sondern die helle, geistvolle Thätigkeit eines, nicht nur auf das sparsame Ausgeben des Erwerbs, sondern auf den Erwerb selbst gerichteten, Geistes. Wahrlich, wir Weiber tragen selbst die Schuld, wenn wir diese Sphäre häuslicher Wirksamkeit nur mit der Lauheit des prosaischen Pflichtgedankens, oder auch mit dem Mechanismus einer dazu abgerichteten Maschine, zu betreiben wissen, und sie nur im kleinlichen, den Geist einengenden, Lichte sehen. Ein unverschrobener, dem Müssigang -- der leider mit einem gewissen aesthetischen Luxus der Zeit und der Thätigkeit nur zu nah verwandt ist -- feindlicher Sinn, findet leicht +ohne Resignation+ in der Besorgung des Haushalts den heitern Schauplatz nützlicher Thätigkeit, die sich selbst zum Lohn wird, ohne diesen von dem Gedanken treuer Pflichterfüllung entlehnen zu wollen, der uns nur bei Pflichten andrer Art kräftigen, und nicht an solche natürliche Tugenderzeugnisse weiblicher Natur verschwendet werden muß. Der Zeitpunkt von Nataliens Verheirathung näherte sich, und sie sah ihm mit heitrer Ruhe und froher Zuversicht entgegen. Die Ueberzeugung, daß Rhode sich, ohne alle Ueberspannung, in ihrem Besitz ganz glücklich fühlte, gewährte ihr einen Genuß, dessen sie würdig seyn mußte, um seinen Werth so innig fühlen zu können. Jetzt kam der Graf Gimborn, ein Jugendfreund ihres Verlobten, von seinen vieljährigen Reisen, auf seine, in der Nachbarschaft gelegenen, Güter zurück. Rhode führte ihn bei Natalien ein, von der er sich die Vergünstigung erbat, ihn ihr auf einige Tagen entführen und ihn zu einer großen Jagd nach einem seiner entfernteren Güter mit sich nehmen zu dürfen. Scherzend, wie er seine Bitte vortrug, wurde sie ihm gewährt, und Rhode nahm am Abend auf acht Tage Abschied. Am andern Morgen, als Natalie früh um fünf Uhr mit ihrer Elise im Garten frühstückte, und sich des schönen Reisewetters für den geliebten Freund freuete, trat er unerwartet zu ihr in die Laube. Vergeben Sie mir, liebe Natalie, bat er sanft, wenn ich Sie so früh überrasche. Eine sonderbare Ahndung ängstigte mich, und da ich erst um sechs Uhr bei dem Grafen eintreffen soll, zog es mich unwiderstehlich noch vorher zu Ihnen hin. Nun werde ich ruhiger seyn, da ich Sie wohl und munter gesehen habe. Er war wirklich etwas blaß; Natalie wollte daher nicht genauer nach dem Grund seiner Unruhe fragen, und sagte ihm lächelnd: zur Strafe für seinen Aberglauben solle er von ihrem Frühstück nur eine Tasse Kaffee, und zur Belohnung, daß sie ihn so unerwartet vor seiner Abreise noch einmal sehe, einen Kuß bekommen. Dankend empfing er beides; aber vergebens suchte er seiner Beklemmung Herr zu werden, und als er zum Abschied Natalien an sein Herz drückte, sah sie sein Auge naß werden, und er riß sich von ihr los, als solle und müsse er ihr auf immer Lebewohl sagen. Natalie blieb wehmüthig zurück, und fühlte es lebhaft, wie lieb er ihr sey. Am dritten Tage seiner Abwesenheit kam sein Jäger auf den Hof gesprengt -- Roß und Reuter dampften. -- Natalien durchzuckte eine furchtbare Ahndung, und mit immer ängstlicher, immer schwerer werdenden Herzensschlägen, harrte sie seines Eintritts. Verwirrt und verstört überreichte er ihrem Vater einen Brief. Sie wagte keine Frage; aber das immer bleicher werdende Gesicht ihres Vaters mehrte noch ihre Angst. Was ists? frug sie, als er den Brief zusammen faltete und sichtbar beängstet nach Worten suchte -- sagen Sie mir gleich Alles; ich bin auf das Schrecklichste gefaßt. Todtenbleich und zitternd setzte sie hinzu: er ist gewiß sehr krank, vielleicht schon -- Nein, mein Kind, er ist auf der Jagd gestürzt, und sein, bei dem Sturz losgegangenes Gewehr hat ihn verwundet. Der Graf schreibt mir dies, um uns auf sein längeres Außenbleiben vorzubereiten. O seine Ahndung! rief sie schmerzlich -- ich beschwöre Sie, Vater, lassen Sie mich hin -- gleich -- den Augenblick müssen wir fort -- mein Herz sagt mir’s -- er stirbt, und das vielleicht schon in dieser Minute. -- Es ist auch sein Wunsch, liebes Kind, Dich zu sehen -- aber wirst Du für das Mögliche dieser Zusammenkunft Kraft und Fassung haben? -- Fassung? -- o Gott, ich fürchte, es wird mir nur zu viel Zeit zu Thränen bleiben! -- Der Vater begleitete sie zu ihm. Sie war auf dem ganzen Wege tief in sich gekehrt und von unnennbarem Gram gefoltert. Wer es erfahren hat, was es heißt, einen entfernten Geliebten sterbend zu wissen -- jede Stunde sekundenweise mit dem Gedanken verrinnen zu fühlen: jetzt vielleicht stirbt er! -- der weiß, was Natalie während dieser Reise litt. Wer es nicht erfahren hat, faßt es nicht, daß die sterbliche Natur solche Stunden an der äußersten Gränze ihrer Kraft zu tragen vermag. Nataliens einziger Wunsch war, ihn noch lebend anzutreffen -- aber sie fand bei ihrer Ankunft nur seine Leiche. Ihr Name war sein letzter Erdenlaut gewesen. -- Gewaltsam mußte man sie am andern Tage von der geliebten Leiche fortreißen -- zum letztenmal ruhte ihr Auge auf diesen, unter dem Frost des Todes, erstarrten Zügen -- sie schnitt eine seiner blonden Locken ab, und wie sie diese an ihrem Herzen verbarg, ergriff sie der Gedanke: so wird dir ewig alles schwinden, was du liebst -- auch Er war nur eine fliehende Erscheinung, und weil Deine Hand, Unglückliche! ihn faßte, mußte er vor ihr abfallen ins düstre Grab hinein! -- so furchtbar in seinem düstern Grausen, daß sie bewußtlos niedersank. O wie gerne hätte sie ihr Leben als Todtenopfer mit in seine Gruft gesenkt! -- Sie wurde ungerecht gegen ihre bisherige schöne, ruhige Liebe, und glaubte, ihn nicht genug geliebt zu haben. Es erschien ihr daher jetzt als Pflicht, jedes Zureden der Vernunft, jeden Trost der Ergebung, von sich zu weisen, und sie gab sich, nach ihrer Zuhausekunft, ganz und ohne Rückhalt dem stummen, gewaltigen Schmerz hin, mit dem sie in Rhoden nicht allein den Geliebten, sondern auch den Mann verlor, an dessen Leben jeder edlere Plan des ihrigen gebunden war, und fand nur in der Freiheit, ihre Thränen unversiegbar strömen zu lassen, Linderung. Ach sie wußte noch nicht, daß diese nicht bloß physisch schaden! Der Mensch schätzt die Gabe, Thränen vergießen zu können, nicht eher, bis er diesen Wundbalsam wunder Herzen entbehrt und dann von den früher vergoßnen Thränen, wie von den Thränen seiner Kinderjahre, sagen muß: ich hätte euch für einen tieferen Schmerz, für eine unvergänglichere Trauer, aufsparen sollen! -- Es kommt hienieden eine Zeit, deren sparsamere Thränen nicht mehr zu Tropfen aus dem Lethe werden und wo, so wenig im Gemüth als im Gesicht, die Züge des Kummers sich wieder verwischen. Ach, für diese dunkle, finstre Zeit, wo der Mensch mit thränenlosem Auge auf die entblätterten Gefilde seiner jugendlichen Vergangenheit und in die Irrgänge einer hoffnungslosen Zukunft blickt, sollten wir unsre Thränen sparen, und in der Jugend, deren Wunden sich, wie die der Homerischen Götter, leicht und spurlos schließen, lieber einen unterdrückten Schmerz hinnehmen, als eine Thränenquelle erschöpfen! -- Natalie hatte Neigung, Vertrauen, innige, herzliche Achtung für Rhoden empfunden; sie hätte ihn wahrscheinlich glücklich gemacht und wäre glücklich geworden; aber sie täuschte sich jetzt über ihre Gefühle, indem sie die Leidenschaftlichkeit ihres Schmerzes für Leidenschaftlichkeit der Empfindung nahm, und sich selbst sagte: sterben mußte er, damit mein verstocktes Herz erfahre, wie es ihn liebte! -- Aber wenn dem Lebenden die Fülle meiner Liebe verborgen blieb, so soll sie ihn nun in sein Grab begleiten, und mein ganzes Leben werde ein einziger, langer Trauergedanke an ihn! -- Diese gewaltsame, durch die ganze Macht ihrer Phantasie fast wissentlich verstärkte, Spannung ihres Gemüths konnte nicht dauern; die Natur kämpfte um ihre Rechte, und eine gefährliche Krankheit drohte mehrere Wochen ihrem Leben Gefahr. Die Kunst eines geschickten Arztes, ihre Jugend, und Elisens Pflege retteten sie. Sie genas; aber die Leidenschaftlichkeit ihres Schmerzes hatte sich an der körperlichen Ermattung dieser Krankheit gebrochen, und ihr blieb nur ein zärtliches Andenken, eine stille, wehmüthige Erinnerung an den Verlornen zurück, die, ohne jene frühere Spannung, für ihr innres Leben zum Seegen geworden seyn würde. Allein mit jenem ersten gewaltigen Schmerz verglichen, schien ihr ihre jetzige Trauer eine Kälte, die sie sich zum Vorwurf machte, und die wieder einen finstern Schatten auf ihr Leben warf. Also auch mein Herz, sagte sie sich selbst, ist keiner Liebe fähig, und vergeblich hoffte ich von ihm eine Treue, die dem Menschen nicht gegeben ist. -- O wenn je eine Liebe auf Ewigkeit ihrer Empfindungen rechnen durfte, so war es diese, die ein Verklärter, wie eine Blüthe aus jener Welt, scheidend in mein Herz senkte. -- Vergessen werde ich ihn nie, werde noch lange Thränen um ihn haben, wie sie die Freundschaft, die Zärtlichkeit weint; aber jene schönere, heißere, die ganze Seele ausfüllende Liebe, mit der ich, vor dieser Krankheit, um ihn trauerte, ist dahin, und ich strecke vergeblich meine Arme nach ihr, als nach dem edelsten, köstlichsten Gefühl meines Lebens, aus! -- Wie viel lieber möchte ich, daß ihre Stärke mein Herz bräche, als daß es, wie jetzt, heilt, weil sie sich ihm entfremdete. Natalie irrte. Nicht diese für das fliehende Leben zu schmerzliche Trauer um den Verstorbenen war es, was sie jetzt vermißte, sondern jener gefährliche und doch so verführerische Genuß, den die Leidenschaft einem kräftigen Gemüth bietet, und der uns, einmal gekostet, jedes friedlichere Glück verleidet. Sie hatte dieses Gift nun noch dazu unter der anziehenden Hülle des geistigen Schmerzes kennen gelernt. Auch trauerte sie jetzt noch um Rhoden, wie sie ihn im Leben geliebt hatte, ohne Schwärmerei, mit stiller, wahrer Empfindung. Aber die Aenderung ihres Sinnes, die Erhebung ihrer Seele, die Rückkehr zu ihren alten Tugenden, die am Sterbebette ihrer Mutter in ihr aufging, war nur begonnen, nicht vollendet, und die Verläugnung aller sanften, einfachen Gefühle, zu der sie sich früher gezwungen hatte, rächte sich nun an ihr, und sie ging -- das gewöhnliche Loos des Menschen -- von einem Irrthum zu dem entgegengesetzten über, ohne die in der Mitte liegende Wahrheit zu berühren. Ehmals lebte sie nur in ihrem Geiste und im fremden Beifall; jetzt hingegen, wo ihr Herz aus seiner langen Unterjochung mit jugendlicher Neuheit und Kraft der Empfindungen erstand, und seine so despotisch verkannten Rechte geltend machte, wurden ihr diese zum höchsten und einzigen Gut des Lebens. Doch verdankte sie dem Schmerz, den sie empfunden hatte, den unverrückten Blick auf das Ziel moralischer Erhebung, das sie nie wieder aus den Augen verlor, so oft sie auch noch irre ging. Die zunehmende Kränklichkeit ihres Vaters, und die Trauer, die sie um Rhode trug, berechtigten sie, in ihrer Familie und einem kleinen Kreise geprüfter Freunde, sehr einsam zu leben. Rhode hatte sie in seinem Testament zur Besitzerin von seinem Gute ernannt, und sie fühlte die Verpflichtung, ihm, durch den Wohlstand und die sittliche Cultur ihrer neuen Unterthanen, ein seiner würdiges Monument zu setzen. Da sie jetzt, in ihrem zwey und zwanzigsten Jahr, für mündig erklärt wurde, hatte sie auch mit keinem Hinderniß, bei der Ausführung ihrer wohlthätigen Pläne, zu kämpfen. August wurde nunmehr, nach geendigten Universitätsjahren, von seinem Bruder erwartet, um mit ihm den Plan zu seinem künftigen Leben zu verabreden. Natalie forderte ihm jetzt, mit festem Hinblick auf ihren für Elisens Glück entworfenen Plan, das Versprechen ab, daß er diese, seine Liebe so wenig errathen als ahnden lassen wolle. „Elisens Ruhe“ schrieb sie ihm, „ist ein heiliges, mir anvertrautes, Gut, von dem ich meiner seeligen Mutter und meinem eignen Herzen die strengste Rechenschaft schuldig bin. Ich wünsche Sie beide mit einander vereinigt zu sehen: aber Sie, lieber August, sind noch weit von dem Zeitpunkt entfernt, wo Sie ihr Ihre Hand werden bieten können. Ihre Kenntnisse, Ihre Talente sollen Ihnen erst den Weg zu einem Amte bahnen; wir sind berechtigt, das Beste hoffen zu dürfen; aber dem ungewissen Erfolg dieser Hoffnung dürfen Sie und ich die Ruhe meiner Schwester nicht Preis geben. Sie werden sie nach erfolgtem Geständniß verlassen, um in die Schranken zu treten und um den Preis zu ringen. Diese Thätigkeit sichert die Gesundheit Ihres innern Lebens -- nicht so bei Elisen, in der Stille ihrer Existenz. Die Empfindung, die für Sie eine Schule der schönen Menschlichkeit seyn würde, deren Blüthe, von der Liebe ungepflegt, so leicht in der Seele des Mannes verdorrt, würde für Elisen zur verzehrenden Flamme werden. Aber auch um Ihrer selbst willen fordre ich dies Opfer. Herrschaft der Vernunft, bei Reichthum des Herzens, Licht mit Wärme gepaart, kann allein meine Achtung für Sie so erhöhen, daß ich mit froher Zuversicht Elisens Schicksal in Ihre Hände lege.“ August kam, und fand sein Ideal von der liebenswürdigsten Wirklichkeit übertroffen. Die Zärtlichkeit, mit der Elise an Natalien hieng, ließ ihn fühlen, welche Rechte einst die Liebe auf dies sanfte, gefühlvolle, Herz haben würde. Strenge hielt er sein Natalien gegebnes Wort: aber ihm unbewußt, und von Elisen nicht verstanden, sprach seine Liebe zu ihr aus seines Lebens leisester Bewegung, Nataliens Freundschaft und die ausgezeichnete, achtungsvolle Traulichkeit, mit der sie den jungen Mann empfing, wurden für Elisen leise Schicksalswinke. Der Mann, dem ihre Natalie so wohlwollte, konnte von ihr nicht unbeachtet bleiben, er erschien ihr bald als der liebenswürdigste ihrer Bekanntschaft, und sein Umgang wurde ihre süßeste Freude. Allein die jungfräuliche Schüchternheit ihrer Empfindungen verhinderte sie, den Eindruck, den er auf sie machte, zu beachten, sich damit zu beschäftigen, und ihn so durch die Gewalt ihrer eignen Phantasie zu verstärken, wie dies gewöhnlich das Geschäft einer romantisirten Einbildungskraft ist. Natalie war im Stillen für das Glück der beiden Liebenden thätig. Ihr Vermögen erlaubte ihr, für die fernere Ausbildung des jungen Mannes zu sorgen, und seinen seit lange genährten Wunsch, vor dem Eintritt ins bürgerliche Leben, eine Reise durch Deutschland und England machen zu können, zu verwirklichen. Er sollte, nach ihrem Plan, noch zwei Jahre abwesend seyn; nach seiner Rückkehr in einen angemeßnen Wirkungskreis treten, und die Hand der dann achtzehnjährigen Elise erhalten. Am Morgen seiner Abreise, als er Natalien gerührt den Schmerz dieser Trennung aussprach, gab sie ihm das Gemälde ihrer Schwester und das bestimmte Versprechen, ihre Hand für ihn aufzuheben, und sein Andenken in ihrem Herzen zu pflegen. Er hatte noch überdem den Trost, Elisen bei seinem Abschied tief bewegt zu sehen. Die Innigkeit, mit der Natalie von ihm schied, schien ihrer Schwester Rechtfertigung für die Thräne, die ihr Auge verdunkelte, als er zum Abschied ihre Hand küßte, und sie wünschte ihm so herzlich, so innig, daß er froh und wohl bleiben und bald wiederkommen möge, daß Augusts Festigkeit fast an dieser süßen, verführerischen, Herzlichkeit gescheitert wäre. Natalie beobachtete ihre Schwester, in den Stunden die seiner Abreise folgten, genau; sie fand sie den ganzen Tag träumerisch, und erröthend, wenn man sie aus diesen wehmüthigen Träumen aufrief; aber sie verstand die Kunst, unbemerkt ihre Geschäfte zu verdoppeln und ihre Empfindungen so sanft auf andre Gegenstände hinüber zu leiten, daß Elise mit den Erscheinungen ihres eignen Herzens unbefreundet, und frei von der Unruhe der Liebe blieb. Ihr Andenken an August war heiter und süß; ihre Sehnsucht nach ihm ruhig, und so blieb der schöne Friede ihres Gemüths ungestört. Natalie ward in dem Zusammenleben mit ihr von Tag zu Tag friedlicher und liebevoller, aber eben diese Stille ihres Wesens machte es ihr fühlbar, wie viel sie noch vom Leben zu fordern habe. Sie versank nicht wieder in Unmuth und Verzweifelung; doch eine geheime, hoffnungslose, und doch so innig sehnsüchtige Wehmuth, vor der die Gesundheit der Seele, der Friede des Herzens, schwanden, ergriff sie; sie bebte, von neuem irre zu gehen, und suchte ernstlich einem Ausweg aus dem Labyrinth ihrer innern Verworrenheit. Sie wollte gerettet seyn, wie sie vor dem Tode ihrer Mutter zu Grunde gerichtet seyn wollte -- doch vergeblich forschte sie nach einer Hoffnung, auf die sie liebend und vertrauend das Glück ihres Lebens gründen könne. Die Klippe, an der die Ruhe, der Werth, der edelsten weiblichen Naturen so oft scheitert und sie zum Spielwerk deren macht, die ihnen nie hätten nahen dürfen, ist diese nie erstorbene Sehnsucht nach Liebe, im reinsten, edelsten Sinn des Wortes, die im Busen des Weibes wohnt. Der Mann hat, ohne das Weib, im Leben die feste Haltung voraus -- ohne Grazie, ohne Schönheit, doch edel, fest und groß, geht er, der Starke, auch einsam durch das Leben -- aber was ist ein Weib ohne Liebe? -- ein Räthsel, das nur sie zu entwirren, ein Wesen, das nur sie zu erklären und zu verklären vermag. -- Welches Weib bliebe auf der Höhe eines Standpunktes, wo es das ruhige Bespiegeln in der Liebe des Mannes, das Einswerden zweier Naturen in Liebe und durch Liebe, zu entbehren vermöchte, noch +Weib+? Und ohne diese tiefere mystische Einswerdung zweier Seelen, wird kein weibliches Wesen je erfahren, wozu es gebildet und entfaltet werden kann. Liebe in diesem Sinn, bleibt der höchste Gewinn für das innre geistige Leben des Weibes, den die Erde zu bieten vermag, und dies Höchste, Schönste und Freieste im Leben, lag nur als dunkle Ahndung in Nataliens, vergeblich nach Licht und Harmonie strebender, Seele. Ihr jetziges Leben war auf Resignation und Entbehrung gegründet, und glich so wenig der geistigen Gesundheit, wie der Zustand eines durch Arzenei erhaltenen Kranken der körperlichen. Ach, durch die ganze Schöpfung floß ein Quell, aus dem die Natur jedem empfindenden Wesen Tropfen zutheilte; sollte sie allein auf immer von ihm verwiesen seyn? -- Sie gieng zu allen andern Quellen zurück, aus denen ihr nach der Ansicht der Menge, Glück fließen konnte -- aber ihre ganze Seele sträubte sich jetzt gegen den armseeligen Genuß von Schimmer und Glanz -- und wenn eine Welt bewundernd zu ihren Füßen gelegen hätte, so hätte diese Huldigung die Sehnsucht ihres Herzens auch nicht auf eine Minute nur zu betäuben vermocht. Auf der einen Seite sah sie, im Leben, jene Geistigkeit ohne Glauben, ohne Liebe, welche sie einst irre geführt hatte, und auf der andern, die Beschränkung einer unbefangnen Kindlichkeit und einer zufriedenen Einfalt, der sie nun einmal entwachsen war. -- Aber aus der Mitte dieser Extreme, deren Bild ihre Vergangenheit ihr bot, strahlte ein heller unvergeßlicher Zeitpunkt ihres Lebens hervor -- ach, wenn die Liebe schon als Schmerz um einen Todten die schönste, göttlichste Erscheinung ihres Lebens war, was konnte, was mußte sie ihr dann nicht werden, wann sie lebend der Lebenden begegnete? -- Sie erkannte es jetzt, daß sie Rudolf nie geliebt hatte, daß nur innige, zärtliche Freundschaft sie an Rhode band, und fühlte es in der Einsamkeit und Stille ihres jetzigen Lebens tiefer und tiefer, daß nur Liebe ihr Herz zu heiligen, und sie zur Einigkeit mit sich selbst, zum Frieden mit der äußern Welt, zurückzuführen vermöge. Sie hörte sich von Allen, die sie umgaben, geliebt nennen, allein man nahte sich ihr nur mit Anerkennung ihrer Ueberlegenheit, und raubte dadurch dieser Annäherung den schönsten Reiz für Nataliens Herz, das ja unter der fremden Bewunderung früher schmerzlich erkältet war, bis ihre heißen Thränen es wieder aufthauten. -- Sie that Vielen wohl -- sie half in der Nähe, wie in der Ferne, und jeder Unglückliche, jeder Bittende konnte bei ihr auf Theilnahme und Gewährung rechnen; die Wohlthätigkeit vermag aber nur das Glück eines befriedigten Herzens zu erhöhen; nie wird sie die Sehnsucht eines unbefriedigten anders als augenblicklich zu beschwichtigen vermögen. Man muß die Menschen, denen man wohlthut, lieben und achten, um sich in der Sorge für sie glücklich fühlen zu können, und das that Natalie nicht. Wer in den Kreis fremder Bedürfnisse tritt, wird den Menschen fast immer klein finden, und wer Vielen Gutes thut, wird selten Achtung vor den Menschen bewahren, weil er jedes höhere Bedürfniß von dem Mangel des niedern so erstickt findet, daß er fast an dem Daseyn desselben zum Zweifler werden muß. Augusts und Elisens Liebe trat jetzt mit dem Zauber der schönsten Wirklichkeit vor sie hin und schmerzlich ergriff sie das Gefühl, was das Leben ihr hätte gewähren können, wenn sie nicht, um seinen schönsten Gehalt betrogen, denselben zu früh verloren gegeben hätte. -- Jetzt hatte sie keine Hoffnung mehr, den seeligsten Göttertraum des Lebens hienieden zu träumen. -- Sie konnte noch lieben -- aber konnte sie noch geliebt werden? -- Das üble Befinden ihres Vaters und ihre eigne Kränklichkeit vermehrten sich mit dem Frühling, und der Arzt verordnete beiden den Gebrauch des Doberaner Seebades. Natalie trat diese Reise mit einer ihr durchaus räthselhaften, freudigen Bangigkeit an, die ihr oft als Ahndung erschien. Ihr Vater fand in Doberan zufällig mehrere alte Bekannte, und gleich in den ersten Tagen wurden sie in einen Zirkel von Menschen und Vergnügungen gezogen, der sich täglich erweiterte. Nataliens Reiz, ihr Geist, und der Ruf ihres ansehnlichen Vermögens erwarben ihr vielen Beifall, und sie sah sich bald von einem Männerschwarm umgeben, unter dem sie vergebens nach einem antwortenden Laut auf die Stimme ihrer Seele umher horchte, -- so ward sie von Tag zu Tag stiller und wehmüthiger. Nirgends überrascht den Einsamen das Gefühl seines Einsamseyns so schmerzlich, als wenn er fremd unter eine große Menschenmenge tritt, mit der er nur zufällig eine kurze Zeit fortgleitet, wie der einzelne Tropfen mit der rauschenden, brausenden, Wasserwoge! Es ist für Seelen und Herzen immer schwer, sich in der Ueberhüllung irrdischer Verhältnisse und Körper auszufinden; in der lauten geräuschvollen Menge aber verstummt auch der leiseste Laut der Sympathie, der Liebe und der Sehnsucht. Natalie sah hier nur das eitle Spiel eines eitlen Lebens noch eitler erneuert, und ihr Widerwille, es ferner mitzumachen, ward noch entschiedner und fester. Auch Elise trat hier zum Erstenmal auf die Scene der täuschenden Operauftritte, die man große Welt nennt. Oft wurden sie ihr langweilig; allein der kindliche Frohsinn, die unbefangene Unschuld ihres Sinnes, wurden ihr zum Schutz gegen alle schädliche Eindrücke. Wie ein Spiel glitt ihr das Getümmel vorüber, und machte ihr die Einkehr in sich selbst und die einsamen Stunden, die sie mit ihrer Natalie lebte, nur noch lieber. Die schönen Gegenden des freundlichen Doberans, die beide Schwestern eben so eifrig aufsuchten, als sie in der Regel von den Badegästen vernachlässigt werden: der ihnen neue Anblick des Meers, der nie den Geist ermüdet, nie die Phantasie leer läßt, und die, zuweilen geist- wenn auch nicht seelenvollen, kleineren Zirkel, die sich aus dem Größeren gesondert, zusammenfinden, verlieblichten ihren Aufenthalt, und Nataliens Wangen fingen wieder an, sich im Glanz der Gesundheit zu röthen während ihr Herz mehr und mehr einem warmen Boden gleich wurde, angefüllt mit den Keimen der innigsten, seelenvollsten Liebe, die nur auf die Sonnenstralen einer fremden edlen Liebe warteten, um ihre Blüthen zu entwickeln. Unter den gemachten Bekanntschaften zeichnete Nataliens innigste Hochachtung den edlen Domherrn von R...w aus, der, so unermüdet, ein ganzes, reiches Leben durch, Gutes wollte, Gutes wirkte und für Deutschlands niedre Stände der Schöpfer und Verbreiter einer