The Project Gutenberg EBook of Aus dem Morgenlande, by Heinrich Brugsch This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org/license Title: Aus dem Morgenlande Altes und Neues Author: Heinrich Brugsch Annotator: Ludwig Pietsch Release Date: October 15, 2019 [EBook #60501] Language: German Character set encoding: UTF-8 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK AUS DEM MORGENLANDE *** Produced by the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net #################################################################### Anmerkungen zur Transkription Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und altertümliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert. Rechtschreibvarianten wurden nicht vereinheitlicht, wenn diese im Text mehrmals auftreten. Im Abschnitt ‚Die älteste Rechenkunst‘ wurden zwei der angeführten Zahlenverhältnisse sinngemäß korrigiert. Der Übersichtlichkeit halber wurde das Inhaltsverzeichnis an den Anfang des Texts, die Buchwerbung ‚Helios-Klassiker-Ausgaben‘ dagegen an das Ende des Buches verschoben. Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt. Besondere Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung mit den folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet: Fettdruck: =Gleichheitszeichen= gesperrt: +Pluszeichen+ Antiqua: ~Tilden~ #################################################################### [Illustration: Heinrich Brugsch-Pascha.] Aus dem Morgenlande. Altes und Neues von Prof. ~Dr.~ H. Brugsch-Pascha. Mit einer Lebensbeschreibung des Verfassers von Ludwig Pietsch. Mit Porträt und 7 Abbildungen. Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. Aus dem Morgenlande. Inhaltsverzeichnis. Seite Heinrich Brugsch-Pascha. Von Ludwig Pietsch 5 Die Symbolik der Farben 13 Die älteste Rechenkunst 25 Der Hypnotismus bei den Alten 43 Litteraten zur Moseszeit 53 Zur ältesten Zeitrechnung 62 Die sieben Hungerjahre 75 Zur ältesten Geschichte des Goldes 90 Feier der Grundsteinlegungen in ältester Zeit 101 Eine Blitzstudie 128 Der große königliche Gräberfund 140 Die großen Ramessiden 170 Pyramiden mit Inschriften 176 Im Faijum 192 Heinrich Brugsch-Pascha. Das physiologische Kapitel von den geistigen Anlagen und der Vererbung ist, trotzdem wir in unserem Wissen von der Natur so herrlich weit gekommen sind, noch immer ein so dunkles und geheimnisvolles, wie je in früheren „dunkeln“ Zeiten. Wie kam der Knabe, welcher am 18. Februar 1827 zu Berlin dem braven Unteroffizier bei den Garde-Ulanen, Brugsch, geboren wurde, dazu, während seine großen geistigen Fähigkeiten fast noch unerweckt und von anderen kaum geahnt in seiner Seele ruhten, als er noch die mittleren Klassen des Kölnischen Gymnasiums besuchte, plötzlich von einer alles andere zurückdrängenden Leidenschaft für die Geschichte, die Kunst und Schriftwerke des alten Pharaonenlandes ergriffen zu werden? Es war, als ob eine ganz besondere Anlage gerade für diesen Zweig der Altertumswissenschaft in ihn gelegt gewesen wäre. Die erste Lektüre des Abschnittes über Ägypten im alten Herodot, welchen der des Griechischen noch nicht mächtig gewordene dreizehnjährige Schüler in deutscher Übersetzung zufällig zu lesen bekam, entschied über sein ganzes ferners Leben und Streben. Ein heißes Verlangen, sich über alles, was jenes alte Wunderland am Nil betraf, zu unterrichten, ergriff ihn. Er gab Unterrichtsstunden an andere Schüler, um sich die Mittel zu verschaffen, sich Bücher über Ägypten zu erwerben. Die Königliche Sammlung ägyptischer Altertümer, die damals noch in dem, heute vom Hohenzollernmuseum eingenommenen, Schloßpavillon von Monbijou aufgestellt war, wurde der letzte Aufenthalt des Schülers. Sein ernster Eifer und seine Begeisterung für diese Denkmale machte den Direktor der Sammlung, Prof. Passalacqua, auf ihn aufmerksam. Er suchte den jungen Brugsch in seinen Bestrebungen zu fördern; lehrte ihn die Arbeiten Champolions, die Entzifferung der Hieroglyphenschrift und deren Grammatik, kennen. Mit dieser vertraut geworden, warf Brugsch sich auf das Studium der demotischen, d. h. der altägyptischen Volkssprache und Schrift, mit gleicher Leidenschaft. Bald lernte er diese Zeichen auf Steininschriften und Papyrusresten lesen und entziffern. Ja noch als Schüler des Gymnasiums verfaßte er eine Grammatik der demotischen Sprache der alten Ägypter. Alexander von Humboldt, der hochherzige Förderer aller geistigen Bestrebungen, unterstützte den jugendlichen Gelehrten mit den zur Herausgabe dieser Arbeit erforderlichen Geldmitteln. Wenn Lepsius, der Berliner Ägyptologe, ein abfälliges Urteil über dieselbe abgegeben haben soll, so fand sie dafür in Paris eine desto ehrenvollere Aufnahme. Eine der ersten Autoritäten, Vicomte E. de Rougé, spendete dem Werk des jungen Deutschen die wärmste Anerkennung. Vor seinen Lehrern hatte dieser merkwürdige Gymnasiast jene Studien und Arbeiten vollständig geheim zu halten gewußt. Sie sahen ihn nur besonders auf den Gebieten der Sprachen, der Geschichte, Geographie, Mathematik und Naturwissenschaften während dieser Zeit überraschend schnelle glänzende Fortschritte machen, ohne zu ahnen, welche Bedeutung er durch eigene Kraft, heimlich studierend und arbeitend, in der Specialwissenschaft der ägyptischen Altertumskunde erworben hatte. Das Glück gesellte sich dem Talent und dem Fleiß. Direktor Passalacqua machte Friedrich Wilhelm IV. auf Brugsch und seine Arbeiten aufmerksam. Der König gewährte ihm ein reiches Stipendium, um seinen Universitätsstudien obzuliegen, und nach deren Absolvierung eine neue königliche Unterstützung, um seinen sehnsüchtigsten Wunsch zu erfüllen, Ägypten zu bereisen und die gewaltigen Denkmale der Pharaonenzeit in ihrer Heimat mit eigenen Augen zu sehen und zu studieren. Im Jahre 1852 trat Brugsch diese Reise an. Er hatte das Glück, in Kairo die Bekanntschaft des berühmten französischen Ägyptologen +Mariette-Bey+ zu machen, der damals eben in der Nähe des Dorfes Sakkarah bei der ungeheuern Totenstadt der Hauptstadt des alten Reiches, Memphis, die Ausgrabung des dort entdeckten grandiosen unterirdischen Felsengrabes mit den kolossalen schwarzen Granitsarkophagen der heiligen Apisstiere leitete. Dabei wurde auch eine außerordentliche Menge demotischer Inschrifttexte ans Licht gefördert, welche dem Scharfsinn und dem gelehrten Wissen des deutschen Forschers reichen Anlaß zur glänzenden Bethätigung bei ihrer Entzifferung boten. Acht Monate verweilte er dort in der Gesellschaft Mariettes und widmete sich mit voller Hingebung diesen für die altägyptische Sprach-, Geschichts- und Landeskunde unschätzbar wichtig gewordenen Arbeiten. Erst dann setzte er seine Studienreise nach Oberägypten zu den anderen Tempelpalästen, den Denkmalen und Felsengräbern am Wüstenrande des Nilthales fort. -- Zwei Jahre lang hatte ihn dieser ägyptische Aufenthalt von der Heimat fern gehalten. Nach Berlin im Jahre 1854 zurückgekehrt, wurde Brugsch vom Könige und Alexander von Humboldt in jeder Weise ausgezeichnet. Er habilitierte sich als Privatdocent an der Universität, und es fehlte ihm nicht an begabten Schülern, welche sein Werk erfolgreich fortgesetzt haben. Seine Studien arbeitete er zu einem großen historisch-geographischen Werk über das alte Ägypten der Pharaonenzeit aus. Noch eine zweite Reise dorthin unternahm er nicht lange nach jener ersten. Diesmal machte er die Nilfahrt nach Oberägypten auf einem viceköniglichen Dampfer in Gesellschaft seines Freundes Mariette, der eben damals mit der Begründung des ägyptischen Museums zu Bulak bei Kairo beschäftigt war. Durch Humboldt warm empfohlen, machte Brugsch damals die persönliche Bekanntschaft des Chedive Said-Pascha, der ihm die Mittel zur Herausgabe seines ersten französisch geschriebenen Versuchs einer Geschichte Ägyptens gab. Diese von ihm veröffentlichte „~Histoire d’Égypte~“ ist die Grundlage seines späteren 1879 erschienenen umfassenden Werkes „Geschichte Ägyptens unter den Pharaonen“ geworden. -- Den wieder Heimgekehrten trafen herbe Schicksalsschläge. Sein Vater starb, und dieser Tod legte dem Sohne die Pflicht der Sorge für eine geliebte Mutter und einen fünfzehn Jahre jüngeren Bruder auf. Ein Jahr später schied auch sein hochherziger greiser Gönner Alexander von Humboldt aus dem Leben, und der königliche Schützer und Förderer des Gelehrten, dessen besondere Wissenschaft nicht zu denen gehört, welche ihren Jüngern als reichlich melkende Kühe dienen können, verfiel jener schweren unheilbaren Gehirnkrankheit, die seinen reichen Geist für immer in Nacht hüllte und ihn stumpf und tot für alles geistige Leben um ihn herum machte. Es kam eine schwere Zeit für den Schützling des unglücklichen Monarchen.... In ganz ungeahnter Weise sollte Brugsch aus diesem engen sorgen- und mühevollen Leben in der Heimat herausgerissen werden. Er nahm eine Einladung des ihm wohlwollenden Herrn von Minutoli an, ihn auf seiner Gesandtschaftsreise nach Teheran zum Schah von Persien zu begleiten. Jener erlag auf derselben einer tödlichen Krankheit. Brugsch trotzte glücklich allen Anstrengungen und Gefahren dieser Reise, von deren Verlauf sein 1862 veröffentlichtes Buch: „Die Reise der preußischen Gesandtschaft nach Persien“ ein getreues fesselndes Bild giebt. Der anscheinend mit seinem ganzen Denken der Gegenwart abgewendete, auf die Beschäftigung mit einer seit Jahrtausenden versunkenen Welt und Kultur sich konzentrierende Gelehrte war durch die Verhältnisse in eine praktische, halb diplomatische Thätigkeit hineingedrängt worden. Dem von Persien unbefriedigt Zurückgekehrten wurde von der preußischen Regierung die Stelle eines Konsuls in Kairo angeboten, und er nahm sie in der Hoffnung an, so die beste Gelegenheit zur Fortsetzung seiner ägyptischen Studien zu erhalten. Aber bald mußte er die Unmöglichkeit erkennen, zugleich zweien Herren zu dienen, der reinen Wissenschaft und den Konsulatsamtspflichten. Letztere nahmen seine ganze Zeit in Anspruch; um so mehr als gerade damals (1865) die verheerende Choleraepidemie und eine furchtbare Teuerung ausbrachen. Die großen Schwierigkeiten seiner Stellung wurden dadurch aufs äußerste gesteigert. Er hatte den schlimmsten Gefahren tapfer Stand gehalten. Aber die Konsulatsthätigkeit war ihm gründlich verleidet. Er legte sein Amt nieder mit der Absicht, dauernd in Frankreich seinen Wohnsitz aufzuschlagen, da sich im Vaterlande für seine wissenschaftliche Kraft keine Verwendung zu finden schien. In Paris fand er desto schmeichelhafteres Entgegenkommen. Aber gerade damals erging an Brugsch die Königliche Berufung an die Universität Göttingen als ordentlicher Professor. Nun endlich konnte er wieder seine streng wissenschaftlichen Arbeiten aufnehmen. Die Lehrthätigkeit, welche er mit großem Erfolge, eine Schar von Hörern um sich versammelnd, übte, ging damit Hand in Hand. Dort hat er 1868 das großartige Werk seines Wörterbuchs der demotischen und der Hieroglyphenschrift der alten Ägypter vollendet, das vier Bände umfaßt, welche er seitdem noch durch drei Supplementbände ergänzt hat. -- Aber langes ruhiges Verharren in derselben Stellung ist ihm niemals beschieden gewesen. Sein ganzes reiches Leben zeigt einen beständigen Wechsel des Orts, der Stellung, der Thätigkeit. In demselben Jahr 1868 erging an ihn eine Einladung des damaligen Chedive von Ägypten, Ismael Pascha, nach Kairo zurückzukehren und in ägyptische Dienste zu treten, um in seiner herrlichen Hauptstadt eine ägyptische Akademie ins Leben zu rufen, zu organisieren und zu leiten. Mit Königlicher Bewilligung verließ Brugsch, auf welchen das Nilland immer wieder seinen alten Zauber, seine unwiderstehliche Anziehungskraft ausübte, Göttingen und folgte dem verlockenden Ruf. Seine Bemühungen, die Absicht und Idee Ismael Paschas zu realisieren, blieben nicht erfolglos. Das folgende Jahr des höchsten Glanzes der Regierung des Chedive, das Jahr der Eröffnung des Suezkanals im Beisein der Souveräne und aller glänzendsten Repräsentanten der Bildung und des Geistes Europas und Amerikas, führte Brugsch auf ägyptischem Boden in mannigfache persönliche Beziehungen zu jenen erlauchten Gästen. Wurde es auch durch nicht eben lautere Mittel verhindert, daß er, der wie kein Zweiter für eine solche Aufgabe berufen und geeignet war, unseren Kronprinzen auf seiner Nilfahrt nach Oberägypten als sachkundigster Führer durch jene Wunderwelt der altpharaonischen Riesendenkmäler begleitete, so ward ihm dafür die Genugthuung, sich eingeladen zu sehen, den Kaiser von Österreich zu der und durch die Nekropole des alten Memphis mit ihren Pyramiden und Grabtempeln zu geleiten. An ehrenden Auszeichnungen für die hohen wissenschaftlichen Verdienste seines Führers ließ Kaiser Franz Josef es nicht fehlen. Wie des Vaters Gunst, so wurde dem Gelehrten später auch die des Sohnes, des Kronprinzen Rudolf, im vollen Maß zu teil. Auf dessen Reise nach Oberägypten im Jahre 1881 hat Brugsch ihn auf die dringende Einladung des liebenswürdigen Prinzen als Führer und Dolmetscher begleitet. Uns Deutschen, die wir durch das große Ereignis der Eröffnung des Suezkanals nach Ägypten geführt worden waren, erwies sich unser berühmter Landsmann, in seiner hochangesehenen, wichtigen Stellung im ägyptischen Staatsdienst allzeit hilfreich, förderlich und dienstbereit. Er öffnete uns sein Haus, in dessen Räumen wir, echte deutsche Heimatluft atmend, das Weihnachtsfest jenes Jahres feierten, und sammelte durch sein ganzes Bezeigen feurige Kohlen auf unser Haupt. Zu dem unvergänglichen Glanz und Reiz, der in unserer Erinnerung diese letzten Monate des Jahres 1869 umstrahlt und schmückt, hat Heinrich Brugsch sehr wesentlich beigetragen. Er blieb während der folgenden Jahre bis zur Abdankung Ismael Paschas und zum Siege der britischen Intriguen und Vergewaltigungen Ägyptens in dem Dienste des Chedive. Als dessen Generalkommissar organisierte und leitete er jene wundervolle ägyptische Abteilung der Wiener Weltausstellung im Jahre 1873, und ebenso drei Jahre später die der Ausstellung zu Philadelphia. Jede dieser großen Aufgaben, die eben so gründliche, wissenschaftliche Kenntnis des ägyptischen Altertums, der pharaonischen wie der arabischen und mameluckischen Zeiten des Nillandes und ihrer Denkmale, eine gleich innige Vertrautheit mit dem Leben, der Kultur, der Thätigkeit des ägyptischen Volkes und seiner Regierung in der Gegenwart, und dazu noch einen hohen Grad von organisatorischem Talent und praktischem Geschick erforderten, hat Brugsch vollendet und in wahrhaft vornehmer Weise im Sinne und zur Zufriedenheit seines Auftraggebers zu lösen verstanden. Aber während alle, die damals das Vertrauen des Chedive genossen und einflußreiche Stellungen bei ihm bekleideten, sich auf seine Kosten bereichert haben, ist Brugsch ohne Vermögen, wie er in dessen Dienst getreten war, auch wieder aus Ägypten gegangen. Der Titel Pascha und eine kleine Pension -- darauf beschränkt sich der Lohn, der ihm geworden. Noch mehrfach begleitete er, als mit Land und Leuten, mit der Sprache und den Denkmalen vertrautester Führer, europäische Fürsten auf ihren Reisen durch Ägypten und auch wohl Syrien; so den Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin; so den Prinzen Friedrich Karl. Einen lebendigen und anregend geschriebenen Bericht über diese Reise hat Brugsch in einem durch Major von Garnier mit Zeichnungen geschmückten Buch: „Prinz Friedrich Karls Reise im Morgenlande“ gegeben. Solche Reisen und jene zeitraubenden Arbeiten als Ausstellungskommissar haben ihn dennoch nie dauernd von seiner streng wissenschaftlichen Thätigkeit abzulenken vermocht. Durch seine immer fortgesetzten Forschungen und litterarischen Veröffentlichungen über die Himmels- und Erdkunde, Zeitrechnung, Geschichte, Sprache, Philosophie, Religion, Poesie und Kunst der alten Ägypter hat er damals die Kenntnisse von dieser ehrwürdigen ältesten Kultur der Welt fort und fort erweitert, vertieft und bereichert, seiner Wissenschaft neue Freunde und Bekenner geworben und mächtig dazu beigetragen, das Bewußtsein von ihrer Bedeutung und Wichtigkeit zu verbreiten und in seinem Volk lebendig zu erhalten. Als Brugsch aus dem ägyptischen Dienst geschieden war, ließ er sich in seiner Vaterstadt Berlin nieder, um hier unabhängig seinen fachwissenschaftlichen und litterarischen Arbeiten zu leben. Doch auch dann war ihm längere ununterbrochene Seßhaftigkeit nicht beschieden. Jener Reise mit dem Prinzen Friedrich Karl haben wir bereits gedacht. Als zwei Jahre später die Regierung des Deutschen Reiches wieder eine Gesandtschaft nach Persien abordnete, lenkte sich ihre Aufmerksamkeit auf Brugsch, der, von seiner früheren Mission her mit Land und Leuten vertraut, der persischen Sprache mächtig, ganz als der rechte Mann erschien, diese Gesandtschaft als Dolmetscher zu begleiten. Er nahm diesen Auftrag an, welcher ihm zum Titel Legationsrat verhalf, ihn während neun Monaten fern von der Heimat hielt und zur vollen Zufriedenheit der Regierung von ihm erledigt wurde. Die litterarischen Früchte dieser Reise sind das kleine Buch: „Im Lande der Sonne“, und ein anderes: „Die Muse von Teheran“. In Berlin lebt Brugsch seit seiner Rückkehr von dieser Reise als Privatmann. Der berühmte Gelehrte, der als eine der ersten Fachautoritäten in der wissenschaftlichen Welt aller Kulturnationen gilt, das Mitglied der meisten Akademien des Auslandes, liest an der Berliner Universität als +Privatdocent+. Die durch Lepsius’ Tod erledigte Professur der ägyptischen Altertumskunde wurde anderweitig besetzt. -- Einen Lieblingsgegenstand seiner neueren Studien und teils fachwissenschaftlichen, teils populär gehaltenen litterarischen Arbeiten bildet die antike Metrologie, die Kunde von den Maßen und Gewichten der alten Völker. In diesen Arbeiten hat er es zuerst nachgewiesen, daß das in der ganzen antiken Welt gebräuchlich und allgemein gültig gewesene Teilungssystem nach der sexagesimalen Skala nicht, wie vordem angenommen wurde, von den Babyloniern, sondern von den Ägyptern zuerst erdacht und durch sie verbreitet worden ist. In der Geschichte der deutschen „Gelehrten-Republik“ gehören Männer von dem Naturell und den zum Teil durch dasselbe bedingten Schicksalen unseres Brugsch zu den Seltenheiten. Eine solche enorme wissenschaftliche Arbeit, ein so tiefes Versenken in eine, die ganze Geisteskraft in Anspruch nehmende Disciplin und ein dadurch errungener so großer Schatz von umfassender Gelehrsamkeit, wie die seine, scheint sich kaum vereinigen zu lassen mit seinem so wechselvollen, bewegten Dasein und allen jenen von dem ruhigen, wissenschaftlichen Studium, von der Forschung und der Verarbeitung ihrer Resultate weit abliegenden, mannigfachen Thätigkeiten, zu denen er gedrängt gewesen ist, und in welchen er sich stets und überall gleich tüchtig und ausgezeichnet bewährt hat. Es gehörte eine so ganz eigenartige Organisation wie diese dazu, um so Widerstrebendes in sich zu vereinigen, so entgegengesetzte Qualitäten in sich zu gleich reifer Entwickelung gelangen zu lassen. Um so merkwürdiger und bewundernswerter will uns das erscheinen, als Brugsch bereits frühe in seinem Leben die Bürde der Familiensorgen auf sich genommen hat, denen durch den Tod des Vaters noch neue hinzugefügt worden sind. Wenn seine Nachkommenschaft auch nicht die ganze Zahl der Kinder seines großen älteren Kollegen Theodor Mommsen erreicht, so ist der Besitz von acht Söhnen und zwei Töchtern immerhin stattlich genug. Wie trefflich er die Vaterstelle an seinem jüngsten Bruder vertreten hat, beweist die Thatsache, daß derselbe es unter Brugsch-Paschas Leitung bis zum Konservator des Ägyptischen Museums in Kairo-Bulak und zur Würde eines Bey gebracht hat, und sein Name für immer verknüpft ist mit dem großartigen und unschätzbaren Funde der Königsmumien der Ramessiden. Auch der älteste Sohn aus erster Ehe war dem Vater nach Ägypten gefolgt, wo er höchst segensreich als einer der ersten Augenärzte wirkt. -- Naturell und Schicksal haben Brugsch-Pascha auch bis auf diesen Tag glücklich bewahrt vor jener Verknöcherung, jenem Zunftstaube, jenem Gelehrtendünkel, jener Pedanterie, von denen die professionellen Leuchten der Wissenschaft in Deutschland sich so selten frei zu halten wissen. Er ist ein ganzer und freier Mensch geblieben, der das Leben kennt und in dem der Gegenwart so heimisch ist, wie in dem des Altertums, und dem wohl in den Tiefen seiner Wissenschaft nichts verborgen, aber auch nichts Menschliches fremd ist. +Ludwig Pietsch.+ Aus dem Morgenlande. Die Symbolik der Farben. Bis in die Gegenwart hinein haben die Farben eine symbolische Auffassung bewahrt, deren Ursprung sich nicht erst seit gestern herschreibt. Wir verbinden mit Weiß die Vorstellung der Unschuld, im Grün erscheint uns das Symbol der Hoffnung, im Blau das der Treue, das Rot beziehen wir auf die Liebe, der Haß erscheint als Gelb, die Bescheidenheit als Silbergrau, die Trauer als Schwarz. In der Umgangssprache bis zum Volkstümlichen hin reden wir von Gelbschnäbeln, vom roten Hahn auf dem Dache, von einer roten Gesinnung, vom blauen Montag, lassen ein „so blau“ hören, sprechen von grünen Jungen, kennen das Dichterwort: grau sei alle Theorie, hüten uns jemand anzuschwärzen, verabscheuen den schwarzen Verrat, den schwärzesten Undank, sehen schwarz und was dergleichen Beispiele mehr sind. Im Morgenlande, um nur auf zwei hervorragende Redensarten im Munde der Araber und Perser hinzuweisen, heißt: das Gesicht oder den Bart jemandes weiß oder schwarz machen, je nachdem man eine damit gemeinte Person ehren, heiter stimmen, erfreuen oder sie beleidigen, kränken, trübselig stimmen will. Alles das ist so wohl bekannt, daß ich kein Wort darüber zu verlieren brauche. Die Farbe hat eine symbolische Bedeutung gewonnen, deren Sinn dem Hörenden sofort klar wird und von niemand mißverstanden wird. Selbst in der Wahl der Farbe unserer Tracht spielt die Farbensymbolik eine besondere Rolle. Wenn wir von jenem Knaben lesen, der an dem feierlichen Begräbnis seines Großvaters keine Freude mehr zu haben äußerte, weil ihm eine schwarze Weste, statt einer gewünschten rotfarbigen vom Schneider gemacht werden sollte, so lächeln wir darüber, weil es die Sitte erheischt, eine Trauerkleidung in Schwarz anzulegen, aber dennoch übersehen es selbst gebildete Leute bisweilen, daß eine schwarze Kravatte und schwarze Handschuhe ebenso unentbehrlich zur Trauerkleidung sind, da Weiß einmal die Farbe der Freude und des Festlichen geworden ist, die sich wenig zur Trauer schickt. Soll ich von der Symbolik der Augenfarben reden, so müßte ich mich vor allem an die Dichter wenden, welche gerade dieses Thema mit Vorliebe auszubeuten pflegen. Ich rufe meinen Lieblingspoeten und langjährigen Freund von Bodenstedt als Zeugen für alle übrigen an, daß aus den blauen Augen die Treue spricht, braune Augen schelmische Gesinnung verrät, graue Augen Schlauheit weissagen und der schwarzen Augen Gefunkel wie Gottes Wege dunkel sei. Grüne Augen habe ich niemals preisen hören; der böse Leumund findet Katzenartiges darin, gerade wie manche so ungerecht sind, aus der roten oder rötlichen Färbung des Haares Eigenschaften seines Trägers herauszulesen, die zur blauen Treue im Gegensatze stehen. Andere, ja selbst ganze Zeitalter, urteilten nicht nur billiger, sondern erklärten gerade diese Färbung als einen Vorzug der körperlichen Schönheit. Die Meinungen gehen also auch in dieser Frage bisweilen auseinander, und es wird entschuldbar sein, wenn ich den Versuch wage, der Sache auf den Grund zu gehen und mich an die ältesten Vertreter oder richtiger gesagt, an die wirklichen Urheber der Farbensymbolik zu wenden. Ich überspringe Jahrtausende und teile am Schlusse meiner Betrachtung mit meinen Lesern das Erstaunen über die Erbschaft der Farbensymbolik, welche wir Jüngste von den ältesten Vätern des Kulturlebens übernommen haben und bis zur Stunde mit aller Treue pflegen. Ich versetze mich zuerst nach der Stätte der heutigen Stadt Hamadan, auf welcher ich selbst einige Zeit verlebt habe, um klassische Überlieferungen über ihre Vorgängerin, die Hauptstadt der alten Meder Agbatana oder Ekbatana, das Achmata der Bibel, aufzuwärmen. Bis auf den unverrückbaren Berg mit seinem Sonnenaltar und seiner Keilschrift ist von der stolzen Königsburg der Mederfürsten weder ein Stein auf dem andern, noch ein Stein überhaupt übrig. Es bleibt der Phantasie überlassen, nach der Schilderung Herodots die vom Boden der Erde wie weggeblasene Burg von neuem aufzubauen und die modernen bunten Fayencemauern in den Palästen des heutigen Schahynschah von Persien zu Hilfe zu nehmen, um eine richtige Vorstellung des vollendeten Werkes zu gewinnen. Herodot erzählt, der Mederkönig Dejokes (um 700 v. Chr.) habe auf einem Hügel in Agbatana eine Burg und im Anschluß daran seine Schatzhäuser anlegen und beide von einem siebenfachen Mauerringe umgeben lassen. Die Zinnen der einzelnen Ringmauern hätten besondere Metallüberzüge und Färbungen erhalten und zwar der Reihe nach von innen nach außen fortschreitend: „Gold, Silber, Mennigrot, Blau, Purpur, Schwarz Weiß“. Die gelehrte Welt ist schon längst auf den Gedanken verfallen, diese Farben auf die sieben Planeten der Alten zu beziehen. Das Gold würde der Sonne, das Silber dem Monde entsprechen. Die übrigen Farben bleiben für die fünf eigentlichen Planeten übrig, von denen wenigstens das Rot für den Planeten Mars und das Weiß für die Venus ein altes inschriftliches Zeugnis erhält. Auf alle Fälle waren die Farben nicht zufällig gewählt, sondern besaßen eine jede ihre symbolische Bedeutung. Der Reichtum der altägyptischen Inschriftenwelt gestattet uns, die Farben und ihre Reihenfolge bis in das achtzehnte Jahrhundert vor Christi hinauf in unwiderleglicher Weise festzustellen. Ihre Anordnung bildete geradezu das Prinzip, nach welchem farbige Gegenstände, an der Spitze alle Mineralien, in den Texten hergezählt wurden. Ich wähle eines der vollständigsten Beispiele, das als Muster für alle ähnlichen gelten darf: 1) +Silber+, 2) +Gold+, 3) +Saphir+ oder +Lasurstein+, 4) +Smaragd+, 5) +Eisen+, 6) +Kupfer+, 7) +Blei+, 8) +Smirgel+. Da in den bunten Darstellungen diese Metalle und Steine unter der ihnen eigentümlichen +Farbe+ dem Beschauer vor Augen geführt werden, so läßt sich daraus der Schluß auf die folgende Farbenreihe ziehen: Weiß, Gelb, Dunkelblau, Grün, Hellblau, Rot, Grau und Schwarz. Auf einer altägyptischen Malerpalette des Berliner Museums enthalten die zur Aufnahme der Farben bestimmten Vertiefungen der Reihe nach: Weiß, Gelb, Grün, Hellblau, Rot, Schwarz, schließen also eine Bestätigung für die beliebte Anordnung der Farben von der hellsten bis zur dunkelsten hin in sich. Von den eben besprochenen Farben waren es vier, welche sich eines besonderen Vorzuges erfreuten und im Tempeldienst geradezu als +heilige+ betrachtet und geehrt wurden. Ihre Namen und Folge giebt die Reihe an: +Weiß+, +Grün+, +Hellrot+, +Dunkelrot+, während in einer jüngeren Epoche das +Hellrot+ durch +Hellblau+ verdrängt wurde. Die Teppiche, Vorhänge, Gewänder und Flaggen an den Mastbäumen vor den Turmflügeln der Tempel mußten vorschriftsmäßig diese Farben zeigen, um zum heiligen Gebrauch verwertet werden zu können. Es ist gewiß nicht zufällig, daß auch bei den Ebräern vier Kultusfarben vorgeschrieben waren: +Weiß+, +Blau+, +Dunkelrot+ und +Hochrot+, welche bei den Teppichen, Vorhängen des Tempels und der Priesterkleidung ihre Verwendung fanden. Daß jeder Farbe eine symbolische Bedeutung eigen gewesen war, liegt auf der Hand, wenn es auch den Auslegern noch nicht gelungen ist, die Beweise im einzelnen endgültig zu führen. Der Unterschied zwischen den ägyptischen vier heiligen Farben und den ebräischen berührt lediglich die Farbe des +Grünen+, welche bei den Israeliten durch +Blau+ ersetzt ward. Bevor ich zur Symbolik der Farben nach den altägyptischen Überlieferungen übergehe, sei mir ein Wort über den ältesten Ausdruck der +Farbe+ zunächst vergönnt. Die altägyptische Sprache setzt ein altes Wort dafür ein, dessen Grundbedeutung „Haut“ ist, sowohl die des Menschen, als die des Tieres. Die Verschiedenheit der Hautfärbung für das menschliche Auge führte auf den allgemeinen Farbenbegriff, ohne Rücksicht auf den farbentragenden Gegenstand selber. Daß man auch bei den Tieren auf die besondere Färbung der Haut, genauer der Haare, der Federn oder des glatten Felles, acht hatte, beweisen die heiligen Tiere (von jeder Gattung +vier+), deren Farbe durch eine priesterliche Kommission genau untersucht und als äußerliche Merkmale ihrer Heiligkeit angesehen wurden. Die wenigen Andeutungen, welche sich in den Büchern der Heiligen Schrift darüber finden, lassen die symbolischen Bedeutungen der Farben dennoch mit aller Klarheit durchblicken. Die Engel, aber auch die Priester, trugen weiße Kleider, denn weiß und unbefleckt ist die Farbe der Sündlosigkeit und Reinheit, wie Rot die Farbe des Blutes und der Sünde, daher die des Drachen (Satan). Die schwarze Farbe wies auf Trauer und Elend hin, während Dunkelblau, die Farbe des Himmels, auf Pracht und Herrlichkeit und das Falbe auf den Tod bezogen wurde. Schon den Griechen, welche Ägypten besuchten oder über ägyptische Dinge schrieben, fiel der ausgedehnte Symbolismus der Farben nach den priesterlichen Anschauungen auf. Was sie darüber gemeldet haben, stimmt auf das Vollständigste mit den neuesten Untersuchungen auf Grund der lesbar gewordenen altägyptischen Quellen überein. Den in der Oberwelt weilenden Horus oder den ägyptischen Apollon malte man weiß, den unterweltlichen Osiris schwarz. Schwarze Byssusgewänder, welche man beim Anfange des Winters und der zunehmenden Kürze der Tage auf die vergoldete Isiskuh legte, galten als Zeichen der Trauer um das dahinschwindende Licht und den Sieg der Finsternis über dasselbe. Dem Anubis opferte man einen weißen Hahn, um anzudeuten, daß die Oberwelt rein und klar sei. Menschen von feuerfarbigem, gelblichem Aussehen oder mit rotem Haarwuchs sah man als typhonisch an und mied ihren Umgang. Aus diesem Grunde opferte man +rotfarbige+ Tiere, um dem unheilvollen Gotte ein Leid anzuthun und sich von der eigenen Sünde zu reinigen, gerade wie bei den Ebräern eine +rötliche+ Kuh als Sühn- und Reinigungsopfer durch Feuersglut in Asche verwandelt wurde. Dem Kataraktengotte und Urheber der Nilflut verlieh man eine blaue Hautfarbe, um dadurch auf seine das Wasser anziehende Kraft hinzudeuten. Hauptsächlich waren es die Sonnengötter und Sonnenbilder, welche durch die Farbensymbolik ausgezeichnet wurden. Typhon als Vertreter der sengenden Sonnenglut erhielt einen feuerfarbigen Anstrich, die Scheibe der Wintersonne wurde dunkelblau, die sommerliche Sonne hell gemalt und was dergleichen Überlieferungen mehr sind. Es geht, wie gesagt, aus den übereinstimmenden Nachrichten hervor, daß die Ägypter die ersten waren, welche der Farbensymbolik ihre besondere Aufmerksamkeit zugewandt haben. Die weiße Farbe galt dem Tage und der Oberwelt, die schwarze oder dunkelblaue der Nacht und der Unterwelt, jene der Freude über das Dasein, diese der Trauer um das Abgeschiedene. Feuerrot symbolisierte die heiße dauernde Sonnenglut, die blaue Farbe das Wasser, daneben Rot und Gelb oder Falb das typhonisch Sündhafte. Soweit nach den Alten. Ich wende mich der Denkmälersprache zu, welche zur Farbensprache der damaligen Zeit die ausgedehntesten Beiträge liefert, beinahe unerschöpfliche, erinnert man sich an die Masse des vorhandenen inschriftlichen Materials. Bei der Betrachtung der einzelnen Farben folge ich durchaus der altägyptischen Farbenskala. 1) +Weiß.+ Das Wort dafür bezeichnete zunächst nur das Helle im Gegensatz zum Dunklen, das Lichte dem Finsteren gegenüber. Beim anbrechenden Tage wird die Erde „hell“ und die Sonne „erhellt“ die Welt durch ihre Strahlen, die wie „Gold“, d. h. in Gelb leuchten. Das „helle“ Metall ist das Silber, der „helle“ Stein der weiße Quarz. Auch die Mondgöttin heißt die „Helle“. Ein alter Weisheitslehrer, der seine Lebenserfahrungen auf Papyrus niedergeschrieben hatte, empfiehlt seinem Leser: „Hell sei dein Antlitz, so lange du dein Dasein hast,“ mit anderen Worten, zeige ein heiteres und freundliches Angesicht. Aus dem Begriff des Hellen entwickelte sich erst in zweiter Linie die Bedeutung des Weißen als Farbe. Eine Byssusart, dieselbe, mit welcher Joseph nach seiner Erhöhung auf Befehl Pharaos bekleidet wurde, heißt die „Weiße“, desgleichen wird eine Antilopenart, die Zwiebel, die Milch, der Kalkstein u. s. w. als weiß bezeichnet. Die Verbindung „hell oder weiß machen“ eine Person oder einen Gegenstand, bedeutete ebensowohl „glanzvoll machen, erleuchten, verherrlichen“, als „aufklären“ und „prächtig ausstatten“. Von einem Könige heißt es, er habe das Land Ägypten „glanzvoll gemacht“, von einem andern, er habe ein Heiligtum „prächtig hergestellt“, von einer priesterlichen Person, sie habe einen Tempel mit silbernen Gefäßen, Rindern, Gänsen und zahlreichem Geflügel „glanzvoll ausgestattet“. Ein Vorsteher von Propheten oder Dienern wird ein „Aufklärer“ der Propheten oder Diener genannt. Mit einem Worte, mit dem Hellen und Weißen verknüpfte sich die Vorstellung der Pracht und Herrlichkeit, welche frei von Flecken und Makel bis zur Farbe der Bekleidung hin das innere Hellsein auch äußerlich bezeugte. Man sieht, daß unsere weißen Kleider, Krawatten, Westen und Handschuhe sich eines uralten Ursprungs rühmen dürfen. 2) +Gelb.+ Als Metall erscheint das Gelb in seiner leuchtendsten Form als das Gold, in seiner Auffassung als Edelstein als Topas, der sehr häufig in der Aufzählung mineralischer Substanzen die Stelle des Goldes vertritt. Die Strahlen der Sonne werden als „golden“ bezeichnet. Die ägyptische Hathor-Venus ward als „die goldene“ angerufen und ein Horus-Apollo als „goldener“ verherrlicht. Trotz dieser schmeichelhaften Vergleiche, welche dem Golde die Bedeutung des Glanzvollsten verliehen, wohnte dennoch dem gelben verlockenden Scheine des Goldenen ein typhonischer Nebensinn bei. Bei den Opfern, welche dem Sonnengotte dargebracht wurden, ermahnte man die den Gott Verehrenden, kein Gold am Leibe zu tragen. Noch bis zur Stunde entäußern sich die Orthodoxen unter den Anhängern des Islam sämtlicher goldenen Gegenstände, welche sie bei sich führen, bevor sie sich dazu anschicken, die vorgeschriebenen Gebete zu sprechen. Auf dem gelben Golde ruht das Auge des Neides und der böse Blick kann nach den Darstellungen der Morgenländer nicht dazu beitragen, dem Betenden Heil und Segen zu verleihen. In unserer eigenen Farbensymbolik verknüpft sich in gleicher Weise der Begriff des Neides mit der Vorstellung der gelben Farbe. 3) +Dunkelblau+, die Farbe des Saphirs und des Lasursteins oder des Lapis-Lazuli, war bei den alten Ägyptern nicht nur geschätzt, sondern allgemein beliebt. In der Pflanzenwelt erscheint sie als Indigo, welcher bis in die Gegenwart hinein zum Färben der gewöhnlichen Hausgewänder in Blusenform benutzt wird. Die alten Ägypter gaben dieser Pflanze den Beinamen +Dar-neken+, d. h. „vor Schaden bewahrend“. Wie ich nebenher bemerken will, gehörte die Umgegend der Stadt Pelusium in Unterägypten zu denjenigen Landstrichen, in welchen der Anbau von Indigo und die Herstellung der damit blau gefärbten Gewänder einen Hauptgegenstand der Industrie bildete. Als im Mittelalter die Kreuzfahrer die ägyptische Küste berührten, erstanden sie bei ihrer Landung im Hafen von Pelusium, in der Nähe des heutigen Port-Saïd, jene blauen Gewänder, welche sie über ihre Rüstung warfen. Man nannte sie Pelusia nach dem Namen des Ortes und der Name hat sich bis auf die heutigen Tage in dem wohlbekannten französischen Worte Bluse fortgepflanzt. Die altägyptischen Texte gaben der Göttin des Himmels oder dem Himmel selbst den Beinamen der „Dunkelblauen“, womit alle sonstigen Deuteleien über die symbolische Bedeutung dieser Farbe ein für allemal beseitigt sind. Das Tragen dunkelblauer Steine, an ihrer Spitze der Saphir, und das Anlegen dunkelblauer Gewänder galt als ein probates Mittel, sich den himmlischen Schutz zu sichern. 4) +Grün+, die beliebteste Farbe in Ägypten, bildet den Gegenstand vieler inschriftlichen Hinweise auf seine symbolische Bedeutung. Grünfarbige Mineralien, vom Smaragd und Malachit an bis zum Kupfergrün hin, und vor allem die grüne Pflanzenwelt galten als Sinnbild der Erfüllung in Aussicht stehender Hoffnungen, die von der Saat auf dem Felde ihren Ausgang nahmen. Die grüne Saat verheißt die Ernte, eine frohe Hoffnung auf den Eintritt des Segens. Grün ward deshalb das Symbol der Freude und der Lust, und bei den Ägyptern von alters her „grünte“ selbst das Herz beim Anblick des „gleich wie Smaragd leuchtenden Ackerbodens“. Ausdrücke wie: „Der Himmel ist blau und die Erde grünt“ dienen in den Texten der Steinschriften des Tempels von Dendera nicht selten zur Umschreibung der freudigsten, weil hoffnungsreichsten Stimmung von Göttern und Menschen. Die grüngesichtige Hathor-Venus der ägyptischen Denkmälerwelt hatte deshalb ihre eigene Bedeutung, gerade wie das ihr geheiligte Land des grünen Gesteines des Malachit, womit im höchsten Altertume bereits der an Kupferminen und an Grünsteinbrüchen reiche Gebirgsteil in der Nähe des Berges Sinai bezeichnet wurde. Der Name Malachit, von den Griechen Molochit getauft, findet sich in der Keilschrift in der Gestalt Melucha wieder, worunter man dieselbe Gebirgsgegend verstand. Wie man sich nach diesen Auseinandersetzungen überzeugen wird, ist unsere „grüne“ Hoffnung nichts weniger als modernen Ursprungs. Die Ringsteine und sonstigen Schmuckgegenstände aus Smaragd oder grünfarbigen Steinen, welche die Ägypter, besonders die Frauenwelt, an ihren Fingern, oder auf der Brust, oder an den Armen so häufig zu tragen pflegten, finden nach diesen Andeutungen ihre genügende Erklärung. 5) +Rot.+ Als typische Vertreter der roten Farbe galten bei den Ägyptern das Kupfer, der Rubin und sonstiges rotfarbiges Gestein, die Feuerflamme (hochrot), das geronnene Blut (dunkelrot) und die im Zorn geröteten Augen und Gesichtszüge. Feine Beobachter der toten und lebendigen Gegenstände der Natur, hatten die alten Bewohner des Nilthales der roten Farbe schon frühzeitig eine symbolische Bedeutung beigelegt, deren Inbegriff sich in den kurzen Worten darstellen läßt: der durch Blut zu sühnende Zorn des Göttlichen, die Blutsühne und damit die Versöhnung durch Verzeihung der Sünde. Die brennend rote Liebe unserer Gegenwart war der ägyptischen Altzeit vollständig unbekannt, weil das sichtbare Symbol derselben, die rotfarbige Rose, verhältnismäßig spät in Ägypten eingeführt worden war. Nach den mythologischen Inschriften der Denkmäler wurde ein Teil der sündigen Menschheit durch den Sonnenkönig Re durch Feuer vernichtet, das sein in eine Rachegöttin verwandeltes Auge auf die Kinder der Erde warf. Nachdem sein Zorn sich in Barmherzigkeit umgewandelt hatte, betäubte der Lichtgott Re durch den „blutroten“ Saft von Alraunen die wütende Göttin und der übriggebliebene Teil der Menschheit wurde am Leben erhalten. Die Menschheit selber übernahm fortan die Bestrafung der Sünder durch ihre Verfolgung und Vernichtung mit Hilfe von Wurfgeschossen und Keulen, und das vergossene Blut der Übelthäter sühnte Verbrechen und Sünde. In späterer Zeit trat das Tier an die Stelle des Menschen, doch war die Wahl der Tiere von ihrer Hautfarbe, der roten oder rötlichen, abhängig. Das Blut des Tieres und sein durch Feuer zu Asche verbrannter Leib, auf welche die Sünde des Menschen fiel, diente als Reinigungsmittel für den Opfernden und sühnte die begangene Sünde bis zum Totschlag hin. In einem bis zum heutigen Tage hin auf einer steinernen Tempelwand erhaltenen Text in hieroglyphischen Schriftzügen lesen wir mit aller Deutlichkeit des Verständnisses das Folgende: „Ein kräftiges, unverschnittenes Rind, dessen Nase der Arbeitsring noch nicht durchbrochen hat, gelte als das große Sühneopfer des Gotteshauses in der angemessenen Zeit des Jahres. Man reinige es im Wasserbecken des Gotteshauses in aller Frühe, man beseitige darin seinen Schmutz am Kopfe und man putze seine Klauen mit Palmbaumbast ganz und gar; man betrete das wohlgewaschene Schlachthaus und strecke das Rind auf das Holzbrett hin. Der Schlächter trete heran, trenne seinen Kopf, sein Herz, seine Vorderschenkel und seine Hinterkeulen ab, trage sie hinaus und reinige sein Messer mit Wasser. Was übrig geblieben ist, werde fortgenommen und durch den Verbrenner in Asche verwandelt, die in einen großen Krug gethan werde. Man setze ihn im Schatzhause in der bestimmten Zeit des Jahres nieder.