neuen, besseren Lehrmethode ward. Seine, fast schon vergessenen und vernachlässigten Schriften enthalten einen so großen Reichthum populärer Wissenschaft und Moral, daß man sie eine Encyklopädie beider für den Landmann nennen könnte. Natalie traf mit ihm in dieser Sorge und Liebe für die Bildung desselben wenigstens in ihrem Streben zusammen, ihren Guts-Unterthanen das Glück eines guten Schulunterrichts zu verschaffen. Sie hatte schon im Frühling dieses Jahres ein geräumiges bequemes, Schulhaus erbauen und einen Garten anlegen lassen, und war jetzt nur besorgt, einen geschickten Schullehrer zu finden, der ihre Unterthanen für Wohlstand, und die Freiheit, die sie ihnen zu schenken Willens war, empfänglich bilde. Ihre Unterhaltungen mit dem edlen Greise lenkten sie häufig auf diesen Gegenstand hin, und erhellten ihre Ansichten im Spiegel seiner reifen Erfahrung zu höherer Lebensklugheit. Er erbot sich, einen jungen Mann, der seit einiger Zeit in seinem Hause lebe, und dessen Charakter und Kenntnisse er ihr mit Wärme rühmte, zur Annahme der Schullehrerstelle bei ihr zu bereden, da er sich für dies Fach gebildet habe, und die Anstellung in einer, von seinem bisherigen Aufenthalt entfernten, Gegend wünsche. Auch schrieb er, noch von Doberan aus, an ihn, und konnte Natalien schon vor ihrer Abreise der Einwilligung des jungen Mannes, dem sie ihrer würdige Bedingungen gemacht hatte, versichern. Das Schicksal hatte dieser aber noch eine Bekanntschaft aufgespart, die ihr zu der höchsten Freude auch den tiefsten Schmerz ihres Lebens bereitete, und die sie bis zur letzten Minute ihres Lebens, als die wohlthätigste Erscheinung ihres Daseyns segnete. -- Schon in den ersten Tagen ihres Aufenthalts in Doberan fiel Natalien, unter der Menge der anwesenden Fremden, ein junger, ausgezeichnet groß und edelgestalteter Mann auf, den sie an der Seite eines reizenden, lieblichen weiblichen Wesens, voll herzgewinnender Anmuth, oft unten am Bade, oder in den einsamern Spaziergängen, aber nie in dem größern Gewühl sah. Nach mancher vergeblichen Frage erfuhr sie, es sey ein Maler Willot aus Dresden, mit seiner Gattin und lebhaft fühlte sie sich zu dem Wunsch, ihre Bekanntschaft zu machen, hingezogen, allein die Gelegenheit dazu wollte sich in den ersten Tagen nicht finden, und der tägliche Wechsel von neuen Gesichtern und hinzukommenden Fremden drängte später das interessante Paar in Nataliens Erinnerung zurück, und ihre gegenseitige Bekanntschaft schränkte sich auf den stillen Antheil ein, mit dem sich ihre Blicke zuweilen begegneten, oder im Vorübergehen durch einen bedeutenderen Gruß sich auszeichneten. Jetzt war die Zeit von Nataliens Aufenthalt bis auf einige Tage verstrichen, von denen sie den schönsten zum Besuch des Gutes D. wählte, dessen Lage und Aussichten man ihr gerühmt hatte. Sie fuhr allein mit Elisen hin und rechnete auf einen einsamen Tag, da D. fast nie von den Doberaner Badegästen besucht wird, allein der Zufall führte hier heut mehrere Menschen zusammen, die alle einzeln gekommen, und sich bis jetzt in dem großen Gewühl fremd geblieben waren. So einzeln und getrennt durchstrich man auch jetzt die schöne Gegend, bis ein Platzregen alle in dem kleinen Stübchen des nächsten Bauernhauses versammelte, dessen Bewohner ihren Gästen wenig zur Bewirthung anzubieten hatten. Die mehrsten derselben hatten indessen kalte Küche und Getränk bei sich -- man trug das zusammen -- die Männer schlugen einige Bänke auf, da es an Sitzen fehlte -- die Frauen ordneten den Tisch -- man kam sich während dieser Beschäftigungen im heitern Scherz näher, wurde bekannt, und nun zusammen sehr froh und munter. Natalie traf zu ihrer Freude Willot und seine Gattin unter den Anwesenden, und fand sich mit ihm und diesem einfachen, lieblichen Wesen so leicht schnell zusammen, daß man ihnen allen, bei den ersten Worten, die Freude ansah, sich endlich zu begegnen. Willot war ein sehr gebildeter Mensch; aber es war nicht die flache Geistigkeit der Welt- und Hofbildung, was Natalie fand, sondern die Fülle eines reichen, poetischen Lebens, das auch in seiner Höhe noch zeigte, wie hold befreundet es mit der Erde sey, an die es befestigt war, um sich desto sicherer groß und frei in die Unendlichkeit hinein gestalten zu können. Holder Ernst und schöne Begeisterung bezeichneten seinen Sinn, dessen äußere Darstellung ein reiner Spiegel des Innern war. Natalie vermochte, diesen Karakter zu fassen und sich innig mit ihm zu befreunden. -- Was sie aber mit dem lebendigsten Antheil an ihm auffaßte, war sein Verhältniß zu seiner Gattin, das bisher, ohne Vorbild in der Wirklichkeit nur als schönes Ideal in ihrer Seele heiligster Tiefe geschlummert hatte. Er so kühn, so frei, so fest, so bestimmt -- sie so weich, so zart, so kindlich, fast ehrerbietig, gegen ihn, und doch so voll herzlicher, vertrauungsvoller Zärtlichkeit sich dem geehrten Mann anschmiegend, der sich nicht zu ihr hinunterließ, sie nicht zu sich hinaufheben wollte, sondern, so wie sie war, in ihr sein höchstes Glück, seine süßeste Freude, sein Theuerstes auf Erden, liebte. Natalien wurde in ihrer Mitte, als wenn sie nach langem, langem Umherirren in der Fremde, endlich die geliebte Heimath wieder vor sich dämmern sähe, und sie erschien ihnen gegenüber, unwillkührlich stiller und einfacher, als sie seit Jahren gewesen war. Der schöne Geist ihrer frommen Jugend kehrte ihr segnend zurück, und beglückte durch seine Rückkehr eine reinere, festere Seele, als er einst durch sein Scheiden betrübte. Sie war unbeschreiblich sanft und wohlthätig bewegt, und ihr sonst so stolzer Geist beugte sich voll ehrfurchtsvoller Demuth vor Mariens anspruchlosen Werth, deren Herz sich liebend dem ihren entgegen neigte, und der man so hell die Freude ansah, ihren Karl einem Wesen gegenüber zu sehen, dem er so gerührt und begeistert von seinen theuersten Gefühlen und Ideen sprach. Sie mischte sich mit Elisen unter die übrige Gesellschaft und ließ ihren Gatten und Natalien, im ernsten Gespräch vertieft, am fernsten Fenster zurück. Doch liebend kehrte sie oft, mit ihren hellen, klaren Blicken, zu ihnen zurück, oder trat schweigend einen Augenblick zu ihnen, ihre Hand zu drücken. Willot war einer der Glücklichen, dem das Schicksal schon in früher Jugend einen großen Menschen für sein Herz, und einen geliebten schönen Zweck für sein Leben geschenkt hatte, und der, von diesen Schutzgeistern geleitet, die Bürgschaft ewiger Jugend in sich trug. Die Begeisterung für seine Kunst, die er Natalien zeigen durfte, weil sie sie mit ihm theilte, entriß, in seinem Gespräch mit ihr, seiner Feuerseele den Schleier, und er zeigte ihr den Himmelstempel und den Altar, den er darin für seinen Freund, Moritz Voluda, errichtet hatte. O wie wurde sie erschüttert -- erweicht -- aufgeregt zu Flammen edler Begeisterung, als er ihren alten himmlischen Traum von Freundschaft ihr lebendig verwirklicht vorführte, und sie die Flügel ihrer entflohenen Ideale wieder rauschen, ihre Götterbilder die Hülle von sich werfen, und in ewig frischer Jugend und Schönheit in ihr Herz wieder einziehen fühlte! -- So hatte sie noch nie jemand geehrt, als, nach dieser Stunde, den edlen Menschen, den ihr Willot in großen festen Umrissen zeichnete, wie er, in seiner höhern Reinheit, in seinem edlern Ernst, seiner erhabenen Festigkeit und der göttlichen Milde des liebevollsten aller Herzen, mit ihm, als der ewige Bruder seiner Seele, durch ein Leben gehe, das beiden geheiligt ward durch diese Freundschaft. Voluda hatte das Leben in seiner höchsten Lust, in seinem höchsten Schmerz, kennen gelernt; aber eben aus dem tiefen Leid dieses Wechsels war ihm eine Harmonie beider geworden, die ihm jetzt das Leben frei, den Tod schön machte. Eine höhere Tugend, als gewöhnliche Menschen zu fassen vermögen, gab ihm für alle Erscheinungen der Zeit unerschütterlichen Muth, unerschütterlichen Glauben. Seine Seele voll unendlicher Liebe ordnete alle, durch den Geist getrennte, Theile des Irrdischen, wieder zu einem Ganzen, für das sein Herz die Freudigkeit des Wirkens, Hoffens und Glaubens bewahrte, und nie genoß ein Mann einer schönern Einheit des innern und äußern Lebens, als Er. Jahrelang hatte er mit einer Liebe, wie sie nur ein so großes energisches Gemüth zu empfinden vermag, an einem schönen, holden Mädchen gehangen, dem ein seltnes Schicksal eine seltene Bildung gab, welche sie in einer oft verkannten Originalität von ihrem Geschlecht absonderte und sie auf einen Standpunkte stellte, der sie vielen unfreundlichen Blicken preisgab. Seine Treue, seine Festigkeit, seine Liebe, besiegten alle Hindernisse; sie ward endlich sein Weib, machte glücklich, war glücklich -- und jetzt stand er an ihrer Bahre, und neben ihm wimmerte sein Erstgeborner, dem sie mit ihrem Tode Leben erkaufte. -- Und in diesen Stunden des allerheiligsten Schmerzes sah ihn Natalie jetzt, und die Worte, mit denen die Seele des Freundes ihn ihr darin schilderten, gewannen sie Voluda’n auf ewig. Ihrer Rührung, und der nie empfundene Erweichung ihres Herzens, nicht länger mächtig, reichte sie Willot schweigend die Hand, und entwich in den Garten. Hier sank sie, mit Thränen, die die Schuld einer trüben Vergangenheit von dem wunden Herzen, der beklemmten Seele, nahmen, und strömten, als ob sie nie wieder versiegen könnten, nieder, und dankte Gott -- inniger hat ihm nie ein sterbliches Wesen gedankt -- daß er sie gerettet habe -- sie geschützt habe, im reichen Leben zu verschmachten, wie der Schiffer auf der weiten Wasserfläche oft durstend verschmachtet. Was sie empfand, vermochte sie sich selbst nicht zu deuten. Sie fühlte aber in sich das Erblühen eines neuen Lebens, und flehte zu Gott, sie für dasselbe zu heiligen und dann verstummte sie, und nur ihre Thränen waren noch Gebet. Wiedergeboren, getauft mit seinem Geist, seiner Liebe, kam sie, wie verklärt, zur Gesellschaft zurück. Und wenn sein Name nie wieder vor ihr genannt worden, kein Laut von ihm je zu ihr gedrungen wäre: sie wäre doch sein geblieben auf ewig. -- O, da es eine Liebe giebt, die zu ihrem Daseyn nichts bedarf, als das Bild des Geliebten, die ohne Hoffnung, ohne Wunsch, in seeliger Stille, nichts fordert, als dies Erkennen fremder Trefflichkeit: so laßt uns nicht zweifeln, daß wir, Pilgrimme hinieden, das Bürgerrecht in einer schöneren Welt besitzen. -- Natalie nahm, bei der Rückreise, Willot und Marien mit in ihren Wagen, und sie gewannen sich gegenseitig immer lieber. Willot, der das Gute und Schöne, wo es ihm erschien, enthusiastisch und im Colorit einer dichterischen Phantasie auffaßte, und dem sein edler Freund unvergänglichen Glauben an die Würde der menschlichen Natur gegeben hatte, besaß das himmlische Vermögen, einem Menschen, ungestört vom leisesten Zweifel der Erfahrung oder des Mißtrauns, unbedingt vertrauen zu können. Er gab sich hin, ehe noch Zeit und Prüfung die Ahndung des fremden Werthes zur Einsicht erhoben hatten, und Natalie war dieses Vertrauens, das sie ihm gegenüber wieder fand, werth. Unzertrennlich für die wenigen noch übrigen Tage ihres Aufenthalts, fanden sie sich mehr und mehr in gleichen Ansichten, Ideen und Empfindungen zusammen. Dann schieden sie -- wehmüthig, aber ohne Schmerz, da jeder in seinem eignen Herzen die Bürgschaft trug, von dem andern unvergessen zu bleiben. Ihr Vater, der seine täglich zunehmende Schwäche fühlte, und kaum den Frühling zu erleben hoffen durfte, wünschte seine Vermögensumstände in Ordnung zu bringen. Sein Gut fiel, nach seinem Tode, an einige ihm fast ganz fremde Lehnsvettern, mit denen er mündlich Abrede zu nehmen wünschte, um seine Töchter in der Zukunft gegen die habsüchtige Einmischung der übelberüchtigten Advokaten seines Vaterlandes zu schützen. Er machte daher auf der Rückreise von Doberan einen Umweg über Lübeck, den Wohnort seiner Lehnsvettern, und fand in ihnen ein paar sehr brave, gescheute Männer, die ihn mit zuvorkommender Artigkeit aufnahmen, und alles aufboten, ihm und seinen Töchtern den Aufenthalt bei ihnen angenehm zu machen. Man hatte Sinn genug, dies nicht durch das Zusammenbitten einer großen, steifen Gesellschaft, sondern durch kleine von Traulichkeit und Scherz beseelte, Zirkel erreichen zu wollen. Die schöne Jahreszeit begünstigte die Streifereien in die umliegende Gegend, die Natalie sichtlich jedem andern Vergnügen vorzog, und Musik und Tanz beschlossen gewöhnlich den Abend. Nataliens Gesang trug nicht wenig zur Verschönerung dieser Abende bei, und man bewunderte die Reinheit und den seltnen Umfang ihrer Stimme eben so sehr, als die Fertigkeit und Sicherheit, mit der sie schwere, ihr ganz fremde, Sachen vortrug. Den Abend vor ihrer Abreise brachten sie in dem Garten des einen Vetters zu, der allen seinen Bekannten zu jeder Tageszeit offen stand. Auch heute waren mehrere, nicht zur geschlossenen Gesellschaft gehörende, Personen darin; diese versammelten sich gegen Abend in dem Gartensaal, wo Julie, die Tochter des Hauses, Natalie, Elise, und mehrere der anwesenden jungen Mädchen sich in Gesang und Spiel der Guitarre und des Pianofortes ablöseten. Ein, aus der Stadt nachkommender, Bedienter, brachte die eben mit der Post angekommenen Briefe, und unter diesen ein Packet schöner neuer Musikalien für Julien mit. Neugierig eröffnete man es gleich, fand aber leider lauter Duetts, die, Natalien ausgenommen, keiner von der Gesellschaft sich getrauen durfte, vom Blatte weg vorzutragen. A...., Juliens Verlobter, der sehr angenehm sang, und dadurch wahrscheinlich die Wahl dieser Singstücke veranlaßt hatte, nahm die Stimme, aber schon nach ersten Blick darauf legte er sie nieder, und erklärte die Unmöglichkeit, sie uneingeübt singen zu können. Natalie hatte während dieser Zeit die ihrigen nachgesehen und das Accompagnement durchgespielt. Es wehte ihr aus diesen Compositionen eine so liebliche Melodie, eine so reiche Harmonie, entgegen, daß sie den Wunsch lebhaft äußerte, es möge sich jemand finden, der die zweite Stimme singen wolle und könne -- doch vergeblich! -- Wenn ich nicht irre, sagte Julie endlich mit muthwilligem Ton zu ihrem Freunde, so habe ich vorhin am Bassin Ihren Weiberhasser wandeln gesehen, dessen Gesang Sie mir so oft gerühmt haben -- wie wäre es, wenn Sie den Versuch machten, ihn herzuführen, und zu sehen, ob er Muth genug hat, einem halben Dutzend Mädchen unter die Augen zu treten? Ich will mein Glück versuchen, antwortete der junge Mann lächelnd, und hoffe das Beste; denn wahrlich, Cousinchen, +weiberscheu+ ist er nicht. Natalie fragte Julien, von wem die Rede sey? -- So recht weiß ich es selbst nicht, es ist ein Jugendfreund A...s, der sich seit einigen Tagen hier aufhält, und, nach allem was ich von ihm gehört habe, ein sehr genialischer Mensch, den der empörende Unwerth einer von ihm vergötterten Frau zum entschiedendsten Weiberhasser gemacht hat. Doch wahrlich, da kommt er mit A.... gegangen -- nur einen Blick, liebe Natalie, -- welch interessantes Gesicht! -- wer sollte glauben, daß dieser blühende, jugendliche Mann so bitter mit unserm Geschlecht zerfallen ist! -- Natalie sah auf, und ihr Auge traf auf ein dunkles, leidenschaftlich glühendes Augenpaar, das seinen Blick, wie überrascht, von ihr wegsenkte, und es dann nicht der Mühe werth zu finden schien, die übrige Gesellschaft auch nur mit einem Blick zu überfliegen. A.... stellte ihn seiner Braut vor, die er mit einigen artigen, aber im gleichgültigsten Ton gesetzten, Worten begrüßte. Da es in die Augen fiel, daß man eben musizirt hatte, wandte sich das Gespräch schnell darauf, und alle vereinigten sich zu der Bitte an den Fremden, das eine wunderschöne Duett zu singen, das keiner aus der Gesellschaft sich vorzutragen getraue. Natalie allein saß stumm und von der Gesellschaft abgewandt am Flügel, und ihr feines, geübtes Ohr unterschied in den Antworten und in der Weigerung des Fremden, der nun erst erfuhr, warum er hierher gelockt worden war, seinen beleidigten Stolz, und einen Ton, dessen Modulation den Mangel feiner gesellschaftlicher Bildung verrieth; so wie die Wahl seiner Ausdrücke, dagegen auf Geist und Lektüre deutete. Selbst die Nachlässigkeit seines Benehmens gegen die bittenden Mädchen wäre durch einen geübtern Takt für das gesellige Verhältniß der höhern Stände gemildert und verkleidet worden. Doch eben dieser sonderbare Contrast der Sprache und des Benehmens zog sie an, und sie fühlte unmuthig, daß mehr Gewandtheit, als der Fremde besitze, dazu gehöre, um nach so langem Widerstand mit Anstand nachzugeben, und sie wünschte doch so sehr, ihn singen zu hören. Schnell riß sie alle Züge des Flügels auf -- ein rauschendes Allegro störte die Musik, und mit unnachahmlichem Blick und Ton, mit unwiderstehlicher Grazie und der seltsamsten Mischung von Bitte, Befehl und Frage wandte sie sich nach ihm um: -- Sie singen! Sichtbar betroffen trat er ihr mit einer stummen, bejahenden Verbeugung näher. Daß er mit ihr, deren Blick ihn bei seinem Eintritt so milde entgegen strahlte, singen sollte, hatte er ja noch nicht gewußt. Mit dankendem, ausdrucksvollem Blicke gab sie ihm nun seine Stimme -- er durchlief sie und senkte sein Auge zweifelnd zu ihr herab -- aber sie sah ja so freundlich aufmunternd zu ihm hinauf -- sie verständigte sich so hold mit ihm über einige der schwersten Passagen -- sonderbar, daß er gar keine Worte finden konnte, mit ihr zu reden -- er fürchtete, dies könne ihr als Unart erscheinen -- als ob in irgend einer Sprache etwas Ausdrucksvolleres gesagt werden könnte, als für Natalien in diesem, stummen Gehorsam, dieser beklommenen Befangenheit lag! -- Oft hatte sie beim ersten Anblick gefallen -- und welchem Weibe entgeht dieser Eindruck? -- aber die, denen sie gefiel, wußten immer eben so schnell, und oft noch früher als sie, um diesen Eindruck, und suchten dann sehr angelegentlich, sie auch damit bekannt zu machen. Hier aber stand sie, wie sie fühlte, einem Gemüth gegenüber, das sich selbst in dem empfangenen Eindruck nicht verstand, und die Neuheit dieser Erscheinung verdoppelte das Interesse, das die Beiwörter, unglücklich, genialisch, -- diese wahren Talismane für Weiber, in ihr geweckt hatten. Sie sang -- mit so seelenvollem, dem innersten Herzen sich entreißendem Ausdruck hatte sie nie gesungen -- und sie fühlte in seinem Gesang, wie sie ihn allmählig mit sich fortriß, er alle Umgebungen vergaß, und sich von diesen Tönen zu irgend einem goldnen, geheimnißvollen Feenlande fortziehen ließ. -- Jetzt endete sie; sie stand auf, dankte ihm mit einer Verbeugung, und ließ ihn, wie träumend, am Instrumente zurück. Noch immer hörte er sie in Syrenentönen singen: ~All’ eccesso del contento Sento il core in tale istante Anelante Palpitar.~ Der schöne Abend lockte die Gesellschaft wieder in den Garten zurück. Man vertheilte sich paarweise, und Natalie blieb, nicht ganz unvorsätzlich, mit dem Fremden, der sich wieder zu ihr gefunden hatte, allein. Niemand verstand besser als sie, die Kunst, den mit äußrer Rohheit kämpfenden Geist im Gespräch von seinen Fesseln zu entbinden, und ihn zur klaren, selbstgenügenden, Ansicht seiner selbst zu führen. Mit der Sicherheit und der Unbefangenheit, die ihr ihre höhere Bildung in diesem Gespräch geben mußte, gieng sie in die Ideen ihres Gesellschafters ein, und leitete ihn, seine Gedanken mit einer Klarheit auszusprechen, die ihm als eigenes Verdienst erschien. Der gewaltige Eindruck, den sie auf den jungen Mann machte, entging ihr nicht; allein Voluda’s Bild, das heilig in ihrem Herzen ruhete, und keinen Götzen darin neben sich duldete, schützte sie vor der Unwürdigkeit, mit diesem Eindruck spielen zu wollen, und sie wünschte, dem jungen Manne, in dem Andenken dieses zufälligen Zusammentreffens, einen Keim zu hinterlassen, aus dem sich früher oder später, von freundlichen Händen gepflegt, der Glaube an Weibertugend und Weibergüte leichter zu entwickeln vermöge. Sie fühlte, daß es Gleichheit des Schicksals war, was sie zu ihm zog; getäuscht, hintergangen, um ihre Hoffnungen, um Liebe, Glaube, Glück betrogen, wie er, sah sie, wie in einem finstern Spiegel, ihre Vergangenheit, die ihr nicht bloß Schmerzen, auch Flecken, gegeben hatte, in der unharmonischen Leidenschaftlichkeit dieses Mannes, die früher wahrscheinlich auch nur gehaltvolle Sentimentalität war. In den gewöhnlichen Irrthum leidenschaftlicher Menschen versunken, hielt sich der Fremde selbst für einen ausgebrannten Vulkan, und glaubte, ein Leben ohne Huld und Freude, wie das menschliche, könne nur durch den entschiedensten Stoicismus gewürdigt werden. Er zertrat daher und verachtete alle Freude, und der Schmerz schien ihm auch nur da zu seyn, um durch Gefühllosigkeit besiegt werden zu sollen. Natalie sah aber daß er, wie ein Metallguß, nur auf der Oberfläche erkaltet, in seinem Innern verzehrend fortglühe, und eben durch diese erkünstelte Kälte für die höchste, gewaltigste Leidenschaft immer empfänglicher werde, und sich ihr wahrscheinlich ohne Maas und Schranken hingeben werde, sobald ihm ein blumenübergrünter Abgrund erscheine. Ein inniges Mitleiden mit ihm ergriff sie, das, verbunden mit der Achtung, welche sie der Energie eines solchen Gemüths nicht versagen konnte, zu milden, erhebenden Worten wurde, die sie, indem sie sie aussprach, selbst auf ihrem neuen Wege kräftigten. Sie führte ihn darauf hin, wie leicht man bei einer für das Große begeisterten Phantasie dahin komme, die kleinen stillen Tugenden zu verkennen, an die das Wohl des Einzelnen, wie des Ganzen, gebunden sey -- wie man vorzüglich in der Jugend so geneigt sey, die Alltagspflichten unter die Füße zu treten, um dem Ideal eines moralischen Heroismus nachzustreben, dem die Vorsehung, neben tiefer Verworrenheit, seine Stelle angewiesen habe, damit der Contrast beider den frischen Lebensstrom der Menschheit vor dem Schlammichtwerden schütze. -- Darum seyen aber nur wenige berufen, ihn zu üben; jeder hingegen könne in seinem Kreise das Schlechte meiden, das Beste wollen, und das Gute thun -- und wer diesem Ziel mit Treue und festem, ernstem Willen nachstrebe, finde auch sicher die Straße des Friedens wieder, die im verworrnem Leben allein zum Heil führe. Sie sagte das alles ohne besondre Beziehung, wie im Allgemeinen, hin -- aber sie fühlte sich verstanden in dem Feuer, mit dem er sie zur genauern Zergliederung ihrer Ideen leitete, als seyen sie ihm ein Licht auf dunklem, trostlosem Pfade. Niemand fühlt den Beruf, Irrende zurecht zu weisen, lebhafter und inniger, als der, den eben eine schützende Hand auf den rechten Weg zurück führte, und der nun, nach herausgerissenem Unkraut, das Aufgehn des edlern Blumenflors in sich fühlt und pflegt. Was auf die menschliche Seele, in Fällen dieser Art, wirken soll, muß nie aus abstracten, allgemein gültigen moralischen Gesetzen, sondern aus individuellen Empfindungen hergenommen seyn. Diese theoretischen Principien sind gut und paßlich für die Stunden unbefangener Prüfung und ernsten Sammelns; sie können uns schützen, uns kräftigen, dem rechten Wege treu erhalten; aber nie werden sie vom unrechten zurückführen, weil in der Verirrung des Einzelnen fast immer so viel Eigenthümliches liegt, daß sie zur Ausnahme von der Regel wird, und der Verirrte sich außer dem Gesetz fühlt, das auf seine Lage keine Rücksicht nahm, und nehmen konnte. Ach, unter allen Trauerstunden des Lebens schmerzt mich keine mehr, als die, wo der Mensch, der am Morgen seines Daseyns seinen Lauf, so voll edlen Muthes, so voll festen Willens, nur dem Edelsten nachstreben zu wollen, begann, tödtlich ermattet niedersinkt, und die Kraft verloren hat, sich selbst wieder aufzurichten gegen die Aurora, die um die