“ Im Anschlusse daran werden die Vorschriften zu einer Salbe geliefert, welche mit den Blättern der im Morgenlande noch jetzt allgemein bekannten Hennehpflanze +rot+ gefärbt wurde und mit der Asche des Rindes vermischt den Zwecken der heiligen Sühne diente. Man vergleiche damit die im 19. Kapitel des 4. Buches Moses enthaltene Vorschrift „von der +rötlichen+ Kuh und dem Sprengwasser“, um sich die volle Überzeugung zu verschaffen, daß auch im altebräischen Kulte ein ganz ähnlicher Gebrauch zur „Entsündigung“ gesetzmäßig festgestellt war. Ich habe kaum weiteres meinen Auslassungen hinzuzufügen, um den Symbolismus der roten Farbe nach den Anschauungen der alten Ägypter in das rechte Licht zu stellen. Sie galt als Zeichen der Sühne durch das Blut. Die rote Farbe der Decken und Gewänder in den ägyptischen Tempeln gewinnt hierdurch ihren hohen symbolischen Sinn. 6) +Schwarz.+ Die symbolische Bedeutung dieser Farbe wird am besten durch ihr fast ausschließliches Vorkommen in der Gräberwelt Ägyptens festgestellt. Der an den Decken einzelner Königsgräber, von den Pyramiden an, gemalte Nachthimmel ist schwarz mit fünfzackigen gelben Sternen daran, die Götter und die übrigen Bewohner der Unterwelt erscheinen in schwarzer Färbung. Die Tageshelle, die Farbe des Lebens, ist verschwunden und durch die tiefste Finsternis ersetzt. Schwarz erscheint allenthalben als die Farbe des Todes und der düsteren Trauer, gerade wie noch in unserer eigenen Gegenwart. Ich habe darüber kein anderes Wort zu verlieren, denn die Sache ist allgemein bekannt, und ich kann mich mit dem in aller Kürze gegebenen Hinweis auf die Sprache des Schwarzen im ältesten Ägypten bescheiden. Wie sehr die Vorstellung der Farbe auf das altägyptische Gemüt einwirkte und zu welchen tiefsinnigen Vergleichen und Stimmungsbildern sie Veranlassung gab, kann nur derjenige ermessen, welcher in die Sprache und das Schrifttum der ältesten Bewohner des Nilthales vollkommen eingeweiht ist. Der Symbolismus der Farbe bricht überall durch, und es wäre eine der dankenswertesten Aufgaben, das tausendfältig zerstreute Material zu sammeln, um bis in das Einzelnste hinein die Fäden der Gedankenrichtung zu verfolgen. Unter allen Umständen müssen die Grundfarben und ihre uralte Skala: Weiß, Gelb, Blau, Grün, Rot, Schwarz als Ausgangspunkt angesehen werden, da die Betrachtung und die Aufzählung aller Erzeugnisse der Natur nicht nach ihrem Werte, sondern nach ihrer Färbung in der angeführten Reihenfolge vor sich ging. Handelte es sich um Metalle, so führte man sie in der Ordnung des hellen oder weißen Silbers, des gelben Goldes, des blauen Eisens, des Kupfergrün, des roten Kupfers, des grauschwarzen Bleies auf. War von Steinen die Rede, so folgte man der Anordnung: Diamant, Topas, Saphir, Smaragd, Rubin, Turmalin oder sonst ein dunkelfarbiger Edel- oder Halbedelstein. Bei Pflanzennamen, bei bunten Zeugstoffen u. s. w. schlug man denselben Weg ein, und die Anschauung vertiefte sich jedesmal in einen Symbolismus, der bis auf die Farbe der Bekleidung und der Schmuckgegenstände am menschlichen Leibe seine abergläubische Wirkung ausübte und aus der Farbe Glück und Unheil herauslas. Legte man den Toten schwarzfarbige Käfersteine auf den Leib, so hatte das seinen guten Grund. Für die Lebenden wäre ein schwarzer Schmuck als Unglück weissagend angesehen worden. Wenn auf dem Leichensteine einer verstorbenen vornehmen Ägypterin der Dame unter anderen die Worte in den Mund gelegt werden: „Ich hielt mich fern vom Quarz und zog den Grünstein (Smaragd oder welch immer grünfarbiger Stein) vor“, so hatten sie dadurch einem Gedanken Ausdruck gegeben, den ich etwa durch „was mir Unglück bringen konnte, vermied ich, was mir Hoffnungen erweckte, trug ich an mir“ deute. Auch aus diesem Beispiel tritt es klar hervor, daß sich die Farbensprache bis zur Stunde noch lange nicht überlebt hat. Kannte man auch schon im Altertum das, was wir in unserer Gegenwart als Modefarbe bezeichnen, so war die Wahl der Grundfarbe dennoch keine beliebige, sondern stand mit dem Symbolismus der Farbe in innigstem Zusammenhang. Die älteste Rechenkunst. So geläufig uns heutzutage die Rechenkunst geworden ist und so einfach den Kindern der Gegenwart die dafür aufgestellten Regeln erscheinen, so wenig dürfen wir zu dem Glauben berechtigt sein, als sei es von jeher so gewesen und diese Kunst nur wie eine Erbschaft aus ältesten Zeiten anzusehen. Erst seit der Einführung der sogenannten arabischen Ziffern für das dekadische Zahlensystem, in welchem das Zeichen der Null und die Stellung der Zahlen in ihrer Aufeinanderfolge eine so tief einschneidende Bedeutung gewann, befand sich die Rechenkunst auf der ganzen Höhe ihrer Aufgabe. Von dieser Zeit an waren alle Schwierigkeiten beseitigt, mit welchen die Menschheit der früheren Tage zu kämpfen hatte, um die Zahl zu beherrschen und die verschiedenen Rechenoperationen ohne die kleinsten Irrtümer auszuführen. Was heute von Schule und Haus an bis zum großen Lebensmarkte hin zu einer alltäglichen Gewohnheit geworden ist und mit der größten Leichtigkeit durchgeführt wird, konnte vordem nur auf mühsamem Wege erreicht werden, wobei alle Hilfsmittel erschöpft wurden, um in langsam tastender Weise das Resultat einer beliebigen Rechenoperation zu gewinnen. Die Finger der beiden Hände genügten anfangs für das Zusammenziehen kleiner Zahlenposten, einen erweiterten Fortschritt kennzeichnet die Anwendung von Steinchen (Calculi nannten sie die Römer und leiteten davon den Ausdruck Calculare für die Operationen des Rechnens ab), deren sich die ältesten Rechenmeister bedienten, aber erst die Einführung des sogenannten Abakus oder Rechenbrettes, wie es noch heutigestags in Rußland und in den Bazaren des Morgenlandes als mechanisches Hilfsmittel bei den gewöhnlichsten Berechnungen verwendet wird, muß als der erste Schritt zu einer vereinfachten systematischen Behandlung der Zahlen auf dekadischer Grundlage bei Griechen und Römern bezeichnet werden. Vor der Einführung der arabischen Ziffern, wie wir sie zu nennen belieben, bedienten sich die eben erwähnten beiden Kulturvölker, ähnlich wie beispielsweise die Ebräer, der Buchstaben ihres Alphabets, um die Einer, Zehner, Hunderter, Tausender u. s. w. der dekadischen Zahlenreihen für das Auge erkennbar anzudeuten. Das Beschwerliche einer derartigen Bezeichnungsweise liegt auf der Hand und bedarf keiner ausführlicheren Erörterung. Das älteste Kulturvolk der Erde, oder die Ägypter, schlug einen anderen Weg ein, indem es für jede Einheit einer dekadischen Reihe ein besonderes Zeichen schuf, dessen Wiederholung die Vielfachen ausdrückte. Ein stehender Strich besaß den Wert unserer Zahl 1, zwei, drei u. s. w. bis neun nebeneinander stehende Linien hatten die Werte von 2, 3 u. s. w. bis 9. Für 10 bildete man ein eigenes Zeichen in Hufeisengestalt, dessen Wiederholung in derselben Weise die vielfachen von 10 bis 90 dem Auge sichtbar darstellte, ebenso für 100, 1000 u. s. w. bis zu einer Million hin. In der Kursivschrift der Hieroglyphen oder der sogenannten hieratischen Schrift suchte man die dem Schreibenden Zeit raubenden Wiederholungen der einzelnen dekadischen Zahlzeichen möglichst zu vermeiden und sie für das Auge durch ein einziges Zeichen darzustellen. Ein liegender Strich -- z. B. vertrat die Stelle von |||, oder 4, zwei übereinander liegende = die Stelle von 2×4 Strichen, oder mit anderen Worten der Zahl 8 nach ihrer hieroglyphischen Bezeichnungsweise. War es erforderlich in irgend einer Inschrift von Brüchen zu reden, so spielten auch darin dieselben Bezeichnungen der Zahlen ihre Rolle, nur setzte man ihnen das Wörtchen ro voran, welches soviel als unser „Teil“, oder besser -tel, am Schlusse eines Zahlwortes bezeichnete. ~Ro~ 3, ~ro~ 4, ~ro~ 20, ~ro~ 124 hieß soviel als ein Drittel, ein Viertel, ein Zwanzigstel, ein 124stel. Für die Hälfte hatte man ein eigenes Zeichen erfunden, ebenso für 2/3 und wenige andere Brüche. Im übrigen kannte man nur Brüche mit dem Zähler 1, also 1/3, 1/4, 1/5 u. s. w. Zum Ausdruck solcher Brüche, deren Zähler größer als 1 war, nahm man einfach seine Zuflucht zur Zerlegung derselben in solche mit dem Zähler 1, deren Summe den gewünschten Hauptbruch ergab. So wurde 3/4 einfach in die Brüche 1/2 und 1/4 zerlegt, die in der schriftlichen Darstellung hintereinander fortliefen. War eine derartige Zerlegung nicht immer durchführbar, so ließ man den letzten kleinsten Bruch ganz aus dem Spiele und übersah lieber den dadurch entstandenen kleinen Fehler. Wie beschwerlich und zugleich zeitraubend die Bezeichnungen einer Reihe größerer Zahlen, vielleicht dazu noch mit hinzugefügten Brüchen, in einer hieroglyphischen Darstellung sein mußten, das beweisen uns Hunderte und aber Hunderte von Beispielen auf den steinernen Wänden der altägyptischen Tempel und Gräber. Nur auf den hieratisch geschriebenen Papyrusrollen nimmt ihre Darstellung aus dem oben angeführten Grunde bescheidenere Dimensionen an. Und dennoch haben nicht nur die jüngeren, sondern bereits die ältesten Ägypter es fertig gebracht, trotz ihrer unbeholfenen Zahlenbezeichnungen nicht nur die verzwicktesten Rechenoperationen durchzuführen, sondern in Gestalt gewählter Beispiele ihre arithmetischen Lehrsätze der Mit- und Nachwelt zur Nachachtung in methodischer Weise zu enthüllen. Den ersten Anstoß dazu gab die vielfach geübte Praxis der Vermessung. Schon die Griechen lebten der Überzeugung, daß in Ägypten die Wiege der Feldmeßkunst gestanden habe und daß diese Kunst von dort zu den Hellenen gekommen sei. Das gesteht als einer der ältesten Zeugen Herodot (II. 109.) ausdrücklich zu. Als Grund dafür giebt der Vater der Geschichte die Notwendigkeit einer alljährlichen Berichtigung der an den König zu entrichtenden Steuerquote an, weil die eintretende Überschwemmung von den vermessenen Äckern der Einwohner gelegentlich ein Stück loszureißen pflege und den Ertrag derselben dadurch verringere. Um diesen Unterschied in gerechter Weise festzustellen, seien die königlichen Feldmesser mit der Nachmessung von Amts wegen betraut worden. Aber auch sonst fehlt es nicht an Zeugnissen aus dem klassischen Altertume, daß nicht bloß die Feldmeßkunst, sondern das gesamte Rechenwesen auf altägyptische Ursprünge zurückzuführen sei. Ich will an dieser Stelle und gleichsam in Parenthese eine Thatsache anführen, welche die neueste Geschichte Ägyptens seit der englischen Okkupation betrifft und mit der herodotischen Bemerkung in einem gewissen Zusammenhange steht. Seit einigen Jahren beschäftigt sich die britische Verwaltung im Nilthale mit der schwierigen und zeitraubenden Aufgabe, eine Vermessung des gesamten urbaren Landes durchzuführen, und zwar auf +Grund der Lehren der europäischen Feldmeßkunst+, da nähere Prüfungen des Katasters der früheren ägyptischen Verwaltung Ungenauigkeiten in den Angaben der vermessenen Feldstücke herausgestellt haben. Die aus den europäischen Berechnungen hervorgehenden Unterschiede waren bald größer, bald kleiner und beeinflußten damit die Höhe der den Besitzern auferlegten Abgaben. Aber dennoch war es nicht eine bloße Willkür, welche den ägyptischen Vermessungen zu Grunde lag. Erst in diesem Jahre hat sich nämlich die wunderliche Thatsache herausgestellt, daß die modernen ägyptischen +Massahin+ oder Feldmesser, meistens Kopten, d. h. christliche Nachkommen der alten Ägypter, sich eines Systems bedienten, das zwar auf Grund seiner fehlerhaften Anlage unrichtig, seinem Ursprunge nach uralt, mit andern Worten urägyptisch ist. In welcher sonderbaren Weise die modernen Feldmesser, welche sich eines Rohrstabes oder eines Palmenzweiges in der Länge einer sogenannten +Kassabeh+ (3,55 Meter) bei ihrer Arbeit zu bedienen pflegen, ihre Operationen ausführten, mögen die folgenden Beispiele beweisen. Um den Flächeninhalt eines beliebigen Dreiecks festzustellen, ohne Rücksicht auf dessen Gestalt in Bezug auf die Winkel, multiplizieren sie nach alter Gewohnheit die halbe Länge der kleinsten Seite mit der halben Summe der Längen der beiden übrigen Seiten. Der Irrtum bei dieser Art der Berechnung erreicht nicht selten das Vierfache des geometrisch bestimmten wirklichen Wertes, so daß der Steuerzahler sich im höchsten Maße benachteiligt sehen mußte. Bei einem vierseitigen Feldstücke, wiederum ohne Rücksicht auf seine besondere Gestaltung, multiplizieren sie die Hälfte der Längensummen je beider gegenüberliegender Seiten miteinander. Eine solche Methode ergiebt nur bei einem Viereck oder Rechteck das geometrisch richtige Resultat, führt aber bei allen übrigen vierseitigen Feldstücken, z. B. in Trapezform, zu den gröbsten Irrtümern. Selbst die späteren Niederlassungen der Hellenen in Ägypten und die Bekanntschaft mit den Fortschritten der angewandten Mathematik änderten nichts an den herkömmlichen Gewohnheiten der ägyptischen +Harpedonapten+ oder Feldmesser, Gewohnheiten, die sich bis zur Stunde unter den modernen Ägyptern fortgepflanzt haben. So befinden sich beispielsweise lange hieroglyphische Inschriften auf den Mauerwänden des Tempels von Edfu, deren Inhalt die Größe des heiligen Tempelgutes nach Zahl und Maß der Äcker auf Grund der Angaben der Feldmesser betrifft. Die nun 2000 Jahre alte Methode kehrt auch darin wieder. So wird darin ein quadratisches Feldstück von 2 Ruten die Seite mit Hilfe der Formel (2 + 2)/2 × (2 + 2)/2 richtig auf 4 □ Ruten berechnet und ebenso ein rechteckiges, dessen gegenüberliegende Seiten die Längen von 2 und 20 Ruten betrugen, durch die Formel (2 + 2)/2 × (20 + 20)/2 = 40 □ Ruten bestimmt, aber für ein trapezförmiges Feldstück mit den gegenüberliegenden Seitenlängen 21 zu 20 und 4 zu 4 Ruten findet sich irrtümlich dieselbe Formel angewendet: (21 + 20)/2 × (4 + 4)/2 = 82 □ Ruten, während die geometrische Berechnung dafür die Zahl 81,18 □ Ruten ergiebt. Dieselbe Formel, welche der Berechnung des Flächeninhaltes eines vierseitigen Feldes ohne Rücksicht auf seine besondere Gestalt im höchsten Altertum zu Grunde lag, findet sich in den Hunderten von Beispielen der Edfuer Inschriften auch auf jedes Dreieck irgend welcher Gestalt angewendet, nur mit dem Unterschiede, daß die der kleinsten Seite gegenüber liegende Spitze des Dreiecks, gleichsam die vierte, zu einem mathematischen Punkte zusammengeschrumpfte Linie, durch das Wort „nichts“ ersetzt wurde. Wir würden dafür 0 sagen. Zur Berechnung eines gleichseitigen Dreiecks von je einer Rute Längenausdehnung der Seite findet sich daher der gewöhnliche Ansatz: (1 + 0)/2 × (1 + 1)/2 = 1/2 □ Rute, für ein gleichschenkliges Dreieck mit der Grundlinie einer Rute und der Schenkellänge von 2 Ruten tritt der gleiche Ansatz ein, nämlich (1 + 0)/2 × (2 + 2)/2 = 1 □ Rute. Thatsächlich beträgt aber der Inhalt des ersteren 0,433 gegen 0,5 □ Ruten, und der des letzteren 0,968 gegen 1 □ Rute. Die Fehler, welche aus dieser Methode entspringen, die noch in den Jahrhunderten unmittelbar vor dem Anfange unserer Zeitrechnung ihre Verwendung fand, sind genau dieselben, welche sich aus den gleichen Ansätzen der modernen Feldmesser in Ägypten ergeben und welche mit allem Rechte die englische Verwaltung durch geometrische Nachmessung zu beseitigen bemüht ist, um einen genauen Kataster des urbaren Landes im Nilthale ein für allemal festzustellen und eine gerechte Verteilung der Besteuerung bebauter Felder herbeizuführen. Eine derartige Berechnung für alle Fälle verstößt gegen die bekanntesten und einfachsten Regeln der Geometrie, wie sie heutzutage unseren Kindern in der Schule gelehrt werden und rechtfertigt die britische Rektifizierung, aber sie findet ihr ältestes Vorbild in einem altägyptischen Papyrus, dessen Abfassung in die Zeiten zwischen den Jahren 1800 und 2000 v. Chr. fällt. Beinahe 4000 Jahre hindurch hatte sich danach die einseitige Lehre bis zu den modernen ägyptischen Feldmessern fortgepflanzt, um schließlich von den Engländern über den Haufen geworfen zu werden! Der altägyptische Papyrus, auf welchen ich soeben angespielt habe, befindet sich im Britischen Museum zu London, ist in hieratischen Schriftzügen abgefaßt, mit mathematischen Figuren versehen und deshalb in die Wissenschaft unter dem Namen des mathematischen Papyrus von London eingeführt. Aus seinem reichen Inhalt, der durch die Behandlung eines deutschen Gelehrten (Prof. Eisenlohr in Heidelberg) bekannter geworden ist, hebe ich nur hervor, daß die Berechnung des Flächeninhaltes von Feldstücken und des kubischen Inhaltes meist zur Aufnahme von Getreide bestimmter hohler Räume bis zu den kleinsten Maßen hin den Hauptgegenstand der an Beispielen erläuterten Lehrsätze bildet. Wie nahe man aber in einzelnen Fällen der geometrischen Wahrheit war, dafür spricht vor allem die bereits vor fast 4000 Jahren aufgestellte Formel zur Berechnung des Flächeninhalts eines kreisförmigen Feldstückes. Aus den im Papyrus vorgelegten Beispielen erhellt, daß man von dem Durchmesser des Kreises ein Neuntel abzog und den übrig bleibenden Rest mit sich selbst multiplizierte. Ich führe in wörtlicher Übersetzung ein Beispiel an, dem ein Kreis beigefügt ist mit den Schriftzeichen für „9 Ruten“ (oder Kassabeh) in seinem Innern. Der dazu gehörige Text lautet wie folgt: „Berechnung eines kreisförmigen Feldes von 9 Ruten (Durchmesser). Es wird die Frage nach seinem Flächeninhalt gestellt. Ziehe bei dir sein Neuntel ab, das ist 1. Als Rest bleibt 8. Multipliziere 8 mal 8. Das Facit ist 64 □ Ruten. Das ist sein Flächeninhalt.“ Man muß billig erstaunt sein, daß dies Resultat sich nur unmerklich von der wirklich richtigen Zahl (64,0224 □ Ruten) auf Grund unserer modernen Methode unterscheidet, in welcher die Zahl π eine so bedeutungsvolle Rolle für die Kreisberechnung spielt. Die Beispiele, so viel deren in dem uralten Papyrus ziffernmäßig entwickelt werden, beziehen sich mit äußerst geringen Ausnahmen auf die praktische Thätigkeit des Ackerbauers in Bezug auf die Vermessung seiner Felder und die räumliche Bestimmung der für die Aufnahme der verschiedenen Getreidesorten errichteten Speicher oder sonstiger Baulichkeiten mit Hilfe der bestehenden großen Getreidemaße und ihrer Unterabteilungen. Das waren unentbehrliche Geschäfte gerade wie dies bis zur heutigen Stunde in ganz Ägypten und in der übrigen Welt der Fall ist. Daß man schon sehr frühzeitig daran dachte, die Hauptregeln der Vermessungskunst für den alltäglichen Gebrauch des Landmannes niederzuschreiben, dafür tritt der Londoner Papyrus als redender Zeuge ein. Soweit wir gegenwärtig in der Lage sind, die Textworte zu verstehen und die Berechnungen von Zahl und Maß bis in ihre Einzelheiten zu verfolgen, stellt sich als allgemeines und zweifelloses Ergebnis die Thatsache heraus, daß die in dem Papyrus niedergelegten Regeln und Methoden mit ihren als Erläuterung dienenden zahlreichen Beispielen auf einer verständigen Grundlage beruhen und durchaus nicht an ein Zeitalter der menschlichen Kindheit erinnern. Es ist im Gegenteil erstaunlich, wie man ohne die Kenntnis des Stellenwertes der Zahlenreihen die verwickeltsten Rechnungen durchzuführen vermochte und selbst bei Bruchberechnungen nur in äußerst seltenen Fällen, wie man zu sagen pflegt, selber in die Brüche geriet. Nur +ein+ Umstand bleibt dabei auffällig, daß man nämlich nicht nur die einfachsten Brüche mit dem Zähler Eins, die man in der kürzesten Weise zu bezeichnen imstande war, in den häufigsten Fällen in kleinere Brüche mit demselben Zähler Eins zerlegte, sondern die Nenner in ein gewisses abhängiges Zahlenverhältnis zu einander stellte. So finden sich beispielsweise in einer mir vorliegenden Rechnung, von welcher weiter unten ausführlicher noch die Rede sein wird, die Brüche 1/10 und 1/5 durch die nebeneinanderstehenden Bruchzahlen 1/16, 1/32, 2/320 und 1/8, 1/16, 4/320 gleichsam umschrieben wieder. Durch eine leicht ausführbare Nachrechnung überzeugt man sich sofort von der Richtigkeit beider Ansätze. Es diene zum Verständnis dieser auffallenden Erscheinung die Bemerkung, daß die Bezeichnung jener Teilbrüche nicht mit Hilfe der gewöhnlichen Zahlzeichen, sondern durch Schriftcharaktere vor sich geht, von denen jedes einzelne ein besonderes Wort zum Ausdruck eines bestimmten Hohlmaßes darstellt. Es ist etwa so als wollte man mit Bezug auf unser älteres Getreidemaß-System die Brüche 1/2, 1/24 und 1/384 (Wispel) mit den Worten: Malter, Scheffel und Metze wiedergeben. Es ist sofort ersichtlich, daß diese Wörter der Reihe nach bestimmte Bruchteile des Wispels andeuten, ohne daß dies zunächst aus ihrem Namen selber hervorgeht. Für denjenigen, welcher mit den Getreidemaßen und ihren Verhältnissen zu einander vertraut ist, sind ihre ziffernmäßige Wertgrößen von vornherein verständlich. Ich fühle mich bei dieser Gelegenheit veranlaßt, auf eine wenig bekannte, sehr eigentümliche Rechnungsmethode überzugehen, welche noch heutzutage von den koptischen Schreibern der Regierung, aber auch sonst im gewöhnlichen Lebensverkehr ausgeübt wird, sobald es sich um Rechnungen mit Brüchen handelt. Diese Methode, welche mit der altägyptischen die größte Verwandtschaft besitzt, führt im Munde der Eingeborenen den Namen der +indischen Rechnung+, obgleich ich keinen Grund für ihren Ursprung anzugeben vermag. Einleitend mache ich darauf aufmerksam, daß man bei Unterhaltungen mit den modernen Ägyptern sehr häufig die Redensart vernimmt: das ist wie die Elle, oder das paßt wie die 24, um die Genauigkeit irgend einer Angabe im Besonderen zu bestätigen. Man muß dazu wissen, daß nicht nur bei den gegenwärtigen Bewohnern im Nilthale, sondern schon bei den alten und ältesten Ägyptern die Elle eine ganz besondere Heiligkeit besaß, und daß man sie damals wie noch heute in 24 gleiche Teile teilte, welche im Altertume „Finger“ hießen und jetzt den Namen +Kirat+ tragen. Nicht nur die Einheit der Elle, sondern jede Einheit überhaupt wird von den heutigen Ägypter als aus 24 gleichen Teilen bestehend betrachtet, so daß ihre Hälfte durch 12, ihr Viertel durch 6, ihr Sechstel durch 4, ihr Achtel durch 3 u. s. w. bezeichnet zu werden pflegt. Handelt es sich in den modernen Berechnungen der koptischen Schreiber z. B. um die Summierung der Brüche 1/2, 1/8, 1/12, so addiert man die Teilstücke der Elle: 12 + 3 + 2 = 17 zusammen, und zieht daraus die rechnungsmäßigen Schlüsse. Da ja der Bruch für sich allein wieder als eine neue Einheit betrachtet wird, so entsteht daraus ein weit verzweigtes Rechnungssystem, welches bis zu den kleinsten Brüchen fortgeführt wird. Ganz ähnliche Anschauungen herrschten bereits im höchsten Altertum vor, wenigstens in Bezug auf die überlieferten zahlreichen Beispiele, in welchen es sich bis zu den Brüchen hin um die Berechnungen von Hohlmaßen für Getreide, Flüssigkeiten u. s. w. handelte. Jede einzelne Maßeinheit wurde in 320 gleiche Teile geteilt, wobei die ganzen Zahlen 320, 160, 80, 40, 20, 10, 5, 4, 3, 2, 1 unserer 1 und den Brüchen 1/2, 1/4, 1/8, 1/16, 1/32, 1/64, 4/320, 3/320, 2/320, 1/320 entsprechen. Die Beispiele, welche ich oben angeführt hatte, nämlich die Zerlegungen der Brüche 1/10 und 1/5 in ihre besonderen Teilstücke, liefern dafür sprechende Zeugnisse. 1/16 + 1/32 + 2/320 an Stelle des einfachen Bruches 1/10, besagen nichts weiter, als daß es sich um die Summierung von 20 + 10 + 2 = 32 Teilstücken der 320 der Grundeinheit, d. h. um 1/10 derselben, handeln soll. Der Papyrus von London führt zahlreiche Beispiele dieser Rechnungsmethoden an, die, wie angegeben ist, etwa in die Zeit zwischen 1800 und 2000 v. Chr. fallen. Das ist ein hohes Alter, wie es nur von wenigen Handschriften in der Welt übertroffen wird, aber trotzdem bietet die merkwürdige Urkunde nicht das älteste Beispiel der besprochenen Rechnungsmethode dar. Erst vor kurzem hat mich ein glücklicher Zufall ein Schriftstück kennen gelehrt, das ich mit vollem Rechte als die +älteste Rechentafel der Welt+ überhaupt bezeichnen darf, wie es der Leser des weiteren sehen wird. Es war im April des laufenden Jahres 1891 als während meines Aufenthaltes im Museum von Gizeh mein Blick zufällig auf zwei beschriebene Holztafeln fiel, die sich in einer der obersten Abteilungen eines Kastens mit ägyptischen Antiken halb versteckt vorfanden. Auf meine Bitte wurden sie aus ihrem Verließe geholt und mir die Gelegenheit geboten, sie in aller Ruhe unter dem Lichte der klaren ägyptischen Sonne zu prüfen. Jede der beiden Tafeln hat eine Länge von etwa einem Fuße, die Höhe eines halben Fußes, und auf beiden befindet sich an der oberen Längsseite eine kleine Öffnung, als ob man ehemals eine Schnur dadurch gezogen habe, um sie mit Bequemlichkeit, etwa wie ein Schüler seine Rechentafel, zu tragen oder an einen Nagel aufzuhängen. Beide Tafeln sind mit einem Gipsstuck überzogen gewesen, der vollständig geglättet erscheint und heutzutage eine schmutzige, wachsgelbe Färbung angenommen hat. Sie waren auf beiden Seiten beschrieben, wobei es sich mir bald herausstellte, daß die dick aufgetragenen Züge fast nur Ziffern in kolonnenartig angeordneten Berechnungen enthielten. Ein großer Teil der Schrift erscheint verwischt, allein dieser Übelstand ist nicht beklagenswert, da derselbe Gegenstand meist drei- bis viermal wiederholt entgegentritt, so daß eine gegenseitige Prüfung die vollständige Herstellung der Grundrechnung gestattet. An dem Rande beider Tafeln befinden sich lange Namensverzeichnisse von Personen, die, wie die Zahlzeichen, in altertümlicher Schrift ausgeführt sind und deren Ursprung nur der elften oder zwölften Dynastie, d. h. etwa der Mitte des 3. Jahrtausends, angehören kann. Das geht nicht bloß aus dem Schriftcharakter selber, sondern noch vielmehr aus einzelnen Namensformen hervor, welche mit denen bekannter Könige jener Epoche identisch sind. Ich nenne an dieser Stelle die drei auffallendsten, nämlich Entef, Amenemhet und Ufurtisen. Es kann somit über das angegebene Alter jener merkwürdigen Tafeln kein Zweifel obwalten und wir sind dadurch in die Lage gebracht, den Ursprung der Rechnungen selber in jene uralte Zeit zu versetzen. Der Fundort der beiden erwähnten Rechentafeln war ein Grab gewesen, und es läßt sich nach sonstigen Vorgängen und Beispielen mit zweifellosester Gewißheit annehmen, daß sie als Erinnerungen an einen teuren Toten, der Mumie desselben beigegeben waren, um vielleicht an seine letzte Thätigkeit im Rechenfache auf Erden zu erinnern. Es war offenbar ein Schüler, der das Zeitliche gesegnet hatte, ohne seine Studien auf dem bezeichneten Gebiete vollendet haben zu können. Die kleinen Fehler und Irrtümer nämlich, welche in den einzelnen Kolonnen mit unterlaufen, die Wiederholungen der Abschrift derselben Rechnung und sonstige Indizien weisen darauf hin, daß der ehemals Lebende sich mitten in der Schulung befand, als er plötzlich seinem Leben Valet sagen mußte. Ein näheres Studium der Kolonnen, die ziemlich regellos und wild neben- und untereinander fortlaufen und die beiden Seiten jeder Tafel bedecken, läßt mit aller Bestimmtheit feststellen, daß es sich in sämtlichen Rechnungen um die Proportion gewisser Zahlenreihen zu einander handelte. Als Anfangsproportionen erscheinen die folgenden fünf: 1 : 1/3, 1 : 7, 1 : 10, 1 : 11, 1 : 13. Obgleich die Zahlen ohne besondere Rechnungszeichen neben- und untereinander erscheinen, so lehrt schon der erste Blick, daß Zahlenverhältnisse vorliegen, die in fortlaufender Stufenfolge von den einfachen Zahlen bis zu den zusammengesetzten Brüchen hin entwickelt werden. Ich führe als erstes, weil durchsichtigstes und einfachstes Beispiel die Verhältnisse von 1 : 10 an, die ich in nachstehender Übertragung nach dem Ziffernbilde der Tafeln wiedergebe. Vervollständigt ist dies Bild durch mich selbst nur durch das moderne Zeichen der Proportion, um auch für das Auge die einzelnen Verhältnisse deutlicher hervortreten zu lassen: 1 : 10 10 : 100 20 : 200 2 : 20 1 : (20 + 10 + 2)/320 (= 1/10) 2 : (40 + 20 + 4)/320 (= 1/5) 4 : (80 + 40 + 5 + 3)/320 (= 2/5) 8 : (160 + 80 + 10 + 5 + 1/1)/320 (= 4/5) Man überzeugt sich, auf welchem rationellen, wenn auch zeitraubenden Umwege mit Hilfe der Teilzahl 320, in ihrer fortschreitenden Entwickelung von Stufe zu Stufe, man es erreichte, die Bruchwerte vollkommen zu beherrschen und ihre Multiplikation in leichtester Weise durchzuführen. Noch viel beredter spricht ein anderer Ansatz dafür, in welchem die Verhältnisse nach der Proportion 1 : 1/3 beginnen, und deren fortschreitendes Schema nach dem mir vorliegenden Texte die folgende Übertragung zeigt: 1 : 1/3 2 : 2/3 4 : 1-1/3 5 : 1-2/3 10 : 3-1/3 20 : 5 + 1-2/3 (= 6-2/3) 40 : 10 + 3-1/3 (= 13-1/3) 80 : 20 + 5 + 1-2/3 (= 26-2/3) 160 : 40 + 10 + 2 + 1-1/3 (= 53-1/3) 320 : 80 + 20 + 5 + 1-2/3 (= 106-2/3) Das System der 320 begegnete nicht selten Schwierigkeiten, um Brüche auszudrücken, deren Nenner aus einer wenig oder gar nicht teilbaren Zahl bestand. In einem solchen Falle versuchte man mit Annäherungswerten auszukommen, etwa nach Art unserer abgekürzten Decimalbrüche. Ein lehrreiches Beispiel gewährt die dreimal auf den beiden Tafeln wiederholte Reihe der Proportionen nach dem Grundschema 1 : 11, welche ich in nachstehender Umschrift wiedergebe. 1 : 11 10 : 110 20 : 220 2 : 22 4 : 44 8 : 88 11 : 121 1 : (20 + 5 + 4)/320 (= 29/320) 1/11 2 : (40 + 10 + 5 + 3)/320 (= 58/320) 1/6 + 1/66 (= 2/11) 4 : (80 + 20 + 10 + 5 + 1)/320 (= 116/320) 1/3 + 1/33 (= 4/11) 8 : (160 + 40 + 20 + 10 + 2)/320 (= 232/320) 2/3 1/22 1/66 (= 8/11) In den letzten vier Zeilen sollten rechnungsmäßig der Bruch 1/11 und seine vielfachen 2/11, 4/11, 8/11, das Ergebnis bilden. Thatsächlich führte aber das System auf den Hauptbruch 29/320 an Stelle des erwarteten 29/319 = 1/11. Man ließ ihn unbeschadet des Fehlers stehen, wies jedoch durch ein dahingestelltes 1/11 auf die Erkenntnis des Fehlers hin, ebenso auch in den folgenden drei Zeilen, worin außerdem die Brüche 2/11, 4/11, 8/11 nach der üblichen Methode in solche mit dem Zähler 1 zerlegt sind. Ähnlich verhält es sich mit der Proportionsreihe, an deren Spitze sich als Schema 7 : 1 befindet und die ich in genauer Umschrift wiedergebe: 7 : 1 1/4 : 1/28 1/2 : 1/14 1 : (40 + 5-1/2)/320 (= 91/640) 2 : (80 + 10 + 1)/320 (= 91/320) 4 : (160 + 20 + 2)/320 (= 182/320) An Stelle des Bruches 91/640 hätte man 91/637 erwartet, um die Proportionszahl 1/7 zu gewinnen. Der kleine Fehler blieb indes unbeachtet, sowohl hier als in den beiden darauf folgenden Stufen (in denen er sich verdoppeln und vervierfachen mußte) um nicht unnötige Rechnungsschwierigkeiten in das System hineinzutragen, in welchem 320 und die Unterabteilungen nicht bloße Zahlen, sondern Maßverhältnisse ausdrücken, mit welchen der Landmann gewohnheitsmäßig vertraut war. Auch unsere Bauern reden von einer Metze, ohne dabei an den 1/384 Teil des Wispels zu denken. Die 320 Teilstücke, aus welchen auf Grund der ältesten ägyptischen Vorstellungen ein Ganzes bestand und deren Haupteinheiten sich in Reihenfolge 160 (= 1/2), 80 (= 1/4), 40 (= 1/8), 20 (= 1/16), 10 (= 1/32), 5 (= 1/64), 4, 3, 2, 1 darstellen, haben für das gesamte Rechenwesen der alten Ägypter eine weittragende Bedeutung gehabt, insoweit sich dasselbe, wie bemerkt, zunächst auf die Berechnung hohler Räume bezog ohne Rücksicht auf die verschiedenen Einheitsgrößen der Maße des Raumes. Als lehrreiches Beispiel dafür dient ein in demselben Museum von Gizeh aufbewahrter Metallbecher aus einer der späteren Epochen des ägyptischen Altertums, dessen Inhalt nach den Untersuchungen meines Bruders Emil Bey 0,23 Liter in sich faßt. Von oben nach unten fortlaufend und nach dem Boden zu immer kleiner werdend befinden sich auf der Innen- und Außenseite desselben Ringe eingegraben, zwischen welchen erklärende hieroglyphische Textworte und Bruchziffern deutlich lesbar angebracht sind. Sie lauten, in der angegebenen Reihenfolge, 1/2, 1/4, 1/8, 1/16, 1/32, 1/64 Hin, entsprechen also genau den oben angeführten Teilstücken. Mit dem Worte Hin, das sich außerdem in der ebräischen Sprache in derselben Gestalt erhalten hat, bezeichnete man ein Grundhohlmaß, das nach den sehr genauen Untersuchungen darüber eine Fassung von 0,454 Liter besaß. Die Hälfte desselben betrug mithin 0,227. Damit stimmt der oben besprochene geaichte Metallbecher des Museums von Gizeh wohl überein, dessen Inhalt auf Grund der eingegrabenen Inschriften die Hälfte eines Hin in sich faßte. In allen Zeiten der ägyptischen Geschichte erscheint der Name Hin in Tausenden von Texten wieder, um die kleinsten Grundeinheiten aller räumlichen Maße zu bezeichnen, gerade wie wir in unseren Tagen das Litermaß als eine solche auffassen. In den verschiedenen Sammlungen ägyptischer Altertümer werden meist aus Alabaster angefertigte Gefäße aufbewahrt, deren Aufschrift nicht selten den räumlichen Inhalt derselben mit Hilfe des Hinmaßes anzeigt. Man begegnet Angaben darauf, wie z. B. 9, 11, 21, 40 Hin, in einzelnen Fällen sogar mit hinzugefügten Bruchteilen dahinter, welche die Beweise liefern, daß man den Inhalt der bezüglichen Gefäße auf ihre Fassung genau zu prüfen verstand. Das Maß des Hin, das für sich allein nach dem allgemein eingeführten Rechnungssystem in 320 kleinste Teilstücke mit den Unterabteilungen 160, 80, 40, 20, 10, 5, 4, 3, 2 und 1 zerfiel, wurde anderseits für sich allein als ein kleinstes Teilstück, d. h. als 1/320 betrachtet, dessen Einheit somit das 320fache von 0,454 Liter in sich fassen mußte. Die vollzogene Rechnung führt auf ein größtes räumliches Maß, dessen Inhalt sich auf 145,35 Liter berechnet. Das ist aber genau die Fassung der altägyptischen Kubikelle (von 0,527 Meter Längenausdehnung), deren Teilstücke nach dem allgemeinen Schema, wie ich es kurz vorher wiederholt habe, die hauptsächlichsten Unterabteilungen der ägyptischen Maße darstellten, d. h. 1/2, 1/4, 1/8, 1/16, 1/32, 1/64 Kubikelle oder mit anderen Worten 160, 80, 40, 20, 10 und 5 Hin. Ich habe kaum nötig, darauf hinzuweisen, welche merkwürdige Analogie das altägyptische System der Getreide- und Flüssigkeitsmaße mit unserem modernen darbietet, in welchem bekanntlich das Liter den Raum eines Kubikdecimeters oder den tausendsten Teil eines Kubikmeters bezeichnet. Der Unterschied liegt allein in der Teilzahl 320, welche wir durch die Decimalberechnung ersetzt haben. Die Zahl 320, welche bereits auf den beiden ältesten Rechentafeln aus der Mitte des dritten Jahrtausends v. Chr. zum Vorschein kommt und deren Ursprung sicherlich in ein noch höheres Zeitalter zu versetzen sein dürfte, hatte ihre nachgewiesene Bedeutung nicht nur für das kubische Maß, sondern auch für die Berechnung der Flächenmaße, besonders der Feldmaße, in den Zeiten des ägyptischen Altertums. Erhaltene Inschriften liefern die Beweise, daß die größte Grundeinheit des Feldmaßes in 1/2, 1/4, 1/8, 1/16, 1/32 geteilt, mit andern Worten, dabei dasselbe Prinzip verfolgt wurde, welches dem uralten System mit Hilfe der leicht teilbaren Zahl 320 zu Grunde lag. Einen merkwürdigen Gegensatz zu dieser Zahl und ihren Teilstücken bildete die von dem alten Kulturvolke der Babylonier angewandte sexagesimale Rechnungsmethode, in welcher sich die Hauptstufen in der Ordnung 360, 60, 1, 1/60, 1/360 darstellten. Die geschichtliche Bedeutung dieses Systems, dessen Spuren sich bis in unsere Zeiten hin verfolgen lassen, ist weltbekannt. Es beherrschte die gesamte Kulturwelt des Altertums und verbreitete sich von Volk zu Volk auf den ältesten Handelsstraßen zu Wasser und zu Lande. Ob es auch Ägypten beeinflußt hatte oder ob im Verlaufe der späteren Geschichte von Ägypten aus der Anstoß dazu gegeben worden ist, muß vorläufig als eine unentschiedene und schwebende Frage bezeichnet werden. Auf alle Fälle haben die ältesten Rechentafeln der Welt im Museum von Gizeh, welche ich zum Gegenstande dieser Betrachtung gewählt habe, uns die Gelegenheit geboten, Lichtblicke in eine ferne Vergangenheit zu werfen, in welcher der menschliche Scharfsinn die Schwierigkeiten glücklich zu überwinden verstand, mit ganzen und gebrochenen Zahlen die Grundoperationen des Rechenwesens ohne auffällige Fehler im einzelnen mit Erfolg durchzuführen. Der Hypnotismus bei den Alten. Der Hypnotismus oder die Kunst geeignete Personen in Schlaf zu versetzen und sie in diesem Zustande zu Handlungen zu bewegen, welche von dem ausgesprochenen Willen des Hypnotiseurs abhängig sind, hat in den neuesten Zeiten durch öffentliche Schaustellungen die allgemeine Aufmerksamkeit im höchsten Grade auf sich gezogen. Die Meinung, daß bei den Versuchen in kleineren und größeren Kreisen ein verabredetes Einverständnis zwischen den beteiligten Personen vorliege, ist durch die Thatsachen vollständig widerlegt worden, und seitdem die medizinische Wissenschaft, auf Grund strenger Prüfungen und wiederholter Experimente, die Thatsachen ihrerseits bestätigt hat, sind die Zweifel daran als unberechtigt angesehen worden. Man hat sich bei dieser Gelegenheit mit Recht daran erinnert, daß schon in den vorangehenden Jahrhunderten, man braucht nur an +Mesmer+ und den Mesmerismus zu denken, ähnliche Erscheinungen festgestellt worden sind, die freilich auf übernatürliche Ursachen zurückgeführt wurden und die Träger der geheimnisvollen Kraft geradezu in den Ruf von Geisterbeschwörern brachten. Der bekannte Abenteurer Graf +Cagliostro+, welcher sein Unwesen in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in den Hauptstädten Europas trieb, in Rom zum Tode verurteilt wurde, jedoch begnadigt im Jahre 1795 im Fort San Leon als Gefangener starb, kann als der Typus dieser sogenannten Wundermänner angesehen werden. Man ist noch weiter zurückgegangen und hat die Vermutung ausgesprochen, daß bereits dem Altertum dieselben Erscheinungen nicht unbekannt gewesen seien, indem man gewisse Arten von Orakeln und den Tempelschlaf mit dem Hypnotismus in unmittelbaren Zusammenhang setzte. Die in den letzten Zeiten öffentlich ausgesprochenen Ansichten darüber haben in der That vieles für sich, aber die Schlüsse sind nur allgemeine, denn sie gehen von den überlieferten Erscheinungen aus, deren nicht überlieferte, absichtlich oder unabsichtlich verschwiegene Ursache den Ursprung derselben verdunkelt, d. h. den vorausgesetzten Zustand hypnotisierter Menschen, wie er heutigestags selbst von den wissenschaftlichen Größen zugegeben wird. Ich bleibe beim Altertume stehen, um die Beweise zu liefern, daß man wirklich einzelne Individuen in Schlaf zu versetzen vermochte, um sich derselben als Medien zu bedienen und durch sie eine Verbindung zwischen einer übernatürlichen Welt mit der sinnlichen herzustellen. Die Thatsache wird durch den Inhalt einer langen Papyrusrolle erwiesen, welche in ägyptischer Volksschrift abgefaßt und mit vielen griechischen Beischriften versehen ist. Nach dem Urteile gelehrter Forscher fällt ihre Abfassung in die Mitte des dritten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, in welchem die sogenannte +Gnosis+ in vollster Blüte stand und die Anhänger derselben, die Gnostiker, je nach dem Gründer und dem Systeme ihrer Schule, sich bemühten, die heidnischen Mythen und die Gottheiten und Dämonen, vorzüglich der ägyptischen und syrischen Tempelwelt, mit dem Christentum zu verquicken und auf diesem verkehrten Wege in die Tiefen der Erkenntnis von Gott und Welt einzudringen. Die hinterlassenen Schriften der Gnostiker, welche sich vor allem an die Namen der Stifter der einzelnen Schulen und berühmter Theosophen wie Marcus, Valentin, Basilides, Jamblichus knüpfen, lassen ein ganzes Geisterreich erkennen, in welchem die Dämonen wie gehorsame Diener und Vermittler zwischen dem „großen Gotte“ und dem Anhänger der Gnosis auftreten. Durch geheimnisvolle Mittel, auch die schrecklichsten Drohungen gehörten dazu, wurden sie gezwungen zu erscheinen und den Willen des Beschwörenden auszuführen. Mystische Namen und Titel spielten hierbei eine bedeutende Rolle und dieselben, ihren gemalten oder geschnittenen Bildern beigefügt, galten als Schutzmittel gegen alles Unheil. Die in den europäischen Museen aufbewahrten gnostischen Steine können noch heutigestags als beredte Zeugen jener wunderlichen Lehren dienen, welche genaue Vorschriften über die Ausführung derartiger Talismane enthalten. So sollte z. B. ein goldener Ring von ganz besonderer Wirkung sein und vor jedem Unglück bewahren, an welchem ein Jaspis gefaßt war, der das geschnittene Bild einer Schlange zeigte, die sich in den eigenen Schwanz biß, darüber die Sonne, zwei Sterne und den Mond und daneben die drei Namen +Abrasax+, +Jao+ und +Sabaoth+. Selbst jüdische Gottesgelehrte