bedeckte Erde, als Wiederschein des Geisterreichs, liegt. -- Fordert nicht, ihr strenger Richter fremder Schwäche, von dem müden, durch Thränen verdunkelten Auge des Unglücklichen, daß es durch den finstern Nebel dringe, der ihm den ewig reinen, von jedem irrdischen Dunst unumwölkten, Himmel verbirgt. Grade den Besten unter uns saugt das Leben gern, wie ein Vampyr, das warme Herzblut aus, und treibt sie dann in den Irrgarten der Alltäglichkeit, wo man, der höheren Bedürfnisse der Menschheit uneingedenk, vom Leben nichts fordern darf, als Wohlseyn bei Speise und Trank und allem was dem Körper behagt! -- Nicht der vom Blitz des Unglücks +entseelte+ Mensch ist zu beklagen; aber wohl der durch denselben +entstellte+, dessen Fall nicht unwürdige Schwäche, sondern Verirrung der edelsten Kräfte war. Die Menge weiset ja allen Kampf von sich und vergaukelt an die allererbärmlichsten Armseeligkeiten ein Leben, dessen Gehalt sich, an unzerreißbaren Fäden, durch die ganze Stufenfolge unsers Daseyns fortspinnt. Die Mehrzahl der Besseren sieht dagegen auf ein freudenleeres Leben hin, auf das nur die negativen Tugenden der Geduld und der Resignation einen lichten Strahl werfen, und wahrlich, ich liebe und achte diese schönen, weichen Seelen, deren vorzüglich mein Geschlecht so viele hat, die ohne Freude und doch ohne Klage fromm und gelassen durch das Leben gehen -- aber die Erde soll doch so wenig ein moralisches als ein physisches Siechhaus seyn! Das Ideal wahrer Menschenbildung ist Gesundheit der Seele und des Körpers, denn auch auf die letztre ward im geistigen Weltplan mitgerechnet. Nur ein freudiges Handeln bestimmt den wahren Werth des Menschen -- und so ist die Geduld auch schon edler als Resignation; jene hat Hoffnung, diese nicht. Wie viele aber von denen, die jetzt so hinschlendern, unbekümmert, ob ihre Seele im Blute wohne, oder nicht, waren auch einst voll Glauben, Liebe und Hoffnung! -- Wie viele von ihnen würden nicht gerettet worden seyn, wenn wir uns untereinander zur Ermunterung und zum gemeinschaftlichen Fortgange auf gleichem Wege, +treuer+ die Hand böten, oder die Verirrten williger an unser Herz zögen und schonend seine Wunden mit unserer Liebe bedeckten. -- Nur zu oft aber, zu oft, stoßen wir ihn ganz hinunter, unbekümmert, ob nicht sein Herzblut den schlüpfrigen Pfad netze, den er, mit der letzten, verzweiflungsvollen Anstrengung seiner ersterbenden Kräfte, erklimmt, und von dem er zurückgleitet, weil keine Hand sich ausstreckte, ihn zu halten -- Gott! ein Strohhalm könnte das oft, und doch ist man so taub gegen den Schrey der höchsten jammervollsten Seelenangst, mit der der Mensch um sein herrlichstes Kleinod, den Glauben an sich und die Menschen, ringt! -- O laßt uns lieber zehn Unwürdigen liebend und tröstend mit Warnung und Ermunterung an die Hand gehen, als einen Unglücklichen nicht beachten, der vielleicht nicht mehr den Muth hat, uns aufzusuchen, aber uns als seinen Schutzengel aufnimmt, wenn wir uns ihm nähern. Soll denn nur der Heißhunger körperlicher Bedürfnisse unser Mitleid, unsre Hülfe, ansprechen? -- Ist es denn nicht unendlich mehr werth, den edleren Theil eines Menschen zu retten? -- und was ist aller körperlicher Schmerz, alles übrige Weh der Erde, gegen die im Vergehen noch aufzuckende Seelenangst, mit der man sich täglich tiefer sinken fühlt, ohne eigne Kraft, diesem Versinken entgegen arbeiten zu können? -- Ja, es ist schrecklich, aber wahr: der Mensch kann so weit kommen, sich selbst aufzugeben! -- +Er+ kann das; aber +kein andrer+ darf es; denn, wie kann das, was göttlichen Ursprungs ist, vernichtet werden in einer Seele, deren Leben eben dies Göttliche ist? wie dürfte der Mensch den Menschen je verloren geben? -- Und wenn nun so ein Unglücklicher stumm und entstellt unter uns wandelt, und vergebens nach einem Auge spähet, das ihn tröstend anblicke, nach einem Laut, der ihn kräftige, einer Hand, deren Druck ihm leise sage: +vertraue+ -- wollt ihr ihn den steinigen, weil er, von allen verlassen, sich selbst verläßt? -- Stumm und schweigend wird er unter euren Würfen zu Boden sinken; aber wer nicht begreift, was er leidet, begreift auch nicht den unendlichen Jammer dessen, „Der sich Menschenhaß aus der Fülle der Liebe trank! --“ Nataliens sanfte, aus dem Herzen kommende, Wärme, theilte sich dem Fremden mit. Sie lassen mich fühlen, sagte er ihr, daß der Mensch nicht für einen immerwährenden hoffnungslosen Streit zwischen den Grundtrieben seiner moralischen und fühlenden Natur, dem Gebot der Pflicht und dem Durst nach Glück, bestimmt ist, wie ich es seit einiger Zeit glaubte. Aber das Leben hat doch Momente, die den Quell heitern Lebenssinnes auf immer vergiften. Nur der Durst, der heiße Durst nach dem Glück, das das erste Bedürfniß unsers Herzens war, bleibt uns zurück, und der kann dann nie gestillt werden. Wenn unser Weh in unsrer Empfindung liegt, so ist ja die eine Quelle des Lebens selbst vergiftet und es bleibt dem Menschen nur das Rettungsmittel, sein Gefühl zu ertödten, und einen Theil seines Wesens dem Ganzen aufzuopfern, wie der Wundarzt auch zuweilen den Körper verstümmelt, um das Leben zu retten. Darf aber der geringere Theil unsers Wesens durch Aufopferung des edleren erhalten werden? -- Auch ich ehre die Vernunft, als einen Funken aus dem ewig reinen Licht; aber das Gefühl erscheint mir in noch schönerem, beseelenderem Abglanz desselben, und nie wird man mich überreden können, daß der Mensch edler ist durch seinen Geist, als durch sein Herz. Nur aus diesem entspringt die Schönheit des Willens, die ihn aus der Macht des irrdischen Verhängnißes hebt, denn der Geist kann das Sittlichschöne erkennen; doch geliebt wird er nur mit dem Herzen. Freilich gelangen nur wenige ohne Kampf und Streit zu der seeligen Einheit beider, aus der jener Friede geboren wird, der höher ist, denn alle Vernunft. Doch müssen wir darum diesen nicht für unerreichbar halten und den Kampf nicht zum Zweck erheben. Was der Mensch sich, im schuldlosen Freudengenuß des Lebens, aneignet, ist Gewinn für seine höchste, wahrste Bildung. Eine verlorne Hoffnung, eine geraubte Täuschung, kann den Menschen nie berechtigen, bitter gegen das Leben zu werden; dem Menschen, der dieses nicht nur zu genießen, sondern auch zu würdigen versteht, welken nie alle Freudenblumen desselben; -- aber wer trägt die Schuld, wenn er aus dem reichen, duftenden Kranze, nur die Rose wählte, und, entblättert sich diese, ihre einfachen, aber an Duft und Werth mit ihr wetteifernden Schwestern nicht zu würdigen versteht und sie von sich wirft? darf er es dem Leben aufbürden, wenn er in dieser Verstockung, aus der Sittenlehre eine strenge despotische Rechtslehre bildet, die ihm nur Pflichten aufbürdet, ohne ihm Rechte, Wünsche und Hoffnungen zu gestatten? -- In der Kälte dieses Systems gedeihen dann freilich die zarten, frommen Blüthen +freudiger+ Pflichterfüllung nicht, die dem Menschen so labend und erquickend duften, wenn des Lebens Schwüle ihn drückt. Der Mensch soll das Gute thun, weil es gut ist -- aber er darf es auch lieben, weil es ihn heiter, fromm und zufrieden macht, und kann er dies seyn, wenn er nur Vernunft -- diesen einzelnen Schößling des reichbegabten menschlichen Gemüths -- hat und haben will? -- Wer für einfache Güte, für Menschenliebe, für, aus dem Herzen entspringende, Thätigkeit für fremdes Wohl, nicht verloren ist, der ist es auch wahrlich nicht für das Glück, das sich früher oder später, aber gewiß unausbleiblich, freundlich wieder zu ihm wendet. Ich betrat heut diesen Garten mit einem Widerwillen gegen das ganze Leben, vom dem ich jetzt bekenne, daß es der Unmuth finstrer Hoffnungslosigkeit war. Einem Glück, das mir zu Gift geworden war, gab ich jedes wohlthuende Gefühl zum Geleit mit, als ich es von mir stieß, weil ich fühlte, mein Herz habe mich elend gemacht. Ich wollte nun nur noch fest und hart und stark seyn, und war vielleicht durch diese mir aufgezwungene Unnatur noch unglücklicher, als durch mein Geschick. In wenig Tagen trete ich in einen Kreis einfacher, nützlicher Thätigkeit, wo ich unendlich viel Gutes stiften kann; mir schaudert selbst vor der Erstorbenheit, mit der ich an meine künftigen Pflichten dachte -- aber jetzt, in Ihre Hand, will ich das Gelübde ablegen, sie als Quelle meines Glücks zu lieben, und gewiß werde ich dies Gelübde lösen. -- Und mit diesem Händedruck gebe ich Ihnen die Versicherung, daß Ihre frühere Empfänglichkeit für Lebenswerth und Lebensgenuß Ihnen dann veredelt und verschönert wiederkehren wird. Er drückte die dargebotene Hand an seine Lippen, aber die Worte, mit denen er für diese Verheißung danken wollte, verstummten vor den Personen, die, in diesem Augenblick, aus einem Nebengange zu ihnen traten. Man gieng gemeinschaftlich weiter; die Gesellschaft fand sich mehr und mehr zusammen, und erst im Eßzimmer vermißte Natalie den Fremden, von dem sie getrennt worden war. Sie wandte sich, mit ihrer Erkundigung nach ihm, an A.... Er ist, antwortete er, der Sohn eines Predigers, der von seinem Vater einen berühmten Namen und eine treffliche Erziehung erhielt. Leider verlor er diesen Führer zu früh; die Vormünder gaben ihn auf eine hohe Schule, und bestimmten ihn, dem früheren Plan seines Vaters zufolge, für den Stand desselben. Er hatte aber die sonderbare Schwärmerei, durchaus nur Landschullehrer werden zu wollen. Alles, was er zu diesem Berufe zweckmäßig und nützlich glaubte, lernte er mit großem Eifer; aber sein Widerwille gegen alle Sprach- und höhere Wissenschaften war, trotz seiner ausgezeichneten Fähigkeiten, so entschieden, daß alle Versuche, ihn zu bekämpfen, fruchtlos blieben, und er endlich, als man ihn mit Strenge dazu anhalten wollte, entfloh, und zu dem Domherrn von R..w, einem Freunde seines verstorbenen Vaters, seine Zuflucht nahm. Dieser nahm sich seiner an, und wirkte ihm die Einwilligung seiner Vormünder aus, das H... Schullehrer-Seminarium beziehen zu dürfen. Hier erwarb er sich die Liebe und die Achtung seiner sämmtlichen Lehrer, und war schon zu einem einträglichen Dienst vorgeschlagen und ernannt, als er plötzlich die Vokation zurücksandte, H... verließ, und ein Jahr sehr menschenscheu und einsam im Hause seines alten Gönners R...w lebte, auf dessen Empfehlung er jetzt in einer entfernten Provinz eine Stelle erhalten hat. Ueber sein Schicksal ist er sehr verschlossen; doch machen es mir seine Weiberverachtung und sein Trübsinn sehr wahrscheinlich, daß der Unwerth eines vergötterten Weibes sie bewirkte. Und sein Name? fragte Natalie gespannt. Wilhelm Buri. Ihre Ahndung hatte sie nicht betrogen; der Fremde war ihr neuer Schullehrer. Eine sonderbare Empfindung goß sich erkältend durch Nataliens Adern; sie fühlte, zu ihrem eignen Erstaunen, daß sie erblaßte. -- Natalie, es war die Warnung Deines Schutzgeistes! -- Dritter Abschnitt. Es lag dies Herz für alle Pfeile offen Und mancher gift’ge trank sein Blut. +E. M. Arndt.+ Wenig Wochen nach ihrer Rückkehr von Lübeck standen Natalie und Elise am Grabe ihres Vaters. In seinem Testament hatte er Natalien die Vormundschaft über Elisen aufgetragen und die verdoppelte Thätigkeit, zu der sie dadurch verpflichtet wurde, half ihr den Schmerz dieses Verlustes fester und ernster ertragen, als sie es sonst zu thun vermocht hätte. Sie schrieb an August und forderte ihn auf, seine Zuhausekunft zu beschleunigen. Ein günstiger Zufall machte ihn mit dem Kammerpräsidenten bekannt, welcher an den Kenntnissen und dem schönen Eifer des jungen Mannes, der das Gute so innig liebte, und so verständig wollte, so viel Gefallen fand, daß August in kurzer Zeit eine der angenehmsten und einträglichsten Beamtenstellen seines Vaterlandes erhielt. Von Natalien gebilligt, blühte die stille Neigung Elisens jetzt wunderbar schnell zur innigsten Liebe auf, und da seine Beförderung jedes Hinderniß ihrer Verbindung beseitigte, genoß Natalie des Glückes, die Hand ihrer Schwester dem Manne geben zu können, den sie ihren wahrsten Achtung und ihres vollsten Vertrauens werth gefunden hatte. Mit mütterlicher Freude und Sorgsamkeit war sie unermüdet geschäftig, ihre Elise auszusteuern und ihr ihre neue Wohnung auszuschmücken; aber alle Bitten ihrer Geschwister, künftig bei ihnen zu wohnen, waren vergeblich. Sie begleitete sie nach G. ihrem neuen Wohnort; doch schon nach einigen dort zugebrachten sehr glücklichen Wochen gieng sie nach ihrem Gute N****, wo sie künftig zu wohnen entschlossen war. Diese Trennung war theils Folge ihrer immer lebhafter werdenden Sehnsucht nach Einsamkeit und stiller Einkehr in sich selbst; theils ihres Grundsatzes, daß im ersten Ehestandsjahr, die Anwesenheit einer vertrauten Freundin, der jungen Frau, für ihr eheliches Glück, selten heilsam ist, indem ihre Gegenwart verhindert, daß Denkungsart und Handlungsweise beider Gatten sich zu jenem unauflöslichem Gewebe ineinander schlingen, welches das Glück und das Heiligthum der Ehe genannt zu werden verdient. Natalie kam in N**** an. So unabhängig sie auch bisher gelebt hatte, war ihr doch das Gefühl, in eignem Hause zu leben, sich ganz als Gebieterin desselben zu fühlen, und unumschränkte Herrin ihrer Zeit, und der Anwendung derselben, zu seyn, neu, und die Süßigkeit desselben gieng nicht für sie verloren. Eine entfernte, bejahrte Verwandtin, welche der Tod ihres Mannes hülflos und allein gelassen hatte, Madam Brandt, ward ihre Gesellschafterin, unter deren Schutz Natalie, ohne den Tadel der Welt und Verletzung eingeführter Sitte fürchten zu dürfen, allein und unabhängig leben konnte. -- Am Tage nach ihrer Ankunft, als sie gegen Abend einsam am Flügel saß, meldete man ihr Herrn Buri, der der Besitzerin des Gutes seine Aufwartung machen zu müssen glaubte. Der Gedanke an ihr früheres Zusammentreffen mit ihm hatte sich ihr, durch die schnelle Folge interessanterer Ereignisse, ganz entfremdet. Jene finstre, warnende Schreckensahndung, die einst, bei Nennung seines Namens, durch ihr Herz zog, war längst vergessen, da in ihrer Seele kein Gedanke, keine Empfindung war, die sie daran zu erinnern vermocht hätte. Unbefangen erhob sie sich auch jetzt bei seinem Eintritt; aber er verlor alle Haltung, als er beim ersten Blick auf sie, jene Unbekannte, das Heiligenbild seines Herzens, in ihr wieder erkannte. Er hatte, in der Abgeschiedenheit seines gegenwärtigen Lebens, den gewaltigen Eindruck, den Natalie auf ihn gemacht, mit der ganzen leidenschaftlichen Kraft seiner Phantasie genährt und ausgebildet. Von der Besitzerin des Gutes hatte er gleichfalls, so lange er in N**** lebte, als von einem Engel an Güte und einem Wunder der Bildung und des Geistes reden hören; -- er war Zeuge der Wohlthaten, die sie ihren Unterthanen spendete; er verdankte ihr selbst nicht allein seine Stelle, sondern auch die Einrichtung seines Hauses, das er bei seiner Ankunft möblirt und mit allem Nothwendigen versehen, vorfand -- und in dieser im Voraus verehrten und bewunderten Gebieterin fand er jetzt seine Unbekannte, dies Ideal aller Schwärmereien seines Kopfes und seines Herzens, wieder! -- Vom Strahl der Abendsonne beleuchtet, trat sie ihm wie verklärt entgegen, und er konnte sich kaum enthalten, vor der holden Erscheinung das Knie zu beugen. -- Natalie freute sich des Wiedersehens des Jünglings, den sie viel heitrer und blühender fand, und seines Geständnisses, daß jene Unterredung mit ihr den ersten Strahl auf sein verdüstertes Leben geworfen habe, das sich nun durch Liebe zu seinem Beruf und Treue in demselben, immer freundlicher erhelle. Aber die Erinnerung an jenes frühere Zusammentreffen füllte doch jetzt die weite Kluft aus, die sonst den Untergebenen von der Herrin getrennt haben würde. Sie wollte und konnte auch nicht, ohne wehe zu thun, den Ton gesellschaftlicher Gleichheit ändern, den sie früher, die Unbekannte dem Unbekannten gegenüber, beim Zusammentreffen in +Einer+ Gesellschaft, angenommen hatte, und sie glaubte um so mehr, diesen Ton beibehalten zu können, da er ihr eine tiefere Ehrfurcht zeigte, wie sie der Unterschied des Standes je zu erzeugen vermag. In voller Ruhe, erhaben über jede Brandung der Leidenschaft, jede stürmische Wallung des Gefühls, war sie ihm zuerst erschienen -- +so+ hatte sich ihr Bild ihm eingedrückt, und so glaubte er auch jetzt sie zu sehen. Ihr je begegnen zu können in Einem Gefühl, Einer Empfindung: ihr vergelten zu können, was sie spendete; zu wähnen, sie könne in den engen Kreis kleiner Schmerzen und Freuden, kleiner Bedürfnisse und Wünsche, mit eintreten, hielt er für unmöglich. Für Natalien kam jetzt eine schöne Zeit des Friedens mit sich und andern; Muße und häusliche Thätigkeit, heitre Geselligkeit und frohe Einsamkeit in weisem Wechsel, füllten ihre Stunden aus. Der Zirkel ihres nachbarlichen Umgangs breitete sich nach und nach aus, aber die wirthschaftliche Thätigkeit des ländlichen Lebens bewahrt den Theilnehmer daran vor der Zerstreuungssucht des Städters. Dieser macht aus der Geselligkeit ein Geschäft, dem er oft sein ganzes Leben widmet; jenem ist sie nur Erholung, nur Genuß, für Feiertage und Feierstunden. Auch für Natalien war sie nur dies, und am frohesten war sie, nach vollbrachtem Tagewerk, in ihrem Zimmer, bei Lectüre und Musik, oder auch im traulichen, verständigen Gespräch mit dem schätzbaren Prediger und seiner Frau, welche in den langen Winterabenden täglich zur Theestunde zu ihr kamen. Oft erwiederte sie auch diesen Besuch und fand dann immer Buri dort, der im Hause der alten wackern Leute wie ein Sohn einheimisch war. Sein ausgezeichnetes musikalisches Talent verschaffte ihm auch häufigen Zutritt in ihrem Hause, da sie, wie fast alle Sängerinnen, sich lieber accompagniren ließ, als ihren Gesang selbst begleitete. Ein anders, zufällig bei ihm entdecktes Talent, machte ihr seine Gesellschaft noch angenehmer; er las gut, und mit eben so zartem als tiefen Gefühl vor. Unvermerkt ward er so näher und näher in ihren Lichtkreis gezogen, und ach! er suchte die herrliche, ihn so himmlisch beseelende Flamme, nur zu sehnsüchtig auf! -- Früher hatte er nur die Glut heißer, leidenschaftlicher Sinnlichkeit kennen lernen; hätte sein jetziges Gefühl jenem früheren geähnelt, so hätte er sich selbst verstanden und sich vielleicht selbst beherrscht. Aber diese reine anbetende Huldigung mit der er Natalien verehrte, schien ihm höchst unverdächtig. Er lebte in ihrer Nähe, wie in dem Element eines höhern geistigen Lebens, das von Tag zu Tag alle Kräfte seiner Seele zu einem unaussprechlich gehaltvollen und glücklichen Daseyn aufjubelte. Natalie freute sich oft des schönen Jünglings, der jetzt so freudig im Leben einherschritt. Sie fühlte, das sey ihr Werk; aber sie hatte keine Ahndung des Unseegens, der daraus für ihn und für sie hervorgehen konnte. -- Ihre reine Seele kannte von der Liebe nur die höchste Freude und den edelsten Schmerz. Um diese Zeit erhielt sie Briefe von Willot und seiner Frau, die ihr die willkommene Nachricht brachten, daß sie ihren Wohnort verändern, und sich in G. -- wo auch August und Elise wohnten -- niederlassen würden. Diesen Brief begleitete ein Werk von Voluda, welches damals, bei seiner Erscheinung, die Aufmerksamkeit aller Gebildeten auf den Mann lenkte, der, noch an der Gränze des reiferen Jünglingsalters, darin, edel, strenge und fest wie eine Heldenerscheinung aus längst versunkener Vorzeit, erschien, und milde und fromm und menschlich, wie wahre Größe es immer ist. Schöne, unvergeßliche Stunden, in denen die edlen gewichtigen Worte Nataliens Seele begeisterten, und ihr innerstes Gemüth sich mit dem Verfasser aufs innigste befreundete! -- So hatte sie sich ihn früher gedacht -- so lebte er in ihrem Herzen und nach Lesung dieses Werkes, in welchem sich sein Geist, sein Gemüth, und die Eigenthümlichkeit seines Sinnes mit unverkennbarer Wahrheit aussprachen, war sie mit den innigsten Empfindungen ihrer Seele, mit den theuersten Ideen ihres Geistes, und mit jeder bessern Kraft ihres Gemüthes, +sein+, und blieb es auch bis zum letzten Schlage ihres gebrochnen, treuen Herzens. -- Sie beantwortete Willots Brief und erwähnte seines Freundes und des ihr übersandten Werkes mit Worten des Dankes und einer Bewunderung, die ein so klares und gemüthreiches Eingehen in Voludas Sinn verriethen, daß Willot sie, in der Freude darüber, diesem mittheilte, und dadurch auch in ihm jene Sympathie aufregte, die beide, für einander geschaffne Wesen, in schöner Ahndung zu einander zog. In diesem stillen häuslichen Leben und dem fast täglichen, traulichen Zusammenseyn, konnte es Natalien nicht entgehen, wie Buri sich immer fester und wärmer an sie schloß, und mehr und mehr nur von ihren Blicken, ihren Worten, zu leben schien. Es schien ihr aber auch, als wenn die Reife, die ihr Karakter gewonnen hatte, und der Ernst ihres Wesens sie davor schützen müsse, auf einen so jungen Mann -- jugendlichen Eindruck zu machen, und sie genoß seiner unverkennbaren Anhänglichkeit nicht eitel, sondern mit dem ruhigen, sich seiner Ueberlegenheit bewußten, Wohlwollen einer ältern Freundin gegen den Schützling, über dessen Gefühle sie sich einer unbedingten Herrschaft sicher glaubt. Kam sie um Mitternacht, oft noch später, von einem Besuch in der Nachbarschaft zu Hause, so fand sie ihn doch gewiß noch jedesmal, auch bei dem heftigsten Schneegestöber, bei Sturm und Regen, wach und vor seiner Hausthüre, oder am offenen Fenster, wo ein Schlagbaum sie einige Minuten zum Verweilen nöthigte und er ihr dann noch eine gute Nacht wünschen konnte. Daß sie sich gewissermaßen beredete, auch dies ganz leicht und unbedeutend zu nehmen, war ihr erstes und ihr größtes Unrecht gegen ihn. -- Nataliens Urtheil ward hier, ohne es selbst zu wissen, von der alle Weiber so süß berauschenden, verführerischen Gewißheit, geliebt zu werden, bestochen -- und wahrlich, wenig Frauen werden geliebt, wie Buri in diesem Zeitpunkt Natalie liebte! Er besaß nicht jene Tiefe der Empfindung, jene innige Begeisterung, jene unendliche Treue, die allein +wahre Liebe+ erzeugen; er konnte daher auch diese, im eigensten Sinn des Wortes, nicht in sich aufnehmen: Er hatte keinen Frieden mit sich und dem All -- aber was er für Natalien im vollsten Umfang seines Empfindungsvermögens empfand, war jene süße, verderbliche, der Erde angehörende, Leidenschaft, die im weiten Reich der Dinge nur ein Glück anerkennt, und für den Besitz der Geliebten sich tausendmal ins tobende Meer, ins lodernde Feuer stürzte, -- ein Gefühl, vergänglich wie alles Irrdische; aber in seiner Vergänglichkeit so unwiderstehlich bezaubernd, so alle Kraft des Geistes, die nicht für dasselbe wuchert, betäubend, daß es, einmal gekostet, doch, als die höchste irrdische Seeligkeit, nie vergessen wird -- so wenig von den Herzen, das es durchglühte, als von dem, das es einflößte. -- Natalien war diese Leidenschaft noch nicht erschienen, und sie wußte so wenig um ihr Daseyn, als um ihre Wirkungen. Ihr war die Liebe ein Band zwischen dieser und jener Welt; die Vermittlerin zwischen Gott und dem Menschen. Buri konnte ihre Phantasie auf Momente beschäftigen; zu ihrem Herzen gab es für ihn keinen Weg. Der bürgerliche Abstand zwischen dem Jüngling und ihr, war ihr auch in jedem Augenblick so anschaulich gegenwärtig, daß sie den kleinsten Versuch von Seiten des Jünglings, ihn überspringen zu wollen, für unmöglich hielt. Sie war ruhig in dem Bewußtseyn, ihre Gewalt über ihn nur zu seinem Besten, zu seiner Bildung und Veredlung, benutzen zu wollen, und wußte es nicht, wie leicht in einem solchen Verhältnisse das Kind zum Riesen erwächst, dessen roher Macht jedes zarte Gefühl erliegt. Monate vergiengen indessen, ohne daß Buri sich selbst in dem Wechsel von Jubel und Weh verstehen lernte, der jetzt sein Leben ausfüllte. Das Herzklopfen der Freude, wenn er zu ihr gieng, die öde Abgestorbenheit der ganzen Welt für ihn, wo sie nicht war -- sein Erröthen, wenn ihr Blick den seinen traf -- das schmerzliche Entzücken, wenn ihr Gewand vorüberrauschend seinen Fuß berührte -- seine Beklommenheit, wenn sie, neben ihm stehend, sich zum Clavier herab beugte, an dem er saß, um die Noten deutlicher zu lesen, er ihren Athem an seiner Wange fühlte, und nun alles Leben in ihm stillstand, um nach Sekunden, wie ein brausender Strom, mit tausendfach vermehrter Kraft, durch alle Adern seines Herzens hinzuströmen, -- waren ihm noch Hieroglyphen, zu denen kein Wunsch, keine Hoffnung, ihm den Schlüssel bot. Als sie aber einst, da er ihr beim Aussteigen aus dem Wagen die Hand bot, ausglitt, und dadurch auf eine Sekunde in seine Arme, an sein Herz sank, durchglühte seine, früher vom Hauch der Wollust vergiftete Seele, blitzesschnell das Selbstgeständniß seiner Leidenschaft. Von diesem Augenblick an, wich der stille Genius des Friedens und der Unschuld von ihm, und er ward ein Raub sträflicher, frevelnder, nicht mehr zu beschwichtigender Wünsche, an deren Erfüllung er im stillen Wahnsinn der Leidenschaft entschlossen war, sein Leben zu setzen. Das Osterfest war nahe. Der Prediger war seit vielen Jahren gewohnt, am zweiten Feiertage desselben, die Pächter des Kirchspiels zu sich einzuladen, und fragte Natalien, ob er es wagen dürfe, sie auch zu bitten. Sie nahm die Einladung gerne an. Zum erstenmal sah Buri sie hier, fern vom Gepränge ihres Ranges und ihres Reichthums, höchst einfach gekleidet, unter seines Gleichen. Natalie suchte in ihrem Betragen alles zu vermeiden, was die Anwesenden erinnern konnte, daß sie nicht zu ihrem Zirkel gehöre, und dadurch die Freude dieser guten einfachen Menschen zu stören vermocht hätte. Sie war so gut, so freundlich, so zuvorkommend gegen alle, und merkte nicht, daß sie es heute mit so heiterm herzlichen Wohlwollen war, weil sie es nun auch, ohne mit sich selbst rechten zu müssen, gegen Buri seyn durfte, der ihr in diesen letzten Wochen unvermerkt lieber geworden war, und den sie eben darum oft absichtlich das Gewicht ihres Standes hatte fühlen lassen. Er war unbeschreiblich glücklich dadurch, und das rührte und erweichte sie. Alle freueten sich seines heitern Witzes, und seines, bei so schöner blühender Jugend doppelt anmuthig erscheinenden, Frohsinns. -- Nach dem Caffee, als die Bejahrten der Gesellschaft sich an die Spieltische setzten, fingen die jungen Leute an, kleine gesellschaftliche Pfänderspiele zu spielen, von denen Natalie sich nicht füglich ausschließen konnte. Zum Beschluß wurde Blindekuh vorgeschlagen. Das Loos, sich die Augen verbinden zu lassen, traf Buri. Ein junges Mädchen übernahm dies Geschäft: aber die übrige Gesellschaft war mit der Ausrichtung desselben nicht zufrieden; man behauptete, er könne noch sehen, und Natalie, die zufällig nahe bei ihm stand, ward ersucht, den streitigen Fall zu untersuchen und den Knoten fester zu schürzen. Genannt wurde sie nicht bei dieser Aufforderung, aber konnte er es verkennen, daß +sie+ es war, die jetzt nahe, ganz nahe, vor ihm stehend, mit den zarten Fingern seine Wangen berührte, um die Binde tiefer über das Auge herab zu ziehen; Natalie sah, wie er bei dieser flüchtigen Berührung erbebte, und welche Glut über seine Wangen flog -- auch sie war befangen -- und in diesem Moment fühlte sie sich von ihm umschlungen und an sein Herz mit wahrhaft fieberhafter Wuth gedrückt. Ich kann nicht sehen, Mamsell Horst, gewiß nicht, sagte er rasch und heftig, um ihr und den andern die Kühnheit dieses Umfassens zu verdecken. Alle wurden getäuscht und belachten den Irrthum, und auch Natalie fand es gerathen, daran zu glauben. Sie faßte, sich ihm rasch entwindend, seinen Arm, um ihn, dem Spielgebrauch gemäß, im Zimmer einigemal auf und ab zu führen, und suchte, bei den Worten, mit denen sie ihn entlassen mußte, die Stimme des von ihm genannten Mädchens nachzuahmen; doch sie selbst war nicht getäuscht. Sie fühlte, nur sie könne er so umschlingen, nur ihre Nähe könne ihn so trunken machen, und -- o Räthsel des weiblichen Herzens! -- sie vermochte nur wohlwollend, keinesweges zürnend, im Gefühl der Macht dieses Moments bei ihm zu verweilen. -- O Natur, wie reich mußtest du seyn, um in solche Momente solche Seeligkeit legen zu können! -- Eine Sekunde nur hatte er sie umfaßt, einmal nur ihr Herz an seiner Brust schlagen fühlen, und doch wird diese Erinnerung noch einst das Herz des Greises mit süßer Wehmuth füllen, und seine Züge mit frohem Lächeln erheitern! -- Natalie hatte Herrschaft genug über sich, nach Endigung des Spiels, ganz unbefangen gegen ihn zu seyn, und ihm dadurch ihr Wissen um das Vorsätzliche seines Irrthums unerrathbar zu machen. -- Doch derselbe Abend führte noch einen Augenblick herbei, der sie mit dem Geheimniß ihrer Schwäche gegen ihn hätte bekannt machen können, wäre sie nicht bestimmt gewesen, jede Erfahrung, jede Warnung, mit einem wunden Herzen erkaufen zu müssen. -- Ihr Wagen kam, sie abzuholen: bei dem Umwenden auf dem eben nicht sehr geräumigem Priesterhofe brach die Deichsel, und Natalie beschloß, den kurzen Weg nach ihrem Hause lieber zu Fuße zu gehen, als noch länger auf einen andern Wagen zu warten. Der Prediger erbot sich, sie zu begleiten, was sie aber ausschlug, da er schon den Abend über Erkältung und Heiserkeit geklagt hatte, und er rief nun Buri und noch einen andern jungen Mann aus der Gesellschaft, um die Damen den Richtweg durch seinen Garten über den Kirchhof zu führen. Madame Brandt, der, in dieser finstern Mitternachtsstunde, der Weg über den Kirchhof einiges Bedenken machte, faßte schnell den Arm des andern jungen Mannes, da sie Buris Spott über ihre, ihm schon bekannte, Gespensterfurcht scheuete, und so fiel diesem das Loos, Natalien zu begleiten. Beide giengen stumm neben einander, bis beim Eingang zu dem Kirchhof ein Hund mit lautem Gebell auf sie zufuhr. Natalie besaß die Schwachheit, vor Hunden ängstlich furchtsam zu seyn, auch jetzt schreckte sie zusammen und faßte, mit dem Angstruf: ach lieber Buri! den Arm ihres Begleiters. Zum erstenmale hörte dieser von ihr diese trauliche Benennung; zum erstenmale bot sie ihm die Hand, und ließ sie ihm sogar, als er, ihren Arm in den seinen legend, auch diese Hand in der seinen behielt. Natalie fühlte durch den Handschuh sein fieberhaftes Glühen; sie fühlte ihr Unrecht; -- aber besiegt von der hoffnungslosen und doch so gewaltigen Liebe des Jünglings -- ermattet von der Unwahrheit, mit der sie sich die wachsende Gewalt derselben so lange verläugnet hatte, gab sie sich in dieser Minute dem Genuß hin, der für sie in dem Glück lag, das Wilhelm dadurch empfand. Sie bedachte nicht, wie viel sie sich damit gegen einen Mann vergab, dessen Liebe sie nie erfahren durfte, und der, von diesem Augenblick an, berechtigt war, sie als die Vertraute derselben anzusehen. Das Verhältniß zwischen Beiden ward, von diesem Tage an, eben so sonderbar als ungleich. Sie war oft stolz und herrisch gegen ihn; wenn er dann tief gekränkt, beschämt, im bittern Unmuth oder stillem Zürnen gegen sich selbst, zurücktrat, so konnte sie es nicht lassen, ihm wieder mit einem Blick, einem Worte, die Unart vieler Tage zu vergüten. Ueber ihn gewann diese Leidenschaft eine furchtbare Gewalt. Immer heißer, immer hoffnungsloser, bald zum Sterben betrübt, dann zum Himmel entzückt. Kamen doch Minuten, die ihm diesen höllischen Himmel voll seeliger Qual, theurer, wie jedes andre Glück der Erde machten. Sein höchster Wunsch war der, ihr nur einmal sagen zu dürfen, wie er sie liebe -- sie nur noch einmal, einmal, so wieder an seine Brust drücken zu dürfen und dann, in der Minute selbst, zu sterben. Nataliens schwererrungener Friede wurde durch ihn von Neuem gestört, und doch konnte sie die Störung und den Störer nicht hassen -- doch gab sie sich der Hoffnung hin, irgend ein Zufall werde in’s Spiel treten, und es ihr ersparen, dies Gewebe mit rauher Hand zu zerreissen. Auch war es ihr durchaus nicht klar, was sie zu thun habe. Sollte sie ihn entfernen? -- ihn, der früher so einsam und unglücklich war, und für den die ganze Welt zur freudenleeren Wüste wurde, sobald sie ihn verstieß? -- Womit hatte er diese Härte verdient? -- wog das, was +sie+ durch diese Entfernung an Ruhe gewinnen konnte, den Schmerz auf, den +er+ empfinden würde? -- und warum auch ein solcher Gewaltschritt? es war ja auch möglich, daß, bei einem so excentrischen Menschen, bloß Dankbarkeit und Bewunderung, sich, ohne Einmischung von Liebe, so excentrisch aussprachen -- und, wenn er sie nun auch wirklich liebte, so wußte er doch höchst wahrscheinlich selbst noch nicht darum, und die Gefahr, den Nachtwandler zu wecken, war dann größer, als jede andre. -- Liebe ohne alle Hoffnung ist so nur ein Fantom, und welche Hoffnung konnte er haben? -- Mit diesen Grübeleien und Sophistereien betäubte sie die warnende Stimme in ihrem Herzen, und Monate verflossen ihnen noch in dieser Unbestimmtheit und Verworrenheit ihres Verhältnisses. Eines Abends war er allein mit ihr. Sie sangen ein Duett, von den zwei Grazienlieblingen, Metastasio und Pergolese, zu einem Gesange für zwei Seelige gemacht. Jeder Ton war Harmonie der Liebe und gab dem Herzen Wonneschläge. -- Alles Leben in Buris Wesen wurde zu einem Taumel -- nie hatte er so sehr empfunden, wie glücklich er seyn würde, wäre sie, die Angebetete, sein. -- Es war während des Gesanges traulich dämmernd geworden. Ueberwältigt von der Stärke seiner Empfindung wollte Buri gehen. Er stand auf -- in diesem Augenblick fiel Nataliens Taschentuch zur Erde -- beide bückten sich, es aufzuheben. -- Wange streifte an Wange -- und in demselben Moment fühlte sie sich an sein Herz gerissen und der heiße, leidenschaftliche Druck seiner Lippen glühte auf den ihren. Ueberrascht, außer aller Fassung, schwankte sie in seinen Armen -- Buri! rief sie bewegt -- er hielt sie noch umschlungen -- Buri! rief sie ernst -- da stürzte er zu ihren Füßen; mit heißen Thränen, mit Zittern, mit Entzücken, mit aller Glut und Furchtsamkeit der ersten Jugendliebe, gestand er ihr eine Leidenschaft, um die sie lange wußte, ohne sich je die Möglichkeit zugegeben zu haben, daß ein Geständniß derselben erfolgen könne, auf dessen Empfang sie durchaus nicht gefaßt war. -- Sie gehen, Buri! sagte sie ihm stolz und gebietend -- gehorchend entfernte er sich -- an der Thüre wandte er sich um -- mit Blitzen in den Augen und mit vieler Sicherheit im affektvollen Ton, sagte er ihr: Sie können mein Leben als Sühnopfer dieses Augenblicks fordern; aus tausend Adern will ich es mit Entzücken wegfließen sehen; nur glauben Sie nicht, daß Gott selbst mich zur Reue darüber bringen kann! Verwerfend winkte sie mit der Hand -- er eilte hinweg. Betäubt, verwirrt und zitternd blieb Natalie zurück. Vergebens strebte sie nach Ruhe und nach dem Gesichtspunkt, aus dem sie den Vorfall nehmen mußte. Sie wollte kalt urtheilen und der blühende schöne Jüngling stand vor ihrer Phantasie wie er sie an sein Herz drückte, wie er dann zu ihren Füßen sank -- sie fühlte das Entzücken, mit dem er sie, die Vergötterte, umfaßt hatte, und eine Ahndung zahlloser neuer Sensationen, deren Natur ihr dunkel blieb, weil sie ihr ganz unbekannt waren ergriff sie. An der Wahrheit seiner Liebe konnte sie nicht zweifeln -- und sie, die früher so oft fruchtlos gestrebt hatte, Steine zu erwärmen, sie, deren einziger Wunsch, deren einzige Forderung an das Schicksal von jeher nur Liebe, wahre uneigennützige Liebe gewesen war, sollte nun kalt und hart das Herz von sich stoßen, das mit so heißer, dem Tode und der Verwerfung trotzender, Leidenschaft an ihr hieng? -- Sie fühlte es, daß sie Buri nicht liebte -- sie konnte seinem Umgang entsagen -- aber was wurde sein Loos, wenn sie ihn verstieß? Ihr war, als habe diese Stunde ihr die Verpflichtung auferlegt, das Glück des Jünglings, wie ihr eignes, am Herzen zu tragen; in ihrer Seele war keine Ahndung irgend einer andern Gefahr, die ihm und ihr aus diesem Verhältniß aufgehen könnte, als die gestörten Herzensfriedens, und so beschloß sie, ohne alle Rücksicht auf sich, nur die Maaßregeln zu ergreifen, die ihr für Buris Glück die zweckmäßigsten zu seyn schienen. Diese Liebe sollte ihr Mittel werden, ihn weiser und glücklicher zu machen; sie wollte ihm, im vollsten Sinn des Wortes, Freundin und Schutzgeist werden; seine, durch sie und diese Liebe begonnene moralische und aesthetische Bildung vollenden, und ihn dann einer für ihn passenden Gattin zuführen. -- Natalie täuschte sich hier, indem sie die Illusionen eines gerührten Herzens und einer sehr rege gewordenen Phantasie, für Eingebungen und Prüfungen kalter ruhiger Vernunft nahm. Hätte diese ihr Betragen wirklich geleitet, so hätte sie, nach jenem Ostertage schon, den Jüngling auf irgend eine Art aus ihrem Kreise entfernt. Ihr jetziges Betragen war sehr lobenswerth, und wohl dem Weibe, das, in ähnlicher Lage, ähnlicher Verschuldung entging. -- Gönnet aber, meine weiseren und besseren Schwestern, der armen Natalie den Trost, den ihr ihr innerstes Bewußtseyn, auch in ihren trübsten Stunden, gewährte, den Trost, Buris Liebe nur geduldig ertragen und gutgeheissen zu haben, weil sie in ihr das Mittel zu sehen und zu ehren glaubte, seine moralischen Anlagen zu entwickeln, die Disharmonie seines Wesens zu lösen, und ihn besser und glücklicher zu machen. -- Am Abend des folgenden Tages sah sie ihn, einer früheren Einladung zufolge, mit dem Prediger und seiner Frau, zu sich eintreten. Sie empfing ihn mit ruhigem, sicherm Ernst. Er zitterte so sichtlich, daß sie es schon aus Schonung vermeiden mußte, das Gespräch an ihn zu richten -- aber sie konnte, trotz seines Erröthens, und seines Verstummens, doch die Trunkenheit nicht verkennen, mit der er, in der Erinnerung der genoßnen Seeligkeit, den Muth fand, alles, selbst ihren Unwillen, zu ertragen, ohne das Vorgefallene zu bereuen. Die Energie der Leidenschaft gab ihm jetzt, ihr gegenüber, eine Mündigkeit, die er früher nie gezeigt hatte. Einem fest entschlossenen, muthvollen Manne gegenüber fühlt das Weib immer seine Schwäche, die dann nichts ist, als reines Gefühl der Weiblichkeit. Natalie vermochte ihre anfängliche Unbefangenheit im Laufe dieses Abends nicht zu bewahren. -- Einmal streifte vorübergleitend ihr Blick an ihm vorüber; aber ihr Auge traf auf einen so dunkelglühend, so unersättlich, an ihr hangenden Blick, daß sie zagend erröthete. Nur sie konnte jetzt, wie sie fühlte, diesen Sturm beschwichtigen; nur sie vermochte, den erwachten Löwen zu zügeln, und eben dies Gefühl zog sie noch mehr zu dem Jüngling hin. Seit mehreren Monaten war es eingeführt, daß Buri am Mittwoch Nachmittag zu ihr kam, um neue, schwere, Singsachen mit ihr einzuüben. Auch jetzt erschien er, als dieser Tag kam, und fand, wie gewöhnlich, Natalien allein. Sie hatte sich auf diese Unterredung vorbereitet und fing auch jetzt an, ihm, ernst und besonnen, ohne Zorn, aber mit der Strenge kalter Vernunft, die Thorheit und das Strafwürdige seines Betragens zu zergliedern. Doch der Damm war einmal durchbrochen und sie dem Erguß des heißesten, leidenschaftlichsten Herzens, das je in der Brust eines Mannes schlug, preisgegeben; eines Herzens, das ohne Hoffnung, ohne Streben, ein ähnliches Gefühl in ihr zu wecken, nichts, gar nichts, von ihr und vom Leben wollte, als die Vergünstigung, sich in ihrer Nähe sonnen, oder sterben zu dürfen. Nataliens Thränen flossen; zum erstenmal fühlte sie sich geliebt; geliebt mit allen Kräften, allen Gedanken und Empfindungen dieser Feuerseele, und eine unendliche Theilnahme, ein Gefühl wehmüthiger Seeligkeit füllte ihr Herz mit Dank gegen den Mann, der sein Glück und sein Leben so freudig an die Erlaubniß setzte, sie lieben zu dürfen. -- Sie fragte ihn ernst und innig: ob er der Herrschaft über sein Herz gewiß genug sey, um diese Liebe ewig als eine Flamme zu betrachten, die sein Leben erwärmen, aber nie verzehren dürfe? -- Von ihr könne und werde er nie etwas erhalten, als Freundschaft; diese gelobte sie ihm aus voller Seele, so lange er sanft, vernünftig und besonnen seyn, und sich mehr und mehr mit dem Gedanken befreunden wolle, bald eine Gattin zu wählen. -- Feierlich gelobte er ihr die Erfüllung aller ihrer Forderungen, und wirklich fand er auch in dem Glück, ihr sagen zu dürfen, daß er sie liebe, eine so überschwängliche Genugthuung, daß er zu jedem Opfer bereit, in dieser Stunde -- nicht begriff, wie seine Wünsche je über diese schöne Wirklichkeit hinausgehen könnten. Von diesem Tage an war Buri viel öfter in Nataliens Hause, und ihr Umgang wurde immer traulicher und herzlicher. Der süße, unwiderstehliche Zauber, sich so geliebt zu wissen, die ungetrübte Reinheit dieses Verhältnisses, die noch jeden freundlichen Blick von ihr zur seltenen, beglückenden Gunstbezeugung machte, und der schöne, verwirklichte Traum, veredelnd auf den Freund zu wirken, und ihn, zur immer richtigeren Würdigung des Lebens, zur immer freudigeren Thätigkeit in seinem Beruf, zurückzuführen, verleiteten Natalien zur Verletzung mancher Sitte der Konvenienz und Etikette, die trennend und absondernd zwischen ihr und dem Freunde stand. Es schlich sich nach und nach ein, daß Buri jede seiner Freistunden bei ihr zubrachte, jeden Abend bei ihr aß, und Natalie, zu stolz und zu rein, um vor der Welt den Freund zu verläugnen, blieb, auch vor Zeugen, in ihrer freundschaftlichen Traulichkeit gegen ihn sich gleich, was sie, von ihr indessen ungeahndet, zum Gegenstand des allgemeinen, mißbilligenden Geredes machte. In den Stunden ihres einsamen Zusammenseins, deckte ihr Buri sein ganzes Herz auf, und sie erfuhr seine frühere Geschichte. In seinem siebzehnten Jahr lernte ihn die, wegen ihrer Schönheit und ihrer Buhlerei gleichbekannte Gräfin P. kennen. Der Jüngling mit dem neuen Herzen und der nie geweckten Sinnlichkeit gefiel ihr; sie zog ihn in ihr Haus. Er liebte sie mit der heiligen reinen Schwärmerei eines unschuldigen jungen Herzens, und fing sich um so leichter in allen den Schlingen, die sie ihm künstlich gelegt hatte. Doch nur Monate dauerte der Rausch, da erwachte die bessre Seele des Jünglings; er erkannte schreckensvoll, was er ihr galt, und riß muthig den Pfeil aus der tiefen Wunde. -- Natalie lernte in dieser Erzählung nur den Muth kennen und die Kraft ehren, die Buri den Sieg über diese Leidenschaft erkämpft hatten; was ihr unbekannt blieb, war, daß sein Glaube an Weiberreinheit und an das seelige, himmlische Glück der Unschuld, der Raub dieser unwürdigen Verführerin geworden war. Die gefährlichsten Sophistereien über Liebe und Genuß blieben, wie ein verborgenes Gift, in seiner Seele haften, und wirkten schleichend darin fort. Der stille Abglanz aus dem Paradiese, der in einer unverdorbenen Weiberseele ruht -- dieses Nichtwissen, Nichtahnden der Begierde -- dieses Schweigen jeder Leidenschaft -- diesen tiefen, seeligen Frieden, der sich nur mit der Bläue des wolkenlosen Himmels vergleichen läßt, konnte er kaum mehr in der Vorstellung fassen, und noch weniger in der Seele der Geliebten schonen und ehren. In Nataliens Herzen war dagegen keine Ahndung des Sturms, der in seiner Brust tobte. In stiller, freundlicher Klarheit genoß sie, mit zarter Jungfräulichkeit, der Gewißheit, geliebt zu seyn und den Liebenden glücklich zu sehen. Nie vermochte sie, in ihm zu finden, was im Leben Leben vollendet; aber sie hing mit reinem Wohlwollen an ihm, und hätte seinem Glücke freudig die schwersten Opfer zu bringen vermocht. Er gewann ihre Phantasie; doch ihr Herz füllte er nur in so weit aus, wie Nataliens Herz durch die Sorge für ein fremdes Glück und die Freude daran ausgefüllt werden konnte. Diese Sorge aber, verbunden mit der Macht der Gewohnheit des täglichen Umgangs, der Freude an seiner Liebe, und ihrer fast leidenschaftlichen Dankbarkeit für diese, vereinten sich in ihrer Seele zu +Einem+, unnennbaren, aber sehr mächtigen Gefühl. Diese Sabbathzeit ihres Verhältnisses dauerte lange, da Natalie in ihrem Geist und in ihren Talenten reiche Hülfsmittel hatte, Wilhelm, in den Stunden ihres Beisammenseyns, zu beschäftigen und zu erheitern. Auch stillte ihr Anblick oft die Unruhe seines Busens, die ihm, fern von ihr, zur Qual wurde. Aber endlich kam doch die Stunde, wo der +Anblick+ der Wirklichkeit Natalien die Illusionen raubten, die sie beglückten; -- die sich Wilhelm immer mehr aufdringende Gewißheit, das von ihm so heiß, so leidenschaftlich geliebte, Weib, nie sein nennen zu können, brachte im Wechsel von Genuß und Qual, von Seeligkeit und Elend, in ihm eine Disharmonie hervor, die den Frieden seines Gemüths und das Glück dieses Verhältnisses vergiftete. Buri hatte Grundsätze; fromm erzogen, hatte er der Macht der Verführung unterliegen, und die ganze giftige Süßigkeit des ihm gewordenen Rausches auskosten können, ohne das Gefühl für die Immoralität desselben zu verlieren. Er hatte Natalien achten, unbedingt achten gelernt. Wie offen lag oft ihre ganze Seele vor ihm, in Minuten, wo sie an keine Enthüllung derselben dachte! -- Sein forschender, geübter Blick drang bis in die geheimste Tiefe derselben, und verzweifelnd fühlte er: ein Fehltritt werde die Ruhe ihres Lebens auf ewig vergiften, und nur ein Teufel könne, von ihr geliebt, dies Herz dem Loose preisgeben wollen, von der giftigsten aller Furien, der Schaam vor sich selber, gebrochen zu werden. Er achtete sie zu hoch, um ihr die rohen Wünsche seiner Brust je zu verrathen; aber oft trieb es ihn wie ein Kainsfluch hinweg aus ihrer Nähe, weg von dem Herzen, das ihn liebte, rein und treu, wie Engel ihr Schützlinge lieben. Was seine Lage noch peinlicher machte, war die Eifersucht, die er empfand, so oft er Natalien in Gesellschaft wußte, und die aus dem Gefühl entstand, daß er, an Feinheit und gesellschaftlicher Bildung weit unter ihr, leicht in einen Mann ihres Zirkels einen ihrer würdigeren Nebenbuhler finden könne. Es war ein eigner Zug in seinem Karakter, daß er alle ihm mangelnden Vorzüge der feinen Erziehung und des guten Tons in seinem geheimsten Bewußtseyn eben so überschätzte, als er sie in Worten, und, wie er glaubte, auch in seinem Sinn, mit der äußersten Geringschätzung beurtheilte. Natalie war jetzt, in ihrem vier und zwanzigsten Jahr, noch sehr reizend. Die Liebe hatte sie verjüngt, und ihr jenen Wiederschein zarter Weiblichkeit zurückgegeben, der magischer wie irgend ein andrer Reiz, die Männer anzieht. Jede Spur von Gefallsucht war aber aus ihrem Karakter verschwunden; sie lebte eigentlich nur für Buri. Doch ihre Verhältnisse und ihr Stand führten sie in Zirkel, zu denen er keinen Zutritt hatte. Ein ungemeßner Stolz und daher entspringendes Aufbäumen gegen allen Unterschied der Stände, war ihm eigen -- und jetzt, wo dieser Unterschied des Ranges -- in seinen Augen ein leeres Fantom -- zwischen ihn und die Geliebte trat, die er als sein einziges und eigenstes Glück ansah, für die er alles hinzuopfern bereit war, weil er für nichts mehr Sinn hatte, als für sie -- wurde sein Unmuth darüber oft zum unvernünftigen Zorn, oder zur wilden, Natalien verletzenden, Leidenschaft. Noch hatte sie immer die Macht gehabt, durch ein mildes, freundliches Wort, einen Blick der Trauer oder der Bitte, diesen Sturm beschwören zu können; aber es kam ein Tag, wo sie auch hier an der Gränze ihrer Macht stand, und zum erstenmal einen Blick in sein Herz, diesen gährenden Abgrund wilder Wünsche, that. -- Natalie fühlte sich in dieser Minute nur beleidigt. -- Stolz