und christliche Bischöfe standen nicht an, der Dämonenlehre ihren Beifall zu schenken, denn sie spielen in ihren Äußerungen und Schriften bei passender Gelegenheit häufig darauf an. Die Gnostiker schienen niemals in Verlegenheit zu sein, um selbst das Unmöglichste zu erreichen. Es gab förmliche Rezepte um glücklich zu sein, um Gegenliebe zu gewinnen und Haß hervorzurufen, um Träume zu haben und Träume zu senden, mit einem Worte, um jeden Wunsch in Erfüllung zu bringen. Sie legten damit den eigentlichen Grund zu dem im Mittelalter allgemein verbreiteten Glauben an eine höhere Magie und wenn in ihren Schriften auch keine Vorschriften darüber enthalten sind, wie man schlechte Metalle in Gold verwandeln könne, so sind die Rezepte in den gnostischen Schriften um so zahlreicher, welche von der Mischung der Metalle handeln und chemische Prozesse berühren. Die Alchimie, die Mutter unserer Chemie, ging mit der Magie Hand in Hand und es setzt in Erstaunen, mit welcher Auswahl von Mitteln man das gesteckte Ziel zu erreichen glaubte. Selbst die Heilkunde wurde in das Bereich der gnostischen Schulen gezogen. Die Beweise dafür liegen in derselben Papyrusrolle vor, mit welcher ich mich gleich näher beschäftigen werde. Es fehlt z. B. nicht an Rezepten, um das Blut zu stillen, nicht an anderen, welche sich auf die Beseitigung von Ohren-, Augen- und Fußleiden beziehen, auch nicht an Beschreibungen von Pflanzen und Mineralien, welche auf das Gebiet der ~materia medica~ verweisen. Die Gnosis umfaßte eben die Erkenntnis der Dinge in ihrem letzten Grunde und ihre Verbindung mit dem Namen „des großen Gottes“, unter welchem das Dämonenreich als Vermittler mit dem Anhänger der Gnosis stehend angesehen wurde. Der Hypnotismus gehörte zu den wirksamsten Mitteln, um diese Verbindung herzustellen und auf dem Gebiete der Wünsche und des Wissens die wirksamsten Erfolge zu erzielen. Der ägyptische Papyrus, von dem ich am Eingange gesprochen habe, ist seit dem Jahre 1829 Eigentum des Museums (eingetragen als Pap. ~A~. Nr. 65) in der niederländischen Universitätsstadt Leiden. Er ward in Theben entdeckt und gelangte durch Ankauf in den Besitz jener Sammlung. Seine Länge beträgt 3,14 Meter, seine Höhe 25 Centimeter. Von beiden Seiten mit zierlichen Schriftzügen in enger Zeilenfolge bedruckt, hat er beim Aufrollen den Anfang eingebüßt. Es sind deutliche Spuren vorhanden, daß sich der ehemalige Besitzer desselben häufig bedienen mußte, denn er ist abgegriffen und danach zu urteilen sein Inhalt häufig gelesen worden. Der Name des Verfassers oder selbst nur der des Abschreibers oder Besitzers ist nirgends zu entdecken. Vielleicht stand er am Anfange und ist bei der Zersplitterung der ersten Seite verloren gegangen. Daß er für ägyptische Gnostiker bestimmt war, darüber läßt die Sprache und selbst auch der Inhalt, insofern er die Namen von ägyptischen Gottheiten wie Osiris, Isis, Horus, Anubis, Seth u. a. m. berührt, keinen Zweifel übrig. Unter den mannigfaltigen Vorschriften, welche größtenteils in Gestalt von Beschwörungen und Zaubermitteln den Inhalt des langen, merkwürdigen Schriftstücks bilden, befinden sich auch solche, welche auf die Erscheinung von Dämonen hinauslaufen. Die Geister werden auf geheimnisvolle Weise gerufen und genötigt, Antwort auf gestellte Fragen zu geben. Dabei wird stillschweigend vorausgesetzt, daß sie nicht erscheinen wollen oder eine ungenügende Antwort oder gar keine Antwort erteilen. Für diesen möglichen Fall wird außer der Grundformel eine andere Beschwörung empfohlen oder selbst eine dritte und vierte, die eine unfehlbare Wirkung erzielen sollte. Der Beschwörende, welcher die vorgeschriebenen Worte herzusagen hat, unter welchen bekannte und unbekannte Namen aus allen möglichen Sprachen als eigentlicher Mittelpunkt der Zauberei dienen, führt sich selbst unter der Bezeichnung irgend einer Gottheit auf, um den zitierten Dämon zu veranlassen, den ihm erteilten Befehl auszuführen. „Ich bin +Horus+,“ so sagt er z. B. an einer Stelle, „der Bruder (~sic~) der Göttin +Isis+, geboren von +Isis+, der herrliche Knabe, welchen +Isis+ liebt und welcher nach seinem Vater +Osiris-Onnofer+ begehrt“. Dem Dämon wird somit die Täuschung zugemutet, als sei der Beschwörende der ägyptische Gott +Horus+ in eigener Person, um seiner Dienstfertigkeit einen besonderen Nachdruck zu geben und seine etwaige Widerspenstigkeit durch das Gewicht der Autorität zu brechen. Den Zweck der Beschwörung bildet in einer ganzen Reihe von Beispielen, wie gesagt, die Absicht, den citierten Geist zu zwingen, auf gewisse Fragen Rede zu stehen. Als notwendigster Apparat zu der Zauberei gehörte eine Zauberschale und eine neue Lampe aus Metall oder Thon, in welcher sich Öl und ein neuer Docht befinden mußte, ferner zwei neue Kisten, welche, nach ihrer Verwendung zu urteilen, als Stühle dienten, und schließlich ein reiner, unschuldiger Knabe. Das Kind vertrat die Stelle des Mediums, und aus seinem Munde vernahm der Beschwörer, ob der gerufene Dämon oder die Dämonen zur Stelle waren, zugleich auch ihre Geneigtheit, die betreffenden Fragen zu beantworten. Aus den Beispielen, von denen ich mehrere unten in deutscher Übertragung vorgelegt habe, wird der Leser eine Vorstellung über die weiteren notwendigen Vorbereitungen gewinnen. Der Hauptakt der Handlung bestand zunächst darin, das Kind zu hypnotisieren oder, wie der ägyptische Text sich öfters wörtlich ausdrückt, „+zu veranlassen, daß es seine Augen schließe+“. War dies erreicht worden, so rief es der Beschwörer wieder wach oder, wie es im ägyptischen Stile heißt, „+er veranlaßte, daß es seine Augen öffne+“. Das Kind mußte sagen, was es (im Schlafe) gesehen und gehört habe, und damit war der Zweck der vollzogenen Beschwörung oder Hypnotisierung erreicht. Das „reine unschuldige Kind“ spielt in allen Beispielen die Rolle des Mediums; weshalb? läßt sich leicht behaupten, da ein griechischer Schriftsteller (Plutarch), welcher über ägyptische Glaubenslehren ein ganzes Werk niedergeschrieben hat, ausdrücklich versichert, daß die Ägypter den +kleinen Kindern+ (+Paidaria+) eine wahrsagende Kraft beilegten und als Vorzeichen besonders die Ausrufungen nähmen, die sie beim Spielen in den Tempeln zufällig hören ließen. Die von mir beschriebene Handlung fand gewöhnlich in einem sauber ausgewaschenen und abseits gelegenen Zimmer des Hauses statt, welches von der angezündeten Lampe erhellt wurde. Nur der Beschwörer und das Kind waren die einzigen gegenwärtigen Personen. Aber auch an die Sonne und den Mond konnten von der höchsten Stelle im Hause, also vom Dache aus, die Beschwörungen gerichtet werden, wobei wiederum das Kind die Rolle des Mediums übernehmen mußte. Mit diesen notwendigen Erklärungen vertraut, wird der Leser sich in der Lage befinden, ohne Schwierigkeit die nachfolgenden Beispiele zu verstehen, welche ich dem Papyrus des Leidener Museums entlehnt und in wortgetreuer deutscher Übersetzung wiedergegeben habe. „Nachdem du eine neue Lampe gebracht hast, in welche man keine rotfarbige Erde hineingethan hatte, so ziehe einen sauberen (d. h. frischen) Docht ein und fülle sie mit dem besten und reinsten Öle. Stelle sie in ein abseits gelegenes Zimmer, das mit Seifenwasser gereinigt worden ist. Stelle sie auf einen neuen Kasten, bringe ein Kind herbei und lasse es seinen Platz auf einem andern neuen Kasten einnehmen, der Lampe gegenüber. Laß den Schlaf über sein Auge kommen und sprich über es das, was oben geschrieben steht (nämlich eine längere Beschwörungsformel mit einer Menge wunderlicher Namen) zu sieben Malen. Hast du es wieder erweckt, dann sage zu ihm: „Sahst du das Licht?“ Antwortet es: „Ich sah kein Licht vom Lampenschein,“ so rufe sofort den Namen +Heue+ aus, zu sieben Malen, und befrage es nach allem, was du willst.“ * * * * * „Hast du eine saubere und geputzte Lampe herbeigebracht, in welche man weder rote Farbenerde noch Gummiwasser hineingethan hatte, so fülle sie mit dem besten Öle oder auch mit ätherischem Öle. Umwickle sie mit vier unangebrannten Zeugstreifen und hänge sie an eine nach dem Morgen gelegene Wand auf an einen Pflock aus dem Holze des Lorbeerbaumes. Dann stelle den Knaben vor sie hin, der sei aber rein und unschuldig. Bringe ihn mit deiner Hand in Schlaf und zünde die Lampe an. Rufe über ihn die Beschwörungsformel aus bis zu sieben Malen. Erwecke ihn wieder und frage ihn also: ‚Was hast du gesehen?‘ Antwortet er: ‚Ja! ich schaute die Götter in dem Umkreis der Lampe‘, so werden sie ihm Rede stehen in Bezug auf alles, um was sie befragt werden.“ * * * * * „Nachdem du einen reinen Knaben herbeigeholt hast, lege ihm einen beschriebenen Talisman (?) an, stelle ihn der Sonne gegenüber und laß ihn seinen Platz auf einem neuen Kasten einnehmen in der Stunde, in welcher die Sonne aufgeht. Sobald ihre volle Scheibe emporgestiegen ist, so laß einen Leinwandsack auf seinen Rücken legen. Bringe ihn in Schlaf und +stelle dich mit deinen Füßen auf seinen Rücken+. Indem du den Spruch über ihn thust, streiche über seinen Kopf hin und her, und zwar mit deinem Sonnenfinger (Zeigefinger?) an deiner rechten Hand u. s. w.“ * * * * * „Beschreibung der Zauberlampe für den Knaben.“ „~+Tete-Ik-Tatak+~ u. s. w. Möchte mir Antwort auf alles, was ich fragen werde, zu teil werden, sofort! Denn ich bin +Horus+, das Kind in Mendes, denn ich bin +Isis+, die Wissende. Was ich mit meinem Munde sage, das geschieht. Sieben Mal (dies) zu sprechen.“ „Nachdem du ein neues Gefäß herbeigebracht hast, thue einen frischen Docht in dasselbe, der aus einem Tempel herrührt. Stelle das Gefäß auf einen neuen Kasten, der aus der Vorratskammer herrührt. -- Stelle ihn auf und weise dem Gefäße seinen Platz auf seiner Oberfläche an. Thue vom besten Öle in dasselbe, oder auch Rosenöl. Stelle einen zweiten neuen Kasten als Sitz für dich auf und laß den Knaben zwischen deinen beiden Füßen stehen. Dann sage den oben niedergeschriebenen Spruch über den Knaben her, wobei dein Auge auf den Spiegel seines Auges gerichtet sei. Dann thue Myrrhe auf einem Weidenbaumblatt auf den oberen Teil der Lampe. Sobald du es in einem Zimmer ausführst, so sei es finster, seine Thüröffnung nach dem Osten oder dem Süden gerichtet und keine Stelle lasse den Erdboden erkennen u. s. w.“ Der Text endet mit den Worten: „Dann frage ihn: ‚Was hast du gesehen?‘ und er wird dir über alles Mitteilung geben, worüber du ihm Fragen stellen wirst.“ * * * * * Es ist nicht zu übersehen, daß auch der Beschwörer selber sich hypnotisieren (lassen?) und damit die Rolle des Knaben übernehmen konnte. Das geht mit größter Klarheit z. B. aus folgender Stelle hervor: „Begieb dich in ein sauberes Zimmer, bringe ein metallenes Gefäß herbei, wasche es mit Seifenwasser aus und thue zwei +Log+ (ein besonderes Maß) Öl hinein und stelle es auf den Erdboden hin. Darauf zünde eine metallene Lampe an und setze sie auf den Erdboden hin, neben das metallene Gefäß. Nachdem du dich mit einem linnenen Gewande bekleidet hast, bleibe bei dem Zaubergerät und sage den Spruch hinein in das Zaubergerät, mit geschlossenem Auge, bis zu sieben Malen. Hast du deine Augen wieder geöffnet, so befrage es über alles, was du wünschst. Wünschst du, daß die Götter des Zaubergeräts zu dir reden sollen, mit ihrem Munde, so sprich: +~Joa-Iph-Eoe-Kintathur-Naphar-Aphoe~+, bis sie dir auf alle vorgelegten Fragen Antwort geben werden.“ * * * * * Um eine Vorstellung von den Drohungen zu geben, welche gelegentlich den Dämonen gegenüber ausgestoßen wurden, wähle ich zum Schluß das folgende Beispiel in seinem ganzen Zusammenhange. „Du bist +~Boel~+ (3 Mal zu sagen) ~ï-ï-ï-a-a-a Tat-Tat-Tat~, der, welcher allein das Licht spendet, der Urheber des Feuers, in dessen Munde das Feuer ist, welches des Rauches entbehrt. Du lebendiger, unsterblicher Gott, du großer Gott, der du im Feuer ruhst, der im Pfuhle des Feuers weilt, welches das Meer des Himmels bildet, in dessen Hand die Jugend und die Kraft des Gottes ist, steige heraus aus dem Pfuhle jenes Feuers, erscheine du diesem Kinde, sofort! Laß es mir Antwort geben auf alles, was ich im Begriff stehe ihn zu fragen, sofort! Sonst werde ich dich verachten am Himmel im Angesicht der Sonne, werde ich dich verachten im Angesicht des Mondes, werde ich dich verachten auf der Erde, werde ich dich verachten im Angesicht dessen, welcher auf dem Stabe weilt und den Rauch erzeugt und in dessen Hand die Jugend und die Kraft des Gottes ist, d. h. ~Peperi-Pater-Emphe~, der zweimal große Gott, in dessen Hand der schöne Stab ist, du, welcher einen Gott entstehen läßt, ohne daß ihn ein Gott entstehen ließ. „Schenke die Stärke der Augen diesem Kinde, welches meine Zauberschüssel heute trägt, damit es dich sehe, damit seine Ohren dich hören. Indem du sprichst, frage es nach allen Angelegenheiten und nach allen Dingen, um welche ich es befragen wollte, sofort! „Großer Gott, ~+Sisaoth-Achrempto+~, komme hier herein aus dem Pfuhl jenes Feuers, du, der du auf dem Berge von ~+Kabaon+~ ruhst. ~+Takrtat+~, der welcher nicht stirbt, sondern in Ewigkeit hinlebt, tritt herein! Nahe dich, großer +~Boel-Arbeth bai nuthi~+, du großer Gott, nahe dich +~Boel-Tat~+, nahe dich +~Boel~+! „Indem du dies siebenmal über das Kind sagst, erwecke es wieder und frage es, ob das Licht da war. Wenn das Licht nicht zum Vorschein gekommen war, so laß das Kind mit seinem eigenen Munde also zur Lampe reden: „Wachse, o du Licht, erhebe dich, du Licht, leuchte, du Licht, erscheine du Licht des Gottes, damit ich salben kann den Gott, in dessen Hand das Schicksal des heutigen Tages liegt und der mich befragen wird. „Sobald er sich diesem Kinde in der betreffenden Stunde offenbart hat und sobald du dies über das Kind gesprochen hast, laß es auf die Lampe schauen. Erlaube nicht, daß es nach einem (andern) Gegenstande des Hauses, außer der Lampe allein, schaue. Sollte es nicht danach schauen, sondern sich umdrehen, so thue alles, was folgt. Wenn du bestehst auf deine Befragung, so kehre es (das Kind) nach dir um, bringe es in Schlaf und sage über es den andern unten folgenden Spruch her, nämlich, während die Götter ankommen und das Kind sich umwendet, indem es sie schaut: +~Archechemphe-Zeu-Hele-Satrapermet~+.“ Die Lichterscheinungen, welche das Kind sieht, bilden eine ständige Beigabe in den merkwürdigen Texten. Sie sind ein Anzeichen, daß die Dämonen erschienen sind, um ihre Hilfe anzubieten. Ich habe nicht nötig, auf manche Einzelheiten noch besonders hinzuweisen, welche an die modernen Manipulationen beim Hypnotisieren lebhaft erinnern, wie das Streichen mit der Hand, das Fixieren des Auges und anderes, das den Beweis für die wirkliche Kenntnis des Hypnotisierens im Altertum mindestens im dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung wesentlich verstärkt. Alles ist schon einmal dagewesen und es giebt nichts neues im Lichte der Sonne sagt ja schon Ben-Akiba. Litteraten zur Moseszeit. Langjährige Untersuchungen und gründliche Forschungen auf dem Gebiete der Sprachwissenschaft haben die Beweise geliefert, daß kein Gebot und keine Macht der Welt imstande ist, der Sprache ein neues Urwort oder Wurzelelement hinzuzufügen. Die Sprachen wachsen, d. h. sie nehmen in der geschichtlichen Entwickelung ihres Bestehens an Formenreichtum und Formenschönheit zu, aber neue Wurzeln in ihren Boden zu senken, erscheint ebenso unmöglich, als den Elementen, aus welchen die materielle Welt zusammengesetzt ist, ein vorher unbekanntes, neues zuzuführen. Der Litterat, der gebildete Schriftsteller im besten Sinne des Wortes, ist der Pfleger der Sprache. Er tritt aus dem beschränkten Kreise der Sprache des ungebildeten Volkes heraus und veredelt dieselbe in der schriftlichen Darstellung seiner Gedanken, mögen dieselben die gegebene Wirklichkeit oder eine nur eingebildete phantastische berühren. Die Formenvollendung und der schwunghafte Ausdruck seiner Sprache bis zum Wortklang hin wird sich in dem Maße steigern, als die dichterische Stimmung ihn gleichsam zu den Sternen erhebt. Auch nach einer anderen Richtung hin wird die zunehmende Kultur in Verbindung mit der wissenschaftlichen Erkenntnis im Laufe der vorwärtsschreitenden Zeit eine Art von Umbildung der Sprache schaffen, durch welche einer großen Zahl ihrer Wörter neben ihrer ursprünglichen eine neue, abgeleitete Bedeutung verliehen wird. Den späteren Forscher auf dem Gebiete der modernen Sprachwissenschaft ruft daher das Studium des Wortes die ältesten Zustände und die einfachsten Erfahrungen und Kenntnisse einer längst vergangenen Vorzeit in das Gedächtnis zurück. Die Elle, die Hand, der Finger, der Fuß, die Spanne, bekannte Maßbezeichnungen in der Sprache der Metrologen, gehen auf die entsprechenden Teile des menschlichen Körpers zurück, nach welchen der älteste Mensch Längen zu messen gewohnt war. So entwickelte sich aus den einfachen, erfahrungsmäßig gewonnenen Kenntnissen der ältesten Schiffahrt zur See die Wissenschaft der Astronomie u. s. w., wobei das begriffliche Wachstum der alten Sprache des Handwerks gleichen Schritt mit der vorwärtsschreitenden, wissenschaftlich begründeten Erkenntnis hielt. Selbst die einer fremden Sprache entlehnte wissenschaftliche Terminologie führt im letzten Grunde zu einfachen Urwörtern und Urbegriffen zurück. Auch der Pfleger des Schrifttums, der Litterat, kann sich denselben Voraussetzungen nicht entziehen und dem Jüngsten unserer Zeit muß, wie ein Urvater in nebelhafter Ferne, der älteste Litterat gegenüberstehen. Bevor ich ihn suche und finde, wird einem jeden die Wahrscheinlichkeit einleuchten, daß man bei der Beurteilung seiner Leistungen in formaler Beziehung nicht den modernen Maßstab anlegen darf, denn die Entwickelung des Schrifttums ist abhängig von der zeitlichen, kulturgeschichtlichen und nationalen Stellung des Schriftstellers und sein Gedankenkreis durch seine nächste Umgebung und seine Erziehung und Bildung bedingt. Allein von +diesem+ Standpunkte aus darf sein hinterlassenes Werk dem modernen Urteil unterzogen werden, ohne ein Hindernis zu bieten, die Schärfe des menschlichen Gedankens mit dem heutigen Maßstabe zu messen. Unter allen litterarisch gebildeten Völkern und zu allen Zeiten der Kulturgeschichte ist der Geist des Menschen derselbe geblieben, nur abhängig, wie gesagt, von geschichtlichen Epochen und der sprachlichen Entwickelung innerhalb derselben. Die erste Offenbarung seines Daseins für die Zeitgenossen und die Nachlebenden ist die Schrift. Ein berühmter Gelehrter, R. Lepsius, hat die Einleitung zu einem größeren Werke über die Chronologie der alten Ägypter einen eigenen Abschnitt über das Alter der Geschichte dieses Volkes gewidmet, das seiner wohlerwogenen und durch Beweise gestützten Meinung nach die Anfänge der Geschichte aller übrigen Kulturvölker der Welt bei weitem überragt und durch gleichzeitige, bis auf den heutigen Tag erhaltene inschriftliche Überlieferungen gestützt wird. Die Erfindung der Buchstabenschrift und die Bearbeitung der massenhaft im alten Nilthale wachsenden Papyruspflanze zu einem passenden Schreibmaterial, auf welches sich leichter und schneller als auf Stein und Holz, die Schriftzüge hinwerfen lassen, forderten schon frühzeitig zu litterarischen Leistungen auf, wie sie uns in der Gegenwart in überkommenen zahlreichen Beispielen vorliegen. Man wird beinahe versucht, wenn auch in einem anderen Sinne, den lebenden Soldaten des Schrifttums die bekannten Worte Napoleon Bonapartes zuzurufen: „Soldaten von der Feder, sechs Jahrtausende schauen von der Spitze der Pyramide der Litteratur auf euch nieder. Darum vorwärts!“ Wer nach dem ältesten Litteraten aussucht, kann ihn zunächst nur an den Ufern des heiligen Nilstroms finden und damit glaube ich den einzig sichern und rechten Boden für meine Betrachtung gewonnen zu haben. Kein Volk der Erde war so schreiblustig und schreibselig wie das ägyptische; der Besuch eines jeden ägyptischen Museums liefert dafür die vollgültigsten Zeugnisse. Ob Stein, ob Holz, ob Leinwand oder Papyrus, alles ist mit Schriftzügen bedeckt, die uns bald die Hieroglyphe, bald eine für die Schnellschrift hergestellte Kursivschrift vor Augen führen. Der letzteren oder der sogenannten hieratischen Schrift bedienten sich die ältesten Litteraten zur Abfassung ihrer Werke auf Papyrus. Ein Schreibrohr, eine Art von Palette aus Holz mit eingeschnittenen runden Farbennäpfen und ein kleines Wassergefäß vertraten die Stelle von Tinte und Feder. Alle drei Instrumente miteinander verbunden bildeten nebst einer Schreibtafel aus Holz oder der Papyrusrolle mit ihrem Bandstreifen die Attribute eines schriftkundigen Mannes, nicht weniger auch des Gottes Thot, des ägyptischen Hermes, des Erfinders der Schrift und des gesamten Schriftentums, wie es in den „+Häusern der Bücherrollen+“ oder den Bibliotheken der Tempel in einer größeren oder kleineren Auswahl niedergelegt war. Es ist bekannt, daß die Inschrift an der königlichen Bibliothek zu Berlin „~Nutrimentum spiritus~“ von Friedrich dem Großen, wenn auch nach einer schlechten französischen Übersetzung ihrer griechischen Fassung, der Aufschrift einer altägyptischen Tempelbücherei entlehnt ist, welche Ramses II. auf der Westseite der ehemaligen Residenzstadt Theben der Ramessiden gestiftet hatte, wofern man der Überlieferung des griechischen Schriftstellers Diodor guten Glauben schenken darf. Der altägyptische Litterat führte die gewöhnlichste Bezeichnung eines „+Schreibers+“, ~scriptor~, oder schriftkundigen Mannes, und empfing seinen ersten Unterricht in den Tempelschulen des Landes. Seine weitere Ausbildung in den verschiedenen Fächern des gelehrten Schriftentums steuerte zunächst der heiligen Wissenschaft oder den „+göttlichen Dingen+“ zu, ohne das man darüber das Irdische verloren hätte. Denn die 42 sogenannten hermetischen Bücher, welche nach der Versicherung des Bischofs Clemens von Alexandrien den Inbegriff des höheren Wissens bildeten, behandelten neben den göttlichen Dingen auch die Gesetzkunde, die Kosmographie, die Geographie, die Topographie, die Astronomie, die Kunst und die Musik. Wenn noch bis zum heutigen Tage bei den Bekennern des Islams im Morgenlande das gesamte Schrifttum in den Händen priesterlicher Personen ruht und die Bildung von der Volksschule an sich auf theologischem Boden aufbaut, so wird dennoch, wie bei den alten Ägyptern, in der geistigen Entwickelung des Einzelnen die Pflege der Wissenschaft und der Litteratur mit dem religiösen Wissen als vereinbar betrachtet. Denn nach den großen Lehrern der Anhänger des Propheten Mohammed sind die Kenntnisse, welche der Mensch zu erwerben vermag, aus zwei Quellen abzuleiten: aus dem Verstande und aus dem Glauben, mit anderen Worten: aus dem weltlichen Wissen und aus der Religion. Selbst Mohammed, dessen Gefährten und Schüler in seiner unmittelbaren Umgebung nur aus litterarisch gebildeten Arabern bestanden (der erste Chalif Moawiju war sein Schreiber gewesen) that den Ausspruch: „Suchet die Wissenschaft zu erlernen und wenn ihr sie in China finden solltet“, und empfahl jedem unter den Gläubigen: „Arbeite auf Erden, um Wissenschaft und irdische Güter zu erwerben, als wenn du ewig leben solltest, richte deine Handlungen im Hinblick auf das zukünftige Leben ein, als wenn du morgen sterben müßtest.“ Seinen Schwiegersohn Ali, welcher besondere Verdienste um die litterarische Entwickelung der arabischen Sprache erworben hatte, ehrte er durch die Worte: „Das Wissen ist eine Stadt, deren Thor Ali ist.“ In ganz ähnlicher Weise finden wir bei den alten Ägyptern den mythologischen Glauben mit der Erkenntnis durch die Vernunft verbunden und die litterarische Leistung nur insofern durch den Glauben beeinflußt, als das Walten des Göttlichen in den Vordergrund des Schicksals des Menschen tritt. Das Gute findet seinen Lohn, das Böse seine Strafe. Das ist der allgemeinste Grundgedanke. Die litterarische Ausbildung der Söhne aus den besseren Ständen in der priesterlichen Schule nahm mit der Schrift ihren Anfang. Die Arbeit war nicht leicht, denn mehr als 1500 Zeichen mußten in ihrem Bilde nach ihrer kursiven Form erlernt werden, damit ihre Buchstaben- und Silbenwerte und ihre Rolle als stumme Deutzeichen im Gedächtnisse haften blieben. Im Grunde genommen mußte eigentlich die übliche Schreibweise eines jeden einzelnen Wortes bis zu den grammatischen Formen hin dem Schüler geläufig sein. Die Schriftstücke hervorragender Litteraten dienten beim praktischen Unterricht als Muster für die Schrift und den Stil und diktierte Texte stellten die erworbenen Kenntnisse auf die Probe. Der Lehrer verbesserte auf dem oberen Rande die vorhandenen Fehler, die meistens schlechte Schrift und falsche Zeichen betrafen. Selbst das Verhören eines Wortes unaufmerksamer Schüler läßt sich noch heutigestags nachweisen, da die Museen Europas eine nicht geringe Zahl derartiger Schülerarbeiten auf Papyrus aus der Zeit des vierzehnten und der unmittelbar nachfolgenden Jahrhunderte v. Chr. enthalten. Der angehende Litterat, welcher sich durch Fleiß und Aufmerksamkeit auszeichnete, ward gelobt, der faule getadelt, oder mit dem Stock gezüchtigt, denn, wie es in einem der Schriftstücke wörtlich gesagt wird: „die Ohren des Knaben sitzen auf seinem Rücken“. Die Schule selbst hieß deshalb „das Haus der Züchtigung“ und „züchtigen“ fiel mit der Vorstellung des Lehrens zusammen. Nach wiederholten Stellen in einem uralten Schriftstücke, das allgemeine Lebensregeln enthält und dem Ende des vierten Jahrtausends angehört, sah man in dem „+Hören+“ oder dem Gehorsam die höchste Tugend des Knaben. Mehr als ein Jahrtausend später empfahl ein Vater in einem Schriftstücke seinem Sohne die litterarische Ausbildung, indem er in drastischen Beispielen und Schilderungen auf die Beschwerden und Plackereien des menschlichen Handwerkes hinwies. Ein Litterat, welcher in der kriegerischen Epoche Ramses II. um 1300 v. Chr. lebte und zu seinem Bedauern die Neigung des jüngeren Nachwuchses für den Soldatenstand und den Ackerbau wahrnahm, erinnert in einem noch erhaltenen Papyrusbriefe an die Leiden eines ägyptischen Lieutenants während eines Feldzuges und an die unvermeidlichen Verluste des Landmannes infolge von ungünstigem Wetter, Viehsterben, Diebstählen und gewaltsamen Bedrückungen durch die Steuerbeamten Pharaos. Wie ganz anders, so schließt er, steht es mit dem Litteraten! Er hat Freude an seiner Arbeit, sie bringt ihm Ruhm und Ehre ein und -- wie um einen Trumpf auf die ausgespielten Karten zu setzen -- er braucht keine Abgaben zu leisten. Zu gleicher Zeit verfehlt er nicht, die jungen Litteraten vor dem Besuch der Bierhäuser, zumal solcher mit Mädchenbedienung und Musikantengesellschaft, zu warnen. Die übergroße Schreiberzunft, welche in allen Zeiten der ägyptischen Geschichte ihre besonderen Dienste der Tempelverwaltung, der Person des Nomarchen oder des Gaugrafen und dem königlichen Hofe leistete, besaß litterarisch mehr oder weniger gebildete Vertreter, welche als solche besondere Beinamen und ehrenvolle Bezeichnungen empfingen. Man nannte sie „Schreiber, welche die Sachen kennen“, d. h. sachkundige Litteraten, oder „Schreiber, welche die Schwierigkeiten der Erkenntnis des Himmels, der Erde und der Tiefe beherrschen“, auch wohl „Litteraten von elegantem Stil“. Man rühmt die „+Süßigkeit+“, das heißt die Anmut ihrer Sprache im schriftlichen Ausdruck und findet es nicht zu stark, diese Süßigkeit mit der des Honigs zu vergleichen. Anderseits entging die Mittelmäßigkeit litterarischer Leistungen dem Tadel in keiner Weise, wenn er auch nach einem vorhandenen Beispiel aus dem vierzehnten Jahrhundert v. Chr. in höflicher Form ausgedrückt ward. Ein hervorragender Litterat leitet seine Antwort auf die schriftliche Mitteilung eines Kollegen mit der kurzen Kritik ein: „Dein Schriftstück ist allzu zusammengestoppelt. Es ist ein Ballast hochtrabender Redensarten, deren Deutung der Lohn derer sein mag, die danach suchen; ein Ballast, welchen du nach deinem Belieben aufgeladen hast“, und er schließt mit den Worten: „Sehr unbedeutend ist es, was über deine Zunge läuft, und ganz verwirrt sind deine Sätze. Du kommst zu mir in einer Hülle von Verdrehungen und mit einem Ballast von Fehlern. Du zerreißt die Worte, wie es dir in den Sinn kommt, und du bemühst dich nicht, ihre Kraft bei dir selber herauszufinden. Eile stürmisch dahin und du wirst nicht ankommen u. s. w.“ Wie zur Beruhigung fügt er hinzu: „Besänftige dein Herz, dein Herz sei wohlgemut und lasse dir den Appetit nicht vergehen.“ Immer noch nicht zu Ende mit seiner Kritik, wiederholt er später aufs neue: „Was deine Worte enthalten, das ist alles zusammen auf meiner Zunge und ist sitzen geblieben auf meiner Lippe. Ein Durcheinander ist es, wenn man sie hört. Ein Ungebildeter vermag sie nicht zu deuten. Sie sind wie die Sprache eines Unterägypters mit einem Bewohner von Elephantine.“ Er bittet ihn zum Schluß seine kritischen Bemerkungen nicht mißdeuten zu wollen und nicht die Behauptung aufzustellen: „Du hast vor allen anderen Menschen meinen Namen stinkend gemacht.“ In der bezeichneten Epoche, welche gleichzeitig mit der Lebensgeschichte des jüdischen Gesetzgebers Moses dasteht, richteten sich die litterarischen Bestrebungen der damals lebenden Schriftsteller mit Vorliebe auf die Eleganz des Briefstiles, wie eine Menge noch erhaltene Muster auf Papyrus es beweisen. Zu dieser Eleganz gehörte es außerdem, sich semitischer Lehnwörter und Schreibweisen zu bedienen und die echt ägyptischen Ausdrücke dafür beiseite zu schieben. Die Jahrhunderte hindurch fortgesponnenen Kriege der Ägypter gegen die semitischen Völker Vorderasiens, der anwachsende Handelsverkehr und die Niederlassung semitischer Familien im Nilthale, deren Mitglieder nicht selten vornehme Ämter am Hofe Pharaos bekleideten, hatten eine wahre Sucht nach dem Fremdwort erzeugt, welcher dreitausend Jahre nach der ägyptischen Ramessidenzeit die Neigung unserer deutschen Sprache zu französischen Einmengseln ebenbürtig zur Seite steht. Wie gesagt beschönigten die ägyptischen Musterschriftsteller der damaligen Zeit diese Verunstaltung der eigenen Muttersprache in der auffälligsten Weise und fanden geradezu Geschmack an den eingeführten fremden Wörtern, deren Anwendung dem +gebildeten+ Litteraten unerläßlich schien, wenigstens in dem Briefstil, wie er uns in vielen Proben mit dem Namen der Schriftsteller vorliegt. Denn anders verhielt es sich mit denjenigen Leistungen der ägyptischen Litteratur, die wir unter dem Namen der schönen Litteratur zusammenfassen. An der Spitze derselben stand das Märchen und der Roman, deren Dasein bereits die Überlieferungen griechischer Schriftsteller vermuten lassen und deren Wirklichkeit die aufgefundenen Papyrustexte beweisen. Die Erzählung Strabos von der rotwangigen Rhodopis, welcher beim Baden ein Adler den niedlichsten aller Schuhe raubte und in den Schoß des in Memphis zufällig im Freien sitzenden und Recht sprechenden Königs warf, der von dem Schuh entzückt, die Trägerin desselben allenthalben suchen ließ und sie endlich in der Stadt Naukratis entdeckt und zu seiner Gemahlin erkoren habe, ist dem altägyptischen Märchenschatz entlehnt und erinnert Zug um Zug an unser deutsches Aschenbrödel. Die Geschichten von Rampsinit und seinem Baumeister, von der Königin Nitokris, der Rächerin ihres Gemahles an seinen Mördern, vom König Cheops, dem Pyramidenerbauer, und seiner allzu liebenswürdigen Tochter und manche andere Überlieferung aus griechischer Feder bildeten den Hauptinhalt alter Romane, die noch in den letzten Jahrhunderten v. Chr. im Munde der Ägypter fortlebten oder neben der Tierfabel zur Unterhaltung gelesen wurden. Man hatte das Zeitalter der uralten Könige längst vergessen, aber auch das schon ein ganzes Jahrtausend früher, und die geschichtlichen Lücken durch romanhafte Erzählungen und Märchen ausgefüllt, deren Ursprung in die Ramessidenepoche oder ein wenig vorher fällt. Die Erzeugnisse der schönen Litteratur wurden von den Ägyptern dieser Epoche, in der Moseszeit, mit besonderer Vorliebe gelesen und bildeten die Papyrusschätze der Bücherei einer jeden gebildeten Familie. Selbst in dem wie eine zweite Wohnung nach dem Hinscheiden ausgestatteten Grabgemach dieses und jenes vornehmen Ägypters fehlten keineswegs Abschriften litterarischer Meisterwerke und wenn man sie auch nicht vom Anfang bis zum Schluß auf dem teuren Papyrus niederschreiben ließ, so sollte wenigstens der auf ein rohes, ungeglättetes Kalksteinstück aufgetragene Anfang des Werkes an die gute Absicht der Hinterbliebenen erinnern, ihrem teuren Toten die Gelegenheit der litterarischen Unterhaltung in seiner einsamen zweiten Wohnung zu bieten. Zur ältesten Zeitrechnung. Nichts ist uns in der Gegenwart bekannter als die Anwendung der laufenden Jahreszahlen unserer christlichen Zeitrechnung, um irgend ein Ereignis mit zweifelloser Bestimmtheit und jedem verständlich ein für allemal zeitlich festzustellen. Die bestehende Form eines festen Sonnenjahres und die wissenschaftlich begründete Lehre der Zeitmessung erlaubt es außerdem bis zur Sekunde hin den Moment des Eintritts einer Thatsache mit astronomischer Zuverlässigkeit anzugeben und für alle kommenden Geschlechter zu überliefern. Aber so einfach auch die Methode der strengsten Zeitmessung uns in der Gegenwart erscheinen mag, so langer Erfahrungen bedurfte es, um die Wissenschaft der Chronologie zu begründen, deren besondere Teile die mathematisch-astronomische und die historische Zeitmessung umfassen. Ihre Entstehung verdankt diese wichtige und dem Geschichtsforscher unentbehrliche Wissenschaft zunächst dem Bedürfnis, Ereignisse aus der Vergangenheit durch ein berechenbares Datum der zeitlichen Vergessenheit zu entreißen oder eine Begebenheit in der Gegenwart durch die Angabe von Jahr und Tag einer laufenden Ära für die Zukunft zu erhalten. Dem ersten Geschichtsschreiber mußte sie als die notwendigste Grundlage seiner Schilderungen erscheinen, sobald seine Aufgabe zeitlich fern liegende Thatsachen berührte und sobald es ihm darauf ankam, die genaue Zeitbestimmung durch Rückrechnung von der Gegenwart aus mit gewissenhafter Treue den zukünftigen Lesern seiner Werke zu überliefern. Ein großes und in der Geschichte des eigenen Volkes bedeutsames Ereignis gab den ersten Gedanken an die Stiftung und den Gebrauch einer Ära ein, welche den Ausgangspunkt aller Berechnungen für das zeitliche Eintreffen späterer Begebenheiten bildete. Zu den ältesten Versuchen dieser Art gehört der Auszug der Kinder Israels aus Ägypten und der Anfang des Exils in der Bibel. Die notwendige Voraussetzung, welche auch bei der Gründung irgend einer Ära vorangehen muß, betrifft zunächst die Jahresform selber, welche der Ära zu Grunde liegt und wie sie mehr oder weniger vollkommen im bürgerlichen Leben gang und gäbe war. Die ältesten Völker, aber auch noch heute die Anhänger der Religion des Islam, bedienten sich erwiesenermaßen eines Mondjahres, dessen Monate sich von einem Neumonde bis zum andern erstreckten, oder eines sogenannten Wandeljahres von 365 Tagen, ohne den Vierteltag des Sonnenjahres, so daß am Schlusse 365 × 4 = 1460 Sonnenjahre gerade 1461 Wandeljahre ausfüllten. Die Zurückführung irgend einer Zeitangabe aus dem Altertum, welcher eine Ära zu Grunde liegt, auf Tag, Monat und Jahr unserer eigenen christlichen Zeitrechnung ist Gegenstand der berechnenden Chronologie, wobei die genaue Kenntnis des Anfangstages der betreffenden Ära als die notwendige Vorbedingung gilt. Zu den bekanntesten und in der Geschichte am häufigsten erwähnten Ären gehören aus der Epoche vor Christi Geburt die der Olympiaden (776 eingesetzt), der Gründung Roms (21. Aprilis 753), des Königs Nabonassar (26. Februar 747), des Philippus (12. November 324), der Seleukiden (in Syrien 1. Oktober 312), die antiochisch-cäsarische (1. Oktober 48), die Ära des Augustus und die alexandrinische (29. August 30, mit der Form des Sonnenjahres von 365-1/4 Tagen), und aus den Epochen nach dem Beginn unserer christlichen Zeitrechnung: die Ära des Diokletian oder der Märtyrer (29. August 284), der Flucht Mohammeds (14./15. Juli 622), die persische Ära des Königs Jezdegird, des letzten Sassaniden (16. Juni 632) und des Königs Dschelal ed-Din Melek Schah, daher Dschelali genannt (15. März 1079). Erst vom elften Jahrhundert an kam bei den Israeliten die Ära von Erschaffung der Welt in Gebrauch, die nach der jüdischen Rechnung am 6.