und zornig befahl sie ihm, sie zu verlassen, und ihr Blick sprach ihr Gefühl seines Unwerthes aus. Sie war für diesen Abend zu einem Ball in der Nachbarschaft geladen, und warf sich noch mit dem bittern, fast hassenden Unmuth des Eindrucks dieses Auftritts, in den Wagen. Aber bald besiegte der Schmerz jede andre Empfindung, und sie erleichterte ihr gepreßtes Herz durch heiße, dem Jüngling geweinte, Thränen. Buri fühlte, als er sie verlassen hatte, wie sehr er gefehlt habe, und wie er durch diesen Mangel an Maaß, Klarheit und Zartsinn, bei ihr verlieren mußte, und zürnte nun, mit aller der Exaltation, die jetzt in ihm lag und jedes Gleichgewicht zerstörte, gegen sich selbst. Wie Nataliens Wagen, im Vorbeifahren, um die Ecke seines Hauses bog, und sie finster den Kopf wegwandte, um ihn nicht zu sehen, stürzte er in einer fürchterlichen Wallung empörter Leidenschaften, belastet mit dem Gefühl ihrer Verachtung und ihres, wie er glaubte, nie wieder zu versöhnenden Unwillens, hinaus in die stürmische, kalte und nasse Winternacht, und irrte stundenlang fast sinnlos umher. Natalie kam ungewöhnlich zeitig zu Hause, und wurde von ihrem Mädchen mit der Nachricht empfangen, der Prediger habe eilig zur Stadt geschickt, um den Arzt holen zu lassen; Herr Buri sey plötzlich sehr krank geworden; man habe ihn ohnmächtig in dem kleinen Hölzchen gefunden und ein heftiger Blutsturz drohe seinem Leben Gefahr. Welch eine Nacht brachte Natalie auf ihren Knieen in den heißesten Gebeten zu! -- und nun, in solchen Stunden und den Tagen die ihnen folgten, solche Liebe, solche Angst verläugnen zu müssen vor den Menschen -- ach! nur ein Weib kann ganz begreifen, was ein Weib zu leiden vermag! -- Buri rang mehrere Tage mit Tod und Leben. Jugend und eine seltne Fülle kräftiger Gesundheit retteten ihn; aber seine Brust hatte sehr gelitten, und jede nur etwas heftige Gemüthsbewegung konnte, nach dem Ausspruch des Arztes, leicht einen tödlichen Rückfall verursachen. Sein erster Ausgang war zu Natalien. Als er eines Abends unerwartet so blaß, so sanft, und doch noch so furchtsam, so schmerzlich bewegt, vor sie hin trat und leise, mit Thränen in den Augen, fragte: darf ich Verzeihung hoffen? -- da sank sie zum erstenmale freiwillig an sein Herz und umarmte ihn mit heißen, heißen Thränen -- und alles, was er gelitten hatte, ward ihm überschwänglich vergolten durch diese Umarmung. In der Seeligkeit dieses Wiedersehens und dieser Versöhnung, nach gefürchteter Trennung auf immer, empfing Natalie das gefährlichste Geständniß, das ein weibliches Herz empfangen kann. Wilhelm vertraute ihr, um sich zu rechtfertigen, den langen Kampf der stürmischen Glut dieser Liebe und seine jetzige finstere hoffnungslose Resignation, die kein Ende dieses Kampfes vor sich sah, als nur den Tod. Ein bleiches Entsetzen ergriff Natalien. Sie sah sich am Rande eines Abgrundes, wo ihr nur die Wahl zwischen Tod und Entwürdigung übrig zu seyn schien. Hätte sie ihn geliebt, so hätte sie ihm ihre Hand angeboten; jetzt aber lag dies Anerbieten so weit aus dem Kreise ihrer Ideen, daß ihr die Möglichkeit desselben nicht einfiel. Sie kannte auch seine Ansichten von der Ehe, und wußte, daß er sich in seiner künftigen Frau ein einfaches natürliches Wesen denke, das in keiner Art über ihm, in Hinsicht auf Geist, Kenntnisse und moralischen Werth, stände. Er hielt dies für eine Unnatur, die sich mit Eheglück nicht vertrage. Sie fühlte, daß ihre höhere Bildung jetzt seine Liebe veredle und vermehre; daß er sie aber, bei übrigens gleichen Verhältnissen, doch, um dieser Ursache willen, nie zu seiner Gattin wählen würde, und nur Leidenschaft, nie klare, ruhige Vernunft, ihm den Besitz ihrer Hand als höchstes Erdenglück zeigen könne. Ohne ihr Wissen um diese seine Ansicht, hätte Natalie doch vielleicht von ihrem Herzen, dem jedes Opfer für fremdes Glück Genuß war, und von dem Druck ihrer unverschuldeten Schuld gegen ihn, zu jenem Gedanken hingeführt werden können. Jetzt sah sie aber ihr Verhältniß zu ihm scharf begränzt, und litt bei der Entdeckung, daß es in diesen Gränzen ihn nicht zu beglücken vermöge, und Gift, statt Heil, für ihn geworden sey. Sie selbst in ihrer eigensten Individualität stand zwischen dem Geliebten und seinem Glücke, und um ihm und ihrem eignen Herzen dies zu vergüten, gab sie alles, was außerdem zu geben in ihrer Macht war. Sie brach allen andern Umgang ab, und zog sich ganz in die stille Einsamkeit ihres Hauses zurück, um nur für Buri zu leben, und ihn, durch die Liebe selbst, mit der Entsagung zu versöhnen. -- Aber noch jedesmal ist die Ruhe eines Weibes das Opfer dieses Versuchs geworden. Ihr Ruf wurde auf das schwärzeste angefochten; sie erfuhr und trug es, im Bewußtseyn ihrer Schuldlosigkeit, für den Liebenden, und um seinetwillen, heldenmüthig. Sie hatte es sich geschworen, kein irdisches Opfer sollte ihr zu groß seyn, um es ihm nicht als Sühnopfer seines Kampfes und seiner Hoffnungslosigkeit zu bringen. Als sie aber auch die stille Mißbilligung inne ward, mit der ihre Hausgenossen, und selbst der alte redliche Prediger, auf dies, sich immer deutlicher aussprechende, Verhältniß blickten, und als sie statt im wiedergewonnenen Frieden, Buri, den Lohn für alle diese, von ihr tief empfundenen, Leiden finden zu sehen, diesen vielmehr immer verworrner und zerrißner werden sah -- als dieser Kampf zwischen Leidenschaft und Sittlichkeit immer giftiger in ihm aufgährte, sie sich dadurch immer verletzter -- vielleicht auch ermatteter fühlte -- da brach ihr Muth. -- An eine würdige, edle, Lösung dieses sie ängstigenden und marternden Verhältnisses, war nicht zu denken. Alle Regel der Sitte, jeder Ausspruch der Meinung, und noch weit gewichtiger, ihre gegenseitige Individualität, war gegen eine öffentliche Verbindung mit ihm, und eben so entschieden war ihr Gemüth mit ungetheiltem Willen, und mit allen seinen Wünschen und Entschlüssen, dagegen, je, ohne bürgerliche Anerkennung dieses Verhältnisses, sein zu werden. Der Friede ihres Innern, die Ruhe ihres Bewußtseyns, die Achtung ihrer Freunde, ihr Ruf, -- alles war der Raub dieser Leidenschaft geworden. Für sein Glück konnte sie nichts mehr thun; +ein+ Opfer war noch übrig, das, -- ihn von sich zu entfernen. Aber der leiseste darauf hindeutende Wink brachte ihn zur Verzweiflung. Hätte sie alle ihre Gewalt über ihn zusammendrängen und benutzen wollen, so hätte sie doch seine Einwilligung dazu erhalten -- sie unterließ es, weil es ihr schien, diese Opfer werde ihr allein zu Gute kommen, und weil es nicht in ihrem Karakter lag, grausam sein zu können. -- Nur in weiter Ferne sah sie Rettung für sich: den Tod! -- und o wie gerne wäre sie gestorben, hätte sie irgend hoffen dürfen, er werde sie überleben! -- In dieser Stimmung war sie, als August und Elise zum Besuch nach N**** kamen. Seit einem Jahre hatten sie die theure Schwester nicht gesehen; alle ihre Bitten, zu ihnen zu kommen, und sich an dem Anblick ihres Glückes zu freuen, waren unerfüllt geblieben. Sie ahndeten irgend eine verborgene Ursache dieser Weigerung, und Nataliens sichtlich verfallene Gestalt, die trübe Mattigkeit, die an die Stelle ihrer ehmaligen raschen Lebhaftigkeit getreten war, verbunden mit der, unverkennbar schmerzlichen, Rührung, mit der sie von ihr empfangen wurden, überzeugte Beide, sie sey krank, und habe ihnen das aus Schonung verhehlen wollen. Ach es waren sehr schmerzliche, bittre Thränen, mit denen Natalie ihre Elise an ihr Herz drückte -- sie flossen dem verscherzten Glück, ihr ferner Vorbild, Lehrerin, Warnerin, seyn zu können. Rein, und in gewissem Sinn geläuterter und bewährter stand sie ihr gegenüber, und doch mußte sie vor dem himmelhellen Blick dieser Seele voll Unschuld und Liebe beschämt das Auge senken. -- Auch regte der Anblick von Augusts und Elisens Glück in Nataliens Busen ein bis jetzt schlummerndes bittres Gefühl auf; Beide waren vereint; sie liebten, sie durften lieben -- ihre Pflicht war ihr Glück; ihr Glück ihre Pflicht -- aber für Natalien waren die Ansprüche auf dieses Glück für immer verscherzt! sie hatte sie einem Mann geopfert, dessen Karakter ihr keine Entschädigung für das Gefühl verfehlter Bestimmung zu gewähren vermochte -- Natalie hatte, wie erwähnt, fast allen Umgang mit ihren Nachbarn abgebrochen, doch forderte sie August und Elisen dringend auf, diese nicht zu vernachlässigen, und einige schon früher gemachte Bekanntschaften zu erneuern. In ihrer Kränklichkeit fand sie den gewünschten Vorwand, zu Hause bleiben zu können, und benutzte ihn um so lieber, als sie Buris Zusammentreffen mit ihren Geschwistern scheuete, und die Abwesenheit beider ihm die Gelegenheit gab, sie wieder zu sehen. Es konnte Elisen und ihrem Gatten nicht entgehen, daß, in den mehrsten Fragen nach Nataliens Befinden und dem Grund ihres Zuhausebleibens, die man bei diesen Besuchen an sie that, ein leiser Hohn lag, der beide sehr unangenehm traf, so wenig sie auch seine Ursache zu enträthseln vermochten. Einige Tage nach ihrer Ankunft wurden sie zu einer zahlreichen Gesellschaft eingeladen, unter deren Mitgliedern sich ein Mann befand, der es Natalien nie vergeben konnte, daß sie einst seine Hand ausgeschlagen hatte. Sein tückisches, boshaftes Gemüth hatte Jahrelang auf den Moment der Rache gelauert, und glaubte, jetzt ihn gefunden zu haben. In giftig persiflirendem Tone, fragte er, gegen das Ende der Mahlzeit, als der Wein die Geister feuriger gestimmt hatte, August ganz laut, über den Tisch herüber, ob er schon Glückwünsche zur Verlobung seiner Schwiegerin mit ihrem Schulmeister annähme? -- In heißem Jugendfeuer, in edlem Zorn, fuhr August auf -- rasch wurden Worte gewechselt, die, nach der gewöhnlichen Ansicht, nur durch Blut versöhnt werden konnten, und man verabredete es, sich am andern Morgen zu treffen. Natalie war schon in ihrem Schlafzimmer, als ihre Geschwister nach Hause kamen. -- Ihre täglich hinfälliger werdende Gesundheit war an diesem Nachmittag durch das Zusammenseyn mit Buri von Neuem schmerzlich angegriffen. Gespannt und gereizt durch die tagelange Entfernung von ihr, hatte er ihr seinen Mangel an Herrschaft über sich wieder einmal recht rauh verletzend gezeigt. Sie fühlte sich an die Gewalt einer fremden Leidenschaft verkauft, die sie nur durch die Schuld, sie gutgeheißen zu haben, theilte, und beweinte ihr Unrecht und ihr Unglück mit den bittern Thränen vergeblicher Reue. Ach, sie ahndete nicht, welch ein neuer, noch größerer, Schmerz, ihrer beim Erwachen harrte! Elise hatte den Muth, ihren Gatten gefaßt in einen Zweikampf gehen zu sehen, den sie, mit frommer Zuversicht, als ein Gottesurtheil ansah; aber als er am Morgen ruhig, doch ernst, von ihr Abschied nahm, wurde ihr das Herz zu schwer, und sie eilte zu Natalien, um in ihrem Anblick Trost und Beruhigung zu suchen. August hatte von dieser Abschied genommen, als mache er nur einen Spazierritt; doch fühlte sich Natalie von der Ahndung irgend eines Geheimnisses befangen, als er zum Lebewohl ihre Hand so innig an sein Herz drückte, welches in dem Gefühl, er gehe, die Ehre der von ihm angebeteten Schwester, der Schöpferin seines Glückes, der Schutzgöttin seiner Tugend, zu rächen, freudig und stolz schlug -- Auch Elisen fand sie, so sehr sich diese auch bestrebte, ganz unbefangen zu scheinen, bewegt und gespannt. Sie drang in sie -- diese leugnete -- aber es konnte Natalien nach ihren eignen früheren Erfahrungen nicht schwer werden, den Zusammenhang eines Vorfalls zu errathen, der sie, als die fürchterlichste Strafe für das Unrecht, dessen sie sich in ihrem Verhältniß zu Buri immer mehr bewußt wurde, treffen mußte. Ihre Angst war gränzenlos. Das Athemhohlen unter Henkershand ist vielleicht noch Wollust gegen das Gefühl, mit dem sie jede Minute dieses ewigen Vormittags einzeln vorüber schleichen fühlte. -- Endlich, endlich, riß Elisens jubelndes Freudengeschrei sie auf aus dieser fürchterlichen, wort- und thränenlosen Verzweiflung. Er war wieder da, und o Gott! -- Sein Gegner war bedeutend, doch, wie man hoffte, nicht gefährlich verwundet; August nur leicht an der Hand verletzt. Was Natalie so tief fühlte, was ihre Angst so namenlos, ihren Dank so heiß, ihr Selbstgefühl zum unerbittlich strengen Richter machte, war, daß in ihrer Geschwister Herzen auch nicht der Schatten eines Verdachtes, nicht die leiseste Spur von Mißtrauen oder Argwohn gegen sie war. -- Dieser Vorfall machte zu viel Aufsehen, als daß Natalie, ohne die auffallendste Verletzung des Anstandes, ihren bisherigen Umgang mit Buri fortsetzen konnte. Elise drang in sie, mit ihr nach G... zu gehen, damit sie sie dort, unter der Aufsicht eines geschickten Arztes, recht pflegen und warten könne. Natalie fühlte, daß sie es, auch ohne alle Rücksicht auf sich selbst, ihren Geschwistern schuldig war, diese Bitte zu erfüllen. Sie ließ Buri am Abend zu sich kommen, und legte ihm die ganze Lage der Sachen offen vor, damit er entscheide. Ihre Blässe, ihre Thränen, das gekränkte Ehrgefühl, das sie verbergen wollte und dessen Schmerz doch so unverkennbar hervorbrach, ihre Willigkeit, auch noch jetzt zu bleiben, sobald er es fordre, gaben ihm den Muth, in ihre Trennung zu willigen. Auch war die Entfernung nicht so groß, um ihm die Hoffnung zu rauben, sie wenigstens alle Vierteljahre sehen zu können. Die Minute des Scheidens kam -- so bitter hatten Beide sie sich nicht gedacht! so erschüttert, so zerstört, so vernichtet in herzzerreißendem Schmerz, wie Wilhelm es war, hatte Natalie nie einen Menschen gesehen. Sie litt unendlich, und doch lag in seinen Thränen für sie eine so schmerzliche Wollust, daß ihr Herz sie kaum fassen konnte, ohne zu brechen, und durch sie mit aller Qual dieser Liebe versöhnt wurde. -- In dieser Stunde forderte er ihr ihre Einwilligung ab, sterben zu dürfen, wenn sie aufhöre, ihn zu lieben, oder das Eigenthum eines Andern würde. Aufgelöset in Liebe und Wehmuth sank sie in seine Arme und gelobte ihm vor Gott, das Andenken dieser Stunde mit ihrer Liebe und ihrer Treue in ihrem Herzen zu bewahren, bis es nicht mehr schlagen würde, und nie ein Opfer zu groß zu finden, wenn sie es seinem wahren Glücke, seinem Werthe, bringen sollte. Am andern Morgen verließ sie N****. Vierter Abschnitt. Du kennest ihn: ein eisernes Geflechte Wand die Natur um seine Brust; Doch für der Freundschaft hohe Rechte, Für eure süßen, Lieb’ und Lust, Für jenes Heilge, das die Völker schützt, Sind seine Thränen auch geflossen. -- +Arndt.+ Nichts ist schwerer, als sich wieder an eine einfache Existenz zu gewöhnen, wenn man einmal den Zauber gekostet hat, sich lebhaft und leidenschaftlich beschäftigt zu fühlen. Wie sehr wird nicht das Gefühl unsers Daseyns, durch eigne oder fremde Leidenschaft, erhöht und vervielfacht, wenn diese keine Kraft unsrer Seele müßig und ungeübt läßt, sondern uns im reichsten Wechsel, durch die Tonleiter aller Empfindungen führt, die in Schmerz und Freude, in Jubel und Verzweiflung das Menschenherz zu fassen vermag. -- Die Flamme die, einmal angefacht, keine Nahrung von außen mehr erhält, ergreift dann unsre eigne Seele, und verzehrt ihre Kraft. Auch Natalie fand in G. nirgends für den Umgang mit Buri Entschädigung. Armer Wilhelm! seufzte sie oft, dieser kalten, gehaltlosen Alltäglichkeit, dieser aufgeputzten Erbärmlichkeit, muß ich Dich opfern! -- Sie kämpfte mit der Bitterkeit gegen die Menschen, die ihr ein solches Opfer abforderten, um sie zu achten, und es ihr doch durch nichts zu vergüten vermochten, und suchte mehr und mehr in ihrer zunehmenden Kränklichkeit den Vorwand, sich von allem Umgang und jeder Gesellschaft zurückzuziehen. Sie war sehr unglücklich, und jeder Brief von Buri untergrub ihre Ruhe und ihre Gesundheit schmerzlicher. Seine Verzweiflung, sein gänzlicher Mangel an Energie, und die bei einem Manne an Unwürdigkeit gränzende Kraftlosigkeit, ohne sie stehen zu können, die er in diesen Briefen zeigte, zerrissen ihre Seele. Er verlor in ihrer Achtung, was er, durch seinen Schmerz, an innigem, unendlichem Mitleiden, bei ihr gewann. Das Bewußtseyn, sich so geliebt, so gebunden zu wissen, und es doch bei jedem Anlaß neu zu fühlen, daß der Geliebte die Forderungen ihres Gemüthes an den Mann ihres Herzens, nie, und in keinem Augenblick, zu befriedigen vermochte, wurde jetzt, wo seine Gegenwart dies Gefühl nicht mehr beschwichtigte, zur namenlosen Qual. Es kamen aber auch immer wieder Stunden, wo sie dies Gefühl der Nichtbefriedigung durch ihn, als Unrecht gegen den Mann fühlte, dem sie nun doch in wahrer Neigung, in stiller Treue und Theilnahme, angehörte. Dann wichen alle trüben Bilder in den Hintergrund zurück, und in ihrem Herzen lebte nur die Erinnerung der vielen, schönen, unvergeßlichen Stunden dieser Liebe. Aber diese beklemmende Verworrenheit ihrer Empfindungen, dieser gänzliche Mangel an Rath, Hülfe, Trost und Hoffnung, vereinigten sich mit dem, durch jeden seiner Briefe, neu erwachenden Bewußtseyn, ihn unglücklich gemacht zu haben, -- um ihre Gesundheit zu zerstören. Ihre Brust fing an, zu leiden, und ein schleichendes, nächtliches, Fieber zehrte an ihrem Leben. Sie sah nur einen Ausweg vor sich, den Tod, und so weidete sie sich, mit wehmüthiger Ergebung, an der Blässe ihres Gesichts, und an jedem Schmerz, der ihr Leben schneller zu zerstören vermochte. Aber mit erschöpfender Anstrengung suchte sie es allen, die sie umgaben, zu verbergen, wie matt sie war, und wie sie litt. August und Elise boten alles auf, sie zu zerstreuen, und ihr den Aufenthalt bei ihnen angenehm zu machen. Zu ihrem Bedauern war Willot mit seiner Frau auf mehrere Monate verreiset; Natalie war aber mit ihrer Abwesenheit sehr zufrieden. Sie hatte beide nicht vergessen und eben so wenig war Voluda’s hohes Bild aus ihrer Seele gewichen; wie unwürdig fühlte sie sich aber jetzt, vor den theuren Freunden des edlen Mannes zu erscheinen! -- An einem schönen Sommertage entlockten Elisens süße Bitten Natalien ihre Einwilligung zur Theilnahme an einer Wasserfahrt, die mehrere Familien mit einander verabredet hatten. Die Gesellschaft versammelte sich in Augusts Hause, und Natalie ging mit mehreren Frauen in dem Lindengang vor demselben auf und nieder, als sie beim Umwenden einen Fremden bemerkte, der eben ihrer Elise vorgestellt wurde. Nataliens Blick blieb, wunderbar angezogen, auf dieser Gestalt haften. Der Feuerblick des so muthig und klar stralenden Auges, von dem man hätte schwören mögen, es habe nie eine Thräne geweint, kontrastirte eben so anziehend mit einem Zug weichen, rührenden, Ernstes um Schläfe und Wangen, als der rasche und lebendige Sprachton mit den Zügen erlittnen Wehes und tiefgefühlten Leides um den schönen Mund. Auch er sah jetzt auf, und sein erster Blick auf Natalien wurde zur Sprache des schnellen Erkennens einer uns theuren Person. Rasch trat er auf sie zu, faßte ihre Hand und sagte: Willot sendet Ihnen durch seinen Freund Voluda einen herzlichen Gruß! -- Er war es! -- Das Vertrauen, welches er Natalien mit seinem ersten Blick einflößte, hatte sie früher oder später nur zu Gott gehabt. -- Solche Momente -- wahrscheinlich Momente des Wiedererkennens, sind heilig, und müssen heilig genossen werden. Sie sind die schönsten und zartesten Blüthen des geistigen Lebens, und ihre Erinnerung bleibt das reinste Glück des Herzens, das sie fromm genossen hat. Hofrath Weber, der Voluda in diese Gesellschaft eingeführt hatte, versprach, bald mit ihm nachzukommen, und so schiffte man sich ohne beide ein. Das herrlichste Wetter begünstigte die Fahrt. Die lachenden Ufer zu beiden Seiten des klaren, blauen Flußes, der wolkenlose Himmel, die raschen, so freudig in die Ferne lockenden Töne der voraufsegelnden Musik, vereinigten sich, die Gesellschaft heiter zu stimmen. Scherz und Lachen führte jene milde Trunkenheit des Muthwillens herbei, vor der die Grazien nicht zu fliehen brauchen, und die sich nie erzwingen läßt, so oft sie auch kleine, der Freude geweihte, Zirkel verschönt. Natalie allein blieb, in ernster Feierlichkeit, tief in sich versenkt, und als man, an dem grünen Platz, dem Ziel der heutigen Fahrt, anlandete, und nun in froher Geschäftigkeit anfing, Sitze zu bereiten und Caffee zu kochen, entwich sie in ein nahgelegenes Gehölz. Von einer Anhöhe entdeckte sie das Meer, in welches sich hier der Fluß ergießt. Wie still, wie friedlich und einladend, lag die blaue Flut vor ihr! -- Hinaus aus dieser Schwüle, Hinunter in die Kühle! -- murmelte ihr jede Welle zu. -- Sie fühlte, wie diese Melodie ihr Bewußtseyn einlullte -- tiefer und tiefer beugte sie sich über den Abhang -- da hörte sie, von einer Stimme, die sie schon nicht mehr verkennen konnte, ihren Namen rufen. -- Er hatte sie bei seiner Ankunft vermißt, und kam nun mit Elisen, sie aufzusuchen. -- Wie gerne folgte sie dem Ruf, in dem ihr volles, schweres Herz, die Stimme des Schicksals zu erkennen glaubte. -- Die Gesellschaft wurde sehr munter; man sang, tanzte, jubelte, lachte und trank, und die Männer wurden fast alle ein wenig berauscht. Bei Voluda zeigte sich dies letztere nur als eine höhere Begeisterung, die seinem edleren Leben die Hülle der Gewöhnlichkeit entzog. Gegen neun Uhr mußte man auf den Rückweg denken, weil mehrere aus der Gesellschaft zum Begräbniß eines Jünglings geladen waren, der -- der einzige Sohn, die einzige Hoffnung seiner armen Mutter -- vor wenig Tagen, bei dem Baden im Fluß, ertrunken war. Gesellen Sie sich zu uns, bat Voluda, und dieser Einladung folgend, ließ sie sich von ihm in das kleine Boot heben, in welchem er mit Weber nachgekommen war. Sie saß neben diesem; Voluda ihr gegenüber -- vor und hinter ihnen tönte lauter Jubel des Gesanges und der Lust, und so zogen sie den stillen, silberhellen Fluß entlang, auf dem so zart der Widerschein des Abendrothes lag, dem Begräbniß eines Jünglings entgegen, dessen Leben derselbe Fluß vor Kurzem in eine betrügerische Tiefe hinab gezogen hatte. Natalie fühlte das mit tiefer Bewegung. Ernst und schweigend blickte sie in die Abendröthe, als Weber sie mit der Frage weckte: giebt es in der Natur noch etwas Schöneres, als die Stille eines solchen Abends? Mit einem Blick voll Seele und Empfindung, antwortete sie leise: ja, mein Freund, dieselbe Stille in uns! Voluda blickte sie hier lange an. Das Gespräch verstummte; schweigend glitten sie weiter, und nur erst nahe vor der Stadt fiel er wieder in den Gesang der übrigen Gesellschaft ein, die Schillers unsterbliches Lied, an die Freude, angestimmt hatte, und als er sang: Was den großen Ring bewohnet Huldige der Sympathie! reichte er Natalien die treue, feste Hand, die nie aus Wankelmuth und leerer Vergessenheit losgelassen hatte, was sie ergriff, und behielt die ihre auch, als sie anlandeten. Aus der Ferne leuchteten ihnen schon die Fackeln des Leichenzugs entgegen. Die Gesellschaft vertheilte sich, um ihn bequemer vorbeiziehen lassen zu können. Voluda schlug Natalien vor, ihn in der Kirche ankommen zu sehen, und abgesondert von den übrigen, trat sie mit ihm in den hohen Dom, dessen finstre Kreuzgänge, im schauerlichen Halbdunkel der angezündeten Kerzen, sich endlos vor ihnen auszudehnen schienen. -- Einzelne schwarz gekleidete Gestalten wallten, jede einsam, unten im Schiff der Kirche umher -- von der Orgel hallte zuweilen ein verlorner Ton durch das weite Gewölbe hin. Einsam neben Voluda auf einem dunklen Chor, zog sich diese Masse von Halbdunkel und Finsterniß, wie die heilige Nacht des Grabes, um Natalien her, und erschütterte ihre Seele in allen ihren Tiefen. -- Und hier an dieser Stätte, umgeben von den ernsten, feierlichen Bildern des Todes und des Grabes, begann ein Gespräch, wie es allein aus jener heiligen Tiefe