-7. Oktober 3761 vor Christi Geburt ihren Anfang nimmt. Es ist, wie gesagt, die Aufgabe der berechnenden Chronologie, den gegebenen Tag aus irgend einer dieser Ären in dem entsprechenden (julianischen) Datum unserer eigenen christlichen Ära wiederzufinden, wobei die Astronomie ein wichtiges Hilfsmittel für die genauen Bestimmungen bildet. Gelegentlich überlieferte Sonnen- oder Mondfinsternisse und sonst auf die Bewegung der Gestirne bezügliche Zeitangaben aus einer der angeführten Ären vollenden den Beweis für das genau Zutreffende in den ausgeführten Berechnungen. Für den Geschichtsforscher bieten die vergleichenden Tabellen der korrespondierenden Jahre und Jahresanfänge, wie sie in unserer Gegenwart in vielfachen Bearbeitungen vorliegen, ein ausgezeichnetes Mittel, um die chronologischen Feststellungen mit Leichtigkeit auszuführen oder einen begangenen Irrtum als Fehler nachweisen zu können. Jenseits des achten Jahrhunderts vor dem Anfang unserer Zeitrechnung ist der Gebrauch einer angewandten Ära in keinem Falle nachweisbar. Die Chronologie ist deshalb auf Kombinationen angewiesen, welche heutzutage in der Geschichte der ältesten Völker der Erde: der Ägypter, Babylonier und Assyrer, den Gegenstand der gelehrten Untersuchungen bilden. Der Grund für diese Erscheinung ist leicht einzusehen. Die eigentliche Geschichtsschreibung hatte vor dieser Zeit noch keinen Vertreter gefunden. Wir besitzen nicht einmal die zusammenhängende Darstellung irgend eines Teiles aus dem historischen Leben eines der vorher erwähnten Völker, und die Inschriften auf den noch erhaltenen Steindenkmälern, Papyrusrollen und Thontafeln lassen keine Spuren erkennen, welche, und am allerwenigsten, auf eine kritische Behandlung der Zeitgeschichte hinwiesen. Die Aufgabe des Historikers war von keinem gelöst worden, der in jenen ältesten Kulturreichen die Geschichte seines Volkes und seiner Zeit aus eigenem Augenschein kennen gelernt hatte. Erst mit Herodot, in der Mitte des fünften Jahrhunderts v. Chr., bricht sich die Geschichtsschreibung im höheren Sinne des Wortes ihre Bahn und behandelt ihren Stoff mit selbständigem Urteil, wie es dem damaligen Zeitalter der Menschheit entsprach. Nicht mit Unrecht wird Herodot deshalb als der Vater der Geschichte von seinen Nachfolgern bezeichnet. Die Denkmäler lassen es durchaus nicht an Nachrichten fehlen, welche chronologische Bestimmungen enthalten, aber diese Bestimmungen reichen nicht aus, um für die zusammenhängende Chronologie als feste Grundlagen zu dienen. Die Zeitangaben, wenn solche überhaupt zum Vorschein kommen, werden nach Tag, Monat und Jahr des regierenden Königs angegeben, wobei nicht einmal die Sicherheit der Jahreszahl der Regierung in allen Fällen unbezweifelt bleibt. Um mit den Ägyptern anzufangen, so ist es eine erwiesene Thatsache, daß bis zu den Ptolemäern hin nach einer gewissen Reihe von Jahren der Regierung des Vaters der Sohn als Mitregent auftrat und die Jahre seiner späteren selbständigen Herrschaft nach dem Tode des Vaters von dem Zeitpunkt seiner Mitregentschaft zählte. Es ist ebenso erwiesen, daß ein vertriebener König nach dem Sturze seines königlichen Gegners wiederkehrte und die Regierungsjahre desselben seinem eigenen Konto hinzufügte. Jeder König war der Stifter seiner eigenen Ära, die mit seinem Tode erlosch, um der Ära seines Nachfolgers den Platz einzuräumen. Gesamtsummen, welche die Regierung mehrerer Könige, etwa einer Dynastie, umfassen, kommen nirgends zum Vorschein, mit einer einzigen Ausnahme, des berühmten hieratischen Papyrus der ägyptischen Königsreihen (im Museum von Turin), welcher in seinem zerstückelten Zustande der Chronologie in ihrem Zusammenhange keine Dienste zu leisten vermag. Was sein Fund wahrscheinlich macht, betrifft das schon im Altertum gefühlte Bedürfnis, die Namen der Könige und ihre Regierungsdauer nach Jahren, Monaten und Tagen anzugeben, nach Dynastien zusammenzustellen und schließlich summarisch zu berechnen. Die Tempelarchive mußten manche Materialien dazu enthalten, wenn auch bereits in den späteren Zeiten des Altertums vieles im Strom der Zeiten verloren gegangen war. Ob man schon damals die Fremdherrschaften und die Reihe der Gegenkönige mitgezählt hatte, ist wiederum eine offene Frage. So genau wir in Bezug auf einzelne Könige über die Dauer ihrer Herrschaft unterrichtet sind, so wenig reicht dies aus, um mehr als ihre relative Stellung in der ganzen Reihe der übrigen von chronologischem Standpunkte aus beurteilen zu können. Das Werk eines griechisch gebildeten Ägypters, des Priesters Manetho aus der unterägyptischen Stadt Sebennytus, welches derselbe über die Geschichte der Ägypter in griechischer Sprache in den Zeiten der ersten Ptolemäer niedergeschrieben hatte, ist nur in schalen Auszügen beim Josephus und bei einzelnen christlichen Kirchenschriftstellern auf uns gekommen. Abschreiber haben Namen und Zahlen des Originals verdorben und jüdische oder christliche Geschichtsschreiber zu gunsten der eigenen Sache manches darin entstellt. Immerhin bilden die überlieferten Fragmente in unserer Zeit die Grundlagen aller Versuche eines chronologischen Aufbaues der ägyptischen Geschichte. Den ersten Schwierigkeiten begegnet man in der Annahme oder Abweisung von Nebendynastien; die einen kämpfen dafür, die andern dagegen, so daß die Differenzen über 2000 Jahre auseinander gehen. Jeder Forscher, wie dies wirklich und mit Recht bemerkt worden ist, trägt seine eigene Chronologie in der Tasche. Der erste König Ägyptens, Menes, bestieg nach A. Böckh 5702, nach Lepsius 3892, nach Bunsen 3623, nach andern 5613, 4455, 4157, 3917 u. s. w. den Thron. Wo herrscht auch nur die Wahrscheinlichkeit einer annähernd richtigen Bestimmung? Das einzige übereinstimmende Ergebnis der gelehrten Untersuchungen läuft auf die Erkenntnis hinaus, daß die ägyptischen Könige bereits jenseits der Grenzscheide des vierten Jahrtausends im Nilthale ihre Herrschaft ausgeübt hatten. Nur dem Mangel einer festen Ära ist diese Unsicherheit aller chronologischen Bestimmungen zuzuschreiben. Man begreift es daher, wenn der Priester und nachherodotische Geschichtsschreiber Manetho, um diesem Mangel abzuhelfen, zuerst den Versuch wagte, die sogenannte Sothis- oder Hundssternperiode für die berechnende Chronologie der ägyptischen Dynastien zu verwerten. Das ägyptische Wandeljahr von 365 Tagen begann mit dem 19./20. Juli (julianisch), an dessen Morgendämmerung die Sothis oder der Hundsstern in nächster Sonnennähe aufging. Der fehlende Vierteltag zum Sonnenjahr war schuld, daß derselbe Stern jedesmal nach vier Jahren einen Tag später aufging und erst nach 365×4 oder 1460 Sonnenjahren = 1461 Wandeljahren wieder an seine alte Kalenderstelle zurückkehrte. Das war nach den historischen Überlieferungen in dem Jahre 1322 vor und 139 nach dem Anfang unserer christlichen Zeitrechnung geschehen, also der Berechnung nach auch vorher in den Jahren 2784 und 4245. Aber kein gleichzeitiges Denkmal und keine Inschrift erwähnt dieses Zusammentreffens, noch wird es mit dem Namen irgend eines Königs in Verbindung gesetzt. Nur ein einziges Mal wird der Frühaufgang des Hundssterns am 328. Tage des Jahres in einem unbekannten Regierungsjahre Königs Thotmosis III. (aus der achtzehnten Dynastie) auf einem Denkmale erwähnt, was nur in den Jahren 1477 bis 1474 stattfinden konnte. Eine so wertvolle Angabe, welche die Wissenschaft einem ganz zufälligen Funde auf der Insel Elephantine verdankt, kann in keiner Weise durch die wirklich ausgesprochene Voraussetzung hinfällig werden, daß der Steinschneider sich in der Bezeichnung der Monatszahl geirrt und den 328. an Stelle des 298. Tages des Jahres eingesetzt habe. Zwei Neumonde, welche aus dem 23. und 24. Regierungsjahre desselben Königs nach ihrem Tages- und Monatsdatum in den Inschriften gelegentlich aufgeführt werden, stehen mit der Epoche des erwähnten Königs nach dem Frühaufgang des Hundssterns in festem Zusammenhang. Mit ihrer Hilfe ist es gelungen, infolge astronomischer Berechnungen die genaue Regierungszeit Pharaos Thotmosis III. (vom 20. März 1503 bis zum 14. Februar 1449) festzustellen. Böckh hatte auf Grund seiner chronologischen Behandlung der manethonischen Listen das Jahr 1586 als den Anfang seiner Regierung herausgerechnet, Lepsius 1597, beide sich daher um 83, bez. 94 Jahre von der wirklichen Zahl entfernt, zur Warnung, mit welcher Vorsicht die manethonischen Angaben zu behandeln sind. Welche Dienste nicht nur in diesem Falle, sondern bei vielen ähnlichen Gelegenheiten die berechnende Astronomie dem Geschichtsforscher leistet, ist längst anerkannt und oben von mir bereits angeführt worden. Die in historischen Überlieferungen enthaltenen Angaben von Sonnen- und Mondfinsternissen bis zu den vergangenen Jahrtausenden hinauf sind es hauptsächlich, deren astronomische Bestimmung die unverrückbaren festen Punkte in der Geschichte der Vergangenheit der Völker geliefert hat. Mit welcher Mühe und Arbeit diese astronomischen Berechnungen jedoch verbunden sind, um die Sicherheit der Ergebnisse dem Geschichtsschreiber zu Gebote zu stellen, das mag Th. von Oppolzers berühmtes Werk „Kanon der Finsternisse“ beweisen, welches in 242 dicken Foliobänden 10 Millionen Ziffern in sich schließt und die Daten von 8000 Sonnen- und 5200 Mondfinsternissen in der Zeit von 1207 v. Chr. bis zum Jahre 2163 n. Chr. umfaßt. Es bedurfte einer ungeheuren Arbeit, an der sich zehn gelehrte Rechner jahrelang beteiligten, um diese Verzeichnisse herzustellen. Aber ihr Nutzen für den Geschichtsschreiber leuchtet ein, sobald man die Beispiele näher prüft. Wir führen nur zwei davon an. Die älteste Erwähnung einer Sonnenfinsternis findet sich in dem chinesischen Werke Schu-king vor. Nach Oppolzers Rechnung war sie am 22. Oktober des Jahres 2137 v. Chr. eingetreten, so daß das Jahr 2141 den Anfang der Regierung des Kaisers Tschung-Khang, in dessen 5. Jahre sie sich ereignet haben sollte, mit aller Notwendigkeit angiebt. Nach der historischen Überlieferung der Chinesen hatte der genannte Kaiser im Jahre 2158 den Thron bestiegen, es ist daher bei der Differenz von 17 Jahren ein Fehler in der Überlieferung zu berichtigen. -- Nach den Andeutungen der Bibel wurde der Heiland am 3. April 33, zur Osterzeit, gegen Abend an einem Freitage gekreuzigt. Auf Grund der astronomischen Berechnung ging genau an demselben Tage und um dieselbe Tageszeit der Mond zur Hälfte verfinstert auf, so daß hierdurch die biblische Überlieferung von der plötzlich eingetretenen Verfinsterung vollkommen bestätigt wird. Über den richtigen Anfangspunkt unserer eigenen christlichen Ära können daher nach dieser astronomischen Feststellung keine Zweifel mehr bestehen, wie sie thatsächlich öfters geäußert worden sind. Dem Leser, der sich hierüber näher unterrichten will, empfehlen wir ein in Berlin soeben erschienenes ungemein anziehendes Werk, „Die Entstehung der Erde und des Irdischen“, von ~Dr.~ W. Meyer (s. S. 307 ff.). Die Epoche des Königs Thotmosis III. hat in neuester Zeit eine besondere Wichtigkeit durch ihre Beziehung zu den asiatisch-babylonischen Zeitverhältnissen gewonnen, seitdem es geglückt ist durch die Entzifferung der keilinschriftlichen Tafeln aus Tell el-Amarna, von denen der größere Teil in den Besitz der Berliner Museen gelangt ist, die Gleichzeitigkeit des babylonischen Königs Burnaburiasch, oder, wie J. Oppert den Namen liest, Purnapuryas mit dem ägyptischen König Amenophis IV. außer Zweifel zu stellen. Da der eben genannte ägyptische Fürst als der dritte Nachfolger Thotmosis III. aufgeführt wird, so liegt es nahe, die Zeit des Babyloniers gegen das Jahr 1400 oder etwas später anzusetzen. Ganz abgesehen von dem verderbten Zustande, in welchem uns die Auszügler des Geschichtswerkes des Priesters Manetho die chronologischen Königstafeln desselben hinterlassen haben, tritt eine andere Frage in den Vordergrund selbst unter der Voraussetzung, daß uns jene Listen mit ihren Namen und Zahlen vollständig unversehrt hinterlassen worden wären. Sie betrifft die Zuverlässigkeit der Angaben des gelehrten Priesters in allem, was die älteren Zeiten der ägyptischen Geschichte angeht, mit anderen Worten die absolute Genauigkeit seiner Zahlen in dem selbst geschaffenen Rahmen der oben erwähnten Sothisperioden. Man darf daher einen Unterschied zwischen dem (unverfälschten) Werke Manethos und der wirklichen Geschichte Ägyptens und seiner Könige machen. Es ist kaum anzunehmen, daß sich in den Archiven der Tempel zur Ptolemäerzeit Urkunden befunden haben, welche ohne jede Lücke die Namen und Regierungsdauer der Könige des Reiches über das sechzehnte Jahrhundert hinaus bis zu den Pyramidenkönigen und bis zum ersten König Menes mit historischer Treue aufgezeichnet enthielten. Im einzelnen mochte manches wertvolle und wichtige den Inhalt der Überlieferungen bilden, aber schon die dynastischen Interessen, im Anschluß an das ehrgeizige Priestertum der wechselnden Residenzstädte, verhinderten eine parteilose Kritik und damit die chronologische Genauigkeit der ägyptischen Geschichte mit ihren langen Königsreihen. Je mehr wir Einsicht in das Leben jener ältesten Epochen der ägyptischen Geschichte gewinnen, je mehr kommt die Vorstellung zum Durchbruch, daß die Gelehrten der späteren Zeiten sich weniger um die Zahlen als vielmehr um die Abstammung ihrer Dynasten bis zu den Göttern hinauf gekümmert und durch cyklische Rechnungen ergänzt hatten, was ihnen der Mangel an wohlerhaltenen Aufzeichnungen aus den ältesten Perioden der Geschichte der Könige ihres Landes vorenthielt. Die wirklichen Zahlen rücken immer tiefer, und wir werden vielleicht zu der Einsicht kommen, daß im Lande der Pharaonen das Jahr 3000 v. Chr. die äußerste Grenze aller wirklichen historischen Personen bilden dürfte. Die Geschichte der Babylonier und Assyrer leidet ähnlich wie die ägyptische an dem Mangel eines zusammenhängenden chronologischen Systems, sobald man über die Zeit des achten Jahrhunderts v. Chr. hinausgeht. Aber es muß zugestanden werden, daß den beiden asiatischen Kulturvölkern ein entschieden anderer Geist inne wohnte, als er dem ägyptischen Stamme eigen war. Das historische Bewußtsein und ein eigener Sinn für den Zeitwert beherrschte sie in weit höherem Grade als die Ägypter, und bis auf das räumliche Maß hin offenbarte sich bei ihnen die Neigung nach strenger Genauigkeit in allem, was die Zahl betraf. Die Tausende von Thontafeln, welche aus dem Schoße der Erde am südlichen Euphrat und auf den Ebenen im Norden dieses Stromes an das Tageslicht gestiegen sind, geben Zeugnis davon, denn sie enthalten auf dem historischen Gebiete Angaben, wie sie niemals auf den ägyptischen Denkmälern aufgetaucht sind noch jemals auftauchen dürften. Werden erst die Namen der Könige ihrer Lesung nach mit zweifelloser Gewißheit festgestellt und alle Überlieferungen chronologischer Natur gesammelt und an richtiger Stelle eingesetzt worden sein, so wird sich für die Geschichte von Babel und Assur ein ganz anderes chronologisches Bild entwickeln, als es, bis jetzt wenigstens, die Angaben auf den Denkmälern Ägyptens zu liefern imstande waren. Aber auch an den Ufern des Euphrat und des Tigris bildete jede Einzelregierung eine besondere Ära für sich, wobei die Summe der Regierungen der ganzen Dynastie als Probe für die Rechnung galt. Durch eine Liste assyrischer Könige, welcher ursprünglich die Angaben eines chaldäischen Priesters, Berossos, zu Grunde lagen und die sich in der armenischen Übertragung des Eusebius und beim Syncellus mit vielen Fehlern in der Abschrift erhalten hat, kann der Beweis geliefert werden, in welcher Art diese Verzeichnisse angeordnet waren, um einen chronologischen Gesamtüberblick bis in die mythischen Zeiten hinauf zu gestatten. Nach J. Opperts neuesten Berechnungen umfaßt diese Liste der assyrischen Dynastien, wie sie in dem verloren gegangenen Werke des Berossos verzeichnet standen, den Zeitraum von 2506 bis 606 v. Chr. Wir lassen es natürlich dahingestellt sein, inwieweit die vorgelegten Berechnungen des französischen Akademikers zutreffen oder nicht. Wir verdanken erst dem Mathematiker und Astronomen Ptolemäus, welcher am Anfang des zweiten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung in Alexandrien seinen gelehrten Studien lebte, die Kenntnis einer Ära, die nach dem Namen des babylonischen Königs Nabonassar als die nabonassarische bezeichnet wird und mit dem 26. Februar 747 v. Chr. begann. Obgleich zunächst Nabonassar und seine unmittelbaren Nachfolger dem Reiche von Babylon und von Assur angehörten, so hatte Ptolemäus dennoch seinem Kanon der Könige die Form des ägyptischen Wandeljahres zu Grunde gelegt, so daß das Jahr nur aus 365 Tagen ohne den überschüssigen Vierteltag bestand. In der Berechnung der Regierungen der einzelnen Könige folgte er außerdem dem Beispiel der Ägypter (wenigstens zur Ptolemäerzeit), indem er das Jahr der Thronbesteigung eines Königs jedesmal als ein volles betrachtete und von dem Jahresanfang an datierte, ohne Rücksicht auf die Monate und Tage vom Neujahrstage an, welche noch seinem Vorgänger angehörten und die somit in Wegfall kamen. Sein Kanon erhielt dadurch eine sehr einfache und übersichtliche Gestalt und gestattet uns die chronologischen Reduktionen auf den julianischen Kalender mit vollster Sicherheit durchzuführen. Ptolemäus benutzte diese feste Ära z. B. um die am 19.-20. März 721 und die am 9. März und 1. September 720 eingetretenen Mondfinsternisse nach ihrem genauen Datum der Nachwelt zu überliefern. Eine merkwürdige Bestätigung seines Kanons der Könige von Babylon und Assyrien, welche vom Jahre 747 an (genauer vom 26. Februar desselben) bis zum Anfang der Perser-Dynastie regiert hatten, lieferte die Entdeckung (1884) einer keilinschriftlichen Königsliste, welche die Wissenschaft dem englischen Gelehrten Theo G. Pinches schuldet. Ihr Wert kann nicht hoch genug abgeschätzt werden. Von unserem deutschen Assyriologen Prof. Schrader kritisch behandelt, bildet sie heute die feste Grundlage der babylonischen Königsreihen von der zweiten Periode an bis zum Untergange des babylonischen Reiches. Mit Einschluß der letzten, aus den Perserkönigen bestehenden Dynastie zählt die keilinschriftliche Urkunde zehn Dynastien auf, deren Dauer im einzelnen wie im ganzen genau nach Jahren und Monaten angegeben ist. Prof. J. Oppert hat in einer im Jahre 1888 veröffentlichten englischen Abhandlung (~the real chronology and the true history +of the Babylonian Dynasties+~) die chronologische Berechnung auf Grund der keilinschriftlichen Angaben vorgelegt und danach den Umfang derselben auf den Zeitraum zwischen den Jahren 2506 und 538 v. Chr. zurückgeführt. Man wird die Wichtigkeit dieses Fundes begreifen, der mit einem Schlage ein helles Licht in das zeitliche Dunkel der babylonischen Könige geworfen hat und bis in eine Epoche zurückgeht, welche nach gewöhnlicher Annahme etwa in die Zeit der zwölften ägyptischen Dynastie hineinfällt. Hiermit ist die Geschichte an den Ufern des Euphrat und ihre Berechnung noch lange nicht abgeschlossen, denn sie überragt die Grenze des Jahres 2506 bis in eine mythische Vorzeit hinein. Die beiden letzten Jahrtausende dieser langen und sagenhaften Periode von 39180 Jahren, deren J. Oppert gedenkt, versteigen sich bis zur ägyptischen Pyramidenzeit. Es steht sicher fest, daß die beiden Fürsten von Agade, Sargon I. und Naram-Sin, dem 38. Jahrhundert v. Chr. angehören, wenn einer Angabe des Königs Nabonidus darüber Glauben zu schenken ist. Die neueste Entdeckung auf Grund einer glücklich entzifferten Keilinschrift hat für die Geschichte Babyloniens einen festen Rahmen geschaffen, welcher den Mangel einer Ära einigermaßen ersetzt und uns gestattet, geschehene und gemeldete Ereignisse mit einem relativ richtigen Zeitmesser abzuschätzen. Gerade deshalb ist es zu bedauern, daß durch eine Lücke nach den ersten sechs Königen der dritten Dynastie die Namen und Jahreszahlen einer Reihe von Königen ausgefallen sind, unter welchen der obengenannte Burnaburiasch oder Purnapuryas, der Zeitgenosse des ägyptischen Königs Amenophis IV. notwendig seine Stelle eingenommen haben dürfte. Vielleicht daß ein anderer späterer Fund auch diese offene Stelle ausfüllen wird. Vorläufig behauptet die entdeckte babylonische Königsliste ihre erste Stelle unter allen chronologischen Denkmälern, welche von den ältesten Zeiten der Weltgeschichte überhaupt gemeldet haben. Überlieferte Königsreihen nebst der Dauer der Regierungen der einzelnen Fürsten bilden freilich noch keine Geschichte in unserem Sinne, denn die Begebenheiten, welche damit in Verbindung gesetzt worden, betreffen nur die Könige und ihre Thaten und überlassen es dem Forscher, zwischen den Zeilen zu lesen und aus seinen Vermutungen und Schlußfolgerungen einen geschichtlichen Hintergrund aufzubauen. Die auf den Denkmälern der ältesten Kulturvölker der Erde enthaltenen Nachrichten haben vorläufig nur den Wert mehr oder weniger vollständiger Annalen und Chroniken, die mit jeder Einzelregierung abgeschlossen sind. Erst mit der Schöpfung der Ären oder der auf gelehrter Forschung begründeten Systeme der Zeitmessung von einem chronologisch fest bestimmten Zeitpunkte an tritt die eigentliche Geschichtsschreibung in die Welt und die pragmatische Behandlung gewinnt die Oberhand. Die Geschichte der einzelnen Völker verkettet sich zu einem großen Gesamtbilde, in welchem sich das staatliche und das Kulturleben der Menschheit in seinen Wechselwirkungen und in seiner Entwickelung abspiegelt, während die Ära als genauer und unverrückbarer Zeiger an der Weltuhr die ihr zugewiesene Rolle erfüllt. Die sieben Hungerjahre. Die Geschichte Josephs in Ägypten ist und wird für alle Zeiten das unerreichte Muster der morgenländischen Erzählungskunst bleiben, wie immer man auch über die eigentliche Zeit ihrer Abfassung denken mag. Selbst ein +Voltaire+ fühlte sich zu dem Bekenntnis gedrungen, daß sie bewunderungswürdig und ihr kein ähnliches Beispiel an die Seite zu stellen sei. Fesselnd und anmutig entwickelt die Geschichte Josephs die außerordentlichen Schicksale eines ebräischen Hirtenknaben, der sich bis zum Großwesir am Hofe Pharaos emporgeschwungen hatte und zum Ahnherrn eines ganzen Volkes wurde, aus dessen Mitte der Messias dereinst hervorgehen sollte. Der Reiz des Altertümlichen und des Morgenländischen, welcher die ganze Erzählung von Anfang bis zum Ende durchweht, wirkt in gleichem Maße anziehend auf den Leser ohne Unterschied des Glaubens, der Abstammung, der Heimat und der Zeit. Selbst der Stifter des Islam, der Prophet Mohammed, fühlte sich von ihrem Inhalt so überwältigt, daß er ihr in seinem Religionsbuche des Koran ein eigenes Kapitel der göttlichen Offenbarungen widmete. In der zwölften +Sure+ des erwähnten Buches, überschrieben: „Joseph, der Friede sei mit ihm“, beginnt er seine Erzählung mit den Worten: „Dies sind die Zeichen des deutlichen Buches, das wir deshalb in arabischer Sprache geoffenbaret, damit es euch verständlich sei. Wir wollen dir durch Offenbarung dieser Sure des Koran eine der herrlichsten Geschichten erzählen, auf welche du früher nicht aufmerksam gewesen.“ Die geschichtliche Offenbarung, welche er im Anschluß an diese Einleitung seinen Lesern zu Herzen führt, folgt mit ziemlicher Genauigkeit dem biblischen Berichte, nur mit dem Unterschiede, daß hier und da Einzelheiten übersprungen sind, an deren Stellen anderes hinzugefügt ist. So berichtet Mohammed, daß nach den sieben guten Jahren und nach den sieben Jahren der Hungersnot „ein Jahr kommen werde, in welchem es den Menschen nicht an Regen mangeln wird, und in welchem sie Wein genug auspressen werden.“ Es bleibe dahingestellt, woher der Stifter der Religion des Islam diese Zuthat geschöpft hat. Ägyptisch ist sie auf alle Fälle nicht, denn der Regen ist keine berechtigte Eigentümlichkeit in der Natur des Nilthales, und man versteht es schwer, was der Weinbau mit dem Ende der Hungersnot zu schaffen habe. Eigene Erfindung, aber ganz im grübelnden Sinne der Morgenländer aufgefaßt, ist die merkwürdige Einschiebung im Koran, durch welche die leichtfertige Frau des Potiphar ihren Fehltritt gegen die Ehre ihres Mannes vor den Weibern ihrer Stadt zu rechtfertigen oder zu beschönigen versucht. „Aber die Frauen in der Stadt, so erzählt Mohammed, sagten: Die Frau des vornehmsten Mannes forderte ihren jungen Sklaven auf, mit ihr zu sündigen und er hat die Liebe für sich in ihrem Herzen angefacht und wir sahen sie nun in offenbarem Irrtume. „Als sie diese spöttischen Reden hörte, da schickte sie zu ihnen, um sie zu einem für sie bereiteten Gastmahle einzuladen und legte einer jeden ein Messer vor und sagte dann zu Joseph: Komm und zeige dich ihnen! „Als sie ihn nun sahen, da priesen sie ihn sehr, schnitten sich in ihre Hände und sagten: Bei Gott! das ist kein menschliches Wesen, sondern ein verehrungswürdiger Engel!“ „Darauf sagte sie: Seht, das ist derjenige, um dessentwillen ihr mich so getadelt.“ In denjenigen Ländern des Ostens, in welchen das Verbot des Islam gegen die bildende und malende Kunst, insoweit sie die gotteslästerliche Nachahmung lebender Wesen betrifft, keine Beachtung mehr findet, und es dem Künstler frei steht, mit der einzigen Ausnahme des Gesichtes einer für heilig angesehenen Person, auch das Lebende mit Pinsel und Farbe wiederzugeben, bildet die angeführte Stelle des Koran einen sehr beliebten Vorwurf der künstlerischen Thätigkeit. Ich hatte oft Gelegenheit, auf meinen Wanderungen im Lande Iran in den Häusern selbst hochgestellter Personen von geistlichem Stande Wandgemälden gegenüberzustehen, deren Gegenstand mir anfänglich durchaus unverständlich war. Man stelle sich eine farbige Komposition von mindestens hundert Personen vor, die sämtlich dem schönen Geschlecht angehören und von denen jede, mit einem Messer in der Hand, damit beschäftigt ist, einen Apfel zu schälen und in Stücke zu schneiden. Aus den Fingern fallen reichliche Blutstropfen zur Erde nieder. Aus Mangel an der richtigen perspektivischen Auffassung sitzen die Gruppen der Frauen nicht nebeneinander, sondern übereinander. Die Augen der versammelten Damenwelt sind auf ein schönes Pärchen gerichtet, das über den Köpfen aller nebeneinander sitzt. Eine vornehm gekleidete Frau wirft einen süßzärtlichen Blick auf ihr Gegenüber, einen schönen rotwangigen Jüngling, der bescheiden das Auge zu Boden senkt. Das alles, was der Künstler damit sagen wollte, sollte als eine Illustration zu der angeführten Koranstelle dienen. Die vornehme Frau ist Madame Potiphar, der junge Mann neben ihr der schöne Sklave Joseph, die versammelte Damenwelt stellt die eingeladenen Gäste dar, welche von der Schönheit des Jünglings so berückt sind, daß sie kein Auge von ihm lassen können und sich beim Apfelschälen in die Finger schneiden. Mögen sich unsere Künstler ein Beispiel daran nehmen! Man ist schon längst darauf aufmerksam geworden und hat es als eine vollendete Bestätigung der Wahrheit des biblischen Berichtes mit Recht angesehen, daß gewisse Einzelheiten der Erzählung so weit sie das Verhältnis Josephs zu dem Pharao seiner Zeit berühren, sich durchaus mit den Angaben der Denkmäler decken. Dazu gehörte die Auslegung von Träumen fürstlicher Personen. Ein zukünftiger Pharao, dessen Haupt dereinst die weiße Krone des Südlandes oder Oberägyptens und die rote Krone des Nordlandes oder Unterägyptens tragen sollte, sah im Traume zwei Schlangen neben sich, von denen die eine mit der weißen, die andere mit der roten Königskrone auf dem Kopfe geschmückt war. Als er aus dem Schlafe erwachte, warf er die Frage auf „Warum ist mir dies geworden?“ Der Traum wurde ihm in dem Sinne gedeutet, daß er über das ganze Ägypterland herrschen würde. Das Wohlgefallen, welches Pharao an der Auslegung seines Traumes von den sieben fetten und sieben mageren Kühen und von den sieben vollen und sieben leeren Kornähren empfand, erhielt nach der biblischen Erzählung seinen äußerlichen Beweis durch eine echt ägyptische Investitur. Die Bibel sagt es mit klaren Worten: „Und that seinen Ring (+Tabacat+) von seiner Hand, und gab ihn Joseph an seine Hand, und kleidete ihn mit weißer Seide (+schesch+, nach Luther, richtiger: in ein Byssosgewand) und hing ihm eine goldene Kette um den Hals.“ Genau ebenso verfuhr die ägyptische Majestät, wie es die Denkmäler in Bild und Wort bezeugen, sobald sie das Verdienst eines Mannes nach Gebühr zu belohnen im Begriff stand. Der königliche Siegelring, auch in der altägyptischen Sprache mit dem Worte ~tabacat~ bezeichnet, wurde dem zukünftigen Würdenträger verliehen, ihm ein Festgewand aus feinster Byssosleinewand (+sches+) und die unvermeidliche „goldene Kette“, an Stelle unserer modernen Ordensdekorationen, feierlichst und vor versammeltem Volke überreicht. Das Umbinden der goldenen Kette um den Hals bildete sogar einen sehr beliebten Vorwurf des hierarchischen Ehrgeizes bis in die Gräberwelt hinein. Viel bedeutungsvoller, weil die genaueste Kenntnis mit dem altägyptischen Titelwesen vorauszusetzen ist, sind dagegen der Name und die Bezeichnungen der Würden, welche Pharao dem ehemaligen Sklaven asiatischer Abkunft verleiht. Der König wählt für ihn einen ägyptischen Namen aus, den Joseph fortan zu führen ermächtigt wird. Er nennt ihn +Zaphnathpaneach+, was freilich unser Luther irrtümlich, älteren Auslegungen folgend, durch „heimlicher Rat“ verdeutscht hat. Sinnvoll, wie alle ägyptischen Eigennamen bedeutet der aus mehreren Wörtern der ägyptischen Sprache zusammengesetzte Name: „+Es sprach Gott: Er lebe.+“ Unter den Würden, welche Pharao dem jungen Beamten verlieh, ist keine, welche in den ägyptischen Inschriften nicht ihr Gegenstück fände. Josephs Ernennung zum +Ab+ -- Luther hat das ägyptische Wort für das gleichlautende ebräische mit dem Sinne von „Vater“ gehalten -- ist gleichbedeutend mit unserem deutschen „Beschließer“, und als das hohe Amt jener in der nächsten Umgebung des Pharao befindlichen und häufig aus gekauften Sklaven (den modernen +Mamelucken+) bestehenden Hofdienerschaft zu bezeichnen, denen nach dem Beispiel der heutigen +Abdar+ in den Palästen der orientalischen Fürsten die Sorge überlassen blieb, das königliche Eigentum bis zu den Speisen und Getränken hin unter Siegel zu halten. Daß die Stellung der „Beschließer“, und zwar mit dem Siegel Pharaos, den Wert eines Vertrauenspostens hatte, liegt nach dem Gesagten auf der Hand. Joseph erhält einen noch höheren Beweis der pharaonischen Gnade durch seine Erhebung „zum Fürsten in ganz Ägyptenland“, genauer zum +Adon+ von ganz Ägypten oder des Stellvertreters, denn diesen Sinn schließt das wiederum echt ägyptische Wort +Adon+ in sich, des Regenten selber. Auch dieser Titel, und zwar genau in derselben Fassung, kehrt auf einzelnen Denkmälern zur Bezeichnung des höchsten Amtes im Staate wieder, häufig genug mit dem Zusatz hinter dem Namen des altägyptischen Reichskanzlers: „Der Zweite nach dem König“. Dasselbe sagte auch die biblische Überlieferung mit den Worten Pharaos von Joseph aus: „allein des königlichen Stuhles will ich höher sein denn du.“ So erscheint Joseph auf Grund seiner Titel als ein Vertrauter am Hofe Pharaos, dem die Verwaltung des königlichen Hauses („Du sollst über mein Haus sein“, ganz in Übereinstimmung mit dem ägyptischen Titel des +Hri-pir+ oder der über das Haus gesetzt ist) übergeben war, und der als erster Reichsbeamter die höchste Stelle im Staate bekleidete. Der ägyptische Name Josephs: „+Zaphnathpaneach+“ und die zweimal in der heiligen Schrift wiederkehrenden Eigennamen +Potiphar+ und +Potiphera+, altägyptisch: Petiphera „das Geschenk der Sonne“, haben ihre eigene Bedeutung für die äußerste Grenze der Abfassung der biblischen Erzählung vom Joseph in Ägypten. Sie sind den älteren Epochen der Denkmälerwelt vollständig ihrer ganzen Bildung nach unbekannt und treten als Namen echter Ägypter zum erstenmale im +neunten Jahrhundert+ v. Chr., also etwa volle Tausend Jahre +nach+ den in der Schrift geschilderten Begebenheiten auf. Frühestens in dieser Zeit hatte der unbekannte mit ägyptischen Verhältnissen so wohl vertraute Herausgeber der Geschichte Josephs die vorhandenen schriftlichen Überlieferungen, deren ältere und jüngere Redaktionen die Verschiedenheit in der Anwendung der Gottesnamen Elohim und Jehovah in erster Linie verraten, zu einem Ganzen verarbeitet, wie es den Lesern der Bibel späterhin geboten ward. Die Namen, welche ich soeben angeführt habe, beruhten auf seiner Erfindung, wie er denn überhaupt Ägypten und die ägyptische Hofhaltung von seinem späten Standpunkte aus behandelt hat. Es tritt die Frage nahe, in welcher Zeit und unter welchem Könige Ägyptens Joseph gelebt haben möge, d. h. also unter einer Regierung, unter welcher der Nil sieben Jahre lang seine Schuldigkeit zu thun und das Land zu überschwemmen verabsäumt hatte. Von Jahren der Hungersnot, sogar von „vielen Jahren des Hungers“ ist auf den Denkmälern in einzelnen Inschriften die Rede. Die paar Stellen, in welchen sich diese allgemeinen Andeutungen vorfinden, gehen jedoch in die ältere Periode der ägyptischen Geschichte zurück, ohne eine Gewähr dafür zu bieten, daß dies ausschließlich nur für die Altzeit anzunehmen sei. Die Notiz, welche irgend ein Gelehrter dem Namen des vierten ägyptischen Königs +Uenephes+ oder +Venephis+ in der manethonischen Königsliste beigeschrieben hat: „zu dessen Zeit eine Hungersnot wütete“, ist ebenso nebelhaft als der König, auf welchen sie sich bezieht, und hat scheinbar keine Bedeutung zur Entscheidung der Frage, die mich beschäftigt. Aber anders sieht es mit einem Denkmale aus, das soeben erst einer zweitausendjährigen Vergessenheit entrissen und auf photographischem Wege zur Kenntnis der gelehrten Welt gebracht worden ist. Die lange Inschrift, welche den Gegenstand meiner Betrachtung bilden soll, ist das Neueste und das Wertvollste, was seit langem den ägyptologischen Wissenschaften geboten worden ist, denn gerade sieben Jahre der Hungersnot finden sich darin ausdrücklich erwähnt und zwar im Zusammenhange mit einem geschichtlichen Datum. Bekanntlich bildet der erste Wasserfall bei der modern ägyptischen Stadt Assuan, der älteren Stadt Syene, deren ägyptischer Name Siwene so viel als „Handelsplatz“ bezeichnet, die Südgrenze des ägyptischen Reiches. Sie liegt am rechten Ufer des Nils in einer palmenreichen Gegend; in ihrer Nähe befinden sich die weltberühmten Steinbrüche von Rosengranit, aus welchen die pharaonischen Baumeister und Künstler das Hartmaterial zu ihren Werken zu beziehen pflegten. Die riesigsten Blöcke, ich habe nur an die Obelisken zu erinnern, fanden ihren Weg von hier aus nach den nördlich im Lande gelegenen Städten und Tempeln. Gegenüber von Syene breitete sich die gleichfalls von Palmen bekränzte Insel Elephantine aus, offenbar so benannt als Stapelplatz für das sudanesische Elfenbein. Die Tempelbauten, welche meist die Insel schmückten, sind bis auf wenige Überreste vom Erdboden verschwunden und mächtige Scherbenhaufen allein bezeichnen heutzutage ihren ehemaligen Standort. In den Zeiten der späteren ägyptischen Dynastien, als Äthiopien für Ägypten so gut wie verloren war und Einfälle der dunklen Bevölkerung, nach der ägyptischen Grenze hin, die südlichsten Teile des Pharaonenreiches bedrohten, befand sich regelmäßig eine ägyptische Garnison auf Elephantine, um die Grenze zu decken und über die Sicherheit der Gegend zu wachen. Schon der alte Herodot weiß davon zu erzählen, denn er berichtet von 240000 Mann -- ein wenig stark als eine bloße Garnison auf der schmalen Insel -- die unter dem ersten Psammetichos, um die Mitte des siebenten Jahrhunderts v. Chr., von Elephantine über die Grenze nach Äthiopien hinein abzogen, weil sie vergeblich nach dreijährigem Aufenthalte auf ihre endliche Ablösung gewartet hatten und des königlich ägyptischen Dienstes überdrüssig geworden waren. Griechen und Römer setzten die alte Gewohnheit des Garnisondienstes fort und Hunderte in griechischer Sprache niedergeschriebene Sold- und Steuerquittungen auf Scherbenstücken bezeugen in Schrift und Sprache die Anwesenheit ausländischer Truppenkörper. Der Hauptstock der Bevölkerung der Insel und der gegenüberliegenden Stadt Syene bestand aus dunkelfarbigen Äthiopen vom Stamme der Kensi, die nordwärts bereits etwa in der Nähe der heutigen Stadt Edfu in Oberägypten ihre nördlichsten Ansiedlungen besaßen und südwärts bis zum zweiten Wasserfall bei dem heutigen Wadi Halfa sich ausdehnten. Es waren die Vorfahren der in der Gegenwart unter dem Namen der Berabira oder Barberiner bekannten Bevölkerung, die längs der schmalen Nilufer zwischen den vorher genannten Punkten und südlich über Wadi Halfa hinaus bis nach Dongola hinauf ansässig sind und mit schweizerischer Anhänglichkeit ihre traurige, wenn auch sonnige Heimat lieben. Ihre Sprache, das sogenannte Nuba, scheint die Tochter des ehemaligen Äthiopischen zu sein, das in Meroë die Hauptstätte seiner Entwickelung fand und sich bis zu den Küsten des Roten Meeres hin ausdehnte. Wenigstens lassen sich mehrere von den Alten überlieferte Wörter der altäthiopischen Sprache nur mit Hilfe des modernen Nuba erklären. Wenn beispielsweise Plinius den Namen der häufig von Nebeln umhüllten und daher von den Schiffen gesuchten Topasen-Insel durch das Wort +topazin+ erklärt, das in der Sprache der Troglodyten oder der Höhlenbewohner in der Nähe der Küste so viel als „suchen“ bedeute, so ist diese Erklärung vollkommen zutreffend, da noch in der heutigen Sprache des Nuba +tabe-sun+ den Sinn von so viel als „du suchtest“ besitzt. Es erklärt sich hieraus zur Genüge, daß im Altertum das sogenannte Vorder- oder Oberland oder die nubische Provinz des ägyptischen Reiches nicht mit der Insel- und Hauptstadt Elephantine, sondern weit nördlicher ihren Anfang nahm, etwa in der Nähe von Edfu, woselbst die dunkelfarbige Bevölkerung die ägyptische „rote“ Rasse nordwärts ablöste. Das ist auch heutigestags der Fall. In der Abbildung über der obenerwähnten Felseninschrift erscheint ein König Ägyptens in altertümlicher pharaonischer Tracht, welcher drei Gottheiten ein Rauchopfer darbringt. Die Beischrift nennt seine Titel und Namen. Es ist König Toser, sonst auch in den Königslisten Toser-Sa genannt, ein König der dritten Dynastie nach der manethonischen Königsliste, in welcher er unter der griechischen Umschrift Tosortasis an der bezeichneten Stelle wieder erscheint. Er gehört unter die Zahl jener sagenhaften Herrscher, von welchen bis auf die oben erwähnte Inschrift noch keine Denkmäler entdeckt worden sind. Ihm gegenüber befindet sich der widderköpfige Kataraktengott Chnubis von Elephantine in Begleitung von zwei Göttinnen, Satis und Anukis, welche die Nilschwelle, die kommende und die gewordene, symbolisieren. Der Gott verspricht nach den Worten des neben ihm stehenden Textes dem König: „Ich schenke dir die Überschwemmung für jedes Jahr.“ Der darunter eingemeißelte, aus nicht weniger als zweiunddreißig langen Kolumnen bestehende Text ist schon durch seine Einleitung von höchster Bedeutung für die sieben Jahre der Hungersnot unter Josephs Regiment in Ägypten, wie es der Leser selber aus der folgenden, möglichst wörtlichen Übertragung der ersten vier Zeilen beurteilen kann. „Im Jahre 18 der Regierung des Königs Tosertasis, damals, als erblicher Fürst und Regent der Städte des Südens und Landpfleger der nubischen Völker in Elephantine Madir war, da wurde diesem die folgende Botschaft des Königs zu teil. „Ich trage Kummer um den Thronsitz und die Insassen des Palastes. Es ist in Trauer versenkt meine Seele wegen des übergroßen Unglücks, darum weil die Nilflut in meiner Regierungszeit sieben Jahre lang nicht eingetreten ist. „Es herrscht Mangel an Getreide, es fehlen die Kräuter, und es ist eine Leere an allem, was zur Speisung dient. Jedermann wird ein Räuber an seinem Nächsten. „Man will sich vorwärts bewegen, kann aber nicht gehen. Das Kind vergießt Thränen, der Jüngling schleicht einher und die Alten, ihre Seele ist niedergebeugt, ihre Beine sind zusammengekrümmt und auf dem Boden ausgestreckt, und ihre Hände ruhen im Busen. „Die Großen des Reiches sind ratlos. Die Vorratskisten werden aufgerissen, aber nur Luft ist ihr Inhalt, denn alles, was vorhanden war, ist aufgezehrt.“ Der Brief des Königs an den Fürsten von Elephantine +Madir+ oder +Matir+, dessen Name ziemlich unägyptisch lautet und an den ebräischen Eigennamen Matri (I. Sam. 10, 21) erinnert, beginnt also mit einer Schilderung des allgemeinen Elends infolge der siebenjährigen Hungersnot, die in der Bibel (I. Mos. 41, 56) mit den kurzen Worten angedeutet ist: „Da nun das ganze Ägyptenland auch Hunger litt, schrie das Volk zu Pharao um Brot.“ In der weiteren Entwickelung der Inschriften wird der Leser durch die Fortsetzung des pharaonischen Sendschreibens davon unterrichtet, daß der König sich an denjenigen seiner Gouverneure wendete, welcher in Elephantine, d. h. in der Nähe der vermeintlichen Nilquellen auf nubischem Gebiete seines Amtes waltete, um die Ursache der seit sieben Jahren fehlenden Überschwemmung des Stromes zu erfahren. Seine Hauptfrage berührte zwei sehr wesentliche Punkte, die Stelle des Ursprungs des Niles und das Wesen der daselbst verehrten Gottheit. „Sage mir, so schreibt er, wo ist die Stätte der Entstehung des Nilstromes, welcher Gott oder welche Göttin ist der Schutzpatron (?) an derselben und wie ist seine Gestalt?“ Madir machte sich auf den Weg, um zum Hofe des Königs in Memphis zu gelangen und seinem Herrn und Gebieter persönlich Bericht abzustatten. Seine Schilderung ist fast von dichterischem Schwunge und verrät im einzelnen manches Altertümliche in Form und Fassung. Er leitet sie mit den Worten ein: „Es liegt eine Stadt inmitten des Stromes, bei welcher der Nil zum Vorschein kommt. Elephantine heißt sie von alters her. Es ist die erste Stadt und der erste Gau, nach dem Negerlande Wawa zu, der Anfang des ägyptischen Reiches. „Es ist die hohe gewölbte Treppe, auf welcher der Sonnengott zur Zeit der Frühlingsgleiche nach ihrer Rechnung emporsteigt, um allen Menschen das Leben zu fristen. Anmutig zu leben, so heißt diese seine Wohnstätte. „Die beiden Quelllöcher, also heißt das Gewässer. Das sind die Brüste, welche allem Gedeihen schenken. Sie sind das Ruhebett für den Nil.“ Nach vervollständigter Schilderung fährt er fort, um die Natur des Niles und des Schutzgottes Chnubis weiter auszumalen: „Er steigt (bei Elephantine) achtundzwanzig Ellen empor und er sinkt bei Diospolis in Unterägypten bis auf sieben Ellen. Die Sonne der Frühlingsgleiche erscheint dort als Gott Chnubis. Er schlägt den Boden mit seinen Fußsohlen und es mehrt sich die Fülle. Er öffnet den Riegel des Thores mit eigener Hand und die Thüren seines Wasserspundes thun sich weit auf.“ In der weiteren Fortsetzung seines Berichtes, die sich zunächst noch mit dem Wesen des Gottes beschäftigt, ergeht sich der Berichterstatter über die Insel und die Reichtümer der natürlichen Produkte in ihrer Umgebung. Vor allem sind es die Edelsteine und das zum Bauen verwendbare Material in den Gebirgen, welchen die Beschreibung gewidmet wird. Jedes Erzeugnis wird mit botanischer und zoologischer Genauigkeit geschildert und jede einzelne Pflanze und Steinart ihrem Namen nach aufgeführt. Der König ist entzückt von der Darstellung und fühlt sich für die Zukunft beruhigt. „Meine Seele ist froh, so drückt er sich wörtlich aus, nachdem ich solches gehört habe.“ Er begiebt sich nach Elephantine, um dem ihm bis dahin unbekannten Gotte durch Opfer und Gebete seine Huldigung zu bezeugen, und der Gott ist nicht unempfänglich für diese königliche Verehrung. Der König erzählte: „Ich fand den Gott vor mir stehen, und ich betete ihn in Demut an. Sein Auge that sich auf, sein Herz ward gerührt, und also erscholl seine Stimme: ‚Ich bin der göttliche Baumeister (Chnum), der dich erschaffen hat. Meine Hände ruhten auf dir, um deinen Körper zu fügen und deinem Leibe Gesundheit zu verleihen. Ich flößte dir deine Seele ein.‘“ Der Gott erleuchtete den Pharao über sein Wesen in längerer Rede und fährt darauf fort: „Ich werde für dich die Nilflut ohne Fehl alljährlich eintreten lassen, und sie soll sich niederlassen auf alles Land. Es soll sprossen der Pflanzenwuchs, und sich beugen, was da Mehl trägt. Der göttliche Segen soll auf allen Dingen ruhen und alles millionenfach nach der Elle des Jahres sich mehren. Voll sollen haben die Untergebenen und die Zuversicht in ihrer Seele samt ihrem Herrn aufleben. Vorübergehen soll das Elend. War der Mangel bisher in den Vorratskammern, so soll nun das Ägyptervolk auf das Feld gehen. Die Auen werden strahlen und das Getreide soll auserlesen werden. Grünen (d. h. erfreut sein) sollen ihre Herzen mehr als je vorher.“ Einem solchen Versprechen gegenüber gewinnt der König seinen ganzen Mut wieder. Seine Worte, die sich den vorangehenden unmittelbar anschließen, sagen dies auf das Klarste, geben aber auch zugleich seinen Entschluß kund, sich dem Gotte für alle Zukunft hin dankbar zu erweisen. Und das war, um es gleich von vornherein zu sagen, der eigentliche Zweck der ganzen Inschrift. „Ich fühle mich erweckt bei der Aussicht auf die Pflanze. Mein Mut kam wieder und ins Gleichgewicht trat meine Niedergeschlagenheit.“ „Ich erließ folgenden Befehl an der Stelle, wo mein Vater, der göttliche Baumeister weilt: ‚Ich, der König, gewähre dir, Gott Chnubis, dem Herrn des Kataraktenlandes auf nubischem Gebiete, den Unterhalt als Dank für das, was du mir thun wirst.‘“ Der „Unterhalt“ Gottes lief auf eins hinaus mit den notwendigen Mitteln zu den üblichen Festopfern und zur standesgemäßen Ernährung der Priester und zu sonstigen zum Tempelkult erforderlichen Ausgaben. In diesem Falle sollte im Umkreise von zwanzig ägyptischen Meilen, Schoinen nannten sie die Griechen, der Zehent für alle Zeiten erhoben werden. Diese heilige Abgabe ist nicht bloß ägyptischen Ursprunges, sondern auch bei semitischen und indogermanischen Völkern, ich erinnere an die Ebräer und an die alten Deutschen, Brauch gewesen. Der zehnte Teil der Einkünfte aus den Bodenprodukten, aus der Gewerbsthätigkeit, aus der Kriegsbeute u. s. w. gehörte der Gottheit und ihrem Priestertume an. König Toser fühlte sich beflissen, den Zehent dem göttlichen Baumeister zukommen zu lassen und so erfährt man aus dem Wortlaut der Inschrift eine Menge von Einzelheiten, die einen Einblick in die Auflage der heiligen Steuer nach ägyptischem Brauche gestatten. Zunächst sind es die Bauern, die von ihren Ernten den zehnten Teil als jährliche Abgabe an den Gott entrichten sollten. Ihnen schließen sich die Jäger, Vogelfänger und Fischer an, denen der Zehent ihrer Jagdbeute in gleicher Absicht auferlegt wurde. Dem Viehzüchter wird es aufgegeben, jedes zehnte Kalb als Opfertier abstempeln zu lassen. Viel wichtiger ist der darauf folgende Zehent auf alle von Äthiopien aus nach Ägypten importierte Waren. Elephantine bildete das Hauptsteueramt an der Grenze. Die eingeführten Produkte werden bei dieser Veranlassung der Reihe nach in der Inschrift aufgeführt. An der Spitze der äthiopischen Landeserzeugnisse stehen: Gold, Elfenbein, Ebenholz und sonstige wertvolle Hölzer und Pflanzen oder deren Früchte. Ausdrücklich wird von Pharao an die Zollbeamten die Mahnung gerichtet, die Kaufleute, seien es Äthiopier oder Ägypter oder wer immer, unangetastet zu lassen, nichts von ihnen zu fordern, da der Zehent des Imports voll und ganz dem Schatzhause des Gottes angehöre. Auch den Karawanenführern wird der Rat erteilt, jede Art von Bestechung der Beamten zu unterlassen. Eine deutliche Anspielung auf den Backschisch oder das übliche „Geschenk“, das im modernen Orient bis in die Gegenwart hinein bekanntlich eine Hauptrolle im Verkehr mit amtlichen Personen spielt. Eine weitere Einnahmequelle aus dem Zehenten bilden hiernach die Abgaben der Arbeiter und Künstler in Metallen, Stein und Holz. Ausgenommen sollen davon die Künstler sein, welche im Dienste des Gottes stehen und für den Tempel heilige Bildsäulen und Geräte aller Art herstellen. Sie werden nicht nur als befreit von jeder Steuer erklärt, sondern auch für befugt erachtet, für sich und ihre Familie den Unterhalt aus dem Schatzhause des Gottes zu beziehen. Als ob der König auf frühere bessere Zustände des Tempelkultus hätte hinweisen wollen, setzte er hinzu: „Es sei reichlich, was in deinem Tempel ist, wie es früher der Fall gewesen war.“ Zum Schlusse wird vorgeschrieben, das königliche Dekret auf einen Stein an hervorragender Stelle niederzuschreiben, um den Namen des königlichen Stifters der Schenkung für ewige Zeiten zu erhalten. Das große Interesse, welches sich an dieses inschriftliche Denkmal mitten in dem Kataraktengebiete an der ägyptisch-nubischen Grenze knüpft, besteht vor allem in der Erwähnung der sieben Hungerjahre in Verbindung mit dem Namen eines uralten Königs. Daß dieser nicht der Pharao gewesen sein konnte, unter welchem Joseph in Ägypten lebte, dagegen spricht vor allem der gewaltige Zeitunterschied zwischen beiden. Joseph weilte etwa um 1800-1700 v. Chr. an den Ufern des Niles, während Pharao Toser mehr als 3000 Jahre v. Chr. im Ägyptenlande sein Regiment führte. Aber ebensowenig darf angenommen werden, daß die Inschrift vom Jahre 18 der Regierung dieses Königs auf dem Felsen von Sehêl wirklich aus der Zeit desselben stamme. Das wäre das älteste Denkmal menschlicher Erinnerung auf der ganzen Erde überhaupt. Dagegen spricht vor allem die Sprache und der Schriftstil, da beide einer Epoche angehören, die in die Jahrhunderte unmittelbar vor Christi Geburt fällt, als die griechischen Könige in der modernen Residenz Alexandrien längst nicht mehr an den Gott von Elephantine dachten und vor allem als dem Tempel und der Priesterschaft des göttlichen Baumeisters auf der Insel Elephantine die Mittel des Unterhalts entzogen waren. Den Priestern dieser Epoche lag aber daran, das Anrecht auf den ehemaligen Zehent in irgend einer legalen Weise wieder zum Ausdruck zu bringen. Man benutzte dazu eine uralte Legende, die sich an ein siebenjähriges Ausbleiben der Nilüberschwemmung und an die infolge dessen entstandene Hungersnot knüpfte, angeblich unter der Regierung des Königs Toser, um den Nachweis zu führen, daß der vernachlässigte Kult des Gottes Chnubis, des Urhebers der alljährlich eintretenden Nilflut, die Ursache des Elends gewesen sei. Mit einem Worte, man war beflissen, den verlorenen Zehent dem Gedächtnis der lebenden Könige auf eine unverfängliche Weise aufs neue einzuprägen und die Erzählung wurde in den Stein gemeißelt, um als modernes Memento zu dienen. Zur ältesten Geschichte des Goldes. Das Gold ist das edelste Metall, welches noch heute im Handel und Wandel den höchsten Wertmesser der Abschätzung bildet. Das war bereits in den ältesten Zeiten der menschlichen Geschichte der Fall, in welchen das Gold an der Spitze aller übrigen Metalle stand und die Sehnsucht nach seinem Besitze das menschliche Herz erfüllte. Sein Glanz wurde mit dem Leuchten des Sonnenstrahls verglichen und die Ägypter gingen so weit, sogar die Körperhaut des Sonnengottes als goldig zu bezeichnen im Gegensatz zu den bleichen Knochen seines Leibes, für welche sie die Farbe des Elektrums wählten, einer Mischung von Gold und Silber, das in natürlichem Zustand in Flüssen und in Bergwerken vorkommt und nicht mit dem gleichnamigen Worte für den Bernstein verwechselt werden darf. Neben der Eigenschaft des Glanzes haftete nach dem Glauben der alten Ägypter dem Golde eine typhonische, d. h. schädliche und Verderben bringende bei, welche sich merkwürdig genug in dem Urteil über das Gold bei den Mohammedanern wieder findet. Es wird nämlich den frommen Anhängern des Islam empfohlen und die Empfehlung meist auch befolgt, vor dem Gebete alle goldenen Gegenstände am Körper, wie z. B. goldene Uhren und Ringe, hübsch beiseite zu legen, um nicht satanischen Einflüssen anheim zu fallen. Der Goldschmied gehörte zu den ältesten Künstlern der Welt. Wenn wir auch nicht in der Lage sind, die verschiedenen Verrichtungen seiner Arbeit auf Grund vorhandener Abbildungen eingehender zu beurteilen, so beweisen die in ägyptischen Sammlungen ausgestellten Gegenstände aus Gold einen hohen Grad seiner Kunstfertigkeit. Der uralte ägyptische Gott Ptah, welchen die Griechen mit ihrem Hephaistos, die Römer mit ihrem Vulkan zusammenstellten, galt in Memphis als der Schutzpatron der Goldschmiede, sein besonderes Heiligtum führte deshalb den Namen der Goldschmiede, und sein jedesmaliger Oberpriester die Bezeichnung eines „Werkmeisters“ im Dienste des Gottes. Memphis hatte für die Goldschmiedekunst eine hervorragende Bedeutung und noch in den Zeiten der Ptolemäer befand sich in dieser Stadt eine Münzstätte des Reiches. Daß Memphis in der Schmelzkunst von Metallen überhaupt einen besonderen Vorrang einnahm, beweisen die zu Tausenden vorhandenen Bronzen, welche in der Wüste in der Nähe des Serapeums bei Memphis noch heute gefunden werden. Es giebt einzelne Stellen, in welchen Bronzestatuetten zu Hunderten im Sande verscharrt liegen. Es ist eine auffallende Erscheinung, daß bei der Aufzählung von Metallen, edlen und unedlen, nicht nur dieselbe Reihenfolge von den Ägyptern beobachtet wurde, sondern daß sich mitten in dieselbe zwei Minerale eingeschoben finden, welche man zu den kostbaren Steinen rechnete und in den älteren Zeiten der Geschichte Ägyptens, nachweisbar bis zum sechzehnten Jahrhundert hinauf, wie Gold und Silber als Tauschmittel benutzte und deshalb wie die Edelmetalle nach ihren Gewichten in Pfunden und Loten in Ganzen und Bruchteilen näher bestimmte. Das waren der dunkelblaue Lasurstein und der grüne Malachit. Man begreift diese Einschiebung sofort, sobald man das Prinzip der alten Ägypter erkannt hat, Reihen von Mineralien nach ihrer +Farbe+ zu ordnen, und zwar in der Folge von +Weiß+ (Silber), +Gelb+ (Gold), +dunkelblau+ (Lasurstein), +Grün+ (Malachit), +Wasserblau+ (Eisen), +Rot+ (Kupfer) und +dunkelgrau+ (Blei). Die Anordnung entspricht im allgemeinen der Folge der Farben auf einer Palette im ägyptischen Museum von Berlin. Von der Farbe selbst sind die uralten Namen für das Silber als „das Weiße“, und für den Lasurstein und den Malachit als „das Dunkelblaue“ und „das Grüne“ abgeleitet. In bunten Abbildungen erscheinen in der That Waffen, Schmucksachen, Geräte u. s. w. aus Metallen oder Edelsteinen in der angeführten Färbung: goldene Ringe gelb, silberne schneeweiß, eiserne Kriegshelme, Schwerter, Beile, Lanzenspitzen hellblau, kupferne Helme und Waffen, Sägen, Sicheln, Messer, Spiegel u. s. w. rot ausgemalt. Für die Geschichte und das Vorkommen der Metalle bieten derartige buntfarbige Gemälde ein sehr wertvolles Material zur Beurteilung ihres ältesten Vorkommens und ihrer ältesten Verwendung. Das Zeichen für Gold stellt sich in der ägyptischen Hieroglyphik in Gestalt eines langen zusammengelegten Zeugstückes dar, das an den beiden Enden erfaßt wurde, um aus dem darin enthaltenen klein gestampften Golderz das Edelmetall durch Schwenken auszuwaschen. Die Anwesenheit von Wasser darin wird in den Zeichnungen nicht selten durch herabfließende Tropfen angedeutet, um an die Goldwäsche zu erinnern. Die älteste Wiege des Goldes, um mich dieses Ausdrucks zu bedienen, darf nur in den „Goldgebirgen“ gesucht werden, welche auf der asiatischen und afrikanischen Seite der Küsten des Roten Meeres sich von Nord nach Süd entlang ziehen und bereits in den Urzeiten der Geschichte von menschlichen Händen mit Hilfe einfacher Werkzeuge ausgebeutet wurden. Auch in den Betten der Flüsse, deren Quellen in goldhaltigen Bergen entsprangen, lagerte sich von der Natur ausgewaschenes Gold in Staubform und in körniger Gestalt ab, wie es noch in der Gegenwart auf einzelnen ostafrikanischen Gebieten, wie z. B. in Fazoglu und in dem noch wenig erforschten Lande Kafa im Süden Abessiniens in mehr oder weniger großen Mengen gefunden wird und als Tauschmittel bei dem Handelsverkehr nach außen hin dient. Die ostafrikanischen Goldlager wurden bereits in der ersten Hälfte des dritten Jahrtausends von den alten Ägyptern ausgebeutet und ausgenutzt und in den folgenden Jahrhunderten in so ausgiebiger Weise durch fortgesetzten Bergbau erschöpft, daß heutigestags in der Epoche des Dampfes und der Maschinen wenig mehr an Ort und Stelle zu gewinnen sein dürfte. Über die Hauptörtlichkeiten, an welchen sich Goldlager befinden, ist man nicht bloß durch inschriftliche Zeugnisse auf das Vollkommenste unterrichtet, sondern die alten Goldgebirge öffnen noch in der Gegenwart ihre Eingänge den Reisenden, welche vom Nile oder von der Küste des Roten Meeres durch die einsamen vegetationsleeren Thäler der Wüstengebirge ihren Weg einschlagen. Das nördlichste Goldgebirge auf der arabischen Seite Ägyptens lag an der mit reichen Inschriften versehenen Bergstraße, welche von der Stadt Koptos am Nile in der Richtung nach dem Thale von Hammamat bis zu dem heute Kosseir genannten Hafenplatze am Roten Meere führte. Die eigentlichen Goldminen, deren Dasein durch eine Expedition amerikanischer Offiziere im Dienste des damaligen Chedives von Ägypten Ismael im Jahre 1875 wieder aufgefunden wurden, lagen in einem Wadi Namens Fanachir. Das daselbst gewonnene Gold führte nach der Stadt am Nil, welche den Ausgangspunkt der Wanderung der Bergleute bildete, die Bezeichnung „des Goldes von Koptos“. Ein neues Goldgebirge erstreckte sich im Süden des vorigen; es lag in der Nähe des Gebel Zebara, nach dem Roten Meere zu. Der Kopf der Straße begann gleichfalls auf dem östlichen Ufer des Niles, gegenüber der von den Griechen und Römern Apollinopolis genannten Stadt (das heutige Edfu), welche ihren Namen auf den des Goldes übertrug. Eine dritte Station lag acht bis zehn Meilen in südlicher Richtung vom Gebel Zebara. Der Weg dorthin nahm seinen Anfang von der am rechten Nilufer gelegenen Stadt Ombos (heute als Kum Ombu oder „Schutthügel Ombu“ bekannt), deren Namen gerade so viel als „Goldstadt“ bezeichnet. Die alte Straße der Goldgräber folgte in etwas südlicher Ablenkung gleich hinter Ombos der Richtung nach dem alten Hafen von Berenice, in dessen Nähe die Spuren der im Altertum von den Ägyptern ausgebeuteten Goldminen zu suchen sind. Die ägyptische Südgrenze begann in der Nähe des eben genannten Hafenplatzes und zog sich in westlicher Richtung nach der alten Stadt Syene, dem heutigen Assuan, gegenüber der Insel Elephantine hin. Im Süden davon lag das gebirgreiche, aber wüste Gebiet der nubischen Landschaft zwischen dem Nile und dem Roten Meere, deren Bewohner zu den echten Negerstämmen gezählt wurden. Von dem am Nil gelegenen Orte Kuban aus bietet sich der Zugang zu dem verzweigten Thalsystem der sogenannten Etbaye-Landschaft, in welchem die Goldminen von Ollaki, schwer zugänglich für den gewöhnlichen Reisenden, an die Zeiten uralter Anbauten erinnern. Im Anfang der dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts wurden sie von dem Franzosen Linant und dem Engländer Bonomi wieder aufgefunden und dadurch die Angaben der Denkmäler über das Vorhandensein von Gold in der nubischen Landschaft auf das Überraschendste bestätigt. Das hier gefundene Edelmetall führte nach dem ägyptischen Namen Kusch für Äthiopien, von dem die östliche nubische Landschaft einen Teil bildete, die Bezeichnung „des Goldes von Kusch“. Die Ausbeute dieser Minen muß erstaunlich groß gewesen sein, da schon Inschriften vom dritten Jahrtausend des äthiopischen Goldes gedenken, auch als Tributgegenstand der dem ägyptischen Scepter unterworfenen Völker, und die Darstellungen, vom sechzehnten Jahrhundert v. Chr. an, eine Fülle von kunstreichen Gegenständen in Gold erkennen lassen, welche die Fürsten des Landes Kusch dem zu ihrer Zeit regierenden Pharao als Geschenke darbrachten. Noch nach dem zehnten Jahrhundert, in der Epoche unseres Mittelalters, wurden die alten Bergwerke von den Arabern ausgebeutet, was nicht geschehen sein würde, wenn die Arbeiten in den Minen keinen Gewinn ergeben haben würden. Die Untersuchungen der einzelnen Goldminen, sowohl in Ägypten als in Nubien, durch europäische Reisende haben die Beweise für einen regen Verkehr in der Nähe derselben im Altertume geliefert. Ganz abgesehen von dem regelrechten Anbau fand man die wohl erhaltenen Reste von heiligen Grotten und Götterkapellen, von Arbeiterwohnungen, ferner Cisternenanlagen, darunter sogar artesische Brunnen, Granitmahlsteine, Granitrinnen zum Auswaschen des zerstampften Golderzes und was sonst zu der Bearbeitung desselben gehörte, in großer Menge vor. Daß eine solche Kolonie von Bergleuten und Arbeitern, der Mehrzahl nach aus Kriegsgefangenen, Sklaven und Verbrechern bestehend, in den heißen Wüstenthälern kein angenehmes Dasein führte, ist selbstverständlich und wird durch die lebendige Schilderung ihres Elends aus der Feder eines klassischen Gewährsmannes, des Schriftstellers Diodor, vollauf bestätigt. In den ägyptischen Archiven befanden sich farbig ausgeführte Pläne auf Papyrus, welche mit erklärenden Texten versehen, die Konfiguration der Gebirge, die Straßen und Seitenwege, die Brunnen und Arbeiterwohnungen, die Kultusstätten, die Arbeiterwohnstätten, ja selbst die von den Königen aufgeführten Gedächtnissteine in Bild und Schrift wiedergaben. Bruchstücke derartiger Pläne, aus dem vierzehnten Jahrhundert v. Chr. herrührend, werden in dem ägyptischen Museum von Turin als besondere Merkwürdigkeiten den Besuchern gezeigt. Es ist mir keine inschriftliche Überlieferung bekannt, welche, mit Ausnahme der in Gold gezahlten oder richtiger gesagt abgewogenen Tribute, von Erwerbungen dieses Edelmetalls aus vorderasiatischen Gebieten spräche. Dagegen melden inschriftliche Denkmäler und Papyrusurkunden von ägyptischen Ophirfahrten zur See, welche außer wertvollen Bodenerzeugnissen, an ihrer Spitze der kostbare Weihrauch, Gold von den südlichsten Küstengebieten des Roten Meeres nach der Residenz der Pharaonen im Nilthale einführten. Tritt in den älteren Texten die allgemeine Bezeichnung Puone für das ferne Reiseziel im Süden ein, so vermehren sich die Namen in den späteren Jahrhunderten bis zu dem Anfang unserer christlichen Zeitrechnung hin. Die Westküste Jemens mit ihren Goldländern Saba, Havila, Parvaim und Uphas, wie sie in der Bibel genannt werden, lieferten bekanntlich das Edelmetall nach Palästina, das durch phönizische Kaufleute, die von Tyrus in erster Linie, auf den Markt gebracht wurde. Man wird kaum fehl gehen, auch für Ägypten die südarabische Bezugsquelle vorauszusehen, sicherlich in den späteren Zeiten der Geschichte des Pharaonenreiches. Bereits im dreizehnten Jahrhundert, in welchem Pharao Ramses III. als ein starker und mächtiger König die Zügel der Regierung in seiner Faust hielt, ward das Gold in besonderen Sorten teils seinem Ursprung, teils seiner Reinheit und Zusammensetzung mit anderen Metallen nach in verschiedene Sorten geteilt und danach aufgeführt. Im allgemeinen trennte man „das Berggold“, das aus den goldhaltigen Erzen in den Minen gefunden wurde, von dem „Wassergolde“, das aus dem Sande der Flüsse und Bäche des Sudan herausgewaschen wurde. Im übrigen unterschied man äthiopisches, ägyptisches (aus den obengenannten Städten) und arabisches Gold -- das Vaterland des arabischen war in den Gegenden der Weihrauchterrassen -- ferner „feines“ (wörtlicher: gutes, vollkommenes), „weißes Gold“, „Zweidrittel-Gold“ (wahrscheinlich eine mit anderen Metallen gemischte Sorte), außerdem +Ketem+ oder vorderasiatisches Gold, dessen Name nicht ägyptischen, sondern semitischen Ursprunges ist, und andere Sorten, deren Name noch nicht hinlänglich klar ist. So viel steht fest, daß diese und andere Bezeichnungen auf eine genaue Kenntnis der Feinheit des Goldes bei den alten Ägyptern hinweisen und metallurgische Studien voraussetzen. In unverarbeitetem Zustande erscheint das gelbe Edelmetall in Barren und in Ringform bald von größerem, bald von kleinerem Umfang. Das Gewicht derselben ging von einer bestimmten Grundgewichtseinheit aus, die gesetzlich normiert war und dem einzelnen Stücke die Bedeutung unseres Geldes verlieh. Als ich im Jahre 1889 vom ältesten Geldgewicht in den Sonntagsbeilagen der Vossischen Zeitung mehrere allgemein interessierende Angaben auf Grund eigener Untersuchungen zum besten gab, hatte ich das Silbergewicht zum Ausgang meiner Betrachtungen gewählt und die Übereinstimmung seiner Gewichtseinheit (= 1-1/5 ägyptische Lot oder 10,91 Gramm) mit dem babylonischen schweren Silbergewicht besonders hervorgehoben. Es knüpfen sich daran Fragen von großer kulturhistorischer Bedeutung, die von der Zeit der geschlagenen Münze an von entscheidender, tief einschneidender Wirkung sind. In letzter Instanz tritt dabei die Frage in den Vordergrund: Waren die Ägypter oder waren die Babylonier die ersten Erfinder des Geldgewichts in Silber, d. h. hat ein Volk von dem andern die Gewichtsbestimmung entlehnt und danach ein eigentümliches Rechensystem aufgebaut oder haben beide Völker von einem vorhistorischen Volke unbekannten Namens und unbekannter Abstammung die wichtige Erfindung empfangen und rechnungsmäßig als Tauschmittel im Verkehr verwertet? War ich zur Zeit der Veröffentlichung meines ersten Artikels in der glücklichen Lage gewesen, die Grundeinheit des Silbergewichtes genau bestimmen und auf unser modernes Grammgewicht zurückführen zu können, so fehlten mir damals alle notwendigen Unterlagen, um in ähnlicher Weise dem Goldgewicht die entsprechenden Zahlen gegenüber zu stellen. Diese Lücke ist ausgefüllt, seitdem durch zwei aus dem ägyptischen Altertum uns überkommene Goldgewichtsstücke, von denen das eine und größere erst vor Kurzem in den Besitz des Berliner Museums gelangt ist, und durch überlieferte Goldgewichtsberechnungen, aus dem sechzehnten und aus dem dreizehnten Jahrhundert v. Chr., sich mir die Gelegenheit dargeboten hat, in unbestreitbarer Weise auch für das Gold die altägyptische Grundgewichtseinheit fixieren zu können. Dieselbe betrug 1-4/5 altägyptische Lot oder 16,37 Gramm, entsprach daher dem 1/50 Teile einer Goldmine von 90 Lot (= 818,63 Gramm) und den 1/3000 eines Goldtalentes von 5400 Lot (= 49,1179 Kilogramm). Die Hälften dieser angeführten Gewichtsstücke, welche sich zugleich auf das System der sogenannten +schweren+ Goldmine nach babylonischer Rechnungsweise bezogen, also die Zahlen 8,18, 409,31 Gramm und 24,55 Kilogramm, stellen die Grundeinheiten der +leichten+ Goldmine vor. Ihr kleinstes Stück im Gewicht von 8,18 Gramm Gold sei der Vergleichung halber dem Gewichte der 20 Mark-Goldmünze von 7,96 Gramm und dem englischen Pfund Sterling-Stück von 7,98 Gramm an die Seite gesetzt, um eine annähernd richtige Vorstellung seiner Schwere zu erwecken. Es erscheint nicht überflüssig hinzuzufügen, daß die Anwendung dieses kleinsten Stückes von 8,18 Gramm Gewicht sich in Goldberechnungen aus der Zeit des sechzehnten Jahrhunderts v. Chr. auf ägyptischen Denkmälern vorfindet. Was den angeführten altägyptischen Goldzahlen das höchste Interesse verleiht, ist die von Herrn ~Dr.~ C. F. Lehmann, einem der babylonischen Keilschrift kundigen Gelehrten aus Berlin, vor etwas länger als einem Jahre nachgewiesene Thatsache, daß sich die alten Babylonier zur Bestimmung der Schwere eines Gegenstandes eines Normalgewichtes bedienten, dessen leichte Mine auf Grund von drei noch vorhandenen und in wissenschaftlichen Sammlungen aufbewahrten Stücken im Durchschnitt 491-1/5 Gramm betrug. Diese Gewichte, in den Trümmerstätten des südlichen Babylonien aufgefunden, sind aus einem dunkelgrünen harten Stein gefertigt, tragen Aufschriften in Keilzeichen und gehören nach der Meinung des gelehrten Forschers mindestens dem Anfang des zweiten vorchristlichen Jahrtausends an. Da nach dem babylonischen Rechnungssystem die Goldmine um ein Sechstel kleiner als die allgemeine Gewichtsmine war, so muß dieser Betrag, ca. 81-9/10 Gramm, von der Gewichtsmine (491-1/5 Gramm) abgezogen werden, um die Schwere der Goldmine festzustellen. Man gelangt somit zu der babylonischen Zahl von 409-3/10 Gramm, welche der ägyptischen, im Betrage von 409-31/100 Gramm, auf das Genaueste entspricht. Ein so merkwürdiges Zusammentreffen, welches ich in meinen früheren Untersuchungen auch in Bezug auf das ägyptische und babylonische Silbergewicht nachgewiesen habe, kann nicht in einem bloßen Zufall gesucht werden, sondern beruht auf gemeinsamen Grundlagen der Maß- und Gewichtseinheiten im Handelsverkehr der ältesten Welt. Die geträumte Abgeschlossenheit der großen Kulturstaaten an den Ufern des Niles in Afrika und zu beiden Seiten des Euphrats, auf asiatischem Boden, muß anderen, richtigen Vorstellungen in Zukunft den Platz räumen, wenn auch die Streitfrage nach den ältesten Erfindern der Maß- und Gewichtssysteme vorläufig unerledigt bleiben mag. Für Ägypten spricht das hohe Alter aufgefundener Steingewichte, welche in die Zeiten der Pyramidenbauten hinaufreichen, für Babylon vor allem das weit verbreitete sexagesimale Teilsystem, das ~Dr.~ J. Brandis in seinem berühmt gewordenen Werke: Das Münz-, Maß- und Gewichtswesen in Vorderasien (Berlin 1866) aus den geschlagenen Münzen, bis zu den klassischen Völkern des Altertums hin, in überzeugender Weise nachgewiesen hat. Daß Babylonien und die im Westen davon gelegenen Völker und Länder Vorderasiens, einschließlich der Inseln des östlichen Mittelmeeres, mindestens vier bis fünf Jahrhunderte vor den trojanischen Zeiten mit Ägypten im engsten Verkehr standen, das bezeugen ja vor allem die in Tell El-Amarna auf ägyptischer Erde in unseren Tagen aufgefundenen keilschriftlichen Thontafeln mit ihren für die Kulturgeschichte jener Epoche so merkwürdigen Korrespondenzen von Hof zu Hof und mit ihrem regelmäßigen Botenpostdienst von den oberen Euphratgebieten an bis nach den fernen Nilufern im Süden hin. Politik und Handelsverkehr beherrschten schon damals die Welt und Gold und Silber, wohl geprüft und abgewogen und in den Schatzhäusern der Könige lagernd, bildete den von Jedermann verstandenen Maßstab des Reichtums der Großen der Erde. Es giebt eben nichts Neues hinieden. Die wissenschaftlichen Entzifferungs-Fortschritte in unseren Tagen, im Zusammenhang mit den hinterlassenen Erbschaften einer längst vergessenen Vorzeit, welche aus dem Boden der Erde der ältesten Kulturländer an das Licht steigen, lassen Blicke in eine Ferne werfen, die uns täglich näher zu rücken scheint, und reißen die Grenzen nieder, welche das schulmäßig Klassische von dem eingebildeten Barbarentum der vorklassischen Epochen trennt. Die Erfindungen und Entdeckungen auf den verschiedensten Gebieten der menschlichen Kultur zeigen bereits in den ältesten Zeiten, die nicht allein nach Jahrhunderten, sondern nach Jahrtausenden vor dem Beginn unserer Zeitrechnung zählen, eine Höhe der Entwickelung und eine Schärfe der Auffassung und Beobachtung, die uns Epigonen der Weltgeschichte um so mehr in Erstaunen versetzt, je weniger wir selber noch nicht in der Lage sind, die äußerste Grenze ihrer Anfänge zu bestimmen. Jahrtausende vor unseren eigenen Tagen und im besonderen Falle vor der Einführung des metrischen Systems, am Schlusse des vergangenen Jahrhunderts, hatte man bereits den Weg entdeckt, das Grundlängenmaß in dem Durchmesser der Sonnenscheibe und das Grundgewicht in der Schwere des Wassers, welches den Kubus des Grundlängenmaßes und seine Teilstücke ausfüllte, in konstanter Weise mit Hilfe der Zahl festzustellen und das zufällig Verlorene immer wieder von neuem aufzufinden. Aber aus welchem Volke und in welchem Lande erstand der erste Entdecker einer so folgenreichen Idee, welche ihren siegreichen Umzug durch die ganze Welt hielt und bis in unsere Zeiten hinein ihre Bedeutung nicht verleugnet hat? Die Frage wird unbeantwortet bleiben, denn sie liegt jenseits aller Anfänge der menschlichen Geschichte und nur die Sage berührt sie mit leisem Finger. Die Altvorderen wußten es selber nicht mehr und setzten Götternamen an Stelle von menschlichen ein. Was wir als Normalmaße bezeichnen, hatte bei ihnen die Bedeutung des Heiligen gewonnen. Feier der Grundsteinlegungen in ältester Zeit. Die noch heutzutage beobachtete gute Sitte und Gewohnheit, bei der Aufführung monumentaler Bauten die Legung des ersten Grundsteines in feierlicher Weise zu vollziehen, um dem zukünftigen Werke von seinen ersten Anfängen an den Segen des Himmels gleichsam mit auf den Weg zu geben, ist so allbekannt, daß kein Wort darüber weiter zu verlieren ist. Mögen die Bauwerke kirchlichen oder öffentlichen, dem Wohle der Menschheit gewidmeten Zwecken dienen, die Weihe, welche ihnen durch die vollzogene Feierlichkeit in Gegenwart allerhöchster, höchster und priesterlicher Personen und der Vertreter des Baugewerkes verliehen wird, verfehlt kaum je ihres tiefen Eindruckes. Die Feierlichkeit erinnert an die Taufe, durch welche das neugeborene Kind von den versammelten andächtig gestimmten Zeugen der Religionsgemeinschaft derselben übergeben wird. An Glückwünschen fehlt es bei dieser Handlung nicht, ebensowenig an Geschenken der Liebe und Freundschaft, um dem in die Welt eintretenden Täufling als Angedenken für die späteste Zukunft zu dienen. Auch in den Grundstein werden die Gaben der Erinnerung für die spätesten Geschlechter niedergelegt. Die Feierlichkeit, welche mit der Grundsteinlegung verbunden ist, folgt alten Bräuchen und ist mit gewissen Förmlichkeiten verbunden, die aus früheren Zeiten herstammen und noch in unserer Gegenwart als unerläßlich betrachtet werden. Die Vermauerung der schriftlich abgefaßten historischen Bauurkunde und des Verzeichnisses der Namen der anwesenden Zeugen nach ihrer eigenen Unterschrift, die drei Hammerschläge, das Streichen mit der Maurerkelle, das Senken des Steines, gewisse Formeln, welche ihrem Wortlaut nach vorgeschrieben und nur abzulesen sind, dies alles und manches andere führt von vornherein zu dem Schlusse, daß die Grundsteinlegung einen sinnreichen symbolischen Aktus darstellt, den nicht erst die Neuzeit erfunden hat, sondern der in längst vergangene Zeiten zurückreicht. Daß etwas Ähnliches nicht nur im Mittelalter, sondern bereits in den Zeiten der Griechen und Römer in ähnlicher Weise vollzogen ward, dürfte ziemlich bekannt sein. Selbst der Jugend auf der Schulbank wird erzählt, in welcher Weise Romulus die älteste Stadt Rom gegründet habe, indem er mit einem Pfluge die Grenzen derselben in den Erdboden zog. Die Gelehrten wissen es genauer, daß Rom wie jede Stadt in Latium nach „etruskischem Ritus“ gegründet wurde. Die Regionen des sogenannten Templum oder des eigentlichen Innern der Stadt wurden nach den Himmelsgegenden hin durch den Augurenstab bezeichnet, ähnlich wie man den Lagerraum abzustecken pflegte, der Gründer spannte einen Stier und eine Kuh vor den Pflug und führte denselben, dabei die Richtung nach rechts einschlagend. War das Quadrat der zukünftigen Stadt in der angegebenen Weise abgefurcht, so wurde gerade im Mittelpunkt des Stadtvierecks eine Grube ausgehöhlt und mit den Erstlingen der Feldfrüchte angefüllt. Mochten auch sonstige Einzelheiten des sogenannten „etruskischen Ritus“ dem Gedächtnis entschwunden sein oder in den Überlieferungen fehlen, nichtsdestoweniger hatten die Schriftsteller der späteren Zeiten der Römergeschichte über eine Anzahl von Nachrichten zu verfügen, welche über die altertümlichen Förmlichkeiten bei der Gründung der ewigen Stadt keinen Zweifel übrig ließen. Dazu gehörten auch die Art und Weise, in welcher jedes von den drei Thoren -- mehr ließ derselbe etruskische Ritus nicht zu -- bei der Gründung seiner künftigen Stelle nach bezeichnet wurde. Der Pflüger unterbrach dreimal das Geschäft des Furchens und trug den Pflug in der Hand. Da im Lateinischen das Verb tragen durch das Wort ~portare~ ausgedrückt wird, so leitete man das Wort ~porta~ für das Thor von jenem Zeitworte ab. Das wäre das älteste Beispiel einer Gründung, wenn auch einer ganzen Stadt, aus den sogenannten klassischen Zeiten des Altertums, aber es ist nicht das älteste, das uns in der Welt überhaupt durch schriftliche Überlieferungen bezeugt ist. Ich werde den Beweis führen, daß etwa anderthalb Jahrtausende vor der Aufführung Roms von einer Gründung die Rede ist, deren Bauurkunde in unserer Weltstadt Berlin -- und zwar in den Räumen der ägyptischen Abteilung unserer königlichen Museen, als ein wertvoller Schatz aus den ältesten Zeiten aller Menschengeschichte aufbewahrt wird, obgleich es mir eigentlich leid thut, mit der Geschichte ihrer Erwerbung meinen eigenen Namen in Verbindung bringen zu müssen. Jedenfalls gehört er zur Sache und ich finde keinen plausiblen Grund, die Erwähnung desselben zu umgehen. Es war im Jahre 1858, im Monat November, als ich zum zweitenmale die gewaltige Ruinenstätte der ehemaligen altägyptischen Haupt- und Residenzstadt Theben an den Ufern des Niles besuchte, um wissenschaftlichen Forschungen obzuliegen und die umfangreichen Trümmerfelder nach allen Richtungen hin zu durchstreifen. Eines Tages hatte mich über meinen Arbeiten der Abend überrascht, die Schakale fingen bereits an ihr widerliches Geheul hören zu lassen und mit eiligen Schritten kehrte ich zu Fuß von dem Gebirge auf der Westseite Thebens nach dem Flusse zurück, an dessen Ufer mein Nilschiff am Landungsplatze angepflockt lag. Immer tiefer wurden die dunklen Schatten, welche sich über die letzten Reste der einst mächtigen Stadt ausbreiteten, und ich wanderte spornstreichs auf den letzten Feldwegen dahin, welche in der Gegenwart die Stelle der alten Straßen der stolzen Residenz der Ramessiden einnehmen. Die Fledermäuse huschten gespenstisch über mich hinweg, und der Uhu seufzte seinen düstern Totenruf aus dem Laubdickicht der nächsten Sykomore dem müden Wanderer entgegen. Es war mir selber mit einem Worte überaus unheimlich zu Mute. Zu meinem Schrecken versperrte mir plötzlich ein vermummtes menschliches Wesen den nach dem Flusse führenden nächsten Seitenweg. So viel ich bei der herrschenden Dunkelheit zu erkennen vermochte, gehörte der würdige Thebaner, denn einem solchen war ich begegnet, zur Klasse der vorgeschrittensten Weißbärte. Ein faltenreicher Burnus umhüllte seinen ganzen Körper, denn bei 16 Grad Wärme friert es bereits einen Thebaner in der winterlichen Jahreszeit, und ein langer und dicker, an beiden Enden mit Eisen beschlagener Stock, der gefürchtete +Nâbut+ der Araber, diente ihm als Stütze, wie in anderen Fällen als gefährliche Waffe einem Angreifer gegenüber. „~Es-salam aleïk~“, „Heil sei mit dir!“ rief er mir zu, indem er stille stand und mich verhinderte, den vor mir liegenden Seitenweg einzuschlagen. Ordnungsmäßig gab ich auf den Friedegruß die gewohnheitsmäßige, aber diesmal in höflichster Weise verlängerte Antwort: „Und mit dir sei der Friede und Gottes Barmherzigkeit und sein Segen!“ „Habt Ihr Lust, fuhr er nach dieser Einleitung und fast mit ängstlicher Stimme fort, eine Antika zu kaufen? Sie gehört nicht mir, sondern einem meiner Brüder, der krank darnieder liegt und des Geldes bedarf. Vielleicht daß Ihr mir noch eine besondere Belohnung -- das bekannte Backschisch -- für meine Vermittelung zukommen lasset.“ Bei diesen Worten schob er die Hand unter die Falten des Burnus, holte einen in Fetzen eingewickelten Gegenstand hervor, den er langsam von seiner schmutzigen Umhüllung befreite und mir überreichte, um ihn näher zu prüfen. Ich zündete den Stumpf einer Kerze an, die ich bei dem Besuch dunkler Grabkammern stets bei mir zu tragen pflegte, und maßlos war mein Erstaunen, als ich in der Antika ein zusammengerolltes, durch sein hohes Alter hart und steif gewordenes Pergament erkannte. Die Innenseite, wie ich gleichzeitig entdeckte, war mit Schriftzeichen in schwarzer und roter Farbe bemalt und der Name eines uralten ägyptischen Königs sprang mir sofort in die Augen. Wir wurden schnell handelseins, selbst das Backschisch fand seine angemessene Erledigung, und mit eilenden Schritten -- meine ganze Müdigkeit war wie durch Zauber entschwunden -- stürzte ich über Stock und Stein nach dem Ufer, um meinem Schatze bei heller Beleuchtung und in aller Muße in dem Salon meines Nilschiffes näher auf den Leib zu rücken. Wem die Glücksgöttin das große Los über nacht in den Schoß wirft, der kann noch lange nicht die begeisterungsvolle Freude empfinden, mit welcher den Antiquar die plötzliche Hebung eines wertvollen Schatzes auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft erfüllt. Selbst Hunger und Durst wird in den Hintergrund gedrängt vor der sehnsüchtigen Wißbegier, den plötzlich und unvermutet gewonnenen Schatz einer prüfenden Durchsicht zu unterziehen. Für diesen Abend hatte mein Koch umsonst den Tisch bereitet. Ein Glas Nilwasser genügte vollständig, um den leiblichen Bedürfnissen nach Speise und Trank für den Augenblick zu genügen. Mein Geist schwebte über allem Irdischen und versetzte mich wie im Fluge zurück nach den Anfängen des dritten Jahrtausends vor dem Beginn unserer christlichen Zeitrechnung, als Pharao Amenemes I. und sein Sohn und Nachfolger Usortisen I. gemeinschaftlich regierten als Stifter jener glanzvollen zwölften Dynastie altägyptischer Könige, deren Größe und Ruhm eine Glanzepoche innerhalb der ägyptischen Geschichte bildet. Habe ich in meiner nach Generationen zeitlich bestimmten Königstafel jenen Herrschern ein Alter von ungefähr 4400 Jahren vor unseren eigenen Tagen angewiesen, so kann ich mich vielleicht um ein paar Jahrhunderte, aber nicht um ein ganzes Jahrtausend geirrt haben. Ein bleibendes Denkmal und ein ehrwürdiges Wahrzeichen jener Epoche, von welcher die Lederrolle spricht, ist der berühmte Obelisk von Heliopolis, welcher noch gegenwärtig als letzter Rest des vom Erdboden verschwundenen Sonnentempels von +On+ in der Nähe von Kairo, bei Matarijeh, aufrecht dasteht und in seinen Inschriften den vorher genannten König +Usortisen+ I. als Urheber preist. Die augenblickliche Prüfung der wertvollen Urkunde, die ich ihres gebrechlichen Zustandes wegen nur teilweise aufzurollen und zu lesen vermochte, weihte mich in folgende Thatsachen ein. Im dritten Jahre der Regierung des erwähnten Königs (die historisch beglaubigte Mitregierung seines Vaters Amenemes I. ist in der Datierung übergangen worden) rief der König seinen Rat zusammen, um dessen Meinung über seine Absicht zu hören, dem Sonnengotte auf der Stätte von Heliopolis ein würdiges Heiligtum zu errichten. Die Mitglieder des hohen Rates billigen den Entschluß ihres Herrschers und erklären sich mit seinem Plane einverstanden. Der König vollzieht darauf in höchsteigener Person „+die Ausspannung der Meßschnur+“, d. h. um nach unserer Weise zu reden, die feierliche Grundsteinlegung. Meine erste Sorge war es, die kostbare Urkunde meinem Vaterlande zu erhalten, und es dauerte nicht lange, bis daß ich die Freude hatte, sie im Besitze unserer königlichen Museen zu wissen. Es war seitdem gelungen, das spröde Leder zu erweichen, wenigstens bis zu dem Grade, um nach allen Seiten hin das Lesen der Schriftzüge zu ermöglichen. Der Inhalt liegt somit der Forschung auf dem bequemsten Wege vor und wir gewinnen zunächst eine genauere Einsicht in die Verhandlung, welche der Grundsteinlegung eines monumentalen Gebäudes vor mehr als vierzig Jahrhunderten voranging. Die Sprache, in welcher das Schriftstück abgefaßt ist, zeigt den altertümlichen Charakter ihrer Zeit, gewinnt aber gerade dadurch an Reiz für uns Epigonen der Weltgeschichte. Es sei mir darum gestattet, die wichtigsten Teile des auf zwei Seiten verteilten 39 Zeilen enthaltenden Textes in einer möglichst dem Wortsinn sich annähernden Übersetzung vorzulegen. Die Urkunde beginnt: „Im dritten Jahre, am... Tage des dritten Monats der Überschwemmungsjahreszeit, unter der Regierung des Königs von Ober- und Unterägypten Choper-ke-re, des Sohnes der Sonne Usortisen I., des Triumphators, der ewig und immerdar leben wird, schmückte sich der König mit der Doppelkrone Ägyptens, um sich im Thronsaal zu einer Sitzung niederzulassen.“ „Die Beratung mit denjenigen, welche sich in seiner Umgebung befanden: den Freunden, den..... des königlichen Hauses und den (sonstigen) Würdenträgern, betraf eine zu gründende bauliche Anlage.“ „Die Reden fielen, abwechselnd hörte man sie und die Beratung berührte die Ausschachtung des Erdbodens.“ „Der König erging sich über den Nutzen von Arbeiten, deren Gedächtnis als Beweis vortrefflichster Handlungen der Nachwelt dastehen sollte.“ „Ich will ein Denkmal ausführen (so sprach er) und ein dauerndes..... aufstellen dem leuchtenden Sonnengotte Horus zu Ehren.“ Seine weitere Rede versteigt sich zu einer dichterischen Sprache, die sich in Lobeserhebungen auf den Lichtgott erschöpft, als dessen Sohn der König sich betrachtet, der ihn auf den Königsstuhl gesetzt und dem er durch Opfer und Weihgeschenke seine Dankbarkeit und seine Verehrung öffentlich zu bezeigen sich verpflichtet fühle. Der hohe Rat bleibt die Antwort darauf nicht schuldig, denn im Verlauf der Urkunde heißt es weiter: „Da redeten die Freunde des Königs, indem sie an ihren Gott (d. h. den Herrscher) eine Erwiderung richteten, also: „Der Überfluß ruht in deinem Munde und die Sättigung steht bei dir, du königlicher Gebieter! Deine Absichten seien verwirklicht. Schmücke dich mit der Doppelkrone der Herrschaft über Süd und Nord, um die Grundsteinlegung (wörtlicher: die Ausspannung der Meßschnur) an deinem Gotteshause zu vollziehen.