des Gemüths, die nur Gott und die Liebe zu erhellen vermögen, in den Weihestunden des höheren Lebens hervorzugehen vermag. Ein stiller Friede senkte sich in Nataliens Herz, und mit himmlischem unendlichen Vertrauen, gab sie Voluda ihre ganze Seele hin. -- Er geleitete sie spät nach Mitternacht zu Hause, und schon früh am andern Morgen kam er wieder zu ihr. Willots Abwesenheit, dem eigentlich sein Besuch galt, verschaffte Natalien den Genuß einiger einsamen, von ihm nur in ihrer Gesellschaft verlebten, Tage. -- So schön auch das Bild, welches sie früher von ihm in ihrem Herzen getragen hatte, mit jenem zauberischen Kolorit geschmückt war, das aus der Welt der Ideale zu uns herniederstrahlt, so wenig ward es doch jetzt, im täglichen, persönlichen Umgang mit ihm, bleicher, oder weniger edel, sondern es erhielt jetzt noch den höhern und seltnern Zauber der Wahrheit. Voludas Karakter hatte ein Leben und eine Fülle, eine Tiefe der Begeisterung, eine einfache Größe und ein besonnenes Maaß für die Wirklichkeit und die Gegenwart, wie sie den Männern unsrer kleinen Zeit fast zur Fabel geworden sind. Einzelne Stellen in Voludas Werken sind freilich Früchte jener seltenen Momente, wo der Geist, von höherer Begeisterung durchglüht, sein reichstes Leben entfaltet; aber die Größe und Erhabenheit der Gesinnung, die den Schriftsteller einst zum Stolz eines aufblühenden edlen Geschlechts machen wird, fand man auch in seinem Leben wieder, weil sie, wie alle Wahrheit, einfach und menschlich war. Diese Wahrheit und Einfachheit, die sich in seiner Rede, wie in seinem Thun, in seinem Karakter, wie in seinen Werken, aussprachen, waren es auch, die Natalien am innigsten zu ihm hinzogen, weil sie einen wesentlichen Mangel in ihr ergänzten. Die künstliche Verfeinerung ihrer Gedanken und Empfindungen hatte ihr jene schlichte Einfalt der Natur und der Wahrheit geraubt, die dem gebildeten Menschen nur dann bleibt, wenn seine Bildung nicht Werk der Energie einzelner Kräfte ist, sondern mit der Bildung der Menschheit in Weg und Ziel zusammentrifft. Die klare Anschauung von Voluda’s Karakter und die Wahrheit ihres Gefühls, wurden ihrer Begeisterung für ihn zum festen Grunde, auf dem nichts Ueberspanntes und Verwirrtes mehr zu wurzeln vermochte. Sich ihm ganz und innigst hingebend, erhielt sie von ihm, was ihr fehlte, und sie sich selbst schenkend, schenkte er sie auch der Welt, indem er sie ihr Verhältniß zu derselben klar übersehen lehrte. -- Diesem Manne mußte ein Weib, still, einfach, fromm und demüthig erscheinen, wenn er sich zu ihm hingezogen fühlen sollte, und daß Natalie, ohne alle Künstlichkeit, ohne alles Wissen darum, sich ihm so zeigte, weil sie es wirklich im Herzen und in der Wahrheit durch ihn geworden war, beweiset, daß ihre Seele sich nicht täuschte, wenn sie sich für ihn geschaffen glaubte. -- Ihr Umgang mit Wilhelm hatte sie gegen alle andre Menschen erkältet, selbst gegen Elisen, aber nie war sie frommer, milder, liebevoller gewesen, als seit der Stunde, wo sie Voluda’n kennen lernte. -- Nein, ich werde, ich kann es nicht versuchen, Euch zu schildern, wie sie ihn liebte. -- Auch noch in der Stunde des Todes, wo das brechende Herz sich von dem Geliebten zu Gott wendet, würde meine Seele vergeblich nach dem Begriff einer stilleren, treueren, anspruchloseren und ewigeren Liebe ringen, als die, womit Natalie Voluda’n liebte. -- Willot und seine Gattin kamen nach Hause und der Kreis der Freunde erweiterte sich. Natalie blieb ernst und in sich gekehrt; ihre Verhältnisse waren ja nicht gelöset und mußten ihr immer fremder und drückender werden. Oft kam sie auf den Gedanken, Voluda’n ihre ganze Lage zu entdecken und ihm die Entscheidung darüber zu überlassen -- -- aber ach! sie war in seiner Freundschaft, seiner Achtung, so glücklich; diese Erzählung mußte, sie so viel kosten -- -- verzeiht ihr, wenn sie sie von Tage zu Tage, von Woche zu Woche, verschob. Im Allgemeinen deutete sie oft darauf hin, und äußerte gegen Voluda’n, wie irre sie an sich selbst, wie uneinig sie mit dem Leben geworden sei. Es befremdete ihn aber nicht, daß in einer Zeit, wo Männer wanken, und die kräftigsten Gemüther in Zweifel und Muthlosigkeit verkümmern, ein Weib die Klarheit der Lebensansichten und den Frieden ungestörten Vertrauens eingebüßt habe. Er glaubte, nur die Liebe eines edlen Mannes vermöge das Weib im Leben zu sichern und zu bewahren, und verglich das Gemüth desselben oft einem Spiegel, der das Bild des Mannes zurückstrahle, wie er es empfange. Natalie galt ihm für eine so anziehende Erscheinung im Gebiet der Weiblichkeit, daß er in ihren Klagen selbst die Widerlegung des in G. umherschleichenden Gerüchtes fand, sie sey Braut, oder doch wenigstens in Liebe an einen Mann gebunden. Sein Herz sagte ihm, daß sie keinen andern Mann liebe. -- -- Von ihrem Arzt erfuhr er, Veränderung des Climas und des Aufenthaltes würden am Besten ihre Gesundheit herstellen. Er selbst beschäftigte sich mit dem Plan einer Reise in das südliche Spanien, von welcher er in Jahresfrist zurückkehren und sich dann in G. häuslich niederlassen wollte, und schlug nun Natalien vor, dies Jahr bei seiner Freundin, Sophie von ~_l. R._~ in Offenbach zu verleben. Er selbst wollte sie dorthin begleiten, und sie auf seiner Rückreise wieder abholen, sie ihrer Familie zurück zu bringen. Natalie ergriff diesen Vorschlag wie ein, ihr vom Himmel selbst gekommenes, Rettungsmittel. Sie gab sich dem herrschendem Wahn hin, als könne das Zerreißen aller äußeren Verhältnisse und das Heraustreten aus solchen, die uns durch eigne Verkehrtheit drückend geworden sind, uns den Frieden wieder geben, den sie uns raubten, ohne zu bedenken, daß in dem äußern Leben stets der Widerschein unsers inneren liegt. An Liebe und irgend ein näheres, bestimmtes, Verhältniß zu Voluda, dachte sie nicht; auf der einen Seite fühlte sie sich, durch Pflichten zu zart für Worte, an Wilhelm zu fest gebunden, und auf der andern Seite erschien ihr der Beruf, Voluda’n sein Haus zum Asyl des Glückes zu machen das der liebste Wunsch seines schönen Herzens und ewig das Bedürfniß desselben bleiben mußte, als ein so heiliges Glück, daß ihr, selbst im Traum, der Gedanke, er könne einst der ihrige werden, zu kühn erschienen seyn würde. Nur die Wirklichkeit hätte ihr den Muth und das Vertrauen geben können, es sich anzueignen. -- Aber ein Jahr -- ach, das konnte so vieles ändern! -- Buris Liebe konnte durch Zeit und Trennung allmählich und ohne schmerzlichen Kampf erkalten -- sie selbst stiller, ruhiger, besonnener werden -- und dann -- Voluda hatte ihr diese Reise vorgeschlagen; von ihm empfohlen, als seine Freundin aufgenommen, sollte sie, wie unter seinem Schutz, bei der edlen Frau leben, deren schönen Sinn und stilles Wirken sie so innig verehrte -- der Gedanke an diese Zukunft beglückte sie unaussprechlich! -- Mit innigem Entzücken und noch innigerer Dankbarkeit nahm sie daher diesen Vorschlag an, und erwartete mit Sehnsucht die Antwort auf den Brief, in dem Voluda der Frau von ~_l. R._~ diese Bitte vorgetragen hatte. Sie schrieb noch immer wöchentlich an Wilhelm, gewiß nicht kalt; das konnte sie nie gegen ihn seyn und werden: aber besonnener und reiner freundschaftlich, als im Anfang ihrer Trennung. Seine Klagen darüber, sein durchaus unmännliches Betragen und seine fast kindische Hülflosigkeit, sich, ungeleitet von ihr, im Leben zu bewegen, mußten sich immer ungünstiger gegen ihn stimmen, da sie jetzt, im Spiegel der edelsten, männlichsten Selbstständigkeit, das Weibische darin immer richtiger erkannte. An einem Weibe kann man es schön finden, wenn es nach verlornem Liebesglück keinen andern Trost anerkennt, als den, sich dem Schmerz ganz hinzugeben -- aber der Geist eines Mannes darf sich nicht in Klagen und Jammern über den Verlust eines Weibes verzehren. Der Mann gehört der Welt, das Weib dem Mann. -- Zu offen und zu wahr, um Wilhelm den tiefen Eindruck zu verhehlen, den Voluda auf sie gemacht hatte, sprach sie in ihren Briefen oft und viel von ihm. Schon früher wußte Buri um ihre hohe Achtung für ihn, und das eifersüchtige Gefühl, ihr nie werden zu können, was Voluda ihr war, hatte in seinem Herzen eine Bitterkeit erzeugt, die nun immer giftiger wurde. Eine Eifersucht, die er durchaus nicht berechtigt war, zu zeigen, nagte geierartig an seinem Innern und raubte ihm den letzten armseeligen Schimmer von Glück und Ruhe, den er noch aus dem verheerenden Sturm dieser unglücklichen Leidenschaft gerettet hatte. Jetzt erhielt er Nataliens Brief mit der Nachricht von ihrer bevorstehenden Reise, auf der Voluda sie begleiten werde. -- Ach, er liebte sie damals wohl wirklich recht innig! -- Wie alle äußere Umgebungen dazu beitrugen, in ihr die Bilder der Vergangenheit zu schwächen, so wurde ihm jeder Baum, jede Laube, jedes Plätzchen, zur Erinnerung an die seelige Zeit, wo er hier mit ihr lebte. Tag und Nacht nur mit ihrem Bilde, nur mit dem Gedanken an sie, beschäftigt, hatte sein Gefühl gerade die höchste Stufe seiner Exaltation erreicht -- und nun sollte er sie verlieren. Ihr Brief enthielt nicht einmal eine Einladung, sie noch vor ihrer Abreise zu sehen. -- Alles schien ihm entschieden, und sein Entschluß war gefaßt. Er that Natalien Unrecht. Die Sorge um ihn verließ sie keinen Augenblick, und sie weinte der Trennung von ihm manche Thräne. Was er ihr eigentlich von jeher gegolten hatte, galt er ihr noch -- ja ihr Gefühl läuterte sich, getrennt von ihm, zu einem treuen, freundschaftlichen Wohlwollen, das sie jedes Opfers für ihn fähig machte. -- Ach, das Herz des Menschen ist ein so tiefes, unerforschbares Räthsel -- wer vermag es zu ergründen! -- Sie war übrigens jetzt in dem täglichen Umgang mit Voluda und in der immer lebendigeren und umfassenderen Erkenntniß seines Werthes sehr glücklich. Im Umgang mit Buri war sie oft gespannt und leidenschaftlich bewegt worden, und das nicht ohne Genuß für ihre Phantasie; aber jedes Gespräch mit Voluda machte sie ruhiger und kindlicher. Auch in der Unterhaltung mit ihm zeigte er die hohe kühne Darstellung, den unbeugsamen Sinn der Gerechtigkeit und den edlen Zorn, die mit Geniusblitzen seine Schriften erhellen, und oft ergossen sie sich in so begeisternden, ergreifenden Worten, daß man sie, niedergeschrieben, als Reden bewundert haben würde. Diese Worte waren aber bei ihm so Abdruck des innern Sinnes, er selbst so fern von allem Haschen nach kühnem glänzendem Ausdruck, daß man sie in seinem Munde natürlich fand, wie es natürlich ist, daß der Strom nicht wie die Quelle rieselt, sondern mit seinen stolzen Fluthen mächtig daherrauscht. Jede Äußerung von ihm ging auch, dem alten schönen Ausdruck nach, zu Herzen, wie sie vom Herzen kam. Es war Natalien ganz neu, daß sie mit ihm im Kreise des alltäglichsten Lebens immer auf einer Höhe blieb, die, durch ihre Wahrheit und Einfachheit, der Wirklichkeit, wie durch ihre Schönheit, der Poesie angehörte. Es war ein Leben, wie es in der Welt wie sie ist, von zwei innig verbundenen, sich im Geist und in der Wahrheit angehörenden Menschen, wirklich und auf die Dauer gelebt werden kann. -- O welche Tage waren das für unsre Natalie! -- Ohne Hoffnung, ohne Wunsch, ohne Furcht, ohne Vor- und Rückblick, genoß sie ihres Zaubers so beglückt, wie es nur Kinder und Himmlische zu seyn vermögen. Jeden Abend, wenn er von ihr ging, fühlte sie sich inniger an ihn gebunden und glücklicher -- und wenn das morgen nun heute wurde, immer dasselbe Gefühl erhöhten Glücks, größeren Vertrauens, reinerer, unvergänglicherer Liebe? -- Eines Abends kam er, sie zu fragen, ob sie die amerikanische Fackeldistel aufblühen sehen wollte, deren herrliche, aber schnell verwelkende, Blüthenpracht sich, der Sonne ihres Mutterlandes getreu, in unsern Gewächshäusern nur um Mitternacht, wie dort im Glanz der vollen Mittagssonne, entfaltet. Sie sagte ja, und er kam zur festgesetzten Stunde, sie und Elisen abzuholen. Die Gesellschaft vermehrte sich noch um einige Personen. Der botanische Garten war aber noch verschlossen, und man benutzte diese Zwischenzeit zu einem Gang auf den nahegelegenen Wall. Natalie und Voluda erstiegen den obern Rand desselben, der ihnen einen freien Blick auf das blitzende, silberhelle, Nachtstück der Gegend gewährte. Herzlicher denn je vorher schloß Voluda in dieser Nacht sein Inneres vor ihr auf -- es war eine Stunde voll jenes Vertrauens, wo wir dem geliebten Menschen unser ganzes Leben aufdecken möchten; sie kommt auch zwischen den innigsten Freunden oft nur einmal im Leben. Er sprach ihr viel von den Verhältnissen, in denen er zum Mann gereift war, und wie auch ihm sein Leben einst zerschnitten, sein Daseyn zerrissen worden sey, und er doch in inniger heißer Liebe die Welt und das Leben trage und halte. Alles durch Liebe und um Liebe -- so gestalte sich ihm die Welt, und anders möge er sie nicht sehen. Sie beleuchte ihm die dunkle Nothwendigkeit und mache ihn stark durch diese Nothwendigkeit. -- Dem Menschen sey das Schöne sichtbar geworden, damit er das Göttliche ahnden und das Heilige im Glauben und Offenbarung scheuen lerne -- und dann sprach er ihr von seiner Mutter, der er in ihrer Einfachheit und ihrer lautern Frömmigkeit viel verdankte, und die er recht kindlich liebte und ehrte -- und wie sie, ohne alle Ansprüche an das Leben, doch selten Kraft besessen und bewiesen habe, viel dafür zu thun -- und dann kam er auf seine verstorbene Gattin. Natalie fühlte, welch ein Heiligthum er ihr aufschloß. -- Da tönte die mitternächtliche Stunde vom Thurme herab, und alles eilte zur geöffneten Gartenpforte. Der Gärtner, der Voluda kannte, nöthigte diesen, die Blume näher zu betrachten. -- Natalien an seiner Hand, folgte er dem erhaltenen Wink und da die Menge sich immer dichter um sie drängte, umfaßte er Natalien schützend mit seinem Arm. Im reinen Nachklang der verfloßnen seeligen Stunde, ruhte sie, vom schnellen Gehen ermattet, mit hingebender Vertraulichkeit an seiner Brust, und ließ sich von ihm die Eigenheit und die schnelle Vergänglichkeit ihrer Blüthe erzählen. -- Die letztere rührte sie -- ihre Augen füllten sich mit Thränen -- sie neigte sich zu der Blume hin und seufzte leise: o welch ein Sinnbild unsers Glückes! -- da säuselte plötzlich, leise wie Geisterhauch, ihr Name an ihr vorüber -- sie schreckte auf und blickte spähend umher -- ihr gegenüber stand im fernsten, dunkelsten Winkel des Zimmers, Wilhelm, bleich verstört, das Auge mit unendlichem Schmerz auf sie geheftet -- Es riß sie aus Voludas Arm zu ihm hin. -- Krampfhaft faßte er ihre Hände: Sprich es, sprich es nur aus, damit alles schnell ende, es war Voluda, in dessen Armen ich dich eben sah -- ja -- sagte sie bewegt, er war es. -- O so lebe wohl -- mache dir nie Vorwürfe -- sey glücklich, und weine nicht um mich! -- Erstaunt über Nataliens schnelles Hinwegeilen hatte Voluda sich ihr durch die Menge nachgedrängt. Buri, der ihn erblickte, wandte sich mit den letzten Worten rasch um, und stürzte aus der nahen Thüre. Von der höchsten Seelenangst gefoltert, floh ihm Natalie nach -- sie ereilte ihn am Ende des dichtbelaubten Ganges -- Barbar, rief sie, in seine Arme stürzend, habe ich das um dich verdient! -- Sie rang, ihm die Pistole zu entreißen, deren Anblick ihre Ahndung seines Vorsatzes zur grauenvollen Wirklichkeit machte -- das Gewehr ging los, und sinnlos stürzte sie zur Erde. -- Als sie erwachte, fand sie sich in Voludas Armen wieder -- Buri lag zu ihren Füßen, und netzte ihre Hände mit seinen heißesten Thränen. Sie wollte sich aufrichten, sprechen, -- aber tödlich ermattet sank sie zurück. Wer Sie auch sind, mein Herr, sagte Voluda gefaßt und ernst, und in welchem Verhältnisse Sie auch zu dieser Dame stehen, so ist es doch in diesem Augenblick Ihre erste Pflicht, sie zu schonen, und diesen Auftritt der Deutung unsrer Gesellschaft zu entziehen. Soll ich Sie nach Hause bringen, theure Natalie? fragte er, sich sanft zu ihr wendend. Sie winkte ihm ihr ja zu, und reichte Buri die Hand: wir sehen uns morgen wieder; gelobst du das? Bei Allem was mir heilig ist! -- Die zurückgebliebene Gesellschaft näherte sich hier; Buri entwich unbemerkt in einen Nebengang, und eine Anwandlung von Uebelbefinden mußte Nataliens schnelle Entfernung aus dem Zimmer, und ihre Blässe, entschuldigen. Stumm wankte sie, von Voluda mehr getragen als geführt, zu Hause. Auch er schwieg -- vielleicht schonend -- vielleicht zürnend. Sie drückte beim Abschied seine Hand innig an ihr Herz, und zwey große schwere Thränen, die einzigen die sie vergoß, rollten auf sie hinab, dann eilte sie in ihr Zimmer, um, fern von allen Blicken, die Tiefe ihres Schmerzes zu ergründen. Aber ihr Körper war so angegriffen, ihre Nerven so erschüttert, daß sie, betäubt und krankhaft verworren, keines Gedankens, noch weniger eines Entschlusses oder des Ueberblickes ihrer Lage, fähig war. Sie war ein ganz hingegebenes, widerstandloses Opfer des Grames, der ihre Seele füllte. Unbeschreiblich ermattet und erblaßt stand sie am andern Morgen mit dem Bewußtseyn auf, dieser Tag werde über ihre ganze irdische Zukunft entscheiden, und sie sey so niedergedrückt, so geknickt an Geist und Seele, daß diese Entscheidung durchaus kein Werk ihrer Willkühr, sondern nur das Resultat fremder Einwirkung seyn werde. Elise war mit noch einer Freundin bei ihr im Zimmer, und ängstlich um sie besorgt, als nach eilf Uhr Voluda hereintrat. Rasch, ohne die Anwesenden zu begrüßen, gieng er auf Natalien zu, und drückte ihre Hand an seine Lippen: Ich komme, Ihnen Lebewohl zu sagen; noch heute reise ich nach Schweden ab. Stumm sah ihn Natalie eine Sekunde an, schlug dann das Auge zum Himmel, und drückte mit rührender Ergebung die beiden Hände fest gefaltet auf ihr Herz, als habe es den Todespfeil erhalten, und sie wolle ihn tiefer hineindrücken, um ihn zu verdecken. Sie hatte nichts erwartet, nichts gehofft; doch dieser Schlag traf sie mit zu schmerzlicher Erschütterung. Ihr Gefühl war das, mit dem wir einst, am Tage des Gerichts, das Buch unsrer Schuld werden öffnen sehn. -- Elise, die es wußte, daß früher von dieser Reise nie die Rede gewesen war, und Voluda als den einzigen Mann ehrte, den sie des Besitzes ihrer Natalie würdig hielt, forschte theilnehmend nach der Veranlassung dieses unerwarteten Entschlusses, worauf er aber wenig, und nichts Erläuterndes, erwiederte. Er hatte überhaupt etwas Unstätes und Eiliges in seinem Wesen, und blieb auch nur wenige Minuten. Bewegt faßte er zum Abschied Nataliens Hand -- und als sie mit dem erlöschenden Blick der Liebe und des tiefsten Kummers zu ihm aufsah -- da wurde auch sein Auge naß. -- Gottes bester Seegen sey mit Ihnen und Ihrem Leben! -- er drückte seine Lippen lange und fest auf ihre kalte Hand -- o werden Sie glücklich, machen Sie glücklich! -- Sie wurde immer bleicher -- der Schmerz durchzuckte sichtlicher und gewaltsamer ihre Brust. -- Natalie, liebe Natalie, Sie sollen noch von mir hören! -- Keines Wortes mächtig, ringend mit einem Weh, von dem sie wähnte, es müsse sie gleich augenblicklich tödten, blieb sie starr und unbeweglich -- aber, als er sich nun wandte, als die Thür sich hinter ihm schloß, auf ewig, da floh sie ihm nach. Als habe er sie erwartet, stand er noch an der Treppe still -- meine Natalie! rief er, als sie sich jetzt nahte, mit einem Ton, dessen Nachhall auch im Himmel noch, in den schönsten Momenten ihrer Seeligkeit, um sie tönen wird, und breitete ihr die Arme entgegen. -- O nur einmal an seiner Brust zu ruhen, alle ihre Liebe ausströmen zu lassen in heißen Thränen, ihm nur ein Lebewohl, tief, tief, aus der unendlichen Fülle ihres Herzens, sagen zu dürfen, wäre ihr zur nie versiegenden Quelle des Trostes geworden. -- Buris Erscheinung unten an der Treppe brachte sie um diese Minute. Voluda eilte schnell bei ihm vorbei -- laut weinend wandte auch sie sich ab, und floh. -- Noch in derselben Stunde verließ Voluda G... Von Wilhelm erfuhr sie, er sey am Morgen zu ihm gekommen, ihn um sein Verhältniß zu Natalien zu befragen. Dieser hatte ihm gesagt, daß er seit Jahren von ihr geliebt werde, und das Versprechen von ihr erhalten habe, nie das Eigenthum eines andern Mannes zu werden. Er habe aber seit Kurzem gemuthmaßt, daß sie ihm untreu geworden sey, und die Verzweiflung darüber habe ihm den Entschluß eingegeben, den er gestern Abend auszuführen willens gewesen sey. Die Unrichtigkeit dieser Antwort konnte Voluda um so weniger muthmaßen, da Wilhelm ihm mehrere von Natalien im Ton traulicher Liebe an ihn geschriebene Briefe zeigte, und so sah er in Nataliens bisheriger Verheimlichung ihres Verhältnisses zu Buri nur eine untreue gegen diesen, und eine Falschheit gegen sich, die kein Bewegungsgrund in seinen Augen zu rechtfertigen vermochte. Offenheit gegen Offenheit, sagte er zu Wilhelm; ich bin Ihnen das Geständniß schuldig, daß zwischen Natalie und mir nie ein Wort von Liebe oder irgend einer andern nähern Verbindung gewechselt ist, und ich nicht zu dem kleinsten Anspruch auf ihr Herz oder ihre Hand berechtigt bin. -- Beim Abschied fügte er noch folgende Worte hinzu, die für Natalien, als Buri sie ihr wiederhohlte, sehr entscheidend wurden: ich zweifle nicht, daß Natalie edel genug ist, früher oder später einzusehen, wie wenig es ihr geziemt, den Mann ihres Herzens vor der Welt zu verläugnen. Sie bat Wilhelm, nach Anhörung dieser Erzählung, sie zu verlassen, weil sie zu krank sey, ihn heute länger bei sich sehen zu können, und blieb dann den Tag ganz einsam in ihrem Zimmer. Sie rang nach Kraft, und fand sie in dem Gedanken an Voluda. Sie war für immer von ihm getrennt; ihr Verhältniß zu Buri stand als eine, nie zu versöhnende, Unwürdigkeit zwischen ihr und dem Mann ihrer einzigen wahren Liebe. Gegen Wilhelm lag das Gefühl einer Schuld, für die sie keine Worte hatte, auf ihrer Seele. Dies Unrecht auf die möglichst großmüthigste Art zu vergüten, war ihr Wunsch, und Voludas letzte Worte an Wilhelm deuteten ihr den Weg an, den er für den richtigsten erkannt hatte, und auf dem ihr sein Seegen folgte, wenn sie ihn in treuer Pflichterfüllung wandelte. Mit sich selbst mußte sie erst ganz versöhnt seyn, ehe sie hoffen durfte, Voluda einst mit sich versöhnen zu können. Auch war es ein stark hervortretender Zug in ihrem Karakter, daß sie gern in zweifelhaften Fällen das Schwerste ergriff, und es dann mit höchster Selbstverläugnung übte. Sie frug Wilhelm am andern Tage, ob er glaube, durch das Geschenk ihrer Hand glücklich werden zu können. Der Triumph einer für ihn so glänzenden Verbindung und der Stolz, seiner Meinung nach, einen Nebenbuhler wie Voluda besiegt zu haben, betäubten die innere Stimme, die ihn vor einer in jeder Hinsicht so ungleichen Verbindung hätte warnen müssen, und er nahm ein Opfer an, das nur die, welche es brachte, zu ehren vermochte. Seine Freude, sein Dank, seine Liebe, wurden Nataliens Lohn und erweckten in ihrem Herzen die Wärme wieder, die seine grausame Selbstsucht fast erstickt hatte. Sie schwur sich und ihm, ihn glücklich machen zu wollen, und that von diesem Augenblick an, mit eiserner Festigkeit, alles, was sie der Lösung dieses Gelübdes näher führen konnte. Daß sie dem Ideal, welches er sich von seiner künftigen Gattin entworfen hatte, nicht entsprach, wußte sie; sie war nicht einfach, nicht häuslich, nicht arbeitsam genug für ihn, und es war zu ihrem beiderseitigen künftigen Glück durchaus erforderlich, sie zu ihm, ihn zu ihr, harmonischer zu stimmen. Nataliens Gesundheit entfernte ohnehin den Gedanken an eine baldige Verbindung, und sie setzte diese auf zwey Jahr hinaus, die Buri zu einer Reise benutzen sollte, während sie sie, in tiefer Einsamkeit lebend, benutzen wollte, sich für ihre künftigen Verhältnisse zu bilden und Kraft zur +freudigen+ Pflichterfüllung zu sammeln. -- Froh und glücklich ging Wilhelm nach einigen Tagen nach N**** zurück, um zu seiner Abreise die nöthigen Anstalten zu treffen. Natalie rang, nach seiner Entfernung, heldenmüthig mit dem Weh in ihrer Brust. Sie mußte auch noch den Schmerz erfahren, daß Voluda’s schnelle Abreise, und sein rascher Entschluß nach Schweden zu gehen, Willot und seine Frau von ihr entfernten. Willot liebte seinen Voluda über alles, und es konnte von ihm nicht unerrathen bleiben, daß Natalie mit ein Bewegungsgrund seiner plötzlichen, überraschenden, Abreise gewesen. Diese wurde dadurch noch befremdender, daß er zu einem einige Meilen von G... wohnenden Bekannten gefahren war, um, von dortaus, die nöthigen Anstalten zu seiner Reise zu treffen, welches doch in G..., wo er sich nicht einmal die Zeit genommen hatte, Abschied zu nehmen, viel leichter und besser geschehen konnte. Dies verstimmte Willot gegen Natalien, und die Entfremdung, in welche diese Verstimmung überging, nahm ihr den Muth, mit ihm über ihre Verhältnisse, und die Begebenheiten der letzten Wochen zu sprechen. Wo Voludas Freunde zürnten, trauerten August und Elise, und die letzte schloß sich noch zärtlicher an die täglich freundlicher und bleicher werdende Natalie. Voludas Abschiedswort: „Sie sollen noch von mir hören!