“ Damit ist auch ihre Rede noch nicht zu Ende. Der Panegyrikus der hohen Beamten richtet sich nunmehr an den König selber, um seinen Entschluß zur Anlage des Bauwerkes zu preisen und ihm anzuraten, seinem Oberschatzmeister sofort den Befehl zu erteilen, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, die Bauhandwerker herbeizurufen und die Arbeit sofort in Angriff nehmen zu lassen. Der Schluß, wenn auch kürzer als alles Übrige gefaßt, krönt das Ganze. Er lautet: „Der König schmückte sich mit dem Federndiadem und die Leute standen neben ihm. Der oberste Schriftgelehrte las aus dem Buche über die Ausspannung der Meßschnur und die Einpfählung des Holzpflockes in den Erdboden. Nachdem das für diesen Tempel vollzogen war, ging seine Majestät von dannen und wandte sich angesichts der [versammelten Menge] um.“ Trotz der besonderen Schwierigkeiten, welche neben lückenhaften Stellen die Entzifferung und Auslegung der Bauurkunden im einzelnen darbietet, darf die richtige Auffassung des rein historischen Teiles als vollkommen gesichert betrachtet werden und gerade diese ist es, auf welche ich die besondere Aufmerksamkeit des Lesers richten möchte. Zunächst erscheint die pharaonische Majestät durchaus nicht als ein in seinem Willen unbeschränkter Autokrat. Wie im Kriege, so ist auch im Frieden der König durch das herkömmliche Recht darauf angewiesen, seine Pläne und Absichten einem hohen Rate, der aus den vornehmsten Beamten, den sogenannten Freunden (den gleichbedeutenden Philoi am Hofe der späteren Ptolemäerfürsten) an seinem Hofe bestand, zur Begutachtung vorzulegen, wie es der Fall lehrt, bis zu der beabsichtigten Ausführung eines monumentalen Werkes hin. Das dienstbereite und dem König ergebene Beamtentum, meist aus den die Würden erbenden Familien der altägyptischen Aristokratie hervorgegangen, wird kaum je sich veranlaßt gefühlt haben, dem Willen des Pharao einen offenen Widerstand entgegenzusetzen, aber nach Sitte und Brauch war der Fall vorgesehen und die selbständige Ausführung der königlichen Entschlüsse eine Sache der Unmöglichkeit. Der formalen Beratung mußte Genüge geleistet werden. Bei der Grundsteinlegung der monumentalen Werke war der König in vollster Staatstracht in eigener Person anwesend, um mit eigenen Händen die Meßschnur auszuspannen und den Pflock in den Erdboden zu schlagen. Gleichzeitig öffnete der „oberste Schriftgelehrte“ am königlichen Hofe eine Papyrusrolle, um für das Ceremoniell des feierlichen Aktes die erforderlichen Anweisungen zu geben. Und damit bin ich auf den Punkt gelangt, für die Gründungsfeierlichkeiten die anziehendsten Aufschlüsse der Denkmäler zu bieten. Die erwähnte +Meßschnur+ und der +Pflock+ bilden dabei die Hauptsache. Zur Erläuterung und zum besseren Verständnis des Nachfolgenden sei vorausgeschickt, daß bei der Ausführung selbst die umfangreichsten baulichen Anlagen im alten und, wie ich gleich hinzufügen will, selbst im modernen Ägypten die solide Fundamentierung, nach unseren Begriffen wenigstens, eine untergeordnete Rolle spielte. Baute man auf felsigem Grunde, wie ihn die Wüste durch ihren Kalksteinboden darbietet, so begnügte man sich damit, das Gestein zu ebnen und zufällige Vertiefungen durch Mauerwerk auszufüllen. Ein so natürliches Fundament stellt alles künstlich hergestellte in den Hintergrund und man begreift vollkommen den Sinn des biblischen Gleichnisses von dem Bauen der Kirche auf einem Felsen. Anders lag die Sache, sobald es sich um die Ausführung eines Bauwerkes auf dem schlammigen Boden des Nilthales selber handelte. Auch hierbei ließ man die künstliche Fundamentierung aus dem Spiel, sondern nahm zu dem Hilfsmittel seine Zuflucht, den vermessenen Baugrund in erforderlicher Tiefe und Breite auszuschachten, den entstandenen hohlen Raum mit genäßtem Wüstensand oder gestoßenen Scherben und Geröll auszufüllen, um für den beabsichtigten Bau die nötige feste Grundlage zu schaffen. Man könnte geneigt sein, ein solches Verfahren mißfällig zu beurteilen, um nicht von oberflächlichen oder gar liederlichen und kenntnislosen Baumeistern zu sprechen, allein die Beobachtung hat gelehrt, daß sämtliche Bauten, die uns erhalten geblieben sind und welche Erdbeben, des Menschen Hand und der nagende Zahn der Zeit verschont hat, Jahrtausende überdauert und an Festigkeit ihrer Fundamentierung nichts verloren haben. Die schlagendsten Beweise für die angeführte Art der Fundamentierung in altägyptischer Zeit haben die so umfangreichen und von ganz unerwarteten Erfolgen gekrönten Nachgrabungen des Engländers Flinders Petrie in Ägypten geliefert, über welche mein Freund G. Schweinfurth (in Petermanns Mitteilungen, 1890, Heft 2) wörtlich folgende Bemerkung macht: „In Tanis sowohl wie zu Naucratis hatte Petrie ausfindig gemacht, daß, wo nicht gerade Wüstenboden und Fels einen sicheren Baugrund gewährten, die alten Tempelerbauer ihre Mauern auf eine Lage von Sand (5 Meter) zu fundieren pflegten, mit dem man eine entsprechende Ausschachtung des Nilthons gefüllt hatte. Diese Eigentümlichkeit gestattet, innerhalb des Kulturlandes die alten Mauerwerke auch an solchen Stellen genau festzustellen, wo sie längst abgetragen und zerstört worden sind. Durch Sondierung nach den entsprechenden Sandlagern vermochte Flinders Petrie im Bezirk des großen Tempels von Arsinoë (in der Landschaft des Fajum) die Richtung oder Ausdehnung der Tempelmauern leichter festzustellen.“ Den praktischen Nutzen dieses Verfahrens lernte ich selbst erst aus einer Unterhaltung mit dem vorletzten Vicekönig von Ägypten, dem seines Thrones verlustig gegangenen +Chedive Ismaël+ Pascha kennen. „Wie sonderbar, bemerkte er mir eines Tages, daß die in Ägypten lebenden Europäer sich darauf versteifen, bei dem Bau ihrer Häuser der europäischen Gewohnheit zu folgen und Fundamentierungen, sogar mit Kellerräumen darin, anzulegen. Sie scheinen nicht zu wissen, daß bei jeder alljährlich eintretenden Überschwemmung das Grundwasser die Fundamentierung durchzieht und der sich im ägyptischen Erdboden bildende Salpeter allmählich die solidesten Steine zerfrißt. Sand, Sand, das ist und bleibt das beste Fundament zu einem Hausbau in Ägypten.“ Der Fürst hatte so unrecht nicht, denn ich konnte erfahrungsmäßig nur bestätigen, daß in dem von mir in Kairo bewohnten und nach europäischem Muster gebauten Hause die Kalksteinblöcke und das Ziegelwerk der Kellerräume trotz der wenigen Jahre seit Aufführung des Hauses vom Salpeter in so starkem Maße angefressen waren, daß ich mit +einem+ Finger ganze Lagen der Außenseiten mit Leichtigkeit abzulösen und abzublättern imstande war. Bekanntlich ist das ganze Nilthal derart mit Salpeter geschwängert, daß die Regierung an verschiedenen Orten des Landes künstliche Bassins mit Erdumwallungen anlegen ließ, um Salpeter für die Zubereitung von Schießpulver zu gewinnen. Der Grundstein war es daher im Altertum +nicht+, welcher bei der Feierlichkeit der Taufe eines Denkmales eine besondere Rolle spielte, sondern der +Aufriß des Baugrundes+ auf dem Erdboden mit Hilfe der +Meßschnur+ und des +Holzpflockes+, wobei die +Erdhacke+, das älteste Ackerwerkzeug des ägyptischen Landmannes, die Stelle des Zeichenstiftes vertrat und gewisse +Gestirne des Himmels als Kompaß für die Achsenrichtung+ des zukünftigen Gebäudes dienten. Damit ist der Weg zum vollsten Verständnis der zahlreichen bildlichen Darstellungen und Inschriften geöffnet, welche mit der Feier der Anlage eines monumentalen Werkes in Zusammenhang stehen und die unerwartetsten Einblicke in die Einzelheiten dieser Feier gestatten. Ich darf kühn behaupten, daß ich heutzutage imstande bin, den Inhalt jenes Buches, welches der „oberste Schriftgelehrte“ seinem Könige +Usortisen+ I. bei Veranlassung der Anlage eines Sonnentempels in Heliopolis vor mehr als vierzig Jahrhunderten vorlas, mit derselben Genauigkeit festzustellen, wie er es selber mit Hilfe seines beschriebenen Papyrus mit der Überschrift: „+Über die Ausspannung der Meßschnur und das Einpfählen des Pflockes+“ zu thun in der Lage war. Und dieser Inhalt soll die nächste Fortsetzung und den Schluß des von mir gewählten Themas bilden. Vor der Hand bin ich meinem würdigen Thebaner noch einmal dankbar, mir durch den Verkauf seiner altersgrauen Lederrolle den ersten Anstoß gegeben zu haben, meine ganze Aufmerksamkeit genau von damals an auf das altägyptische Baugewerk zu richten. Die Denkmäler, soweit uns ihre letzten Reste ein Urteil darüber gestatten, lassen in Bild und Wort die Gewohnheit der alten Ägypter erkennen, mitten unter den zahlreichen Darstellungen, fast durchweg mythologischen Inhalts, dem Gedächtnis des historischen Aktes ihrer Grundsteinlegung durch den königlichen Erbauer eine besondere Stelle einzuräumen. Für die älteren Zeiten, wobei ich an die letzte Hälfte des zweiten Jahrtausends v. Chr. denke, schlug man ein ziemlich abgekürztes Verfahren ein, um die Thatsache den späteren Geschlechtern zu melden. In diesem Falle, und sowohl in Ägypten, wie beispielshalber auf den ausgedehnten Trümmerresten der Tempelbauten in Theben und Abydus, als auch in Nubien -- ich führe das Heiligtum bei Amada als redenden Zeugen an -- tritt uns das Bild des Königs im vollsten Schmucke seines hohen Amtes entgegen, um die ihm zugeteilte Rolle als Grundsteinleger in der vorgeschriebenen Weise auszuführen. Er hält nämlich in der einen Hand einen langen Stock oder Pflock, auf den er mit Hilfe eines keulenartigen Holzes, des Vorgängers und Stellvertreters unseres Hammers, Schläge vollzieht, augenscheinlich in der Absicht, den hölzernen Pfahl in den Erdboden einzutreiben. Ihm gegenüber steht eine weibliche Figur im Schmucke einer Göttin, welche einen zweiten Pfahl mit der Holzkeule in die Erde schlägt. Die Inschriften lassen über Namen und Bedeutung jenes Wesens keinen Zweifel übrig. Es handelt sich um die Göttin +Chawi+, die treue Behüterin aller schriftlichen Überlieferungen und die Personifikation der in den Tempeln aufbewahrten Papyrusrollen oder, nach unserer Art zu reden, der heiligen Bücherei. Sie wird als „+die erste Schreiberin+“ und als „+die Königin der Bibliothek+“ tausendfältig gepriesen. Die Verbindung ihres Bildes mit der Darstellung des Königs bei der Grundsteinlegung sollte zum symbolischen Ausdruck des Gedankens dienen, daß Pharao als Gründer des Baues genau nach den schriftlichen Überlieferungen der Vorzeit verfahre. Bisweilen tritt eine zweite göttliche Gestalt den oben erwähnten beiden zur Seite. Es ist der ibisköpfige Gott +Thot+, der ägyptische Hermes, die Personifikation der Weisheit und des Verstandes, welche der Lichtgott durch seinen himmlischen Vertreter dem Menschen überlieferte, um in Schrift und Wort und in allen seinen Handlungen den Gesetzen des ewig Wahren, Schönen und Guten allzeit gerecht zu werden. Der verborgene Sinn, welcher der Gesamtdarstellung zu Grunde lag, ist, auch ohne die erklärenden Beischriften zu den Darstellungen zu kennen, ein sehr einfacher und natürlicher: der König, selber vom Lichtgotte abstammend, denn er bezeichnet sich regelmäßig als dessen Sohn, handelt bei der Grundsteinlegung mit Weisheit und Verstand, indem er den Überlieferungen des von Gott herabgesendeten heiligen Buches vorschriftsmäßig Folge leistet. In sämtlichen Darstellungen, welche uns die beschriebene Scene vor Augen führen und an denen der Laie meist verständnislos vorübergeht, hat der Bildhauer und Maler das Mittelstück der beiden Holzpflöcke durch eine weißfarbige Schnur umspannt, die sich in Gestalt eines Ovales um beide Hölzer windet. Es ist die Meßschnur oder der Meßstrick, welcher, um die Pflöcke gelegt, zur mathematisch genauen Absteckung des Bauterrains diente. Bereits den Griechen war die Geschicklichkeit der ägyptischen Geometer in der Vermessung von Grund und Boden sehr wohl bekannt und ein Demokritos fand eine besondere Befriedigung darin sich rühmen zu können, in seiner eigenen Geschicklichkeit in dieser Kunst von keinem, selbst nicht von den ägyptischen Harpedonapten oder „Seilausspannern“ übertroffen zu sein. Das griechische Wort, welches ich eben angeführt habe, ist eine genaue Übersetzung des ägyptischen Ausdruckes für die Vermessung, der ganz dasselbe besagt und das, was wir unter der Grundsteinlegung verstehen, wörtlicher als „Vermessung“ des Baugrundes mit Hilfe des Meßstrickes erscheinen läßt. Die von dem König in eigener Person nach uraltem Brauch ausgeführte Handlung konnte zunächst nicht an jedem beliebigen Tage geschehen, sondern die Tagwahl war dafür vorgeschrieben. Das Fest der Grundsteinlegung oder richtiger gesagt: „Der Ausspannung des Meßstrickes“ durfte nur an einem Neumonde, in späterer Zeit an einem sechsten Tage des Mondmonats, stattfinden, der als glückbringend für den Fortgang und die Zukunft des Bauwerkes angesehen ward. Es ist eine merkwürdige Sitte, die nicht durch Inschriften, sondern nur durch stets wiederkehrende Darstellungen bestätigt wird, daß das Fest mit der Köpfung eines Vogels (die besondere Art des Tieres ist nicht genauer zu unterscheiden) verbunden war. In den Texten, welche sich mit der angegebenen Feier beschäftigen, pflegen die Könige den Göttern gegenüber eine ausführliche Ruhmredigkeit zu entwickeln, die Festlichkeiten in eigener Person ausgeführt zu haben, um sich des Dankes wie der Belohnung der Himmlischen zu versichern. Der Gedanke entspricht dem Gefühle der ägyptischen Frömmigkeit und Neigung, möglichst zahlreiche Gott wohlgefällige Werke ins Leben zu rufen. Zeigen die Tempelwände aus älteren Zeiten eine gewisse Kargheit in den Vorstellungen und Inschriften, welche sich auf Tempelgründungen beziehen und beschränken sie sich fast nur auf das Bild der Ausspannung des Meßstrickes, so entwickeln im Gegensatz dazu die Bauten aus Ptolemäer- und Römerzeit eine Fülle von bildlichen Darstellungen und inschriftlichen Überlieferungen, die kaum glaubhaft erscheint, aber ganz dem Charakter jener späteren Zeiten entspricht. Sie geben alles zum Besten und schwatzen alles aus, was das heilige Buch über das Fest der Grundsteinlegung in sich schloß. Es hält nicht schwer daraus den Schluß zu ziehen, daß die priesterlichen Urheber jener jungen Darstellungen sich beflissen fühlten, den Tempeln und damit ihrem eigenen persönlichen Ansehen ein gewisses Relief durch die Menge der dargestellten und beschriebenen Scenen zu verleihen, wobei die Person der regierenden Fürsten, bis zum Kaiser Nero hin, stets in den Vorgrund der Bildwerke trat. Wir können getrost die Behauptung aufstellen, daß dies zu unserem eigenen Glücke geschah, denn das Buch „von der Meßstrick-Ausspannung“ würde uns seinem Inhalte nach ganz ungenügend erschlossen worden sein und Lücken darbieten, die nur der Zufall hätte ausfüllen können. Daß man in jenen späten Zeiten Abschriften der alten Traditionen darüber besaß, dafür liefert ein Verzeichnis der Tempelbibliothek von Apollinopolis magna (heute +Edfu+ genannt) in Oberägypten den vollen Beweis. Es wird darin eine Papyrusrolle mit der Aufschrift: „Das Buch von der Gründung eines Tempels“ besonders angemerkt. Ich folge der Reihe nach den einzelnen Handlungen, welche sich auf Grund der Überlieferungen in Bild und Wort aus jenen Zeiten auf den Tempelwänden in unsere eigene Epoche hinein gerettet haben, und schildere als treuer Berichterstatter, was ich daraus gesehen und gelesen habe. Der erste Akt der Vorstellungen betrifft den Hauptteil der ganzen Feierlichkeit: die Ausspannung des Meßstrickes, wobei nach althergebrachter Vorschrift der König der himmlischen Chawi oder der Göttin der heiligen Tradition gegenübersteht. Beide halten Pflock und Hammer (das oben beschriebene Schlaginstrument) in ihren Händen. In einer der Darstellungen mit Inschriften werden dem Könige die folgenden Worte in den Mund gelegt: „Ich habe den Pflock und den Hammer gefaßt und ich halte den Meßstrick gemeinschaftlich mit der Göttin Chawi. Ich betrachte den Lauf der Sterne und mein Auge haftet am Gestirn des Großen Bären. Ich zähle die Zeit an der Wasseruhr und stecke die vier Enden des Tempels ab.“ Der Tempel von Edfu, von dessen Gründung die Rede ist, liegt in der Achse von Nord nach Süd oder, wie einzelne Inschriften an seinen Wänden es sonst ausdrücken, er streckt sich vom Großen Bären nach dem Siriusstern aus. Der Sirius galt als südlichste, der Große Bär als das nördlichste Sternbild am Himmel. Die angeführten Worte gewinnen dadurch ihr volles Verständnis. Der König bestimmte auf dem Wege der astronomischen Beobachtung die Achse des zukünftigen Tempels, wobei für die Bewegung und Stellung der beiden Sternbilder die Wasseruhr zur vorgeschriebenen Zeitbestimmung diente. Der Meßstrick beruhte seinem Maße nach auf der Länge und der Einteilung der altägyptischen sogenannten heiligen Elle. Dies gab Gelegenheit inschriftlich auch dieses Maßes zu gedenken, wobei der Gott Thot, als „Vermesser dieses Landes“ besonders noch hervorgehoben, in den Texten als ihr Erfinder hingestellt wird. Die Elle selbst hatte ihre besondere Bezeichnung als Bauelle; sie hieß „die Beste“. Da die Ägypter niemals verlegen waren, den Namen irgend eines Gegenstandes auf etymologischem Wege zu erklären, so wurde auch in diesem Falle der angeführten Benennung ein angemessener Wortursprung abgerungen. Man versichert: „auf das beste sind alle Ellenverhältnisse dieses Tempels eingerichtet, darum heißt sie die Beste mit Namen.“ Nach der Vermessung des Baugrundes des Tempels und der Bestimmung seiner Achsenrichtung auf astronomischem Wege, sowie nach Einpfählung der Holzpfosten an seinen vier Hauptecken, erscheint als zweite Handlung die +Ausschachtung der Erde+ an den für die Fundamentierung genau abgegrenzten Stellen. Der König leitet auch diese Arbeit in feierlicher Weise ein. Er trägt die +Erdhacke+ des ältesten ägyptischen Feldbaues in seinen Händen und hackt eigenhändig den Boden zum guten Beispiel für seine Nachfolger und zur Freude der Götter auf, wozu er die Worte spricht: „Ich hacke den Boden auf und bewässere ihn zur Genüge, um dem für ewige Dauer bestimmten Werke Festigkeit zu verleihen.“ Der Staub beim Erdhacken ist in Ägypten gewaltig, und es ist deshalb eine weise Vorsicht, die der König befolgt, das trockene Terrain vorher mit Wasser zu befeuchten. Dritte Handlung. Der Boden ist in vorgeschriebener Tiefe ausgeschachtet (die Nachgrabungen bei einzelnen Tempeln haben eine Tiefe von 5 Metern erwiesen) und wird mit Sand und Geröll oder Scherben ausgefüllt. Der König verrichtet auch dies Geschäft und das Bild zeigt ihn mit einem Sandfasse in den Händen, dessen Inhalt er in den hohlen Raum schüttet. Die begleitende Inschrift spricht von „dem Ausschütten des Sandes und vom Ausfüllen des Schachtes mit Geröll, um die Fundamentierung des Tempels herzustellen.“ Ich verweise auf das oben Gesagte und berufe mich auf meine Bemerkung über das Bauen auf Fundamenten aus Sand. Nachdem die feste Grundlage für das Werk geschaffen worden ist, kann der eigentliche Bau seinen Anfang nehmen. In ältesten Zeiten geschah dies nicht mit Hilfe von behauenen Steinen, sondern der gestrichene und an der Sonne getrocknete Erdziegel vertrat die Stelle des solideren Steinmaterials. Aber alter Sitte blieb man treu, denn der König war verpflichtet, wie es die bildlichen Darstellungen beweisen, den Nilschlamm des Bodens, den zunächst die vollzogenen Ausschachtungen zu Tage gefördert hatten, mit Wasser zu befeuchten, zu kneten und in der hölzernen Ziegelform zu streichen. Einzelne Beischriften fügen dem hinzu, daß die Ziegel mit +gehacktem Stroh+ vermischt wurden, um ein festes Bindemittel herzustellen und erinnern dadurch allein schon an die bekannte Bibelstelle (2. Mos. 5., 6-7): „Darum befahl Pharao desselbigen Tages den Vögten des Volkes und ihren Amtleuten, und sprach: Ihr sollt dem Volke nicht mehr Stroh sammeln und geben, daß sie Ziegel brennen (der Urtext sagt nur Ziegel machen, nicht brennen, wie Luther übersetzt) wie bisher. Lasset sie selbst hingehen und Stroh zusammenlesen“ (zu vergl. auch die Verse 10, 15, 16, 18). Nach den Abbildungen streicht der König, angethan mit dem schönsten Königsschmuck und selbst die hohe Krone auf seinem Haupte, wie ein gewöhnlicher Tagelöhner seine Ziegel. Seine Thätigkeit bezeugt er außerdem in seiner eigenen Rede: „Ich habe die Ziegelform genommen und damit den Ziegel gestrichen und habe die Erde mit Wasser gemengt. Ich führte eine Bauhütte auf, um das Haus herzustellen und das Viereck des Tempels fest zu gründen.“ In der Kaiserzeit verstanden es die Priester Ägyptens höflich und selbst höfisch zu sein und das unsaubere Geschäft des Ziegelstreichens durch römische Cäsaren wie Augustus, Tiberius und Nero (im Tempel von Tentyra) gleichsam zu parfümieren. In der Darstellung, welche die Imperatoren als Ziegelstreicher erscheinen läßt, um ihre Bauthätigkeit an dem Heiligtum der größten und vollkommensten aller Göttinnen, der himmlischen Hathor oder ägyptischen Aphrodite-Urania, in symbolischer Weise zu kennzeichnen, werden ihnen die an die Göttin gerichteten Worte in den Mund gelegt: „Ich habe Erde genommen und Myrrhe erfaßt, ich vermischte Weihrauch mit Wein, ich habe nach der Ziegelform gegriffen, um Ziegel für den Aufbau des Heiligtums zu streichen, welches dein Bild in sich schließt.“ Auch bei einer andern ähnlichen Gelegenheit offenbart sich die zartfühlende Rücksicht der priesterlichen Schmeichler gegen das Cäsarentum. Zu den pharaonischen Arbeiten bei den Grundsteinlegungen im Nilthal gehörte auch das Steinetragen zum Bau. Das Geschäft eines Steinträgers konnte man unmöglich respektshalber dem Autokrator in Rom zumuten und so verwandelte man den Erdziegel zu einem Ziegel aus Gold und Edelgestein, welchen zum Bau des Tempels die Majestät nach Darstellung und Beischrift der ägyptischen Aphrodite zuträgt. Die Überschrift zu dem kurzen Text lautete: „Die Darreichung der Steine, welche in die Erde gethan werden. Text: Ich habe vor dein Angesicht, du meine Königin, Ziegel aus Gold und Edelstein herbeigetragen, und sie an den vier Ecken deiner Wohnstätte niedergelegt.“ Bei Nachgrabungen würde man vergeblich auf die angedeuteten Schätze unter den vier Ecksteinen des Tempels von Tentyra suchen. Des Sängers Höflichkeit allein erfand die glanzvolle Wandelung des Nilschlammes in Gold und Edelstein. An die Handlung des Ziegelstreichens schließt sich eine neue, welche als die Fortsetzung und selbst als Schluß der Gesamtdarstellung gelten darf, insoweit sie die Bauthätigkeit, von der Grundsteinlegung an bis zur Vollendung des Werkes, im Sinne der Arbeit umfaßt. Der König übernimmt die Rolle des Maurers, welcher zuletzt mit Hilfe eines geraden Stockes die senkrechte Richtung der aufgeführten Mauerwand prüft. Dazu des Fürsten eigene Worte: „Ich habe den Stock genommen. Ich mauerte die Wohnung der herrlichen Göttin auf, ich gründete sie mit meinen eigenen Händen. Ich habe meiner holdseligen Mutter ein Denkmal gesetzt, das ansehnlicher ist als die den Göttern geweihten Stätten.“ Um das Gesamtbild der Teilnahme, welche der König dem Bau eines Tempels erwies, durch die beiden Schlußakte zu vervollständigen, darf ich als gewissenhafter Schilderer der Darstellungen und als getreuer Dolmetscher der Inschriften es nicht verabsäumen, auch davon zu reden, um den Leser in den Stand zu setzen, eine vollständige Einsicht über die folgenden Handlungen zu gewinnen. Der Tempel ist im Bau vollendet, aber von innen und außen bedeckt ihn der Schmutz der Maurerschwalbe. Es thut daher not, ihn davon zu befreien, bevor der zukünftige himmlische Bewohner in sein neues Heim einzieht. Mit Besen und Seife, um nach unserer Redeweise die Hauptsache kurz zu bezeichnen, muß eine Generalreinigung vorgenommen werden. Das Natronsalz, das an gewissen Stellen in Oberägypten in besonderer Güte gefunden und ausgelaugt wurde, vertrat dabei die Stelle unserer Seife. Es kam in Kügelchen in den Handel und diente zum Waschen und Säubern unreiner Räumlichkeiten und Gegenstände. Bei der Reinigung des Neubaues war es daher selbstverständlich das unfehlbare landesübliche Waschmittel. Es mag auffallen, daß die regierende Majestät auch diese Thätigkeit, wenn auch nur in symbolischer Weise, auszuführen berufen war. Allein man muß berücksichtigen, daß von den Ägyptern die Reinheit des Tempels mit der Reinheit des göttlichen Wesens in eine unmittelbare Beziehung gesetzt wurde, und daß dem Herrscher die ganze Verantwortlichkeit zufiel, dem Gotteshause auch nach dieser Richtung hin seine höchste Aufmerksamkeit zu schenken. Selbst dem unreinen Menschen ward der Eintritt in den Tempel nicht gestattet, und es war streng vorgeschrieben, einen solchen Besucher auszuschließen. An hervorragenden Stellen auf den Wänden und Säulen des Tempels ward deshalb dem Besucher inschriftlich entgegengerufen: „Ein jeder, welcher eintritt, sei viermal rein!“ In dieser Beziehung ist eine lange Inschrift ungemein merkwürdig, welche auf eine Thürwand in der Nähe des Brunnens eingemeißelt ist, der sich auf der östlichen Seite des Tempels von Edfu befindet und dessen Aufbau in die Zeit der Ptolemäer-Geschichte fällt. Ich gebe den Inhalt des kurzen schönen Textes in möglichst wortgetreuer deutscher Übertragung wieder: „Aufruf an die Propheten der Stadt der Erhebung des Horus (Apollo) auf den Thron, an die großen heiligen Väter von Edfu, an die Hallenbewohner des goldenen Horus und an die Pastophoren und Priester von Edfu. Jeder, welcher in dieses Thor eintritt, beseitige beim Eintritt die Unsauberkeit, denn Gott ist die Lauterkeit lieber als Millionen von Reichtümern und als Hunderttausende von Goldstücken. Seine Sättigung ist in der Wahrheit und sein Herz findet Wohlgefallen an größter Lauterkeit.“ Es liegt auf der Hand, daß auch in diesen Worten der Grundgedanke: die mit der physischen Reinheit verbundene moralische, versteckt liegt. Die Reinigung des vollendeten Tempelbaues durch den König wurde in einer eigenen, aber für den Kenner nicht mißverständlichen Art im Bilde dargestellt. Aus der rechten Hand der Person des abgebildeten Herrschers fallen eine Menge von Kügelchen -- eben jene Natronkügelchen -- abwärts, um die im kleinen in die Wand skulpierte Zeichnung des Heiligtums zu umkreisen. Wie alle übrigen Beischriften, welche den oben geschilderten Handlungen als erklärender Text dienen, in ihren Ausdrücken und Wendungen variieren, um der Einförmigkeit von Wiederholungen die Spitze abzubrechen, so zeigen auch die zu den Bildern der Reinigung gehörigen Legenden Verschiedenheiten, die nur das Wort, nicht aber den gemeinten Sinn verändern. Nebenbei bemerkt wurde das Streuen der Natronkügelchen, nach dem Inhalt der Beischriften, während eines viermaligen Umganges um den Tempel durch den König vollzogen. Nach Vollendung dieses gleichfalls aus dem höchsten Altertum stammenden Brauches, der in seiner Symbolik an Sinnigkeit nichts zu wünschen übrig läßt, trat der letzte und wahrscheinlich feierlichste Akt der Stiftung einer Wohnung Gottes ein: „Die Übergabe des Hauses an seinen Herrn“, wie er inschriftlich bezeichnet wird. Die Scenerie nimmt in den Darstellungen auf den steinernen Wänden des Tempels den Ausdruck des Pomphaften und besonders Feierlichen an. Man erblickt den König in seinem vollsten Ornat als Beherrscher der Welten im Süden und im Norden. Die altertümliche buntfarbige und mit Buntstickerei geschmückte königliche Schürze tritt an seiner Körpermitte in steifer Haltung hervor. Zwei eigentümliche Stäbe, ein längerer und ein kürzerer, ruhen in seiner linken Hand, der kürzere mit einem kugelartigen Aufsatz, der längere mit einem Blumenkelche am Mittelstück. Des Königs rechte Hand streckt sich nach den göttlichen Insassen des Tempels aus, als wolle sie mit dieser Geste die gesprochenen Worte begleiten oder bekräftigen. Der Rede geht die Überschrift voraus: „Die Übergabe des Hauses an seinen Herrn“. Die darauf folgenden Worte variieren in ihrer Fassung. In dem einen Beispiel spricht der Herrscher: „Ich strecke meinen Arm aus nach der Vollendung des Werkes. Es sei die Wohnung (dieser oder jener) Gottheit übergeben.“ In einem andern steigert sich die Rede bis zur Schwulstigkeit. Es heißt darin z. B.: „Schön ist es, dies schöne Haus, das seinesgleichen in Ägypten nicht findet. Die Göttin der Überlieferungen gründete es und der Gott der Weisheit leitete seine Bauregeln und die himmlischen Baumeister bauten es. Seine vier Ecken befinden sich an den ihnen angewiesenen Stellen und alles Zugehörige entspricht der Berechnung. Seine Gründung war ein Fest, seine Ausführung eine Freude, seine Vollendung ist ein Tanzen und Springen. Tritt ein (die Rede richtete sich an die ägyptische Aphrodite Urania) in dasselbe mit frohem Herzen, denn Götter und Göttinnen sind in Wonne, wenn du in ihm gleichwie die leuchtende Sonne in der Lichtsphäre aufgehst, und alle Menschen sind voll Bewunderung bei deinem Anblick.“ Die verschiedenen Instrumente, deren sich der König bei den einzelnen Handlungen der Gründung eines Tempels bediente, sobald er dieselbe in eigener Person vollzog, wurden in die Fundamentierung gesenkt oder, wenn das nicht, mindestens in eigens zu diesem Zweck angefertigten Miniaturexemplaren in dem Sande unterhalb der Steinmauern übergeben. In beiden Fällen wurden sie mit Inschriften versehen, welche, leider ohne Angabe von Daten, den Namen des königlichen Bauherrn und die nähere Bezeichnung des neu gegründeten Heiligtums oder einzelner Teile desselben enthielten. In den Museen Europas und in der hochberühmten Sammlung ägyptischer Altertümer in Kairo befindet sich beispielsweise die Hacke und verschiedene Zimmermannswerkzeuge aus Holz und aus Bronze (Beil, Stemmmeißel, Glätteisen u. s. w.), deren sich der König Thuthmosis III. (1503 bis 1449 v. Chr.) bei der Grundsteinlegung des Tempels Amon-toser auf der Westseite von Theben (im heutigen Medinet Abu) eigenhändig bedient hatte. Das nämlich sagt deutlich die Inschrift auf den einzelnen Werkzeugen: „Thuthmosis III., der vom Amon geliebte König, als er den Meßstrick zur Gründung von Amon-toser ausspannte.“ Daß diese und ähnliche Reliquien aus so alten Zeiten einen hohen Wert für die allgemeine Kulturgeschichte besitzen, ist selbstverständlich, und man darf nicht anstehen, dem geistvollen Urteil beizupflichten, das ein gelehrter französischer Ägyptolog, der verstorbene Chabas, über die Ideenverwandtschaft in den ältesten und jüngsten Zeiten der Geschichte der Menschheit gefällt hat. „Stets gleichen Schwächen unterworfen,“ so führt er aus, „stets gleichen Gefahren ausgesetzt, unterthan gleichen Schrecknissen, von gleichen Leidenschaften beherrscht, durch gleiche Hoffnungen angeregt, bewegt sich der Mensch von Jahrhundert zu Jahrhundert in dem gleichen Geleise. Unablässig richtet er seine Kräfte und seinen Geist auf die Beseitigung derselben Hindernisse, auf die Befriedigung derselben Bedürfnisse. Aus der Anwendung dieses Gesetzes instinktiver Analogie entspringen analoge Thatsachen, die äußerst auffallend erscheinen, sobald sie durch lange Zwischenräume voneinander getrennt sind. „Die Erforscher der ägyptischen Denkmäler und Schriften geben häufig Gelegenheit, diesem eigentümlichen Zusammenhange näher zu treten, nicht nur in Bezug auf die Grundanschauungen, sondern auch auf die Form der Ausdrücke, auf die Gleichnisse des Stiles, auf Idiotismen u. s. w., und es widerfährt ihnen nicht selten, sich bei Redensarten überrascht und befangen zu fühlen, deren Fassung ihnen durchaus modern erscheint.“ In Bezug auf den von mir selber behandelten Gegenstand führt der gelehrte Schriftsteller seinen Gedanken darüber weiter aus: „Meine Aufmerksamkeit wurde erweckt, seitdem ich eine analoge Thatsache in Gebräuchen festzustellen vermochte, die so auffallend ist, daß sie eine besondere Erwähnung verdient. „Die Gründer von Städten und Denkmälern waren stets darauf bedacht, die großen Werke, welche ihnen den Ursprung verdankten, mit ihrem Namen zu verknüpfen. Noch in unsern Tagen rufen Gedächtnisinschriften an sichtbarster Stelle den Namen der Gründer in die Erinnerung zurück und zu dem Zweck geschlagene Medaillen, Münzen und andere Gegenstände werden in den Grundstein oder sonst einen versteckten Platz gelegt, woselbst die ferne Zukunft, nach dem Untergange des Denkmals selbst, sie wiederzufinden vermag. Diese Gewohnheit wurde von den Ägyptern, dem Volke großer Bauwerke, ebenfalls beobachtet. Die Pharaos aller Epochen setzen mit Vorliebe ein ganz persönliches Verdienst in die Ausführung umfangreicher, auf ihren Befehl entstandener Arbeiten; sie schrieben allenthalben: ‚Ich habe gegründet, ich habe errichtet, ich habe gebaut.‘ Niemals findet sich der Name des Baumeisters auf den Denkmälern vor. In den Weihinschriften, welche die Mauern schmücken, fleht der König die Götter an, an der Wohnung, die er ihnen eben gewidmet habe, seinen Namen zu verewigen. „Aber die Analogie bleibt nicht dabei stehen. Wie noch heute der König oder die Person, unter deren Schutz ein Denkmal errichtet werden soll, in feierlicher Weise den ersten Stein dazu legt, in gleicher Weise vollzogen bei der Ausschachtung für das Fundament die Pharaos die Scheinhandlung der Arbeit.“ Mein Aufsatz über den in Rede stehenden Gegenstand wird an Vollständigkeit nur gewinnen, wenn ich eine Bemerkung über die Zeitdauer der Arbeit an einem Tempelbau, von seiner Gründung an bis zu seiner letzten Vollendung hin, hinzufüge. Ich wähle als Beispiel den großen Tempel des ägyptischen Lichtgottes Horus von Edfu, da uns zufällig die Hauptdaten für die einzelnen Phasen des fortschreitenden Werkes in den darauf eingegrabenen Inschriften erhalten sind. Der Tempel mit Einschluß seiner gewaltigen Umfassungsmauer bedeckt ein Areal von nahe 5970 Meter im Geviert. Er zeigt in seiner gegenwärtig noch ziemlich gut erhaltenen Anlage alle Bestandteile, aus denen ein ägyptisches Heiligtum von größerer Ausdehnung bestand: im Hintergrund das Allerheiligste mit einem Umgang, in welchen 13 Seitengemächer münden, davor und nur durch den breiten Raum des sogenannten „Opfertischsaales“ getrennt, eine von 12 Säulen in 3 Reihen gestützte Halle, vor dieser, mit einer Doppelstellung von 12 Säulen, der sogenannte „Vorsaal“, an den sich, immer in der Achsenrichtung von Nord nach Süd, der offene Vorhof mit einem Umgang oder Peristil von 32 Säulen anschließt, vor welchem sich die beiden, wie zur Verteidigung festungsartig gebauten, mächtigen Pylonenflügel mit dem Hauptportal in ihrer Mitte lagern: die sämtlichen Räumlichkeiten von einer Mauer umschlossen, deren Länge, Breite, Höhe und Dicke (47 : 22 : 10-1/2 : 2-1/2 Meter) nichts zu wünschen übrig läßt, und das alles von außen und von innen mit eingemeißelten Inschriften und Darstellungen bedeckt, so daß auch nicht ein einziger leerer Raum aufzufinden sein dürfte. Eine leichte Berechnung auf Grund der chronologischen Angaben in den überlieferten Bauurkunden verschafft die Gewißheit, daß das Werk in dem Zeitraum von genau 180 Jahren 3 Monaten und 14 Tagen, von dem Datum der Grundsteinlegung, oder dem 23. August 237 v. Chr. an gerechnet, in der Ptolemäerepoche ausgeführt worden ist. Das Obeliskenpaar, welches gewohnheitsmäßig vor dem Tempel zu beiden Seiten des Haupteinganges seinen Platz fand, fehlte auch diesem Heiligtume nicht, ist aber gegenwärtig vom Erdboden verschwunden. Aus einer zufälligen Angabe, die sich auf einem der größten Obelisken aus rötlichem Granit von Assuan von über 50 Meter Höhe eingegraben findet, geht mit aller Zuverlässigkeit hervor, daß dieser Koloß von einem einzigen, spiegelglatt polierten und mit Inschriften bedeckten Stein im sechzehnten Jahrhundert v. Chr. in dem kaum glaublich geringen Zeitraum von nur 7, sage sieben Monaten in dem Steinbruch von Assuan fertiggestellt wurde. Als ich seinerzeit meinem thebanischen Führer, einem echt ägyptischen Fellach, von dieser erstaunlichen Thatsache Kunde gab, schien er nicht im geringsten darüber verwundert zu sein. Mit einer bezeichnungsvollen Armbewegung, welche das Schlagen andeuten sollte, wies er nach einer einsam stehenden Dattelpalme hin. Ich verstand seine stumme Sprache sofort. Bei den öffentlichen Arbeiten der modernen Ägypter treibt der aus Zweigen des Palmbaumes zugestutzte Stock die säumigen Tagelöhner zu ihrem Werke an. Ob es auch im Altertum geschah? Sicherlich ja! Die Darstellungen, welche in einem thebanischen Grabe, just aus der Epoche der Aufführung des Obeliskenriesen von Karnak, bauende Kriegsgefangene in farbigen Bildern vor Augen führen, lassen mit Stöcken bewaffnete Aufseher erkennen, und eine Beischrift bestätigt den Zweck ihrer Anwesenheit mit den Worten: „+Der Aufseher spricht zu den Bauleuten: Ich habe meinen Stock in meiner Hand, seid nicht müßig!+“ Es sind genau dieselben biblischen Worte: „+Ihr seid müßig, müßig seid ihr!+“ welche Pharao den durch Schläge mißhandelten Amtleuten der Kinder Israel zurief, als sie vor Pharao traten, um ihre Beschwerde mit der Klage: „Warum willst du mit deinen Knechten also fahren?“ aber leider vergeblich, vorzutragen. Ein ägyptisch-arabisches Sprichwort sagt: Der Stock sei vom Himmel gekommen, und sie sprechen aus eigener Erfahrung. Als die Menschheit noch in den Kinderschuhen ging -- und die heutigen Morgenländer haben sie bis zur Stunde noch nicht abgelegt -- mochte die sonderbare Himmelsgabe wirksam sein, um jene großen Werke der Vorzeit ins Leben zu rufen, deren letzte Reste uns noch heute mit Staunen und Bewunderung erfüllen. Als Trost für die Leiden einer längst dahingegangenen Menschheit reicht dieses Staunen nicht aus. Eine Blitzstudie. Unter den Erscheinungen atmosphärischer Natur, welche der Mensch zu beobachten Gelegenheit findet, nimmt das Gewitter eine hervorragende Stelle ein. Während die einen am offenen Fenster in ruhiger Stimmung den zuckenden Blitzen und dem rollenden Donner ihre Aufmerksamkeit spenden, bemächtigt sich anderer das beklemmende Gefühl der peinlichsten Furcht. Blitz und Donner erfüllt sie mit Schrecken. Besonders nervenschwache und ängstliche Personen pflegen es wie der Vogel Strauß zu machen, der seinen Kopf in den Sand stecken soll, um einer ihm drohenden Gefahr zu entgehen. Sie kriechen ins Bett, steigen in den Keller nieder oder verbergen sich sonst wo in abgeschlossenen finsteren Räumen der eigenen Häuslichkeit. Ich kannte sogar einen sehr gelehrten Doktor der Philosophie, einen Mann in den Dreißigern, welcher bei einem nahenden Gewitter sich in das Kleiderspind seines Zimmers einzwängte und die Thüren desselben mit aller Vorsicht zusperren ließ, um dem Anblick eines sich entladenden Gewitters zu entgehen. Greift die alte ehrwürdige Großmutter zum Gesangbuch, um durch das Herlispeln eines passenden Liedes den Zorn des lieben Herrgottes bei einem heranziehenden Gewitter in andächtigster Kirchenstimmung zu beschwichtigen und für sich und ihr Haus den Schutz des Allerhöchsten zu erflehen, so ist das rührend, aber lange nicht so schlimm, als wenn in manchen von der aufgeklärten Stadt fern gelegenen Ortschaften die Kirchenglocken in Bewegung gesetzt werden oder der und jener einen sogenannten Donnerkeil in die Hand nimmt, in der Meinung, einen kräftigen Talisman gegen alle Blitzschäden an seiner werten Person zu besitzen. In diesen und ähnlichen Fällen treibt der böse Aberglaube immer noch sein Spiel und läßt den Sohn unseres Jahrhunderts in einem zweifelhaften Lichte der eigenen Aufklärung erscheinen. Wenn aus den finsteren Zeiten des Mittelalters und aus dem Altertum vor zweitausend Jahren uns von ähnlichen Dingen und Anschauungen gemeldet wird, so lächeln wir wohl darüber, vergessen es aber, daß auch der Aberglaube seine Geschichte hat, die sich bis zur Stunde mitten unter uns Lebenden weiter entwickelt. Die Alten waren gute Beobachter der Natur und wenn sie beispielsweise auch keine richtigen Vorstellungen über die elektrische Kraft und die sogenannten schlechten oder guten Leiter besaßen, so wußten sie dennoch, daß gewisse Stoffe vom Blitze selten oder gar nicht berührt zu werden pflegen. Darf man dem römischen Verfasser einer Naturgeschichte, Plinius, Glauben schenken, so blieb der Lorbeerbaum, der Adler und das „Meerkalb“ vom Blitze verschont, weshalb, wie er bemerkt, ängstliche Leute bei einem Donnerwetter unter ein aus der Haut des Meerkalbes gefertigtes Zelt gern ihre Zuflucht nahmen. Auch daß hohe Gegenstände, besonders in gewissen Gegenden, die fatale Eigenschaft besaßen, den Blitz anzuziehen, war den Römern nach dem Zeugnis desselben Plinius nicht unbekannt. In Italien hörte man damit auf, das zwischen der Stadt Terracina und dem Tempel der Göttin Feronia, in der Nähe des heutigen Lago di Ferona gelegene Gebiet mit kriegerischen Zwecken dienenden hohen Türmen zu versehen, seitdem man die böse Erfahrung gemacht hatte, daß auch nicht einer vom Blitz verschont geblieben war. Über die Entstehung, Richtung, Wirkung und Bedeutung des Blitzes hatte man eigentümliche Vorstellungen bei den Römern. So unterschied man beispielsweise Blitze, welche aus den höheren Himmelsregionen herniederprasselten, und sogenannte irdische oder saturnische, vom Erdgott Saturn also bezeichnet, welche aus dem Erdboden hervorgingen. Die aus der Wolkenregion niederstrahlenden sollten eine schiefe, die irdischen Blitze eine gerade Richtung haben. Aber man ging noch weiter und sprach von Familien- und Staatsblitzen, wobei man durchaus nicht an die Donnerwetter dachte, durch welche die Häupter der Regierung im kleinen und im großen von Zeit zu Zeit die Luft zu reinigen gewohnt sind. Im Gegenteil, diese beiden Blitzsorten wurden als Vorbedeutungen bei der Inangriffnahme von Zukunftsplänen angesehen, und zwar auf die Dauer des ganzen Lebens für den Begründer einer Familie, auf die Dauer von dreißig Jahren bei der Entladung eines Staatsblitzes, mit der einzigen Ausnahme, sobald ein solcher bei der Gründung von Kolonialstädten in die Erscheinung trat. Das alles wurde so ernsthaft genommen, daß man sich häufig in der Lage befand, zu eigenem Frommen den Blitz vom Himmel durch Gebete und Zauberformeln sogar zu erflehen, wofür es an historischen Beispielen nicht mangelt. Der König Porsenna von Volsinii verstand es, das Kunststück wirksam auszuführen, was vor ihm bereits Numa geleistet haben soll. Als aber Tullus Hostilius, wie getreulich überliefert worden ist, seinem Vorgänger dasselbe Kunststück nachzumachen sich bemühte, da erschlug ihn der zur Stelle erschienene Blitz, weil er irgend etwas bei der Ausführung der vorgeschriebenen Bräuche zu thun verabsäumt hatte. Plinius, der von diesen Ereignissen schriftliche Nachrichten in seiner Naturgeschichte hinterlassen hat, scheint so entzückt von dem Fortschritt der Wissenschaft bezüglich der Vorbedeutung der Blitze gewesen zu sein, daß er sich gegen die Zweifler daran ereifert. Sei man doch zu seiner Zeit so weit gekommen, daß man nicht nur den Tag, an welchem die Gewitter eintreffen, mit Bestimmtheit voraussage -- wer denkt dabei nicht an unsern modernsten Unwetterpropheten? -- und daß man ferner so weit gekommen sei, die Vorbedeutung der Blitze für das Schicksal des Privatmannes und des Staates, wie es zahllose Erfahrungen bestätigten, anerkennen zu müssen. Die Blitztheorien, insofern sie sich ganz insbesondere auf Vorbedeutungen im Familien- und staatlichen Leben beziehen, dürfen als keine römische Erfindung oder Entdeckung angesehen werden, sondern sie waren als Erbteil einer hochheiligen Wissenschaft den Römern von den „düsteren und strengen“ Etruskern überkommen. Die Etrusker, Tusker oder wie man sie immer bezeichnet hatte, die Träger einer selbständigen Kultur, waren in vorrömischer Zeit in Italien eingewandert und hatten auf religiöse Anschauungen, auf Staatseinrichtungen und auf das ganze Leben der späteren Römer einen nachhaltigen Einfluß ausgeübt. Wie es Alexander von Humboldt im zweiten Bande seines „Kosmos“ S. 169 mit kurzen, aber treffenden Worten geschildert hat, „war ein eigentümlicher Charakterzug des tuskischen Stammes die Neigung zu einem innigen Verkehr mit gewissen Naturerscheinungen. Die Divination (das Geschäft der ritterlichen Priesterkaste) veranlaßte eine tägliche Beobachtung der meteorologischen Prozesse des Luftkreises. Die Blitzschauer (+Fulguratoren+) beschäftigten sich mit Erforschung der Blitze, dem +Herabziehen+ und dem +Abwenden+ derselben. -- So entstanden offizielle Verzeichnisse täglicher Gewitterbeobachtungen.“ Zur besseren Orientierung bei ihren Gewitterstudien hatten die Etrusker den Himmel in 16 Teile geteilt, in der Richtung Nord -- Ost -- Süd -- West -- Nord, jeder einzelne Teil wurde wiederum in 4 Teile gespalten. Die ersten acht, nach Osten hin liegenden Teile nannten sie die +linke+ Seite der Welt (auch die alten Ägypter bezeichneten die östlichen Weltteile als die +linke+), die acht aus der entgegengesetzten Seite befindlichen Teile die +rechte+ Seite. Die Blitze zur Linken sah man als glückbringend an, die Blitze zur Rechten, im Nordwesten, als Unheil verkündigend. Blitze aus anderen Himmelsrichtungen galten als indifferent. Auf Grund der Bücher, welche den etruskischen Fulguratoren oder Blitzschauern als Leitfaden ihrer Wissenschaft dienten, waren es neun Götter, welche Blitze schleuderten, wobei dem Götterkönig Jupiter ein dreifacher Blitz zugeschrieben wurde, so daß im ganzen elf Götterblitze vorhanden waren. Die Römer beschieden sich mit zweien, dem Tagblitze, welchen sie dem Jupiter, und dem Nachtblitze, welchen sie dem Gotte der Unterwelt Summanus zuschrieben. Auch die Lehre von den aus Himmelshöhe niedersteigenden und den sogenannten irdischen Blitzen, von welchen vorher die Rede war, wird als etruskisch bezeichnet. Viel mehr als der abgehäutete Eselskopf, durch den man sich nach tuskischen Religionsgebräuchen vor einem Ungewitter schützen konnte, würde uns die Art und Weise interessieren, durch welche die Fulguratoren vorgeblich den Blitz +herabzuziehen+ vermochten. In den Anmerkungen zu der Humboldtschen Stelle über die etruskischen Blitzbanner, welche ich wörtlich wiedergegeben habe, findet sich die Klage ausgesprochen, daß nach dieser Richtung hin von den Fulguralbüchern nichts auf uns gekommen sei. Der große Gelehrte hat dagegen über den Verkehr zwischen Blitz und +leitenden+ Metallen als wichtigste Notiz aus dem Altertum eine, wenn auch nur die +einzige+ Angabe beim +Ktesias+ aufzufinden vermocht. Der bekannte griechische Geschichtsschreiber dieses Namens, dessen vollständige Werke verloren gegangen sind und nur noch auszugsweise in Bruchstücken vorliegen, lebte als Leibarzt am persischen Hofe in der Stadt Susa, woselbst er Gelegenheit fand, einen reichen Schatz von Beobachtungen und Erfahrungen zu sammeln. Unter seinen zufällig erhaltenen Nachrichten findet sich auch die folgende vor: „Er habe zwei eiserne Schwerter besessen, Geschenke des Königs (Artaxerxes Mnemon) und dessen Mutter (Parysatis), Schwerter, welche in die Erde gepflanzt, Gewölk, Hagel und +Blitzstrahlen abwendeten+. Er habe, so fügt er hinzu, die Wirkung selbst gesehen, da der König zweimal vor seinen Augen das Experiment gemacht.“ Lassen wir das Gewölk und den Hagel, die nicht seltenen Begleiter der Gewitter, beiseite, so weist die Stelle, welche von einem Abwenden des Blitzes spricht, mit größter Deutlichkeit auf die Kenntnis der Blitzableitungstheorie auf Grund +leitender Metalle+ hin. Zählte unser großer Landsmann Alexander von Humboldt noch zu den Lebenden, so würde ich ihm die Überraschung bereitet haben, die Kenntnis dieser Theorie im Altertume, mindestens schon in den Jahrhunderten unmittelbar vor dem Anfang unserer Zeitrechnung, durch eine Zahl inschriftlicher, nicht mißzuverstehender Zeugnisse zu beweisen. Ich habe kaum ein Wort über die Erfindung des Blitzableiters durch den amerikanischen Staatsmann und Schriftsteller Benjamin Franklin aus dem vorigen Jahrhundert und über die Konstruktion eines solchen Apparates zu verlieren nötig. Alle Welt kennt den Blitzableiter, ist aber überzeugt, daß seine Erfindung zu den Errungenschaften im Rahmen der Neuzeit gehört. Vielleicht wird man anders darüber urteilen, wenn man meine folgende Auseinandersetzung mit Aufmerksamkeit liest. In meiner Arbeit „Zur ältesten Geschichte der Feier der Grundsteinlegungen“ ließ ich die Bemerkung mit unterlaufen, daß es bei den alten Ägyptern Brauch war, den Eingang zu den Heiligtümern durch zwei hohe festungsartig gebaute Türme zu decken, deren Verbindung ein zwischen ihnen liegendes großes Thor, der sogenannte Pylon, bildete. Zur Rechten und zur Linken des Pylon standen zwei Obelisken und Götter- oder Königsbilder aus Stein, zwischen welchen der Wanderer seinen Weg nach dem gleich dahinter sich öffnenden Thoreingang nahm. Bei den vollendeten Bauten sind die Außenseiten der Pylonentürme mit Darstellungen und hieroglyphischen Inschriften im großen Stil bedeckt, wobei der königliche Gründer und die Hauptgottheiten des Tempels den Vorwurf des Künstlers und des Schreibers in Bild und Wort abgaben. Über den Umfang der Flächen, welche zu bedecken waren, mag man eine ungefähr richtige Vorstellung gewinnen, wenn ich als Beispiel den Tempel von Edfu wähle. Jeder von den beiden auf rechteckiger Grundlage ausgeführten Türmen hatte eine Höhe von 60 ägyptischen Ellen, das sind 31-1/2 Meter, eine Fassadenbreite von 21 Ellen oder 11 Meter und eine Seitenbreite von 12 Ellen oder 6-1/3 Meter. Bis zum fünfzehnten Jahrhundert hinauf lassen die noch vorhandenen Turmpaare auf ihrer Vorderseite je zwei in die verbauten Steine eingehauene Rinnen erkennen, welche wie eine Gosse von oben nach unten laufen und zur Aufnahme von irgend einem langen, stangenartigen Gegenstand von gewaltiger Dicke bestimmt waren. Über die Natur und die Bestimmung desselben kann kein Zweifel obwalten, da eine in Farben ausgeführte Zeichnung der Pylontürme an der Wand eines Tempels des Mondgottes auf der Ostseite Thebens bis auf den heutigen Tag wohlerhalten vorliegt. Die Rinnen, von denen ich soeben gesprochen habe, sind in der Zeichnung durch mächtig hohe, roh behauene Baumstämme ausgefüllt, welche die Zinnen der Türme weit überragen. Sie sind durch klammerartige Vorrichtungen an der Rinne befestigt, und ihre Spitzen zeigen bunte Zeugstoffe als Flaggenschmuck. Ich habe deshalb diesen mastartig gestalteten Baumstämmen den Namen „Flaggenbäume“ gegeben. Man könnte daran denken, daß es sich hierbei einfach um eine Dekoration gehandelt habe, um der massigen Fassade einen malerischen Anstrich zu verleihen und die toten glatten Flächenwände einigermaßen zu beleben. Freistehende Mastbäume mit bunten Wimpeln dienen ja noch in der Gegenwart bei festlichen Gelegenheiten zur Ausschmückung von Plätzen und Straßen und hohe Fahnenstangen mit buntfarbigen nationalen Flaggen werden von uns zu dem gleichen Zweck an den Dächern oder an der Vorderseite von Bauwerken und Häusern angebracht. Bei den Ägyptern war die Zahl und die Farbe der Flaggenbänder aus Zeugstoff keine zufällige oder beliebige. Ich habe nach den Inschriften aus vorchristlicher Zeit anderwärts die Beweise geliefert, daß die Zahl derselben sich auf +vier+ beschränkte und daß die Stoffe +rot+, +weiß+, +blau+ und +grün+ gefärbt waren, mit anderen Worten, daß es vorgeschrieben war, den vier +heiligen+ Farben den Vorzug zu geben. Es ist gewiß nicht ein bloßer Zufall, daß auch im ebräischen Kultus, wie es aus alttestamentlichen Überlieferungen deutlich hervorgeht, nur allein die vier heiligen Farben +rot+, +blau+, +karmesin+ und +weiß+ für die Priesterkleidung, die Vorhänge und die Teppiche im Tempel von Jerusalem gesetzlich zur Auswahl gestellt wurden. In einzelnen Inschriften aus den Zeiten der Ptolemäer werden die beflaggten Mastbäume, welche beispielsweise am Tempel von Edfu eine Höhe von mindestens 32 Metern oder von beinahe 100 Fuß erreichen mußten, auf den Tempelwänden in sehr genauer Weise beschrieben, wobei sich eine ganz verwundersame Thatsache herausstellt. Ich lasse in möglichst getreuer deutscher Übertragung den Wortlaut einer der Inschriften von Edfu für die Sache selber sprechen: „Dies ist der hohe Pylonbau des Gottes von Edfu, am Hauptsitze des leuchtenden Horus (des ägyptischen Apollon). Mastbäume befinden sich paarweise an ihrem Platze, +um das Ungewitter an der Himmelshöhe zu schneiden+. Zeugstoffe in weißer, grüner, blauer und roter Farbe befinden sich an ihrer Spitze.“ An einer anderen Stelle, in einer längeren Bauschrift, welche sich auf dasselbe Heiligtum bezieht, werden die Flaggenmaste an den Türmen mit folgenden Worten beschrieben: „Ihre Mastbäume aus dem +Asch+holze (gewöhnlich wird dieser Name auf einen bestimmten aus dem Auslande geholten Baum, nach der Mehrzahl der Ausleger eine besondere Akazienart, nach anderen die Ceder bezogen) reichen bis zum Himmelsgewölbe und sind +mit Kupfer des Landes beschlagen+.“ Vier mit Kupfer beschlagene, etwa 100 Fuß hohe Mastbäume, die paarweise an den beiden Turmwänden vor den Tempeln aufgestellt wurden, in der deutlich ausgesprochenen Absicht, +die Ungewitter zu schneiden+, konnten nichts anderes als Blitzableiter im großen Stil gewesen sein. Das scheint mir so klar auf der Hand zu liegen, daß kaum eine andere Deutung möglich ist. Ich sehe außerdem, daß sämtliche Gelehrte, welche auf die von mir zuerst entdeckten, veröffentlichten und in dem angegebenen Sinne erklärten Inschriften aufmerksam geworden sind, mit und ohne Erwähnung meines Namens, sich für den ältesten nachweisbaren Blitzableiter erklärt haben. Der Gegenstand ist damit noch nicht abgeschlossen, sondern eine zweite Form von Blitzableitern und in der oben erwähnten Inschrift, wenn auch nur mit den kurzen Worten geschildert: „Zwei große Obelisken prangen vor ihnen (den Mastbäumen), um das Ungewitter in der Himmelshöhe zu schneiden.“ Was vorher als der eigentliche Zweck der hoch aufgerichteten mit Kupfer beschlagenen Mastbäume durch den Ausdruck „Um das Ungewitter zu schneiden,“ d. h. durch Ableitung des elektrischen Funkens, findet hier aufs neue seine Anwendung auf die Obeliskenpaare, deren Erwähnung durch einen besonderen Umstand für die Nebenauffassung als Blitzableiter bemerkenswert erscheint. Schon um das Jahr 2000 v. Chr. gehörte die Aufstellung von Obeliskenpaaren vor den Tempeln zu einer gewohnheitsmäßigen Sitte. Der noch in unserer Gegenwart aufrechtstehende Obelisk von Heliopolis, in der Nähe von Kairo, rührt aus dieser alten Epoche her. Das steinerne Ungetüm hat eine Höhe von etwas über 21-1/4 Meter, wie alle Obelisken endigt seine Spitze in eine kleine Pyramide oder das sogenannte Pyramidion, welches die ägyptischen Inschriften mit dem Worte +Benben+ bezeichnen. Nach dem klaren Wortlaut einer Reihe auf verschiedene Obelisken eingegrabener Texte in Hieroglyphenschrift wurde das Pyramidion regelmäßig mit sogenanntem Elektrongolde überzogen, das beim Sonnenschein einen blendenden Glanz meilenweit ausstrahlte. Die Sockelinschrift auf einem thebanischen Obelisken meldet es wörtlich: „Er (der König) hat zwei große Obelisken anfertigen lassen aus rotem Granit vom Südlande (aus Syene, dem heutigen Assuan). Ihre Spitze ist aus Elektrongold, welches die Fürsten aller Länder geliefert hatten, hergestellt und wird auf viele Meilen hin geschaut, wenn ihre Strahlen sich über die Erde ergießen, nachdem die Sonne, sobald sie im Osten aufgegangen ist, zwischen ihnen beiden leuchtet.“ Auf einem der beiden Obelisken von Alexandrien, es handelt sich um denselben, welcher nach New York überführt worden ist, findet sich die entsprechende Angabe vor, daß der König Thutmosis III., aus dem fünfzehnten Jahrhundert v. Chr., „zwei große Obelisken anfertigen ließ mit einem Pyramidion aus Elektrongold.“ Ich lasse es bei diesen Beispielen sein Bewenden haben, da ähnlich lautende urkundliche Angaben sich auf den steinernen Spitzsäulen bis zu den altägyptischen Obelisken in Rom und Konstantinopel hin in vielen Beispielen vorfinden. Sie dienen sämtlich zur Bestätigung der Thatsache, daß die Spitzen der Obelisken einen Überzug von Gold trugen oder, was wahrscheinlicher sein dürfte, einen Überzug aus +vergoldetem Kupfer+. Diese Vermutung findet nämlich durch folgende, bei einem arabischen Schriftsteller aus älterer Zeit erhaltene Überlieferung ihre Bestätigung. Derselbe erzählt in seiner Beschreibung der damals noch reichlich vorhandenen Denkmäler auf dem Boden der alten Sonnenstadt, in der Nähe von Kairo, daß man auf der Spitze des oben erwähnten Obelisken, also in einer Höhe von über 60 Fuß, eine +kupferne Kappe+ über dem Pyramidion entdeckt habe, die der zur Zeit regierende Chalif herabnehmen ließ, mit der Weisung, sie näher zu untersuchen. Es stellte sich bald heraus, daß die Kappe nicht, wie man hoffte, aus einem Edelmetall, sondern aus +reinstem Kupfer+ bestand, das eingeschmolzen und zur Prägung von Kupfergeld verwendet wurde. Bei allem Reichtum, welcher infolge siegreicher Feldzüge der Ägypter gegen das Ausland in den Glanzperioden der Geschichte der Pharaonen nach dem Nilthale zuströmte, ist es kaum anzunehmen, daß die Könige so verschwenderisch freigebig gewesen sein sollten, die Spitzen ihrer Obelisken mit echtem Golde zu überziehen. Ein vergoldeter Kupferüberzug erfüllte denselben Zweck, und wenn die Inschriften unablässig nur vom Elektrongolde sprechen, so darf man nicht vergessen, daß Prahlerei eine Eigenschaft der alten Ägypter war, und daß die herrschenden Könige jede sich darbietende Gelegenheit ergriffen, um ihren Handlungen, besonders den Gottheiten gegenüber, den Stempel des Großartigen und Außergewöhnlichen aufzudrücken. Eine vergoldete Kupferspitze auf einer riesengroßen Spitzsäule aus Granit stellte einen Blitzableiter dar, wie man ihn sich nicht besser wünschen konnte. War es auch nicht der Hauptzweck, welchen als solche die Aufstellung von Obelisken vor den Tempeltürmen erfüllte, so war es dennoch ein Nebenzweck, dem sie dienten, und die Beobachtung selber, daß der Blitz dadurch angezogen wurde, mußte sehr bald zur Erkenntnis der Anziehungskraft vergoldeter Metallspitzen auf einem ungewöhnlich hohen Gegenstande, sei es eine steinerne Säule, sei es ein Mastbaum, bei einem vorkommenden Gewitter führen. Die Blitzableiter im größten Stile, den je die Welt gesehen, „schnitten das Gewitter“ und dienten gleichzeitig zum Schutze der zu ihren Füßen liegenden Tempel. Ägypten gehört nicht zu denjenigen Ländern, in welchen Entladungen der atmosphärischen Elektricität häufig zu beobachten sind. Das wußten schon die Alten, und Plinius führt in seiner Naturgeschichte (II., 50) ganz richtig die Gründe an, welche der Entwickelung von Gewitterbildungen im Nilthale entgegenstehen. Dennoch hat man, besonders im Frühjahr und im Herbst, nicht allzu selten Gelegenheit, sehr starke, wenn auch kurz andauernde Gewitter zu beobachten. Ich habe am ersten Katarakt, ferner in Edfu, Theben, Kairo und am Suezkanal deren erlebt, wie sie selten in unserer nordischen Heimat in die Erscheinung treten dürften. Für die alten Ägypter hatten die Gewitter einen unheimlichen Beigeschmack. Man schrieb sie nämlich, wie alles dem regelmäßigen Verlaufe der natürlichen Dinge im Kosmos Entgegenstehende (Erdbeben, Stürme, Hagelschlag, Sonnen- und Mondfinsternis, Abnahme des Mondes, Verkürzung der Tage beim Eintritt des Winters u. s. w.), dem bösen Dämon Typhon zu, dem seinem guten Bruder Osiris feindlich gesinnten Gotte, der vor allem das Dörrende, Versengende, Verbrennende liebte und daher feuerfarbig dargestellt wurde. In dem notwendigen Kampfe der sich entgegenstehenden Naturkräfte siegte aber Osiris über Typhon, in unserem Falle die reine Atmosphäre über das Ungewitter. Euripides singt: Vom Guten nicht gesondert ist das Schädliche, Vielmehr gemischt aus beiden sprießt das Wohlergehen. Diesem ernsten Grundgedanken folgte auch der ägyptische Geist in der Auffassung des Guten der Notwendigkeit des Bösen gegenüber, in der intellektuellen Welt wie in den kosmischen Erscheinungen, und der böse Blitz bildete keine Ausnahme von der allgemeinen Regel. Im Kampfe traten dem guten Osiris seine beiden Schwestern Isis und Nephthys als helfende, stützende, beschützende, ablenkende Bundesgenossinnen zur Seite. In den bildlichen Darstellungen erscheinen beide Göttinnen zur Rechten und zur Linken ihres Bruders, ihn mit ihren Flügelpaaren deckend und behütend, um ihr helfendes Wirken in symbolischer Weise zum Ausdruck zu bringen. Die vor den Tempeleingängen paarweise aufgestellten Obelisken und Mastbäume, in ihrer Eigenschaft als Blitzableiter, wurden deshalb geradezu als das Schwesterpaar Isis und Nephthys aufgefaßt und man versteht nunmehr den geheimnisvollen Sinn einer Inschrift, welcher sich auf die Wetterbrecher bezieht. „Die mit Kupfer beschlagenen paarweisen Mastbäume, welche zum Himmel hinaufreichen, sind die beiden großen Schwestern Isis und Nephthys, welche Osiris behüten und über den König der Tempelwelt wachen.“ Der große königliche Gräberfund. Es geht ein wohlthuender, weil urmenschlicher Zug durch das gesamte Altertum, sowohl das klassische wie das nichtklassische, ein Zug, welcher uns noch heutzutage zur höchsten Dankbarkeit verpflichtet seiner historischen Folgen wegen: ich meine die Pietät der Alten gegen ihre Verstorbenen, eine Pietät, welche bei den Völkern der Vorzeit in den Vordergrund ihrer Anschauungen tritt. Sie bauten Gräber für ihre Toten, welche nicht darauf berechnet waren, nur eine kurze Zeit nach dem Tode fortzudauern und dann zu vergehen, sondern -- nach den Mitteln, wie sie ihnen zu Gebote standen -- sie führten wahre Grabdenkmäler auf, welche für eine lange Dauer hergerichtet waren. Sie betteten ihre Toten in diese Grabstätten und gaben ihnen alles dasjenige mit, was ihnen im Leben auf Erden lieb und wert gewesen war. Dieser Pietät verdanken wir heutzutage die Kenntnis alles dessen, was man mit dem Namen der Privataltertümer bezeichnet, freilich auch vieles Historische darunter, und wir haben dadurch Kenntnis von Details, von denen uns die Überlieferungen z. B. der Klassiker auch keine Spur hinterlassen haben. Es bewahrheitet sich auch hier das alte Wort, daß, wenn die Menschen schweigen, die Steine reden werden. Wenn irgend ein Volk des Altertums sich in der Pietät gegen seine Toten auszeichnete, so waren es vor allen übrigen die Ägypter. Wir können während des Zeitraumes von vierzig Jahrhunderten, von den ältesten historischen, schriftlich vorhandenen Denkmälerepochen an bis gegen den Anfang unserer Zeitrechnung hin, diese Pietät verfolgen in allen Perioden ihrer Geschichte und in allen Landschaften des eigentlichen Ägyptens; wir haben Gelegenheit, diese Pietät jederzeit nachzuweisen, überall ihre Spuren aufzudecken und zu gleicher Zeit belebt zu finden durch das verständnisvoll geschriebene Wort. Es gab bei den alten Ägyptern ein religiöses Gesetz, welches drei Forderungen an den sittlichen Menschen stellte. In erster Linie handelte es sich darum, die Götter zu preisen und ihnen zu danken, an zweiter Stelle die Menschen zu lieben und zuletzt als dritte Bedingung die Toten zu ehren. Praktisch übertragen lauteten dieselben Gebote: Alles zu thun im Leben, was den Göttern lieb und angenehm war; in Bezug auf die Menschen: zu spenden dem Hungrigen Brot, dem Durstigen Wasser, dem Nackten Kleider und den Verirrten auf den rechten Weg zu führen; in Bezug auf die Toten: schöne Gräber herzurichten und den Verstorbenen an den Festtagen des ägyptischen Jahres die regelmäßigen Totenopfer darzubringen. Und dieses letzte Gebot wurde in Ägypten in reichster und ausgedehntester Weise befolgt. Die Gräber sind zum Teil heute noch, wenn auch nur in Ruinen, vorhanden, aber selbst diese Trümmer sind bedeutsam genug, um uns einigermaßen eine Vorstellung von der Pracht und Herrlichkeit der Stätten der Toten zu gewähren. Damit hing zusammen, daß nach ägyptischer Anschauung die Häuser der Lebendigen nichts weiter sein sollten als Antichambres der Ewigkeit. Deshalb finden wir in Ägypten unendlich wenig Sorgfalt auf das eigene Haus, destomehr aber auf die „Wohnungen der Ewigkeit“, wie sie auf den Denkmälern heißen, d. h. auf die Gräber, verwendet. Wenn heutzutage ein Reisender (ein wissenschaftlicher sowohl wie der gewöhnliche Tourist) seine Nilfahrt durch Ägypten zurücklegt und an den Hauptstellen, an welchen sich in der Altzeit große Städte befunden haben, die Altertümer, wie sie noch vorhanden sind, einer näheren Prüfung unterzieht, so drängt sich ihm unwillkürlich die Beobachtung auf, daß er eigentlich keine wertvollen Überreste von dem findet, was man heutzutage Städte, Häuser und Wohnungen nennt; daß die vorhandenen Altertümer sich nur beschränken: in erster Linie auf die Tempelbauten, in zweiter auf die zahlreichen Grabanlagen. Ich bin im Zweifel und würde in Verlegenheit geraten, wenn ich irgend wo die Ruinen eines ägyptischen Königspalastes nennen sollte. Es sind keine vorhanden. Es giebt zwar Bauten, die aus Ziegeln aufgeführt sind (teils im Ofen gebrannt, teils nur durch Sonnenhitze getrocknet, häufig mit königlichen Namen gestempelt), sie sind ausgedehnt, können wohl Königspalästen angehört haben, aber es fehlen alle inschriftlichen Beweise, daß in der That dieses oder jenes derartige Gebäude ein wirklicher Königspalast gewesen war. Die Paläste, wären sie aus Stein ausgeführt gewesen, könnten doch nicht von der Erde ganz und gar verschwunden sein; denn dasselbe Material, aus dem z. B. Tempel und Gräber erbaut waren, war dauerhaft, weil es Jahrtausende überwunden hat. Es müßte also eine ähnliche Erhaltung auch bei den Königspalästen stattgefunden haben, wie es eben nicht der Fall ist. Mit einem Worte: wie die Alten melden und Augenzeugen es sahen, war das Wohnhaus, auch das Pharaos, nichts anderes als eine Herberge auf Erden, während das Haus der Ewigkeit, das Grab, die alleinige Stätte war, auf welche sich alle Sorgfalt der Erhaltung ausdehnte. Die Gräber selbst wurden nicht nur dauerhaft hergestellt, so daß sie Jahrtausende bestehen konnten, wie wir es in den Inschriften als Hoffnung ausgesprochen finden, sondern es war auch das jedem zugängliche Innere derselben wie eine heilige Kapelle mit bilderreichen farbigen Darstellungen und Inschriften geschmückt. Die Körper der Toten wurden in der Tiefe des Felsens am Ende eines Schachtes in eine stille, unzugängliche Kammer gelegt, aber ihr Grab, in auffallender Weise gleichsam häuslich zugerichtet. Man gab den Verstorbenen für die ewige Ruhestätte alles mit, was ihnen auf Erden lieb und wert gewesen war, außerdem eine reiche Auswahl von Talismanen und Totenschriften, wie das religiöse Gesetz es erforderte, und so ruhten die Mumien wohlverwahrt und geschützt, zumal in einem Klima, welches die Erhaltung des Körpers und der altertümlichen, oft sehr gebrechlichen Gegenstände in seiner Umgebung ungemein begünstigte. So haben wir heute Gelegenheit, da, wo man überhaupt noch Gräber vorfindet, in einer Weise die Pietät der Ägypter gegen ihre Toten kennen zu lernen, wie sie kaum sonst in der Welt mehr zu finden ist. Wenn man von Ägypten spricht, muß man wohl unterscheiden, daß die Geschichte des Volkes, welches einst in diesem Lande glücklich gelebt, außerordentliches gewirkt und viel geschaffen hat, nicht nach Jahrhunderten, sondern nach Jahrtausenden zählt. Wir müssen daher überall, wo wir Tempelbauten und Grabanlagen begegnen, auf Grund der ägyptischen Altertumskunde und Geschichte die vorhandenen Denkmäler der Vorzeit nach großen Perioden voneinander sondern. So auch in unserem Falle. Ich unterscheide in Bezug auf den Gräberbau, welcher sowohl die Königs- als auch Privatgräber betrifft, zwei Epochen: die der Pyramiden bauenden Könige (von Memphis) etwa von 3000-2000 v. Chr. und die der thebanischen Fürsten, welche um das Jahr 1800 beginnt und um das Jahr 1000 abschließt, etwa in den Zeitläuften, in welchen König Salomo regierte. Diese Epochen sind nicht nur zeitlich, sondern auch durch lokale Eigentümlichkeiten voneinander abgegrenzt, im engsten Zusammenhange mit den Terrainverhältnissen, je nachdem man in der Lage war, die Gräber auf dem glatten Boden der Wüste oder als Schachte in den Gebirgen (meist auf dem Westufer des Nils) anzulegen. Die Gräber, welche der memphitischen Periode angehören -- ich spreche zunächst von denen der Könige -- wurden am Rande der Wüste in Pyramidengestalt erbaut. Der Zahl nach gegen siebzig, erstreckten sie sich auf einer Ausdehnung von zwanzig deutschen Meilen, gegenüber von Kairo, auf der linken (der libyschen) Seite des Nils in westlicher Richtung von dem arabischen Dorfe Gizeh beginnend bis in die sogenannte Landschaft des Fajum hinein. Diese Königsgräber sind allen Lesern wohl bekannt. Es sind die viel genannten und viel besuchten Pyramiden. Schon die Alten wußten sehr genau, wenn sie auch in betreff der einzelnen Königsnamen sich bisweilen geirrt haben, daß die Pyramiden nichts weiter als Gräber der Könige waren. Sie beschreiben uns den Bau einzelner derselben, sie nennen uns königliche Namen und sie erwähnen Einzelheiten, welche beweisen, daß sie von den damaligen Ägyptern, aus einer verhältnismäßig späteren Periode, sagenhafte Erinnerungen empfingen, die sie uns getreu überlieferten. Aus diesen Traditionen geht im allgemeinen so viel hervor, daß ungeheure Menschenmassen damit beschäftigt waren, diese kolossalen Bauten aufzuführen, daß die arbeitenden Scharen schlecht genährt waren, daß die Könige, welche die größten Pyramiden hatten aufführen lassen, verachtet und gehaßt wurden und ähnliches, wie es die Überlieferung im Volke nach späten Jahren sich eben zurechtgelegt hatte. Fassen wir zunächst die Pyramiden nach ihrem äußeren Erscheinen auf, so zeigt sich, daß sie in Bezug auf die Höhe in einem sonderbaren Mißverhältnisse zu einander stehen und damit im Zusammenhange auch in Bezug auf die Ausdehnung ihrer Basis. Die Untersuchungen einzelner dieser Riesenbauten haben erwiesen, daß der Kern einer jeden Pyramide sich genau in der Mitte der ganzen Anlage befindet. Ebenso genau wurde im Centrum des Kernes die einfache viereckige Grabkammer angelegt mit Hilfe gewaltiger Monolithe (Kalkstein oder Granit), mit dem Granit-Sarkophage des betreffenden Königs an der westlichen Wandseite, und gedeckt mit einem Spitzdache, dessen Steine gleichfalls aus Werkstücken von ungeheurer Länge (3-4 Meter) bestanden. Diese kolossalen Werkstücke, oft zu zweien und dreien aufeinandergelegt, hatten den Zweck, die gewaltige Schwere der Steine, welche die Pyramide von der Spitze an bildet, entlasten zu helfen. In diese Kammer führt, und immer von nordwärts her, ein langer und schmaler Gang, und zwar zunächst in schräg laufender Richtung. Dieser wurde, nachdem die Leiche des Königs in die Pyramide hineingeschafft und in den Sarkophag gelegt war, durch einen mächtigen Fallblock ein für allemal abqesperrt. Auch dieser besteht aus einem behauenen einzigen Granitstein. Ging man weiter in die Pyramide hinein, so war da, wo ein zweiter wagrecht angelegter Gang, der bis in die Grabkammer führte, begann, ein zweites Thor, welches gleichfalls durch eine Granitfallthüre geschlossen wurde, nachdem man die Leiche eingesargt hatte und nach dem Ausgang zurückgekehrt war. Dieser Gang wurde bisweilen durch eine dritte Fallthüre für ewige Zeiten abgesperrt. Indessen ist sie bei einzelnen Pyramiden nicht allenthalben nachweisbar. Hatte man die Fallsteine heruntergelassen, so wurde da, wo sich der erste Fallstein am Haupteingange befand, die Pyramide durch darübergelegte Steinplatten in einer Weise ergänzt, daß eigentlich für diejenigen, welche die Stelle des Eingangs nicht genauer kannten, es eine reine Unmöglichkeit war, die Öffnung der Pyramide zu finden. Ich verweise bei dieser Beschreibung auf die Pyramide, welche das Grab des Königs Phiops enthält und welche im März 1881 aufgedeckt wurde. Diese Pyramide ist, wie die Abbildung zeigt, zerstört; nur der untere Teil des Steinbaues ist erhalten. Sie zeigt die Urform einer Pyramide, wie sie sich aus einzelnen Beispielen als Typus feststellen läßt. Die erste Pyramide war verhältnismäßig klein, d. h. sie hatte etwa eine Höhe von 80 Fuß. Lebte ein königlicher Erbauer längere Zeit und war es ihm gestattet -- die Gräber wurden stets beim Regierungsantritte eines jeden Königs zu bauen begonnen -- so ließ er einen zweiten Mantel herumlegen, etwa in einem Abstande von 5-10 Fuß von der Kern-Pyramide, dann einen dritten und vierten Mantel. Auf diese Weise erklärt sich das Gesetz, daß wenigstens im allgemeinen die Höhe der Pyramide im Verhältnisse zur Regierungsdauer ihres Erbauers steht. Die neuerlichen Eröffnungen der Pyramiden, von denen ich noch sprechen werde, haben außerdem ein zweites Gesetz feststellen lassen, daß nämlich die lokale Folge der Pyramiden von Norden nach Süden hin der chronologischen Folge der Könige entspricht, d. h. der älteste König hatte seine Pyramide im höchsten Norden errichtet und seine Nachfolger schlossen sich in der Richtung von Norden nach Süden an, wie sie eben in den Regierungen nacheinander herrschten. Das ist ein wichtiges Faktum in historischer Beziehung; denn es zeigt uns, daß die Entwickelung, die geschichtliche Aufeinanderfolge der Pyramiden, durch ein Gesetz geregelt war. Wie hier im kleinen, so zeigt sich auch im großen durch eine analoge Betrachtung, daß überhaupt der kulturhistorische Gang der ägyptischen Geschichte die Richtung von Norden nach Süden genommen hat. Wir besitzen die ältesten Denkmäler im Norden. Je weiter wir nach Süden fortschreiten, um so jünger werden die Denkmäler; die jüngsten befinden sich in Äthiopien, die Pyramiden von Meroë, die letzten und spätesten Ausläufer des altägyptischen Kulturdaseins in den Zeiten einheimischer Fürsten. Diese Thatsache ist deshalb bemerkenswert, weil man noch immer die Frage aufstellt: Ist denn die ägyptische Kultur von Afrika gekommen? Ist sie eine echt afrikanische? Oder sind die Ägypter eingewanderte Völker, welche von Norden her über die Völkerstraße der Landenge von Suez kamen und nach dem Nilthale ein fremdes Kulturleben übertrugen? Die historische Folge der Denkmäler scheint der Einwanderung von Asien her das Wort zu reden. So sehr man sich in einer gewissen Epoche unseres Jahrhunderts -- ich meine die Dreißiger- und Vierzigerjahre -- für den Bau der Pyramiden, für die innere Konstruktion derselben interessierte, so war es doch für die größere Zahl der Gelehrten ein trockenes Studium, und zwar deshalb, weil keine der damals geöffneten Pyramiden auch nur eine einzige Inschrift enthielt. Die Gänge, von denen ich vorher gesprochen habe, zeigten glatte Wände, die Grabkammern waren leer, der Sarkophag ohne Inschriften. Nur auf einzelnen Bausteinen fanden sich von der Hand der Schreiber hingemalte oder hingekritzelte Namen, welche vermutlich den betreffenden König, welcher in der Pyramide bestattet war, angeben sollten. Wir haben vier oder fünf solcher Namen gefunden, und daraufhin war man imstande, diesen wenigen Pyramiden ihren Erbauern nach historische Namen beizulegen. Erst im Anfange des Jahres 1881, während meiner Anwesenheit in Ägypten -- es ist in den Monaten Februar und März gewesen -- wurden durch Araber, welche sich freiwillig dieser Aufgabe unterzogen hatten, mehrere Pyramiden geöffnet, unter ihnen drei, welche sich voller Inschriften befanden. Das Faktum war so außergewöhnlich und die Geduld so sehr auf die Probe gestellt, daß ich kaum die Minute abwarten konnte, in der es mir gestattet sein sollte, in die erste dieser Pyramiden einzutreten und die Texte mit eigenen Augen zu schauen. Und in der That waren die Gänge und die Grabkammer der Pyramide, welche hier in einer Abbildung vorliegt, mit Inschriften bedeckt, und zwar in einer Fülle von Inschriften, die mich auf das äußerste überraschte. Die Araber hatten den alten Eingang durch Steine versperrt gefunden und da die Pyramide oben zerfallen war, es weislich vorgezogen, die Blöcke des Spitzdaches zu durchbrechen und wie in einen Krater hineinzusteigen. Von oben her erreichten sie die Grabkammer, welchen Weg auch ich zu nehmen genötigt war. [Illustration: =Ein Königsgrab aus dem Alten Reiche.= Vertikaldurchschnitt.] [Illustration: =Ein Königsgrab aus dem Alten Reiche.= Horizontaldurchschnitt. 1 Eingang. -- 2 u. 4 Gänge. -- 3 Fallthür. -- 5 Grabkammer. -- 6 Kammer mit dem Sarkophag.] Aber meine Hoffnung, in den grün ausgemalten Inschriften auf Texte zu stoßen, welche geschichtliche Überlieferungen enthielten, wurde arg getäuscht. Die einzige historische Beigabe gewährte der Name des Königs in Begleitung aller seiner Titel, welcher hier und in den übrigen von mir besuchten Pyramiden genau aufgeführt war. Auch der Sarkophag enthielt auf dem Deckel und an den Seiten Inschriften, welche wiederum nur Namen und Titel in aller Länge und Breite, wenn auch in schönsten hieroglyphischen Charakteren, enthielten. Nachdem ich die frisch geöffneten Pyramiden der Reihe nach untersucht hatte, konnte ich feststellen, daß die zahllosen Texte, mit welchen die Wände bedeckt sind, die wiederholten Abschriften eines einzigen großen Buches darstellen, welches von der zukünftigen Reise des verstorbenen Königs im Jenseits handelt. Ich muß dabei bemerken, daß nach ägyptischer Anschauungsweise das Leben des einzelnen Menschen als Abbild des Sonnenlaufes angesehen ward. Die Seele ist ein Ausfluß des göttlichen Lichtstrahles, aufgefaßt in materieller Weise als Sonne. Der Sonnenstrahl, himmlischen Ursprungs, tritt in den Leib des geborenen Erdenkindes ein und nach der Auflösung des Körpers kehrt er zurück zur ewigen Gottheit, zum Urquell des Lichtes. Des Menschen Lebenslauf ist seinem Inhalte nach ein Stück Sonnendasein: der Mensch wird geboren im Osten und geht unter im Westen wie die Sonne. Nach seinem Tode, seinem Untergange im Westen, muß der menschliche Lichtträger dem Laufe der Sonne in der Nachtregion folgen, um am Ausgangspunkte im Osten sich mit der Gottheit zu vereinen und in das ewige Licht aufzugehen. Seine Wanderung nach diesem Ziele schlägt die umgekehrte Richtung des Lebenslaufes von Osten nach Westen ein. Von Westen nach Osten wandelnd, legt er die Reise der Toten zurück. Dies ist das Thema, der Grundtext mit seinen einzelnen Unterabteilungen, welcher in diesen Inschriften behandelt wird. Es kommen natürlich eine Menge Dinge dabei zum Vorschein, welche für die spezielle Wissenschaft der altägyptischen Lehre vom Dasein nach dem Tode von besonderem Nutzen sind, aber doch für die allgemeine historische Wissenschaft nur geringen Wert haben. Es werden z. B. Gestirne genannt, welche dem Verstorbenen auf seinem Wege von Westen nach Osten zu schauen vergönnt wird, es werden die unterirdischen Regionen und die Bewohner dieser himmlischen Nachtwelt beschrieben und vieles andere nebenbei in dunkler Sprache geschildert. Wir können aus einer Vergleichung dieser Texte uns eine lehrreiche kritische Ausgabe des altägyptischen Buches von dem Glauben über das Jenseits nach dem Tode zusammenstellen. Ist nach dieser Seite hin der Inhalt dieses Buches von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit, so wird er außerdem bedeutungsvoll dadurch, daß zum erstenmale in diesem Buche große, zusammenhängende Stücke in einer Sprache vorliegen, von der wir sonst sehr wenig wissen, d. i. von der ältesten Gestalt der Sprache der Ägypter. Als ich zunächst die Pyramide des Königs Phiops (gegen 3300 v. Chr) betrat und nach ihr eine zweite, welche seinem Sohne +Mehti-em-saf+ angehört, fand ich, daß in früheren Zeiten Räuber in beiden furchtbar gehaust hatten. Es ist bekannt, daß die meisten Pyramiden heute geöffnet sind, es ist ebenso bekannt, daß nicht erst in neuerer Zeit diese Wiedereröffnungen vor sich gegangen sind, sondern daß schon Perser, Griechen, Römer und Araber versucht haben, die Pyramideneingänge meist mit großer Mühe und großem Kostenaufwande zu sprengen, um sich der von ihnen darin vermuteten Schätze zu bemächtigen. Wir wissen sogar die Namen zweier Kalifen aus dem neunten und elften Jahrhundert, welche die kostspieligen Zerstörungsarbeiten nicht gescheut haben, um bis zu der Sarkophagkammer vorzudringen, woselbst sie außer geringen Schätzen wenig vorgefunden hatten. Als ich die Grabkammer der +Phiops+pyramide erreicht hatte, überzeugte ich mich sofort, daß die Pyramide bereits geöffnet, der Schatz gehoben und die Leiche beraubt und in Stücke zerbrochen worden war. Alles, was sich vorfand, war eine Hand und eine Masse von Leinwand, aber die letztere von einer solchen Feinheit, daß meine Araber in den Ausruf ausbrachen: „+Di harir+“, d. h.: „Das ist Seide“. Sie war in der That so zart und glänzend, wie Seide nur immerhin sein kann. Proben davon sind in einzelne Museen Europas gewandert. In der zweiterwähnten Pyramide fand ich die Mumie des Königs auf dem Boden des Sarkophages, auf Steinen liegen, ein orientalisches Zeichen der Mißachtung. Die Mumie war beraubt. Sie gehörte nach meiner Untersuchung an Ort und Stelle einem jungen Manne an von ungemein feiner Muskulatur, mittlerer Größe, lockigem Haare und war vollkommen wohl erhalten. Neben dieser Mumie lag gleichfalls ein Haufen der ehemaligen Umhüllung, aus denselben feinen Stoffen bestehend, wie ich sie in der Pyramide des +Phiops+ entdeckt hatte. Die Mumie wurde nach dem Museum in Bulak transportiert, wo sie sich gegenwärtig noch befindet. Das ist der historische Gewinn, den die Eröffnung der beschriebenen Pyramiden in diesem letzten Jahre gegeben hat. Die Arbeiten werden gegenwärtig fortgesetzt und man hofft, vielleicht auf eine bisher nicht aufgebrochene Pyramide zu stoßen, deren Inhalt noch vollständig vorhanden sein wird. Vor allem richtet sich die Aufmerksamkeit auf die berühmte Pyramide von +Meidum+, die in der That noch nicht geöffnet zu sein scheint, aber so große Schwierigkeiten den Arbeitern entgegenstellt, daß man vielleicht ein Jahr brauchen wird, um auch nur einigermaßen darin vorzudringen. Die Masse der Steine, welche zum Bau der Pyramiden gehörten und den Kern der Grabkammer umhüllen, ist so gewaltig, daß man sich keine Vorstellung machen kann, wie viel Steine zu einem derartigen Bau gehören. Ich will nur, um annähernd diese Steinmassen der Vorstellung begreiflich zu machen, eine Vergleichung anführen. Wenn man sich die größte Pyramide, die des Cheops, welche heute eine Höhe von 137 Meter hat, aus hohlem Blech geformt denkt, so würde man sie bequem über die Kuppel des St. Peter in Rom setzen können. Und wenn man ferner die Steine, welche den Inhalt dieser Pyramide bilden, zusammenfügen würde zu einer Mauer von 3 Fuß Höhe, so reichen die Steine dieser einen Pyramide aus, um eine Mauer um ganz Frankreich zu ziehen -- und das ist doch gewiß eine Ausdehnung, welche erklecklich ist! [Illustration: =Privatgrab aus dem Alten Reiche.