“ war als ein Wort der tröstenden Verheißung in ihrem Herzen geblieben. Manches Unerklärliche lag noch für sie in seinem Betragen und in seiner schnellen Abreise; auch war der für ihre Reise nach Offenbach entworfene Plan, und die noch nicht erfolgte Antwort der Frau von ~_l. R._~, ein Faden, an den sie die Hoffnung knüpfte, er werde vor seiner Einschiffung noch an sie schreiben, und sie ihm dann in ihrer Antwort alles sagen dürfen, was jetzt ihr Herz bis zum brechen belastete. Nur mit einem Worte des Trostes und der Ermunterung sollte er von ihr Abschied nehmen -- dann wollte sie gerne still zurückweichen, und ihn ziehen lassen in die Ferne, wo er ihr vielleicht nie wieder begegnete. -- Einige Wochen waren vergangen, da stand Natalie eines Morgens am Fenster -- ein Wagen kam rasch die Straße herauf gerollt, und sie erkannte, wie er näher kam, Voluda. -- Laut rief sie seinen Namen, indem sie das Fenster aufriß -- er grüßte; doch selbst in diesem eiligen Vorüberfliegen entging es ihr nicht, daß er bei ihrem Anblick erblaßte, und sie mit dem Ausdruck peinlicher Verlegenheit begrüßte. Sie war voll Unruhe und doch so innig, so fromm glücklich, da sie sich der Erfüllung ihres höchsten Wunsches, ihn noch einmal zu sehen und zu sprechen, nahe glaubte. Es ward Mittag, und er war noch nicht da -- noch war indessen Hoffnung und Zuversicht in ihrem Herzen -- als aber August, der ihn bei Willot getroffen hatte, zu ihr eintrat, ihr einen Gruß von ihm zu bringen, weil er für die wenigen Stunden seines Aufenthalts zu beschäftigt sey, um zu ihr zu kommen -- da, arme Natalie, zog die finsterste Minute Deines Lebens herauf, und ihr dunkler Schatten verschwand nie wieder, und sank mit Dir in Dein frühes, einsames Grab. -- Wie konnte ein so edler, ein so milder Mann wie er, so hart seyn, von ihr, von der er sich doch sagen konnte, was sie zu leiden und zu kämpfen hatte, so stumm, so gleichgültig, ja, man kann sagen, so geringschätzig, zu scheiden! -- War denn die Hingabe ihrer ganzen Seele, ihr unendliches Vertrauen, ihre ewige Liebe, keiner andern Vergeltung werth? -- ahndete er gar nicht, was dieser Tag sie kostete? -- Bleich und unbeweglich saß sie den ganzen Tag am Fenster, und zählte die Minuten, die er noch in ihrer Nähe war. -- Ihr Herz stand still -- ihr Leben war wie gehemmt, und ihr war, als müsse sie sterben, wenn sie die kleinste Bewegung machte. Am Nachmittag sah sie ihn zu ihm gleichgültigen, ihr gegenüberwohnenden, Menschen gehen -- und ihn dort im Zimmer auf und abgehen -- ach kein Blick fiel auf sie! -- Gegen sechs Uhr kam sein Wagen, und sie hörte ihn bald darauf fortrollen. -- Sie litt, und fühlte, daß sie den Tod empfangen habe -- aber selbst in ihrem geheimsten Bewußtseyn erlaubte sie sich keine Klage über ihn. -- In der Nacht, die diesem Tage folgte, sprang eine Ader in ihrer Brust. Ein heftiger Blutsturz brachte sie dem Tode nahe; vierzehn Tage lag sie in todtenähnlicher, sinnloser Betäubung. Als sie ihr Bewußtseyn wieder erhielt, hatte sich Voluda schon eingeschifft. Sie erstand von diesem Krankenlager; aber nie ward ihr wieder das Gefühl voller Gesundheit. Auch Wilhelm trat jetzt seine Reise an, zu der sie ihm den größten Theil ihrer jährlichen Einkünfte überließ. Sie selbst zog, nur von ihrem treuen Mädchen begleitet, nach einem kleinen, weit entfernten Landstädtchen, wo sie ganz unbekannt war, und wo sie in der unfreundlichsten Jahreszeit, in der Mitte des Decembers, ankam. -- Fünfter Abschnitt. Nicht kann rauben des Mächtigsten Hand Den letzten Seegen des ewigen Vaters, Den herrlichen Tod! +Mahlmann.+ Wir finden unsre Natalie nach Verlauf von zwei Jahren in demselben kleinen Landstädtchen wieder, wo wir sie verließen, und wo sie diese Zeit, allein mit Gott, im heldenmüthigen Kampf mit sich, verlebt hatte. Sie hatte sich +Frieden+ errungen -- einen Frieden, der ihr nicht mehr geraubt werden konnte. In der Verpflichtung, Buris Gattin zu werden, hatte sie die Bestimmung ihres künftigen Lebens klar erkannt, und muthig aus sich herausgerissen, was sich mit ihr nicht vertrug. Ihre Liebe zu Voluda war ihr, als höchstes, geistiges Lebensprincip, geblieben -- aber in der Beruhigung ihres Herzens, in der Stillung ihrer Sehnsucht, und der Beschwichtigung des bittern Schmerzes, sich von ihm verkannt und auf immer geschieden zu wissen, entwickelte und bewährte sich in ihrer Seele eine Kraft, deren Quelle eben diese Liebe war. Das Andenken an ihn wurde ihr zum Seegen jedes edleren Strebens, jedes schönen, festen Entschlusses, und mit sanfter Rührung brachte sie ihm am Abend, den still, fromm und fleißig verlebten Tag zum Opfer dar. Buris Briefe erheiterten ihre Einsamkeit; sie gewann ihn von Tag zu Tage lieber. Ihm ein gutes, treues, fleißiges Weib, eine würdige Hausfrau zu werden; sich im verdienten Besitz seiner höchsten Achtung und Liebe zu fühlen, und ihn im Laufe des alltäglichen Lebens dem Guten und Schönen treu zu erhalten, war ein Beruf, dessen Werth und Glück sie lebhaft erkannte. Voluda’s Bild sank still und heilig in ihre innerste, frömmste Seele zurück; im Leben und für dasselbe faßte sie Wilhelms Bild zärtlicher und inniger auf, und die durch die wahrste und höchste Liebe in ihr geweckte und gereifte Fühlbarkeit und Treue kam ganz Buri zu Gute. Sie gab sich ihm liebevoller und wahrer hin, wie sie es je zuvor gethan hatte, und auch in seinen Briefen sprach sich ein ruhiger, aber eben darum schöner werdendes Gefühl seines Glückes, und seines Dankes, sie sein zu nennen, aus. Natalie hatte von jeher Kinder geliebt und sich gerne mit ihnen beschäftigt. Getrennt von allem Umgang mit Erwachsenen, sammelte sie jetzt einige dieser holden Wesen um sich, und die Beschäftigung mit ihnen wurde ihr zu einer Quelle der reinsten Freuden. Wer eine Zeitlang nur mit Kindern und allein unter ihnen lebt, hat das goldene Alter der Menschheit durchlebt. Von ihnen geht eine Kindlichkeit, eine Lauterkeit, eine Heiterkeit auf uns über, deren Daseyn man, im Getriebe des Weltlebens verflochten, und vom Schellengeklingel der Thorheit und der Albernheit betäubt, kaum in der Ahndung begreift. Auch aus der Arbeitsamkeit, zu der sich Natalie zwang, bis sie ihr zur lieben Gewohnheit geworden war, gieng ihr ein stiller, schöner Seegen für ihr inneres Leben auf. Sie erfuhr es, wie kein Zureden der Vernunft, keine Lectüre, keine Freude des Wissens, unsre Seele so beruhigt, als das Gefühl eines fleißig und angestrengt vollendeten, bestimmten Tagewerkes. Diese zwei einsamen Jahre waren eine schöne Zeit in Nataliens Leben, und die Erinnerung an sie blieb in ihrem Herzen, wie die sanft schimmernde Abendröthe eines gewitterschwülen Tages. -- Mit dem zweiten Frühling näherte sich jetzt der Zeitpunkt von Buri’s Rückkunft und ihrer Vermählung mit ihm. Es war brieflich unter ihnen verabredet, daß sie sich in Nataliens jetzigem Wohnort wollten trauen lassen -- der Sommer sollte denn zu einer gemeinschaftlichen Reise ins südliche Deutschland benutzt werden, und mit dem Herbst wollten sie sich in N**** häuslich niederlassen. Natalie rechnete auf Glück. Daß sie daran sich wieder Glauben und Zuversicht erkämpft hatte, und sie in heitrer Freudigkeit festzuhalten wußte, war die Frucht eines Kampfes, über dessen Schwierigkeit und Werth nur derjenige entscheiden darf, der in das Innerste ihrer Seele geblickt hat. Plötzlich blieben Buris Briefe mehrere Wochen aus. In der ganzen Zeit ihrer Trennung hatte er wöchentlich zweimal geschrieben, und so mußte dies Aussenbleiben aller Nachrichten von ihm, Natalien lebhaft beunruhigen. In der langen Sorge um ihn fühlte sie selbst zum erstenmale ganz, wie sie ihn liebte, und wie fest sie an ihn gebunden war. Sie schrieb und klagte ihm, mit der ganzen Fülle ihrer Herzlichkeit und Liebe, ihre Angst, ihre Sorge, ihren Kummer um ihn. Endlich kam ein Brief; er war krank gewesen, wie er schrieb; aber der Ton dieses Briefes war so leidenschaftlich, so glühend, daß Natalie von der Ahndung eines finstern Ereignisses ängstigend ergriffen ward. Ein Ungewitter nöthigte Buri auf einer seiner Fußwanderungen, in einem Meierhofe Schutz zu suchen, dessen angenehme Lage und einfach zierliche Bauart, den Blick jedes Reisenden auf sich ziehen mußte, der diese Straße wandert. Böttcher, der Besitzer desselben, nahm den durchnäßten Wandrer mit der freundlichsten Gastfreiheit auf. -- Er war ein gebildeter Mann, der, nach einem unruhvollen Leben, hier den Abend seiner Tage, in ländlicher Abgeschiedenheit, mit seiner einzigen Tochter, verlebte. Karoline war ein reizendes funfzehnjähriges Mädchen, voll Naivetät und Anmuth. Ohne allen Umgang, in der Umgebung einer romantischen Natur groß geworden, und durch Romanenlectüre gebildet, war sie für den Eindruck sehr empfänglich, den Buris Erscheinung auf sie machen mußte. Sie beeiferte sich, den Fremdling so gut als möglich aufzunehmen, und freuete sich des Regenwetters, das ihn nöthigte, mehrere Tage zu verweilen. Als er am vierten Morgen hinunter kam, Abschied zu nehmen, fand er den Vater krank und Karolinen in Thränen. Beide baten ihn, sie jetzt noch nicht zu verlassen, und er versprach gern, die Genesung seines Wirthes abzuwarten. Die Sorgfalt und Ausdauer, die er jetzt bei der Pflege des Vaters zeigte, gewann ihm bald ganz das Herz der dankbaren Tochter. Sie hielt ihn für frei und ungebunden, sie wußte von ihrem Vater, daß es ihr vergönnt sey, unbedingt selbst zu wählen, und so gab sie sich, ungewarnt und unbesorgt, der ganzen Gewalt dieser Liebe über sie, hin -- Konnte Buri nicht fliehen? -- wollte er es nicht? wußte er selbst nicht um die Größe und Nähe der Gefahr? -- genug, er blieb; blieb auch nach der Genesung des Vaters, bis eine schwache, eine sehr schwache Stunde, Karolinen Rechte auf ihn gab, denen, vor dem Richterstuhl der Ehre und der Menschlichkeit, Nataliens Rechte sich nicht vergleichen konnten. -- Sein Erwachen aus dem Rausch war schrecklich! -- alle Furien der Selbstverachtung und des Meineids erwachten in seiner Brust. Karoline erfuhr, er sey verlobt; sey seit Jahren das Eigenthum einer andern, der er Glück, Ruhe, Gesundheit koste, die ihm alles geopfert, alles für ihn gelitten und getragen, ohne daß er ihr bis jetzt je ein Opfer mit einem Opfer zu vergelten gehabt habe -- und gebot ihm, sie zu fliehen, und sein früheres Gelübde zu ehren. Er gehorchte, und verließ das Haus, dessen Gastfreiheit er durch so schändlichen Verrath gelohnt hatte. -- In der letzten Zeit seines Aufenthaltes bei Böttcher hatte er es unterlassen, an Natalien zu schreiben; aber als er jetzt, von Karolinen entfernt, nach und nach aus seinem Rausch erwachte, trat ihr Bild wieder in seine alten Rechte, und das Gefühl des begangnen Unrechtes gab seiner Empfindung für sie, alle Glut, alle Unruhe, alles Stürmische wieder, das die erste Zeit seiner Leidenschaft bezeichnete. -- Ach! Natalie ahndete bei Lesung jenes Briefes nicht, aus welcher giftigen Quelle der süße Zaubertrank floß, dessen magische, unheilbringende Gewalt über sie noch nicht vernichtet war, wenn sie gleich den Unterschied zwischen dieser gluthvollen Flamme und dem heiligen reinen Lichte wahrer Liebe, im eignen Herzen hatte erkennen und würdigen lernen. -- Die tiefe Schwermuth, in die Karoline nach Buris Abreise versank, konnte von ihrem Vater eben so wenig unbemerkt bleiben, als ihm die Verstörung entgangen war, in welcher Buri von ihnen schied. Da er Freund und Vertrauter seiner Tochter, seit ihrer frühsten Jugend gewesen, so vermochte sie auch hier seinen Bitten nicht zu widerstehen: er erfuhr alles, und auch, was den Jammer des armen Mädchens zur Verzweifelung machte, daß sie Mutter werden sollte. -- Er reisete Buri nach, und traf ihn auf dem Wege zu Natalien in A... -- Der Zorn des schwer beleidigten Vaters verschwand vor dem Schmerz, und vor der Reue des Jünglings, der ihm sein ganzes Verhältniß mit Natalien, und die Geschichte desselben, offen darlegte. Böttcher ergriff den einzigen hier möglichen Ausweg; er wandte sich voll edlen Vertrauens an Natalien selbst, schilderte ihr in einem Briefe den ganzen Vorgang und forderte sie auf, zu entscheiden. „Ich würde, schloß er seinen Brief, das Schicksal meiner Tochter als ein Unglück tragen, und nie darauf ein Recht begründen, welches zwischen Sie, Verehrungswürdige, und den Mann treten dürfte, der Ihnen so viel, ja alles, zu verdanken hat -- aber, was ich nie für meine Tochter allein thun würde, muß ich für das Kind thun, das sonst, ernst und strafend, einst von seiner Mutter den Vater fordern möchte. Entscheiden sie daher unbedingt über das Schicksal der Mutter und des Kindes. Keine Pflicht, kein Gesetz, verbindet sie zur Entsagung -- meine Hoffnung beruht nur auf Ihrer Güte, Ihrer Großmuth.“ Natalie antwortete ihm mit rückgehender Post achtungsvoll und theilnehmend, und legte ihm einige Zeilen für Buri ein, in denen sie ihn für frei, sich für ewig von ihm geschieden, erklärte. Sie schrieb ihm dies ohne Klage, ohne Vorwurf; machte es ihm aber als den letzten Beweis seiner Achtung zur Pflicht, ihr durchaus nicht zu antworten. Buri ward Karolinens Gatte. Er vergaß Natalien sehr bald, und lebt noch auf dem Meierhofe seines Schwiegervaters, ein alltägliches, still bürgerliches Leben, ohne höheren Gehalt, aber doch nicht ohne innern Werth. Karolinens erstes Kind starb, und ihre Ehe blieb kinderlos. Wie Natalie diese Trennung ertrug, wie sie litt, und wie unnennbar schmerzlich und vielseitig ihr ganzes Herz dadurch verletzt wurde, hat nie ein Mensch erfahren, nie ein Wort von ihr ausgesprochen. Doch sicherte sie der Sinn für das Heilige, der ihr in ihrer Liebe für Voluda aufgegangen war, dafür, sich irgend einem Schmerze, irgend einem irdischen Leiden, mehr widerstandlos hinzugeben. Geübt im Kampf mit sich selbst, bewährte sich ihr auch jetzt die Kraft des Willens. Sie trat ihrem Schmerze kühn entgegen, und rang mit ihm. Ernstes Nachdenken und fromme Einkehr in sich selbst gaben ihr Flügel, die sie über ihn weghoben, und das Kleinod, das sie in diesem Kampf erbeutete, wurde ihr zum herrlichen Lohn: es hieß Freiheit ihrer Gefühle für Voluda! Ein schöner Abend des Spätherbstes dieses Jahres lockte sie ins Freie. Von einem Berge, der den zu ihrer Wohnung gehörenden Garten begränzte, übersah sie eine weite, reizende Landschaft. Am Fuß desselben lief die Landstraße, neben einem ziemlich tiefen Abgrund hin. Ein zierlicher Reisewagen -- hier eine seltne Erscheinung, -- zog Nataliens Blicke auf sich. Zu ihrem Schrecken sah sie aber die Pferde, nahe bei der gefährlichen Stelle, scheu werden -- der Wagen schlug um, Natalie unterschied das Angstgeschrei einer weiblichen Stimme, und flog blitzesschnell den Berg hinunter, den Reisenden zur Hülfe. Zum Glück standen die Pferde, und während der Postillion sich beschäftigte, die Stränge zu lösen, bemühete sich Natalie, die Thüre des Wagens zu öffnen. Der Versuch gelang; ein Mann, von hoher vornehmer Gestalt sprang heraus, und hob eine junge, in Ohnmacht gesunkene Dame, empor. Natalie vereinte ihre Bemühung mit der seinigen -- sie trugen sie wenige Schritte davon nach einer grünen Rasenstelle, und hatten die Freude sie nach einigen Minuten die Augen aufschlagen zu sehen. Mit dem Ausdruck banger Zärtlichkeit suchte der erste Blick der schönen Fremden ihren Gefährten, der neben ihr knieend, sie in seinen Armen hielt, während Natalie ihr die Schläfen mit dem ~eau de Cologne~ aus ihrem Flacon rieb -- dann sah sie zu dieser mit einem so rührenden, so dankbaren Blick auf, daß er den Antheil, den Natalie gleich für sie empfunden hatte, verdoppelte. Aus einigen Worten des jungen Mannes und aus seiner Unfähigkeit, sich mit dem Postillion verständigen zu können, errieth sie das Vaterland der Reisenden, und redete sie jetzt in der Sprache desselben an, um der jungen Dame, mit jenem unverkennbaren Ausdruck des Wohlwollens, dem das Herz nie widersteht, ihr Haus anzubieten, sich darin von den Schrecken ihres Unfalls zu erholen. Die schöne Fremde schien angenehm überrascht, sich in diesem Winkel Deutschlands, wo die Fertigkeit, eine fremde Sprache zu reden, sehr selten angetroffen wird, in ihrer Muttersprache anreden zu hören, und nahm Nataliens Anerbieten dankbar an. Wie groß war aber ihrer aller Schrecken, als es sich jetzt, da die Fremde sich erheben wollte, zeigte, daß der eine Fuß gebrochen war: O Gott, rief sie, mit einem Ausdruck des Schreckens und des Entsetzens, der Nataliens Herz traf, -- wir sind verloren! Laß uns sterben, mein Freund, Rettung ist jetzt unmöglich! Nur Muth, sagte Natalie rasch, nur Vertrauen -- ich hole Hülfe, und mein Haus, setzte sie gerührt hinzu, da sie zu errathen anfing, wen sie vor sich hatte, sichert Ihnen Verborgenheit und Ruhe. Die Geschichte dieser beiden interessanten Flüchtlinge greift zu tief in eine der geheimnißvollsten Begebenheiten unsrer Zeit ein, um jetzt schon enthüllt werden zu können. Aus einem der edelsten Geschlechter Europens entsprossen, Erbe unermeßlicher Reichthümer, mit allen Verfeinerungen des Luxus, allen Raffinerien des Wohllebens seit frühster Kindheit so vertraut, daß sie ihm zum Bedürfniß, zur einfachen Nothwendigkeit geworden waren, irrte Theophil jetzt heimathlos und geächtet mit seiner Gattin umher. Auf seine Habhaftwerdung war im Geheimen ein großer Preis gesetzt, und der Verrath schlich ihm hier, wo er vor offenbarer Gewalt +vielleicht+ geschützt war, doch heimlich auf jedem Schritte nach. Ein fernes Land bot ihm einen Zufluchtsort -- aber jeder Weg dorthin war versperrt, und, bei seiner gänzlichen Unkenntniß deutscher Sprache und deutscher Verfassungen, mit fast unübersteiglichen Schwierigkeiten verbunden. Victorine, die schöne, seit frühster Jugend von allen, die sie umgaben, vergötterte Victorine, seine Gattin, sollte jetzt in wenig Wochen Mutter werden. Ohne Obdach, ohne Geld, in einer rauhen Jahrszeit, in einem fremden, unwirthlichen Lande, erlag ihre Seele schon dem Gewicht ihrer trostlosen Verzweifelung, als die Vorsehung ihr Natalien zuführte. Wenig Stunden reichten hin, um dieser das volle Vertrauen ihrer Gäste zu erwerben, und als Ersatz für manchen herben Kummer, ward ihr das Glück, dies Vertrauen rechtfertigen zu können. Es gelang ihr, Wege und Mittel ausfindig zu machen, die Theophil sicher nach dem Orte seiner Bestimmung führten. Victorine blieb bei ihr. Im November ward sie Mutter eines lieblichen Knaben, und Natalie sah, unter ihrer Pflege, Mutter und Kind schön und freudig dem Frühling entgegen blühen, der beide mit dem Gatten und Vater vereinigen sollte. Sie begleitete Victorinen auf der Reise durch die unwirthbaren Gegenden, durch die sie ihr Weg führte, und verließ sie erst an der Gränze, wo Theophil sie erwartete. Auch die Dankbarkeit kann in schönen Seelen zu einer Leidenschaft werden, die an Energie keiner andern weicht. Der Abschied, den Victorine und Theophil von Natalien nahmen, war erschütternd und feierlich. Die erstere legte ihren Sohn in Nataliens Arme, wie man Heiligen die Kinder zur Auflegung der Hände darreicht, damit sie ihn segne. Sie konnte sich nicht von ihr trennen -- immer kehrte sie zurück, sie noch einmal an ihr Herz zu drücken -- endlich mußte sie scheiden; aber Nataliens Andenken blieb in ihrem Herzen, und täglich erbat sie sich vom Himmel die Gelegenheit, ihr einst vergelten zu können, was sie für sie gethan. -- Natalie gieng auf einige Wochen zu ihrer Schwester, und dann nach N****. Die Erinnerungen, die dieser Aufenthalt in ihr wecken konnte, brauchte sie nicht mehr zu scheuen, den Tadel der Welt nicht mehr zu fürchten. Ihre Seele war reif geworden in den Schmerzen und Erschütterungen dieser letzten Jahre. Wie ein schwindendes Traumbild, versank das Nachtstück ihres Lebens in den Strom der Vergangenheit; das innere geheimnißvolle Leben der Liebe entfaltete sich in ihr tiefer und reicher, und alle Erscheinungen des äußeren verklärten sich ihr zu heiligen Sinnbildern; mit langen Zügen trank sie aus dem Quell der frommen reinen Begeisterung, die sie von den irdischen Dingen schied, und sie sich als eine Geweihte des Todes fühlen lehrte. Abgezogen von der Außenwelt, fand sie in sich, was sie zur Glückseligkeit und zum harmonischen Verständniß mit sich und der Welt bedurfte, und das Gefühl, daß ihr diese Klarheit des Gemüths, dieser himmlische Friede der Seele, dies Schweigen des Verstandes, einzig aus der Liebe für Voluda aufgegangen waren, lehrte sie diese immer richtiger, als das Schönste und Göttlichste ihres Daseyns, würdigen. Ihr ganzes Leben war ein stiller Gottesdienst dieser Liebe, die immer mehr Eins werdend mit der Liebe des Ewigen, und in ihr sich, wie der Strom im Weltmeer verlierend, ihr Herz, langsam, sanft und freundlich, von der Erde lösete, und die Sehnsucht ihres Busens nach dem Tode, zur ächten Tochter der Liebe und der Unsterblichkeit veredelte. Aber wie eine Lichterscheinung aus jener Welt, trat zu der Einsamen noch hienieden der schönste Engel des Trostes und der Verheißung, der Engel der Freundschaft, und Natalie wußte nicht, ob der Glanz, in dem sich, von ihm erhellt, ihr Leben verklärte, das Abendroth dieser, oder das Morgenroth jener Welt war. Während ihrer Abwesenheit hatte sich in der Nähe von N****, eine Familie angesiedelt, in deren ältesten Tochter, Charlotte, Natalie bald eine Seele ausfand, wie sie reiner, treuer, frommer, ungefärbter und zarter, nie in einem Weibe gewohnt hat. Demüthig und einfach, wahr und kindlich, froh und still, war der Sinn des Mädchens -- ihr Geist hell und klar und in dem sanften, kindlichen Gemüthe ruhte eine Kraft, die dem Leben gewachsen war. Alle Liebe, die Natalie seit frühster Jugend, so unverstanden und unerwiedert, hingegeben hatte, ward ihr hier, als köstliche Himmelsgabe, zurückgegeben und in ihrer ganzen Heiligkeit von ihr genossen und empfunden. -- Der fromme Friede, dessen Natalie jetzt genoß, und das seelige Glück dieser Freundschaft, wurden dem zarten und ermatteten Körper zur Stärkung. Da sie, ohne eigentliche Krankheit, nur an dem geistigen, langsam nachwirkenden Schmerze früherer Jahre verging, so schlichen Wochen und Monate langsam vorüber, ohne daß irgend eine sichtbarer werdende Desorganisation ihres Körpers einen schnellen Tod herbeizuführen versprach. Im Gegentheil schien sie, unter Lottens Pflege, und im Sonnenschein ihrer Liebe, neu aufzublühen; es giebt aber Zeitpunkte im Leben, wo nicht die Krankheit, sondern die Seele selbst, ihre Hülle zerstört, weil sich, zu mächtig für diese, in ihr die Flügel eines feineren Daseyns entfalten. Nataliens Gefühl, sie sey dem Tode geweiht, täuschte sie nicht. In einzelnen hellern Momenten fühlte sie aber auch eine unsichtbare Gewalt, die sie an das Leben, wie an ein noch nicht vollendetes Tagewerk, fesselte: -- Sie ehrte diese Ahndung als Wink eines heiligen Schicksals, und harrte in stiller Ruhe ihrer Deutung. Monate verrannen indessen, und wurden zu Jahren, ohne daß irgend eine Pflicht, irgend eine Sorge, sie wieder zu einer nähern Befreundung mit den Angelegenheiten der Erde genöthigt hätte. -- In sanfter Stille, ohne Ansprüche an das Leben, geliebt von Allem was sie umgab, ohne Furcht, doch nicht ohne Hoffnung, floß ihr Leben ungetrübt dahin, und die Morgenluft, die sie umwehete, wurde immer reiner und erquicklicher. Oft sehnte sie sich, der Liebe heilige Welt, die sie in sich aufgenommen hatte, dem Manne ihres Herzens darzustellen, ehe sie scheide, damit er wisse, wie sie ihn geliebt habe vom ersten Blick an, wie sie ihn noch liebe, und welchen Seegen diese Liebe in ihr Daseyn gelegt habe. Aber sie wußte, daß er verlobt, und jetzt vielleicht schon der Gatte des von ihm gewählten Mädchens sey, und daß er nie nach ihr gefragt, nie irgend eine Erkundigung nach ihrem Schicksal eingezogen, schien ihr ein Beweis, daß er das Andenken an sie ganz verbannt habe, und es nicht zu erneuern wünsche. Sie brachte also seinem muthmaßlichen Wunsche ihre letzte Freude zum Opfer dar. -- Dies Schweigen wurde Natalien dadurch sehr erleichtert, daß sie durch seine, von Zeit zu Zeit, erscheinenden neuen Werke, mit ihm innig im Geiste fortzuleben vermochte, und in jedem Buche den Schlüssel zu ihm, wie in seiner Individualität den Schlüssel zum Buche fand. Sie gewann auf diesem Wege eine so richtige Ansicht seines Karakters und seiner Eigenthümlichkeit, seiner Grundsätze und Meinungen, wie sie ihr der Jahrelange persönliche Umgang mit ihm nicht anschaulicher zu geben vermocht hätte. Wer kennt nicht die ungeheuren Begebenheiten der letzten Jahre? -- sie erneuerten in Voluda’s Gemüth einen Kampf, den er früher schon einmal siegreich bestanden hatte. Aus seinem Ernst wurde Strenge; aus seiner Festigkeit, Schärfe -- es ward fühlbar, daß jene Bildung des Mannes, die ihm allein das Zusammenleben mit einem liebenden und geliebten Weibe zu geben vermag, bei ihm unvollendet blieb, und daß er, der Starke, auf diese Wunde doch vielleicht ein eisernes Pflaster gelegt hatte. -- So ward sein großer, freier, und in seiner strengen Gerechtigkeit doch noch so edel, +milder+ Sinn, mit dem er früher die Zeit und die Menschen richtete, zum Grimm -- freilich nur zum Grimm, wie er in einem so edlen, zum Haß wie zur Liebe gleich energischen, Gemüthe wohnen kann -- aber doch immer zum Grimm. Der Glaube, das Vertrauen und die Liebe, die ehemals als freie Gabe in ihm wohnten, hielt er jetzt im Kampfe nur mit gewaltiger Kraft fest. -- Und wo die fromme, heilige Entzückung schönerer, freudenvollerer Zeit noch wieder aus der heiligen Tiefe dieser großen Seele aufstieg, und sich wie ein himmlischer Duft über die Natur und das Leben zog -- da erschien sie wie der helle Blitz einer süßen, vorübereilenden, Verzückung! -- Da kam eine Sorge um ihn in Nataliens Herz -- eine Sorge, zu zart für Worte -- aber diese Sorge war die höchste, die innigste, treueste Liebe, die je das Herz eines Weibes gefühlt hat. -- Hätte er sich geliebt gewußt, wie sie ihn liebte, so wäre die Gewißheit solcher Liebe die Vermittlerin zwischen ihm und einer in Unfrieden versunkenen Welt geworden. -- Es kam aber ein Zeitpunkt, wo die von ihm früher mit heisser Liebe umfaßten, später mit unvergänglichem Schmerz verlornen, Hoffnungen für sein Vaterland noch einmal einen neuen Strahl in seine Römerseele sandten. Er griff zum Schwerdt, und schloß sich an den kühnen Führer, dessen abentheuerliches Unternehmen durch den Willen geedelt wird, wenn gleich der Erfolg es verdammt. -- Ein Tag entschied das Schicksal von tausend Heldenherzen -- der tapfre Führer fiel; und Voluda, der verzweifelnd an seiner Seite gefochten hatte, sank schwer verwundet vom Pferde, und ward gefangen. Mit Sturmwinds Eile flog die düstre Kunde dieser Catastrophe durch das Land, und kam auch bald zu Natalien. Ein dunkles Gerücht sagte Voluda gefangen, wenn andre ihn den wackern Tod im Schlachtgewühl finden ließen. Ihr Entschluß, ihn wenn er noch lebte, zu retten, oder mit ihm zu sterben, war schnell gefaßt, und klar stand es nun vor ihrer Seele, was sie bis jetzt, in so wunderbarer Dunkelheit, an das Leben, als an eine noch nicht gelösete Aufgabe, gebunden hatte. Sie raffte zusammen, was sie an Geld und Geldeswerth aufbringen konnte, und eilte in die Gegenden, wo die feindlichen Armeen standen. Ein guter Engel war mit Natalien, und führte sie durch mannichfache Gefahren, unangefochten dem Ziel ihrer Reise zu. Sie fand Voluda nicht mehr; aber sie erfuhr mit Gewißheit, daß er noch lebe, und mit mehreren seiner Gefährten nach der Festung S. abgeführt sey, wo man nur seine Genesung erwarte, um das schon gefällte Todesurtheil zu vollziehen. Der Tag dazu war sogar schon festgesetzt, und nahe. Natalie eilte Tag und Nacht. Kein Schlummer schloß ihr Auge, keine Nahrung kam über ihre Lippen. Die Liebe gab ihr Muth, die Liebe gab ihr Kraft; -- der Kampf zwischen der tiefsten Hoffnungslosigkeit und der inbrünstigsten Hoffnung erhielt sie aufrecht, weil er ihr keine Minute übrig ließ, ihre Ermattung und Anstrengung inne zu werden. Sie war in diesen ewig unvergeßlichen Tagen nur Seele. -- Ein neues Leben drang, wie eine geistige Arzenei, durch alle ihre Adern, als sie erfuhr, Theophil, er, dem sie einst mit so viel Gefahr und Aufopferung Gattin und Kind rettete, sey Commandant der Festung, und Victorine zum Besuch bei ihm. Ihr Weg führte sie durch B., wo Voludas Braut wohnte. Ein heißer Schmerz durchzuckte Natalien, als sie daran dachte und sich eingestehen mußte, die Glückliche habe den näheren Beruf, ihn zu retten, und es sey für sie Pflicht, ihr zu weichen, wenn sie ihr Recht auf dieses Glück gültig machen wollte. Schriftlich bat sie sie um eine Unterredung ohne Zeugen, und gieng dann, der erhaltenen Einladung gemäß, zu ihr. Natalie fand ein sehr reizendes Mädchen, und ihr Herz öffnete sich der Liebe zu dem Wesen, das dem Manne, den sie mit der lautersten Uneigennützigkeit liebte, das Glück seines Lebens gewähren sollte. Sie redete sie mit unverstellter Herzlichkeit an: Entschuldigen sie es, wenn sich Ihnen in so finsteren Trauerstunden, eine Unbekannte zur Vertrauten aufdringt. Sie sind Voludas Verlobte? Sie faßte bei diesen Worten des Mädchens Hand, und sah ihr mit voller Liebe in das Auge, das sich schnell mit Thränen füllte. -- Ja, antwortete sie, ich werde den edlen Mann auch jetzt nicht verläugnen, wo der Tod uns auf ewig zu scheiden droht. Nein, sagte Natalie rasch, und heftig bewegt, er wird leben -- ich bringe Hoffnung, und wenn es noch Schutzgeister des Guten giebt, Rettung. Sie zergliederte ihr hier ihren ganzen Plan, und die an Wahrscheinlichkeit gränzende Möglichkeit seines Gelingens, und forderte sie auf, sie nach S. zu begleiten, um in diesem Fall mit Voluda das Schiff zu besteigen, das ihn nach Amerika zu führen, schon bereit lag. Die Seele der Braut bebte vor den Gefahren und der Ungewöhnlichkeit dieser Schritte zurück. Sie weinte, zagte -- doch vergebens suchte ihr Natalie ihren Muth, ihre Begeisterung, und ihren festen Vorsatz, das Leben an die Rettung des geliebten Mannes setzen zu wollen, einzuhauchen. -- Ich bin sein, rief sie händeringend aus, und will gerne Vaterland und alles verlassen, um ihm zu folgen, sobald er dort angesiedelt ist -- aber ihn aus seinem Kerker entführen helfen und ihn auf seiner Flucht begleiten -- nein, das kann ich nicht. Meine Angst würde mich tödten. Nun, sagte Natalie, so unternehme ich es allein. Ich rette Ihren Verlobten, oder -- Hier stürzte sich Lotte in ihre Arme und ergoß sich in den feurigsten Danksagungen. Natalie staunte bei dieser Mischung von Liebe und Schwäche -- aber ihr Herz schlug froher und stolzer bei dem Gedanken, um wie viel inniger sie den Werth des seltenen Mannes zu würdigen wußte. Was soll ich ihm denn von Ihnen bringen? fragte sie beim Abschied. Sagen Sie ihm, daß ich ihn liebe und ihm treu bleiben werde, und dann bringen Sie ihm dies. Es war ihr Gemälde, das sie für ihn schon früher hatte malen lassen. Sie schnitt jetzt auch eine ihrer schönen, blonden Haarlocken ab, und gab sie Natalien, die beide Gaben an ihrem Herzen verbarg. Aber Sie, fuhr sie fort, wer sind denn Sie, die Sie mir als ein Engel der Rettung erscheinen, wo jede Hoffnung verloren war? Eine längst von Voluda vergeßene, und nie von ihm geliebte Freundin, sagte Natalie still betrübt, und drückte sie sanft weinend an ihr Herz. Gott lasse mir seine Rettung gelingen -- und dann gedenkt meiner zuweilen, wenn Ihr glücklich seyd. -- Zwei Tage darauf kam sie in S. an. Sie ließ sich bei Victorinen melden, und ward von ihr mit jubelndem Entzücken aufgenommen. Zitternd und todtenbleich sank sie bei ihrem Eintritt vor ihr nieder. Ich komme, sagte sie ihr in Tönen, denen kein Herz zu widerstehen vermochte, Dich an eine Schuld zu mahnen, die Du jetzt mit der Seeligkeit meines Lebens lösen kannst. -- Aufschreiend vor Schmerz, sie in diesem Zustand zu sehen, sank Victorine neben ihr nieder, und flehte sie an, nur zu reden, und auf sie zu rechnen im Leben und im Tode. Da vertraute ihr Natalie ihre Liebe und ihren Schmerz, und ihren festen Entschluß, Voluda zu retten, oder hier mit ihm zu sterben. Victorine eilte zu ihrem Gatten, und führte ihn herbei. Ein langer, harter Kampf begann, ehe Natur, Menschlichkeit, und jene ewigen, in die Brust des Menschen gegrabenen Gesetze, die keine Menschensatzung aufzuheben vermag, siegten, und er seine Mitwirkung, zur Ausführung des von Natalien entworfenen Planes, der sie selbst der größten Gefahr preisgab, versprach. Von allen seinen Unglücksgefährten lebte Voluda nur noch allein, seine noch nicht geheilten Wunden hatten ihm das furchtbar grausame Glück verschafft, sie alle zu überleben. Nataliens Plan und ihre getroffenen Anstalten konnten hier allein Rettung möglich machen. Nach unzähligen, besiegten Schwierigkeiten und Gefahren, sah Natalie endlich die Mitternacht hereinbrechen, die zu seiner Befreiung bestimmt war. Tod und Seeligkeit im Herzen, folgte sie, tief verhüllt, ihrem Führer, zu dem grausigen, dumpfen Kerker, wo sie beim Schein der mitgebrachten Leuchte, Voluda auf Stroh gebettet, und in schwere Fesseln geschmiedet, erkannte. Stumm sank sie vor ihm nieder, seine Fesseln zu lösen. -- Sie sind frei, sagte ihr Begleiter zu ihm; was keine andre Macht vermocht hätte, ist der Macht der reinsten Güte und der edelsten Liebe gelungen. -- O Wunderwerk der Liebe! rief Voluda, und zog sie mit dem schon befreieten Arm an sein Herz -- o meine Lotte, wie soll ich Dir danken! -- Nach sechsjähriger Trennung sah Natalie jetzt den Mann wieder, dem ihre Seele angehörte und dem ihr ganzes Leben geweiht war -- sie lag in seinem Arm -- sie fühlte sich von ihm mit inniger Liebe an sein Herz gedrückt -- aber nur, weil er in ihr eine Andre, seine Geliebte, seine Braut, zu umfassen glaubte. -- Nein, sagte sie leise, und schlug ihren Schleier zurück, ich bin’s, Voluda. Plötzlich und rührend trat vor seine Seele jetzt das Bild der ihm fast entfremdeten Zeit, und er erkannte ihre Treue und ihre Liebe -- da umfaßte er sie von Neuem, und in einer langen stummen Umarmung ruhten beide weinend an einander. -- Um Gotteswillen, rief hier ihr Führer, wir haben keinen Augenblick zu verlieren! -- Jede Minute Verzug droht mit dem Tode. Diese Erinnerung an Voludas Gefahr gab Natalien ihre Fassung wieder. Sie sagte ihm in wenig Worten, was er wissen mußte, und gab ihm ihr Taschenbuch, in dem er fernere Anweisung, Wechsel, und Lottens Gemälde fand. -- Dann faßte sie zum Lebewohl seine Hand, -- drückte sie noch einmal an ihr Herz -- noch einen Blick -- und nun, ehe er mit einem Worte Abschied von ihr nehmen konnte, war sie durch die eine Thüre verschwunden, während ihr Begleiter ihn rasch durch die andre fortzog. -- * * * * * Natalie verweilte noch einige Wochen bei Victorinen und ihren Gatten; dann kehrte sie nach N**** zurück, um dort in den Armen ihrer Charlotte, die Stunde ihres Todes mit stiller Freudigkeit zu erwarten. Sie fühlte es, daß sie jetzt am Ziele stand, und sehnte sich in der Blüthe und der Fülle der geistigen Kräfte, mit unendlicher Liebe, nach der Stunde der Vollendung. -- Mit großer Ruhe und Heiterkeit ordnete sie ihren Nachlaß, und wandte alle ihr noch übrige Zeit an, ihre Lieben mit dem Gedanken an ihren Verlust auszusöhnen. -- Sie schrieb ihr Testament mit eigner Hand nieder, und einige Stellen desselben mögen hier als das treueste Gemälde ihrer Stimmung stehen. Am Morgen des Tages, an dem sie es schrieb, hatte sie von ihrem Arzt den Ausspruch erfahren, daß sie das Frühjahr nicht mehr erleben würde. den 4ten Januar. Ich stehe also am Ziele -- aber noch ist es mir vergönnt, mich nach Euch, Ihr Geliebten Meiner Seele, Trost und Stolz und Freude Eurer Natalie im Tode wie im Leben, umzusehen. Noch erreicht Euch meine Stimme -- aber wenn das Siegel dieses Blattes einst gelöset wird, dann tönt sie nur noch aus meinem Grabe dumpf zu Euch empor. -- -- Doch was der Raub dieses Grabes wird, ist nicht das, was Ihr an mir liebtet, und was Euch lieben wird, so lange mein Ich, dies innere, wahre, anerkannte Ich, in irgend einer Form des Daseyns bestehen wird! -- O wie habe ich Euch geliebt! wie liebe ich Euch! -- Wie seelig gerührt versammelt Euch mein Geist in dieser Minute um mich -- wie glücklich macht es mich, sagen zu können, daß ich immer in meinem Leben, und in jedem Verhältniß desselben, +treu+ war. -- O wenn Ihr alles von mir vergessen könnt, so werden doch gewiß Minuten kommen, wo jeder von Euch sich sagen wird: Das Herz, das mich am innigsten und treuesten liebte, ruht nun im Grabe? -- Diese Gewißheit der Treue ist mir jetzt in meiner Sterbezeit mehr Bürge für meine Unsterblichkeit, als alles andre, was ich je darüber geglaubt, gedacht und empfunden habe. Meine Seele hat nur +Einen+ Grundton: -- Liebe -- sie kann nicht vernichtet werden. Treue und unbedingte Hingebung waren bei mir nie ein Verdienst, nie eine Tugend -- sie sind mein Wesen selbst. In Liebe habe ich gelebt -- in Liebe werde ich sterben, und auch, so wahr Gott die Liebe ist, in Liebe einst wieder auferstehen. -- Ich weiß, wie heilig Euch Allen meine letzten Wünsche und Bitten seyn werden, und möchte Euch, meine Einzig, -- Lieben, so vieles, vieles -- sagen. -- Mein Herz ist so voll -- meine Seele stark, mein Geist freudig -- aber mein Leben ist matt, meine Brust wund und hohl. -- Nimm Du mich zuerst an Dein Herz, Du meine reinste, beste Freude, Du frommes reines Herz, Du Seele ohne Makel und ohne Schuld, meine, meine Charlotte. -- Mein letzter Seufzer wird noch Dein Name seyn, und Dank gegen Gott, der mir in Dir mehr gab, als ich je verdient habe -- Liebste Charlotte, Seele meiner Seele -- o diese Trennung von Dir -- ich fühle es in diesem Augenblick -- sie ist wie ein Riß durch ein lebendiges Herz. -- Du wirst mich nie vergessen -- in mancher trüben Stunde wirst Du zu meinem Bilde gehen, und getröstet und gekräftigt davon zurückkehren. Du hast in unsrer Freundschaft eine Gewißheit, wie Himmelsluft, in Dich gesogen, daß nun nie Unwerth und Treulosigkeit Deinen Glauben an Menschenherz werden zu erschüttern vermögen. -- Eine Freundschaft, wie die unsre, ist für mehr als eine Welt. Das Grab trennt uns nicht; wir bleiben vereint. -- Wirst Du einst Gattin und Mutter -- und welches Mädchen ist mehr geeignet in beiden Verhältnissen das Beispiel der edelsten, beglückendsten Pflichterfüllung zu geben? -- so gieb Deiner ältesten Tochter meinen Namen, und liebe mich in dem Kinde fort, wie ich gewiß auch auf irgend eine Art mit Dir verbunden bleiben werde. Versprich mir auch, so lange Du lebst, meinen Geburtstag zu feiern -- sollte ich dort oben den 7ten April wohl vergessen lernen? In Hinsicht Deiner Trauer über meinen Verlust, vertraue ich Deinem frommen Gottergebenen Sinn. -- Ich habe zuweilen gesehen, daß man Kindern Verletzungen mit frischer Erde kühlt -- auch mir, auch meinem armen wunden Herzen wird sie wohl thun. -- Von allen Fähigkeiten meiner Seele ist nur eine ganz entwickelt, ganz geübt worden: die Fähigkeit zu leiden. -- Weine daher um mich -- aber laß es sanfte Thränen seyn. -- Schone Dich, hänge Deinem Gram nicht nach. Es ist meine letzte Bitte; sie wird Dir heilig seyn. -- Und so empfange denn mein letztes Lebewohl -- Gottes bester, bester Segen über Dich -- ich lege meine ganze Seele, mein Herz voll unaussprechlicher Liebe in dieses Lebewohl. Wo ich auch sey, wie ich auch fortdaure, ich will nie mehr +mein+ seyn, als ich +Dein+ bin und bleibe. -- * * * * * Eben so innig und herzlich nahm sie dann von Elisen und August Abschied. Nach ihrem Tode fand sich unter ihren Papieren ein versiegelter Brief an Voluda und ihr von ihr selbst gemaltes Gemälde. -- Sie bat ihre Lieben, sie in der Morgendämmerung an dem von ihr bestimmten Platze im N****er Garten begraben zu lassen. Ihr Vermögen vertheilte sie zwischen ihren Geschwistern und Charlotten. In N**** hatte sie ein Kapital gegründet, von dessen Zinsen die Schule erhalten werden sollte. Ueberhaupt war in ihrem Testamente keiner vergessen, der auch nur entfernten Anspruch auf ihr Andenken und ihr Wohlwollen zu machen hatte. An Buri schickte sie mit einem freundlichen Lebewohl seine an sie geschriebenen Briefe zurück. Schön und freundlich kam dies Jahr der Februar, und brachte einen herrlichen blauen Himmel und -- keine Blüten -- aber einen reichen Seegen von Knospen mit. -- Ihrer alten Liebe zu Blumen und Kräutern getreu, ließ sich Natalie auch jetzt noch in das Gartenzimmer tragen, wo sie immer so gerne gewesen war. -- Die Abendsonne brannte glühend durch die Fenster -- bleich und schwer athmend ruhte Natalie in ihrem Krankenstuhle -- vor ihr kniete ein sanfter, holder Engel, dessen Herz zu fromm war, um diese ernste Stunde der Wiedergeburt für ein höheres Leben, durch lauten Schmerz zu entweihen. -- In dem halbgeöffneten Nebenzimmer sangen zarte Kinderstimmen leise: Und er hat uns gegeben die köstlichste Gabe, Seinen starken Erretter, den Tod, den freudigen Helden Welcher zertrümmert jegliche Fessel der Erde Und aufträgt die schwachen Mühebeladnen Zu der ewigen Freiheit Sonnenglanz Und zu des unendlichen Vaters Hochheiligem Angesicht! -- Siehe, da öffnete sich leise die Thüre -- -- Natalie konnte das müde Haupt nicht mehr erheben, aber ihr brechendes Auge erkannte noch die theure Gestalt -- o sieh, sagte sie zu Charlotte leise, sieh den Todesengel -- freundlich erscheint er mir in der theuersten Gestalt -- o tritt nur näher, und berühre das Herz, das Dich liebt. -- -- Erschüttert trat Voluda näher. -- Er hatte die Vergünstigung erhalten, sein Vaterland wieder zu betreten, und kam die treue Freundin zu sehen -- das Schicksal führte ihn herbei, um Nataliens letzten, innigsten Erdenwunsch, zu erfüllen. Sie starb in seinen Armen. Friede sey mit ihrem Andenken! -- An ihrem Grabe gewann Voluda die Gewißheit einer unvergänglichen Liebe und einer himmlischen Treue, die ihm das schwache Menschenherz und das kleine Leben veredeln und mit denen er jetzt freudiger und sichrer denn je durch die Räthsel einer finstern Zeit geht. Folgende bei +J. E. Hitzig+ in Berlin erschienene vortreffliche Bücher werden jeder Damenbibliothek zur Zierde gereichen. +Baour-Lormian+ Omasis. Schauspiel, übers. von +Robert+. 16. geh. 12 gr. +Bartholdy+, der Liebe Luftgewebe. Lustspiel. Mit ausgemahlt. Kupf. 16. geh. 18 gr. Buch der Liebe. Herausgeg. von +Büsching+ und von der +Hagen+. Erster Band. gr. 8 2 thl. 12 gr. +Cervantes+ Numancia. Tragödie. Aus dem Spanischen von +Fouqué+. 16 9 gr. +Corneille+ Meisterwerke. Metrisch übersetzt von Carl von +Hänlein+. Erster Theil. 8. 1 thl. Caroline von +Fouqué+, Briefe über weibliche Bildung. 16. geb. 12 gr. -- Frau des Falkensteins. Ein Roman in 2 Bänd. 8. 1 thl. 12 gr. -- Kleine Erzählungen. 8. 1 thl. -- Drei Mährchen. 16. geh. 16 gr. -- Rodrich. Roman in 2 Bändchen. 2 thl. 12 gr. -- Friedrich von +Fouqué+, Held des Nordens. 3 Thle. 8. 2 thl. -- Jahreszeiten. Frühling. 8. 1 thl. -- Vaterländische Schauspiele. gr 8. 1 thl. Schreibp. 1 thl. 8 gr. geh. Velinpap. 2 thl. geh. Maskenball, der, ein Kostumebilderbuch mit fein ausgemahlt. Kupf. gr. 4. geb. 3 thl. (besonders brauchbar als Ideenmagazin für Kleidungen zu Maskenzügen, Vorstellungen auf Privattheatern u. s. w.) +Rehfues+, die Brautfahrt in Spanien. Komischer Roman. 2 Bändch. kl. 8. 2 thl. +Schlegel+ Aug. Wilh. Spanisch. Theater. 2 Bde. 8. 4 thl. Velinpapier 6 thl. -- Friedrich, Gedichte. 8. 2 thl. Postvelinpapier 2 thl. 16 gr. geh. Schweizervelinp. 4 thl. geb. +Shakespears+ von +Schlegel+ noch unübersetzte Werke. 3 Theile. 8. 4 thl. Velinpapier. 6 thl. 16 gr. geb. (Für die Besitzerinnen der +Schlegelschen Skakespear+ ganz unentbehrlich). +Stael+, Frau von, Aspasia. Eine Charakterzeichnung. geh. 4 gr. +Wolfart+, die Katakomben. Tragödie. M. Kupf. 16. geh. 18 gr. Anzeige. Gedichte von Helmina Christina von Chézy geb. v. Klenk. Durch die Nachsicht des Publikums für meine früheren Versuche, und den lebhaften Wunsch meiner Freunde aufgemuntert, habe ich mich entschlossen, noch während meiner Abwesenheit in Deutschland eine kleine Auswahl meiner Gedichte herauszugeben. Noch lebt das Andenken meiner mir verehrten lieben Großmutter, der +Anna Louisa Karschin+, in Deutschland. Wenn nun der Name ihrer Enkelin ein Anspruch auf das Wohlwollen und die Theilnahme der Deutschen ist, so bleibt mir nichts zu wünschen übrig. In Frankreich hat mir mein Mann viel herrliche orientalische Dichtungen mitgetheilt, die ich poetisch nachgebildet habe. Diese glänzenden Blüthen aus dem Sanskrit, dem Arabischen und Persischen, sind die Zierde meiner Sammlung. Meine eignen Gedichte sind meist lyrische: ungekünstelte Blumen der Natur und der inneren Begeisterung, dem Herzen willkommen, weil sie von Herzen gehen. So viel darf ich, nicht ohne Freude, selbst davon sagen. H. C. v. Chézy, geb. v. Klenk. Druck und Papier der oben angekündigten Sammlung sollen zierlich und makellos seyn. Der Subscriptionspreis für die Sammlung, ungefähr ein Alphabet stark, ist 2 fl., nach der Erscheinung wird das Werk für 3 fl. verkauft. Den achtungswerthen Theilnehmern an dem Unternehmen bleibt die Wahl, ob sie subscribiren oder pränumeriren wollen, in letztern Fall wird der Pränumerationspreis bei unterzeichneter Buchhandlung niedergelegt. Wer sechs Subscribenten sammelt, erhält das 7te Exemplar frei. Die Liste der Subscribenten wird dem Werke vorgedruckt. Heidelberg, im July 1811. Mohr u. Zimmer. Für Berlin und die umliegenden Gegenden bin ich Subscription anzunehmen bereit. J. E. Hitzig. +Buchhändler in Berlin+, Charlottenstraße Nro. 32. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK NATALIE *** Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the trademark license is very easy. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™'s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's website and official page at www.gutenberg.org/contact Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. 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