= ~a~ Kapelle. -- ~b~ Schacht. -- ~c~ Grabkammer. -- ~d~ Sarkophag.] Wenn die alten Pyramidenkönige in dieser Weise ihre Gräber bauten, daß die eigentliche Grabkammer inmitten auf dem felsigen Boden der Wüste stand und daß zum Schutze derselben eine derartige Steinmasse aufgetürmt war, so lag dem Baue der Gräber von Privatleuten derselben Epoche ein anderes System zu Grunde. Der Privatmann, wenn auch vornehmen Ranges, konnte oder durfte sich keine Pyramide bauen. Andererseits sollten die Gräber vor Eröffnung bewahrt bleiben. -- Es wurde mit Rücksicht darauf eine Anlage geschaffen, die ich in der Abbildung dargestellt habe, nach einem der erhaltenen Gräber in Ägypten. Es ist dies der Typus, welcher bei allen diesen Bauten wiederkehrt. Es wurde zunächst ein tiefer Schacht in den Boden der Wüste eingegraben -- die Wüste ist ja Felsboden -- dann unten in diesem sogenannten +Brunnen+, der vertikal läuft, eine horizontale Kammer ausgemeißelt und dort der Sarkophag aufgestellt. Nachdem die Leiche eingesargt war, wurde die Kammer durch eine Steinwand, meist eine Ziegelsteinmauer abgeschlossen, so daß niemand mehr hineingehen konnte ohne Gewalt anzuwenden. Der ganze Brunnen wurde mit Geröll, Sand oder Schutt ausgefüllt und darüber eine Kapelle errichtet, die je nach der Stellung des Verstorbenen oder je nach den Wünschen der Familie mehr oder weniger geräumig war. Sie konnte aus einem Zimmer bestehen, aus einem Saale mit Säulen, aus zwei, drei, vier Gemächern, immerhin aber war sie so eingerichtet, daß die Nachkommen des Verstorbenen, seine Familie, hineingehen und über dem Grabe desselben, das tief in dem Felsen versteckt lag, die Gebete aussprechen und seinem Gedächtnisse die Totenopfer spenden konnten. Das ist etwa, was über die älteste Pyramidenform und über die ältesten ägyptischen Gräber zu sagen ist. Ich komme nun zur zweiten Epoche, zur Epoche der thebanischen Könige. Die ägyptischen Könige, welche die ersten zwölf Dynastieen bilden und deren Residenz in Memphis war, hatten abgewirtschaftet. Wir wissen nicht, wie es gekommen ist, aber das eine steht fest, daß nach Abschluß dieser ältesten Königshäuser des Menschengeschlechtes überhaupt plötzlich in Theben ein neues Reich erstand, die thebanischen Dynastieen umfassend, welche als die 17., 18., 19., 20., 21. Dynastie bezeichnet zu werden pflegen, daß man in der Residenzstadt Theben ein großes Reichsheiligtum gründete, den berühmten Tempel von Karnak -- er ist noch heute in seinen großartigen Ruinen vorhanden -- und daß die Könige nach herkömmlicher Weise beim Antritt der Regierung zunächst ihre Gräber zu bauen nicht unterließen (noch heute sind diese Königsgräber vorhanden). Pyramiden konnte man nicht mehr errichten. Die Westseite Thebens ist eingeschlossen von hohen Gebirgen, es war daher kein Raum vorhanden, um Pyramiden im Maßstabe der alten Grabdenkmäler der memphitischen Könige aufführen zu können. Denn es rücken die Felsen im Westen so nahe an den Fluß heran, daß die Pyramiden die ganze Westseite der Stadt ausgefüllt haben würden. Aber selbst in diesem Falle würde die Höhe der nahen Bergwände den Eindruck der Pyramidenbauten abgeschwächt haben. Man wählte deshalb die Berge selbst als Gräberstellen und bohrte lange Schachte in einem Seitenthale des thebanischen Westgebirges, welches ausschließlich dazu bestimmt war, die Gräber der thebanischen Könige zu enthalten. Diese Schachte gehen tief in den Berg hinein, anfangs abwärts und dann in gerader Richtung in die Tiefe des Felsens. Ich liefere die ausführlichere Beschreibung eines dieser Gräber, das noch heute von den Reisenden besucht wird, weil durch eine wunderbare Fügung des Schicksals sein alter Plan uns erhalten geblieben ist, welchen der ägyptische Architekt, der mit der Ausführung dieses Grabbaues beauftragt war, auf einen Papyrus hingemalt hatte. Der Plan mit seinen Beischriften und Maßangaben ist fast vollständig erhalten. Die berühmte Papyrusrolle befindet sich im Museum zu Turin. Nach diesem Aufriß antiken Datums, der nur mit geringfügigen Ausnahmen mit dem vorliegenden Risse nach heutigen Aufnahmen übereinstimmt, folgen zunächst vier Korridore in gleicher Richtungsachse. Der erste, welcher den eigentlichen Eingang in das Grab bildet, ist von geringer Länge. Von ihm aus geht der Weg abschüssig bis zum vierten hin, für den bequemeren Transport des Sarkophages hergerichtet; dann folgt ein fünftes Zimmer, sonderbarerweise das „Wartezimmer“ benannt (in welchen man etwas warten soll, bevor man das folgende betritt); hierauf Zimmer sechs, in welchem der Sarkophag in der Mitte steht oder das Zimmer des „goldenen Saals“. [Illustration: =Ein Königsgrab aus dem Neuen Reiche.= Vertikaldurchschnitt.] [Illustration: =Ein Königsgrab aus dem Neuen Reiche.= Horizontaldurchschnitt. 1-4 Korridore. -- 5 Der Wartesaal. -- 6 Der goldene Saal. -- 7 Korridor. -- 8 Die Schatzkammer.] Im Hintergrunde desselben erscheint eine neue Fortsetzung der saalartigen Räume als Nr. 7 oder das „Zimmer der Statuetten oder Statuen“ und zuletzt ein Zimmer (Nr. 8), die „Schatzkammer“. Die Namen dieser am Schlusse der Reihe aufgeführten Anlagen beweisen, daß man es hier mit bestimmten Gegenständen zu thun hat, die in den einzelnen Gemächern niedergelegt waren. Im Zimmer 6, dem „goldenen Saale“, befand sich meist alles, was dem Könige im Leben angehört hatte: sein Mobiliar, seine Waffen, seine Stöcke, seine Keulen, seine Peitschen, seine für Speise und Trank bestimmten Geräte u. s. w. Was er im Leben zum eigenen Gebrauch besessen oder getragen hatte, bis zu den Perücken hin, wurde nach seinem Tode in diese Grabkammer gelegt. In diesem selben Zimmer standen die Gegenstände um den Sarkophag herum, während die Leiche, in eingeschachtelten Holz- und Kartonsärgen liegend, mit Kränzen und Blumenzweigen bedeckt ward. Im Zimmer 7, welches zwei Seitenkammern zeigt, befanden sich wahrscheinlich Statuetten und zwar jene bekannten Osiris-Statuetten, welche das Porträt des Königs trugen, aber den Gott Osiris darstellten. Wiederum ist er in dieser Auffassung mit der Gottheit identifiziert, nur mit dem Unterschiede, daß er in der Gottheit aufgegangen erscheint. Denn die Sonne als Gottheit heißt bei Nacht Osiris, bei Tage Râ. Das Zimmer Nr. 8 enthielt dem Anscheine nach kostbare Gegenstände, welche zum Schatze des Königs gehören mußten, ohne daß wir genauer wissen, welcher bestimmten Art sie waren. Solche Gräber stehen heutzutage fünfundzwanzig offen; natürlich ist von dem ehemaligen beweglichen Inhalte derselben keine Spur mehr vorhanden. Alles ist vor langen Zeiten hinausgetragen worden, und zwar nicht erst durch die Römer und Araber, welche absichtlich oder zufällig die Gräber geöffnet hatten, sondern von den alten Ägyptern selbst. So groß die Pietät derselben gegen die Toten war, so konnte diese doch nicht verhindern -- kommt es ja doch auch in unseren aufgeklärten Zeiten vor -- daß sich Spitzbuben dahinter her machten, um die Königsgräber zu öffnen und die wohlgeborgenen Schätze zu stehlen. Diese traurige Thatsache, auch wo, wann und durch wen solches geschah, ist durch alte Prozeßakten auf Papyrus bezeugt, die noch heutzutage vorhanden sind. Sogar in Wien befindet sich ein dahin gehöriges Stück in der kaiserlichen Ambrasersammlung. Wir erfahren daraus, daß Diebe um das Jahr 1100 v. Chr. unter der Regierung eines Königs Ramses IX. einzelne der Gräber erbrochen hatten und Sachen aus der Grabkammer herausgenommen, ja selbst die königlichen Leichen nicht unangetastet gelassen, mit einem Worte Sacrilegia begangen hatten, wie sie durch die ägyptischen Gesetze auf das schärfste verboten und bestraft wurden. Darüber entspann sich ein großer Prozeß, die Diebe wurden verhört, es wurden Gerichtssitzungen gehalten und das Urteil gefällt. Das ist das älteste Beispiel von der Beraubung der Gräber in den ägyptischen Zeiten selber und von dem ausgedehnten Prozeß, der gegen die Diebe angestrengt wurde. Es steht fest, als Strabo, der berühmte griechische Schriftsteller, Ägypten besuchte und nach Theben kam, standen in Theben vierzig Gräber der Könige offen da, in die man nach Belieben eintreten konnte. Daß dies in der That der Fall war, wird heutzutage dadurch bewiesen, daß wir in den Königsgräbern über hundert griechische und lateinische Inschriften finden, welche von Reisenden der klassischen Zeit herrühren und anführen: an dem und dem Tage habe ich, der Sohn des und des, die Gräber besucht und habe an meine Frau und meine Kinder gedacht, oder irgend ein anderer Zusatz. Wir lernen daraus den Eindruck kennen, den der Anblick dieser merkwürdigen königlichen Grabstätten auf die Fremden ausübte, so daß sie beim Anblick dieser Pracht nicht umhin konnten, ihrer Familie und ihrer Freunde zu gedenken. Heutzutage sind von vierzig Gräbern, die Strabo gesehen hat, nur fünfundzwanzig zugänglich. Es müssen also noch andere Gräber verborgen sein, welche seitdem verschüttet worden sind, um nicht hineinzudringen. Da, im Juli 1881, ereignete sich folgendes: Man hatte vorausgesehen -- man konnte ja nicht anders -- daß der Inhalt jener Gräber, die heute offen stehen, schon in uralten Zeiten von Räubern gestohlen war, daß man sich aller jener Gegenstände bemächtigt hatte, die sich darin fanden, so daß wir jetzt natürlich keine Spur mehr von dem ehemaligen Inhalt dieser Gräber vorfinden würden. Könige, wie Ramses II., der berühmte Sesostris der Griechen, und seine Vorgänger und Nachfolger, waren längst in Staub zerfallen. Wer sollte ahnen, daß sie heutzutage noch in ihren letzten Resten vorhanden sein würden? Schon vor sechs oder sieben Jahren hatten wissenschaftliche Reisende und meine Wenigkeit selber oftmals bei einem Besuche von Theben Gelegenheit, auf Altertümer zu stoßen, welche der verschiedensten Art angehörten und Inschriften trugen, die darauf hinwiesen, daß es sich hier um Könige handle, die in den Gräbern von +Biban-el-moluk+ -- so heißt dieses Totenthal im Munde der Araber -- beigesetzt worden waren. Es kamen Namen der seltensten Pharaonen vor, am häufigsten auf den Osiris-Statuetten, welche sich auf die verschiedensten Könige der thebanischen Dynastieen bezogen, besonders auf die 21. der sogenannten Priesterkönige, von welchen massenhaft von mehreren Arabern nach rechts und links veräußert wurden. Ich selbst hatte Gelegenheit, bei einer Reise nach Oberägypten den Sargkasten und die Mumie eines Königs zu sehen, der dieser thebanischen Priesterdynastie angehören mußte. -- Ich habe sogar flüchtig eine Kopie aufgenommen, konnte aber damals nichts thun, um herauszufinden, wer den Sarg verkauft habe und woher er stamme, da er sich im Besitze eines hohen Reisenden befand. Es war im Juli 1881, als nach diesen Vorgängen infolge obrigkeitlicher Einmischung durch Drohungen und Versprechungen einem jener Araber das lang bewahrte Geheimnis abgedrungen ward. Er gab eine genaue Beschreibung des Fundortes der Gegenstände jenes königlichen Nachlasses und erklärte sich bereit, der ägyptischen Behörde den Zugang zu der kostbaren Fundgrube zu öffnen. [Illustration: =Aufgebahrte Mumie des Osiris.=] Am 6. Juli 1881 wurde Herr E. Brugsch, mein jüngerer Bruder, und sein arabischer Sekretär Ahmed Effendi Kamal, gleich nach ihrer Ankunft in Theben, wohin sie sich auf Befehl des Chediws von Kairo aus begeben hatten, von dem eben erwähnten Verräter des Versteckes, welcher den glorreichen Namen Mohammed Ahmed Abd-er-rassul trägt, nach dem geheimnisvollen Orte geführt. „Der altägyptische Ingenieur, bemerkt Herr Maspero, der gegenwärtige Direktor des Museums von Bulak, welcher einst den Versteck in dem Felsengrunde hat ausmeißeln lassen, war bei seinem Unternehmen in der geschicktesten Weise verfahren; niemals wurde ein Versteck besser vor Entdeckung geschützt. Die Hügelkette, welche an dieser Stelle die Königsgräber von Bab-el-moluk von der thebanischen Ebene scheidet, bildet zwischen dem Assassif- und dem Thale der Gräber der Königinnen eine Reihe natürlicher Kessel, von denen der bekannteste derjenige ist, in welchem sich der Denkmalbau von Deir-el-bahari befindet. In der Felsmauer, welche Deir-el-bahari von dem nächsten Kessel trennt, genau hinter dem Schutthügel von Schech-Abd-el-Gurnah, etwa 60 Meter über der bebauten Ebene, hatte man einen senkrechten Brunnen von 11,5 Meter Tiefe gebohrt, bei einer Breite von 2 Meter. In der Tiefe des Brunnens, an der westlichen Wand, legte man die Öffnung zu einem Gange an, welcher 1,4 Meter breit und 80 Centimeter hoch ist. Nach einer Ausdehnung von 7,4 Meter wendet er sich plötzlich in die nördliche Richtung und läuft eine Strecke von ungefähr 60 Meter weiter, nicht immer mit Beobachtung der gleichen Maßverhältnisse. An gewissen Stellen erreicht er eine Breite von 2 Meter, an andern nur die von 1,3 Meter. Nach der Mitte zu bereiten fünf oder sechs schlecht ausgemeißelte Stufen auf eine deutlich wahrnehmbare Veränderung der Bodenhöhe vor. Nach der rechten Seite liefert eine Art unvollendet gebliebener Nische den Beweis, daß man einmal daran gedacht hatte, die Richtung des Ganges zu verändern. Der letztere führt schließlich zu einem länglichen viereckigen, unregelmäßigen Gemache von ungefähr 80 Meter Länge. „Der erste Gegenstand, welcher Herrn E. Brugsch frappierte, als er bis zur Tiefe des Brunnens hinabgestiegen war, bestand in einem weiß und gelb ausgemalten Sargkasten, mit dem Eigennamen Nibsonu darauf. Er lag in dem Gange, ungefähr 60 Centimeter von der Eingangsöffnung entfernt. Ein wenig weiter davon traf er auf einen Sarg, dessen äußere Gestalt an den Stil der 17. Dynastie (um 1800 v. Chr.) erinnerte, dann auf den Sarg der Königin Tiua-hathor Honttaui und darnach auf den Sarg des Königs Seti I. Über den Särgen und auf dem Boden zerstreut lagen Kästen mit Totenstatuetten, Kanopen, Spendenkrüge aus Bronze, und ganz im Hintergrunde, in dem Winkel, welchen der Gang bei seiner Biegung nach Norden bildet, das Leichenzelt der Königin Isimcheb, zusammengefaltet und zerknittert, als ob es ein wertloser Gegenstand gewesen wäre, den ein Priester bei seiner Hast bald hinauszukommen, nachlässig in eine Ecke geworfen hätte. „In dem großen Gange herrschte der ganzen Länge nach dieselbe ordnungslose Aufhäufung von Gegenständen. Man mußte kriechend vorwärts zu kommen suchen, ohne zu wissen, wohin man die Hände legte und die Füße setzte. Die Särge und die Mumien, bei dem matten Scheine eines Kerzenlichtes nur flüchtig und halbwegs erkannt, trugen geschichtliche Namen: Amenophis I., Thutmos II., in der Nische neben der Treppe: Ahmos I. und sein Sohn Siamon, Soknunra, die Königinnen Ahhotpu, Ahmos-Nofritari und andere. In dem Zimmer in der Tiefe hatte das Durcheinander seinen höchsten Grad erreicht, aber man erkannte beim ersten Blicke allenthalben den vorherrschenden Stil der 20. Dynastie. Der Bericht Mohammed Ahmed Abd-er-rassuls, der anfänglich übertrieben schien, war nur ein schwacher Ausdruck der Wirklichkeit. Wo ich zwei oder drei glanzlosen Kleinkönigen zu begegnen glaubte, hatten die Araber ein vollständiges Grabgewölbe von Pharaonen aufgegraben. Und von welchen Pharaonen! die vielleicht allerberühmtesten der Geschichte Ägyptens: Thutmos III. und Seti I., Ahmos der Befreier und Ramses II. der Eroberer. Herr E. Brugsch glaubte das Spielwerk eines Traumes zu sein, unversehens in eine ähnliche Gesellschaft hineinzufallen, und wie er, so frage ich mich immer noch selber, ob ich wirklich nicht träume, wenn ich sehe und berühre, was der Körper von so viel hohen Personen war, von denen man nur die Namen zu kennen glaubte. „Zwei Stunden genügten für die erste Durchsuchung, darauf begann die Arbeit der Bergung. Dreihundert Araber wurden durch Vermittlung des Mudirs (Gouverneurs der Provinz) zusammengetrommelt und machten sich ans Werk. Der Dampfer des Museums, der in größter Eile verlangt wurde, war noch nicht angekommen; aber man hatte einen der Piloten, Rëis Mohammed, bei der Hand, auf welchen man zählen konnte. Er stieg in die Tiefe des Brunnens hinab und machte sich daran, den darin befindlichen Inhalt hervorzuholen. Herr Emil Brugsch und Ahmed Effendi Kamal übernahmen die Gegenstände, je nachdem sie aus der Erde hervortraten, trugen sie bis zum Fuße des Hügels und legten sie reihenweise nebeneinander hin, ohne in ihrer Überwachung einen Augenblick nachzulassen. Achtundvierzig Stunden energischer Arbeit waren erforderlich, um alles hervorzuholen. Aber die Aufgabe war nur zur Hälfte gelöst. Der Leichenzug der alten Pharaonen in ihren Särgen mußte seinen Weg mitten durch die thebanische Ebene nehmen, um jenseits des Nils bis zu dem Dorfe Luxor zu gelangen. Mehrere von den Särgen, welche zwölf bis sechzehn Männer kaum zu tragen vermochten, brauchten sieben bis acht Stunden von dem Gebirge aus bis zum Flusse. Dabei wird man sich leicht vorstellen können, was dieser Weg bei dem Staube und der Julihitze bedeuten mußte. „Endlich gegen Abend des 11. Juli waren alle Mumien und Särge in Luxor bei einander, sorgfältig eingewickelt in Matten und Leinenzeug. Drei Tage später kam der Dampfer des Museums an. Nachdem die notwendige Zeit für die Verladung nach Bulak verstrichen war, kehrte er sofort mit seiner Fracht von Königen nach Bulak zurück. Und sonderbar! von Luxor an bis zur Stadt Kuft hin, auf beiden Uferseiten des Nils, folgten die Fellahfrauen mit aufgelöstem Haare und unter Klagegeschrei dem Dampfer und die Männer feuerten Flintenschüsse ab, wie es bei Leichenbegängnissen ihre Gewohnheit ist. Mohammed Ahmed Abd-el-russul hat sich 500 Pfund Sterling verdient und ich habe ihn zum Aufseher der Nachgrabungen in Theben ernennen zu müssen geglaubt. Wenn er dem Museum mit gleicher Geschicklichkeit dient, wie er lange Zeit hindurch demselben schlechte Dienste geleistet hat, so können wir noch auf einige schöne Entdeckungen hoffen. -- Mit so thätigen und ergebenen Leuten als die sind, welche ich gegenwärtig habe, ist es mir wohl erlaubt, glaube ich, auf Erfolg im voraus zu rechnen. Die Energie des Herrn Emil Brugsch, den Schwierigkeiten und mehr als das, den wirklichen Gefahren der Lage gegenüber, ist keinen Augenblick ermattet. Weder er, noch Ahmed Effendi Kamal, haben sich bis jetzt von ihren Anstrengungen völlig erholt. Es ist mir angenehm, ihnen öffentlich für den ausgezeichneten Dienst zu danken, den sie dem Museum und der Wissenschaft erwiesen haben.“ Die nach dieser lebendigen Schilderung folgende allgemeine Beschreibung der gefundenen Altertümer giebt eine historische Übersicht der Funde, die in zwei große Klassen unterschieden werden. Zur ersten gehören ungefähr zwanzig Särge, zum größten Teil bereits im Altertume ausgebessert oder zerbrochen -- sie lassen den Stil der 18. und 19. Dynastie erkennen -- zur letzteren die Särge, welche ein gleichförmiges Äußeres zeigen und der 20. Dynastie entstammen. Ich lasse die Aufzählung der einzelnen nachstehend folgen. Särge der ersten Gruppe: 1. Sarg des Königs Soknunra Tinaken der 17. Dynastie. Die Mumie des Königs (1,85 Meter lang) ist in einen groben Stoff eingewickelt, ohne eine sichtbare Aufschrift. 2. Sarg der Dame Raai, Amme der Königin Nofritari. Die Mumie ist aus demselben verschwunden und ersetzt durch den Körper der „Königin-Mutter Ansri“, eine Zeitgenossin des vorhergenannten Königs. Länge desselben 1,8 Meter. 3. Sarg des Königs Ahmos I. samt der Mumie (1,67 Meter lang). 4. Riesiger Sarg (3,17 Meter lang) der Königin Nofritari, Gemahlin des Königs Ahmos I., samt dem zugehörigen Einsatz. Mumie der Königin 1,68 Meter lang. 5. Sarg des Königs Amenhotpu I. (Amenophis) samt der Mumie. Letztere 1,65 Meter lang. 6. Sarg mit der Mumie des Prinzen Siamun, ältesten Sohnes des Königs Ahmos I. Länge der Mumie 0,9 Meter. 7. Sarg der Prinzessin Sitamun. 8. Sarg des „Majordomus der Königin“ Sonu, später für die Königin Miritamun bestimmt. 9. Sarg mit der Mumie der Prinzessin Sitka (1,58 Meter lang), zugleich als „Mutter eines Königs und als Schwester und Hauptgemahlin des Königs“ bezeichnet. 10. Sarg mit der Mumie der Königin Honttimhu, Tochter des Pharao Amenophis I. 11. Sarg einer Prinzessin Namens Mashonttimhu, vielleicht der Tochter der Vorhergehenden. 12. Sarg der Königin Ahhotpu. Länge der Mumie 1,56 Meter. 13. Sarg des Königs Thutmos I. mit der Mumie Königs Pinotem. Der Körper des Erstgenannten nicht mehr vorhanden. 14. Sarg und Mumie (1,77 Meter lang) Königs Thutmos II. 15. Kleiner Holzkasten, mit Elfenbein ausgelegt, auf den Namen der Königin Haitschepsu lautend. 16. Sarg und die in drei Stücke zerbrochene Mumie des großen Eroberers Thutmos III. 17. Sarg, ehemals die Mumie des Königs Ramses I. enthaltend. Letztere noch nicht wiedererkannt. 18. Sarg und Mumie (1,75 Meter lang) Königs Seti I., Vaters des großen Sesostris. 19. Sarg und Mumie (1,8 Meter lang) Pharaos Ramses II. -- Sesostris der Griechen -- Adoptivvaters des jüdischen Gesetzgebers Moses. Außer diesen königlichen Särgen und Mumien sind mehrere andere von hohen Beamten gefunden worden, sowie eine Menge verschiedenartigster Gegenstände, welche derselben Periode angehören. Die zweite Gruppe der königlichen Särge und Mumien gehören der 20. Dynastie an (1100-1000 v. Chr.), in welcher die „Oberpropheten des Amon“, der Lokalgottheit Thebens, sich auf den Thron gesetzt hatten. Es sind dies die sogenannten Priesterkönige, Zeitgenossen Davids und Salomos. Die aufgefundenen Särge und Mumien der verschiedensten Glieder dieser Priesterfamilie sind der Reihe nach folgende: 1. Sarg und Mumie der Königin Notemit (1,65 Meter lang). 2. Sarg Königs Pinotem, die Mumie darin 1,54 Meter lang. 3. Sarg des Oberpropheten und Generals Pinotem. Die Mumie 1,72 Meter lang. 4. Sarg und Mumie der Königin Tiua-hathor Honttaui (1,55 Meter lang). 5. Sarg und Mumie des Oberpropheten und Generals Masahirti (1,7 Meter lang). 6. Sarg und Mumie der Königin Makera (1,5 Meter lang) und ihrer bei der Geburt gestorbenen Tochter Mutemhat (0,42 Meter lang). 7. Sarg und Mumie der Königin Isimcheb (1,62 Meter lang). 8. Sarg und Mumie einer Sängerin des Amon (1,62 Meter lang), Namens Tanhirit. 9. Sarg des Richters und Schreibers Nibsoni. 10. Sarg der Prinzessin Nsi-chonsu (Mumie 1,66 Meter lang). 11. Drei Särge (eingeschachtelt) mit der Mumie (1,77 Meter lang) des Prinzen Zotptahefanch. Schließlich drei Särge, deren einstige Besitzer sich nicht nachweisen lassen. Während die Särge der ersten Gruppe fast gar keine Gegenstände des Totenkultus in ihrer Umgebung erkennen lassen, zeichnen sich die eben aufgezählten durch den Reichtum ihrer besonderen Ausstattung aus. Kisten voller Totenstatuetten, Spendenkrüge, Becher aus buntem Glase, Körbe voller Perücken, andere mit einbalsamiertem Fleische von Opfertieren, Früchte, Kanopen, Totenleinwand und vieles andere mehr ward neben und auf den einzelnen Särgen aufgefunden. Selbst eine einbalsamierte Gazelle, das Lieblingstier einer der Prinzessinnen, fand sich in einem Sargkasten in dem unterirdischen Verstecke vor. Die sehr natürliche Frage, wie es komme, daß die Särge und Mumien der oben genannten Könige der ersten Gruppe, deren heute offen stehende Gräber von allen Reisenden in dem Königsgräberthale von Bab-el-meluk besucht und bewundert werden, in diesem unterirdischen Versteck neben den späteren Priesterkönigen der 20. Dynastie ihren letzten Ruheplatz gefunden haben, wird von Herrn Maspero scharfsinnig in einer Weise beantwortet, der man seine Zustimmung nicht versagen dürfte. Es ist bewiesen durch vorhandene schriftliche Zeugnisse, daß in den Zeiten der 20. Dynastie, zwischen 1200 und 1100 v. Chr., mit dem beginnenden Verfall der ägyptischen Großmacht die zunehmende Verarmung der einst so reichen Bevölkerung Thebens ganze Banden von Diebsgenossen erzeugte, welche es sich zur Aufgabe stellten, die Gräber der alten Könige zu öffnen, die Mumien derselben ihrer Schmucksachen zu berauben und die darin enthaltenen Gegenstände von Wert zu stehlen. Unter den letzten Ramessiden nahm diese Raublust bereits bedenkliche Dimensionen an. Die Diebe hatten sich in mehrere Gräber den Eingang zu verschaffen gewußt, daraus geplündert, was zu plündern war und selbst die Heiligkeiten der königlichen Leichen nicht geschont, indem sie dieselben in Stücke gebrochen oder mit sich fortgeschleppt hatten. Unter den Priesterkönigen stand das Diebsgewerbe in den Königsgräbern im höchsten Flor. Zeitweise wurden deshalb von den erwähnten Königen Kommissionen ernannt, welchen die Aufgabe zufiel, die Gräber zu untersuchen und die zerfallenen oder beschädigten Teile der Särge restaurieren zu lassen. Einzelne Inschriften auf den gefundenen Särgen der Könige der älteren Epoche bezeugen diese Thatsache ausdrücklich. Schließlich blieb nichts anderes übrig, als die Särge und Leichen der Pharaonen, welche sich in dem weit abgelegenen, schwer zu bewachenden Totenthale von Bab-el-moluk in ihrem ehemaligen Hypogeen befanden, nach der thebanischen Ebene zu überführen und sie in dem sehr wohlversteckten, wenn auch bescheidenen Familiengrabe der Priesterkönige in Deir-el-bahari ein für allemal vor Beraubung und Beschädigung zu schützen. Hier fanden die großen Pharaone mitten unter den einzelnen Mitgliedern der Familie der Priesterkönige drei Jahrtausende lang ihre Ruhestätte, bis auch sie wieder von den modernen Thebanern aufgespürt wurden, um zuletzt in gemeinsamer königlicher Gesellschaft die Wanderung auf dem Dampfer nach dem Museum in Bulak anzutreten. Einer mehr als wunderbaren Fügung des Schicksals verdanken wir die Erhaltung und Auffindung der irdischen Überreste einer ganzen Reihe königlicher Personen, von denen mehrere durch ihren Ruhm die Welt erfüllt hatten und deren Gedächtnis bis zu den Zeiten des klassischen Altertums, wenn auch in sagenhaftem Gewande, treu bewahrt war. Ist auch der geschichtliche Gewinn, welcher mit diesem kostbaren Funde in Verbindung steht, kein so bedeutender, wie man ursprünglich zu erwarten berechtigt war, so müssen dennoch die aufgefundenen königlichen Leiber als geschichtliche Reliquien ersten Ranges gelten, denen sich der Sohn der Neuzeit nur mit höchster Achtung nahen sollte. Gegenüber den Mumien eines Thutmes III. und eines Ramses-Sesostris hört das Staunen auf und das Gefühl unbeschreiblichster Ehrfurcht tritt an seine Stelle. Alle Zeitunterschiede scheinen im Anblick jener leibhaftigen Gestalten wie ausgelöscht und man möchte den Historiker Lügen strafen, welcher erzählt, daß mehr als dreitausend Jahre uns von den Zeiten jener Könige trennen, deren Körper wir mit unseren Händen berühren. Die Ägypter, wie ich zum Schlusse es noch ausführen möchte, waren durchaus keine Trappisten, wie man nach Schilderungen einzelner Schriftsteller des Altertums zu glauben berechtigt ist. Weil sie aber ein weises und kluges Volk waren, räumten sie der heiteren Seite des Daseins und den unschuldigen Freuden des Lebens einen weiten Platz neben dem Glauben an die feste Stütze ihrer Gottesverehrung und an die Fortdauer der menschlichen Seele nach dem Tode ein. Die fast übermütige Heiterkeit des Gemütes der alten Ägypter spricht sich deutlich in den Darstellungen und Inschriften aus, welche die Wände der Grabkapellen zu bedecken pflegten und welchen sämtlich der Gedanke zu Grunde lag, daß die Gottheit die Freuden des Daseins geschaffen habe, um sie während des Daseins zu genießen. Als der griechische Reisende Herodot um die Mitte des fünften Jahrhunderts v. Chr. Ägypten besuchte und im Verkehr mit den damaligen Bewohnern des Landes vielfach Gelegenheit hatte, ihre Sitten und Gewohnheiten kennen zu lernen, entging ihm nicht die eigentümliche Art und Weise, in welcher sie selbst bei den Gastmahlen zum Genuß der Lebensfreude sich auffordern ließen. „Bei den Gastgeboten ihrer Reichen,“ so erzählt der Grieche, „trägt ein Mann, wenn sie abgegessen haben, in einem Sarge ein hölzernes Totenbild herum; das ist sehr natürlich bemalt und gearbeitet und ist gewöhnlich eine Elle groß oder auch zwei Ellen und zeigt es einem jeglichen der Gäste und spricht: Betrachte diesen und dann trink und sei fröhlich, denn wenn du tot bist, so wirst du sein gleichwie dieser. Also thun sie bei ihren Gastgelagen.“ Als der griechische Genius die leuchtende Fackel der Aufklärung schwang und eine neue Welt und ein neues geistiges Leben den uralten Glauben der ägyptischen Altvorderen zurückdrängte in die steinernen Denkmäler der Vorzeit, da fand die Lehre von der Zukunft des Menschen ihren herbsten und trübsten Ausdruck in der oftmals ausgesprochenen Überzeugung von dem Ende des Daseins nach dem Tode ohne die fröhliche Hoffnung auf ein Fortleben in der Welt des Jenseits. Die Ägypter waren irre geworden an ihrem Glauben, denn das griechische philosophische Wissen hatte den Zweifel in ihre Herzen eintreten lassen. Die Inschriften dieser Zeit gestatten uns bisweilen Einblicke in die veränderte Anschauung von dem Leben nach dem Tode, die uns durch Form und Inhalt noch heutigen Tages auf das höchste überraschen müssen. Ich erinnere vor allem an den Schwanengesang einer vornehmen, schönen und geistvollen Ägypterin Namens Taimhotep, die im Alter von dreißig Jahren im Jahre 42 v. Chr. zu Memphis als die Gattin des Oberpriesters Paschirenptah gestorben war. Ihr eigener Bruder Imhotep, ein gelehrter Priester von derselben Stadt Memphis, widmete ihr ein besonderes Denkmal, welches gegenwärtig in Paris aufbewahrt wird. Die auf demselben befindliche Inschrift legt gegen den Schluß der verstorbenen Dame die folgenden an ihren hinterbliebenen Mann gerichteten Worte in den Mund: „O, mein Bruder und mein Gatte und mein Freund, du Oberpriester von Memphis! Höre nimmer auf zu trinken und zu schmausen, dich zu berauschen in süßer Minne und fröhliche Feste zu feiern. Handle nach dem Wunsche deines Herzens und laß nicht eintreten die Bekümmernis in deine Seele, so viel der Jahre du noch auf Erden weilen wirst. Denn der Westen (die Stätte der Toten) ist eine Welt voll Schlaf und Finsternis, ein schwerer Sitz für die Toten. Sie schlummern darin in ihrer leibhaftigen Körpergestalt und wachen nicht auf, um ihre Geschwister zu schauen. Sie erkennen nicht ihren Vater noch ihre Mutter und leer ist ihr Herz von der Sehnsucht nach ihren Weibern und nach ihren Kindern. Das lebendige Wasser auf Erden ist für jeden bestimmt, welcher darauf lebt. Nur ich durste nach dem Wasser, welches zu dem kommt, der auf der Erde weilt. Ich durste und das Wasser ist mir nahe, aber ich vermag nicht mehr zu erkennen, wo ich bin, seitdem ich betreten habe diese Grabeswelt. „Reiche mir Wasser, der du eintrittst, sprich zu mir: niemals bleibe dir fern das Wasser! wende mein Angesicht nach der Nordseite am Ufer des Stromes und laß sich abkühlen mein Herz in seinem Leide. Hier weilt ein Gott, dessen Name All-Tod-kommt lautet, denn er ruft alle zu sich und sie kommen zu ihm und geben ihre Seele dahin angsterfüllt vor seinem Schrecken. Nicht schaut er sie an, ob sie göttliche oder menschliche Wesen sind. Groß und Klein ist in seiner Hand und niemand vermag sich seiner zu erwehren.“ Die Inschrift mit ihrer Grabesmelancholie ist echt ägyptisch, denn ein gelehrter Priester von Memphis war ihr Verfasser, aber der alte Geist und der Glaube der ägyptischen Vorzeit spricht nicht mehr aus ihr. Tiefe Verzweiflung eines zerrissenen Herzens ist der Grundton des ganzen Textes, der sich an das Irdische anklammert, um die Qualen des Todes zu vergessen. Der Glaube der Väter war durch die griechische freie Forschung auf das ärgste erschüttert worden. Ägypten hatte damit den Todesstoß empfangen, der seinem geistigen Dasein ein jähes Ende bereitete. Nur die steinernen Inschriften und die erhaltenen Leiber der Vorfahren sind heutzutage die einzigen Zeugen, daß einstmals jener alte Glaube von der Kraft der vollsten Überzeugung gehalten und getragen ward. Und darin liegt die geistige Bedeutung der ägyptischen Funde. [Illustration] Die großen Ramessiden. Das in diesem Jahre ausgegebene Bulletin des ägyptischen Institutes zu Kairo (2. Folge Nr. 7) enthält das genaue Protokoll, welches in Gegenwart des Vicekönigs von Ägypten, seiner Minister und einer Anzahl hochgestellter Persönlichkeiten, darunter Sir Henry Drummond Wolf bei der Eröffnung der Mumien der Könige Ramses II. (des bekannten Sesostris der klassischen Schriftsteller) und Ramses III. aufgenommen und amtlich publiziert worden ist. Es trägt als Datum den 1. Juni 1886, 9 Uhr morgens. Die erwähnten, zu Theben in Der-el-Bahari in einem Massengrabe entdeckten Mumien, welche heute zu Tage im Museum von Gizeh nebst den übrigen Mumien königlicher Herkunft aufbewahrt werden, tragen die Nummern 5229 und 5233. Eine Inschrift in schwarzer Tinte auf der äußeren Leichenumhüllung, in der Brustgegend, der Mumie Nr. 5233, setzte die Thatsache außer Zweifel, daß der einbalsamierte Körper wirklich der Person des weltberühmten Sesostris angehört habe. Das Protokoll fährt nach dieser Feststellung wörtlich fort: „Nachdem das Vorhandensein dieser Inschrift durch S. H. den Chediw und die Versammlung der hochgestellten Personen im Saale beurkundet war, wurde die erste Umhüllung beseitigt und man entdeckte nach und nach eine Zeugbinde von etwa 0,20 Meter Breite, mit welcher der Körper umwickelt war, darauf ein zweites genähtes Leichentuch, von Stelle zu Stelle durch schmale Streifen zusammengehalten, dann zwei Lagen von Binden und ein Stück feiner Leinwand, das vom Kopf bis zu den Füßen reichte. Eine Abbildung der Himmelsgöttin Nuit, ungefähr ein Meter lang, ist mit roter und schwarzer Farbe darauf gezeichnet, wie es das Ritual vorschreibt. Das Profil der Göttin ist dem reinen und zarten Profil Königs Seti I. (Vaters Ramses II.), wie es die Denkmäler von Theben und Abydus zeigen, bis zum Verwechseln ähnlich. Ein neuer Streifen befand sich unter diesem Schutzbilde, darauf eine Leinwandlage, welche viereckig zusammengelegt war und Flecken der harzigen Substanz zeigte, deren sich die Einbalsamierer bedient hatten. Als man dieselbe beiseite geschoben hatte, kam Ramses II. zum Vorschein. „Er ist groß, wohl gebildet und von vollständigem Ebenmaß (1,72 Meter lang). Der Kopf ist länglich, doch klein im Verhältnis zum ganzen Körper. Der oberste Teil des Schädels liegt ganz bloß. Die Haare, spärlich an den Schläfen, verdichten sich nach dem Nacken zu und bilden förmliche glatte und regelrechte Flechten von etwa 0,05 Meter Länge. Weiß im Augenblick des Todes, haben sie durch den Einfluß der Spezereien eine hellgelbe Farbe angenommen. Die Stirn ist niedrig, schmal, die Augenbrauen treten im Bogen hervor, das Auge ist klein, die Nase lang, dünn, gradlaufend wie die Nase der Bourbonen, leicht eingepreßt durch den Druck bei der Umwickelung, die Schläfen sind hohl, der Backenknochen hervorspringend, das Ohr rund und vom Kopf abstehend, die Kinnlade stark und mächtig, das Kinn sehr lang. Der breit gespaltene Mund ist von dicken, fleischigen Lippen eingefaßt; er war mit einer schwarzen Masse angefüllt, von welcher ein mit dem Meißel abgelöster Teil einige sehr abgenutzte und bröcklige, aber weiße und wohl gehaltene Zähne erkennen ließ. Der dünne und während der Lebenszeit sorgfältig rasierte Bart war während der letzten Krankheit oder nach dem Tode gewachsen; die einzelnen Haare, weiß wie das Kopfhaar, aber hart und stachlig, sind zwei bis drei Millimeter lang. Die Haut ist von erdfahler gelber Färbung, mit schwarzen Flecken darauf.“ Alles zusammen genommen giebt das Gesicht der Mumie eine deutliche Vorstellung von dem Gesicht des lebenden Königs: ein wenig intelligenter Ausdruck mit einem leichten Anflug von Bestialität, aber Stolz, Eigensinn und ein Aussehen souveräner Majestät, welches noch unter der Einbalsamierungsschicht hervorbricht. Der übrige Teil des Körpers ist nicht weniger gut erhalten als der Kopf, doch hat die Verminderung der Fleischmasse das äußere Aussehen desselben weit beträchtlicher verändert. Der Hals hat nur noch den Durchmesser der Wirbelsäule. Die Brust ist breit, die Schultern sind hoch, die Arme über die Brust gekreuzt, die Hände fein und mit der Hennepflanze rot gefärbt, die Nägel sehr schön, bis zum Fleische hin beschnitten und so sorgfältig gehalten wie die einer eleganten Dame. Schenkel und Beine sind eingetrocknet, die Füße lang, dünn, etwas platt und wie die Hände mit Henne gefärbt. Die Knochen sind schwach und gebrechlich, die Muskeln infolge des zunehmenden Greisenalters geschwunden; man weiß in der That, daß Ramses II. viele Jahre lang mit seinem Vater Sati I., 67 Jahre allein regierte und somit beinahe als Hundertjähriger sterben mußte. Die Aufwickelung und Untersuchung der Mumie des Königs hatte kaum eine Viertelstunde Zeit in Anspruch genommen. Nach einer Pause von wenigen Augenblicken wurde gegen 10 Uhr die Mumie Nr. 5229 aus ihrem Glasbehälter herbeigeholt. Sie war in sauberer Weise mit einem orangefarbigen Zeugstoff umhüllt, der durch Binden aus gewöhnlicher Leinwand zusammengehalten war. Sie trug keine sichtbare Inschrift, man erblickte nur um den Kopf herum eine mit mystischen Figuren bedeckte Binde. Nach Beseitigung des orangefarbigen Stoffes gewahrte man auf dem Leichentuche aus weißer Leinwand, welches unmittelbar darunter lag, eine vierzeilige Inschrift: „Im Jahre 13, am 28. des zweiten Sommermonats, an diesem Tage kamen der erste Prophet des Götterkönigs Ammon Namens Pinotem, Sohn des ersten Ammonspropheten Pionch, der Tempelschreiber Zosersuchonsu und der Schreiber der Totenstadt Butehamon, um den verstorbenen König Usirmari-Mianum (Ramses III.) in seinem ehemaligen Zustand wieder herzustellen und ihn in Ewigkeit hin dauernd zu erhalten.“ Was man anfänglich für eine Königin (Nofritari) gehalten hatte, war somit die Leiche Ramses III. Nach Aufklärung dieses Punktes wurde Ramses III. auf seine Füße gestellt und in seiner Wickeltracht photographisch abkonterfeit. So kurze Zeit die Aufnahme erforderte, so lang erschien sie den gespannten Zuschauern. Die Aufwickelung eines der großen Eroberer der ägyptischen Geschichte begann inmitten allgemeiner Ungeduld. Alle hatten ihre Plätze verlassen und drängten sich unterschiedslos an die Operateure heran. Drei Bindelagen verschwanden schnell, dann bereitete eine mit Pech durchtränkte Lage von zusammengenähtem Cannevas ein Hindernis, das mit Hilfe des Meißels beseitigt wurde. Mitten durch die entstandenen Öffnungen waren neue Zeuglagen sichtbar. Die Mumie schien sich endlich unter den Händen aufzuschälen. Einige Leinwandstücke trugen Darstellungen und Inschriften mit schwarzer Tinte: der Gott Amon sitzt auf seinem Throne und eine Zeile Hieroglyphentext darunter belehrt uns, daß eine fromme Person der Zeit oder eine Prinzessin aus königlichem Blute sie habe herstellen und anbringen lassen. Die Inschrift lautet: „Von der Sängerin des Götterkönigs Amon, des Sonnengottes Faïlâ-atuimut, der Tochter des ersten Amonspropheten Piônch, auf daß der Gott ihr Leben, Gesundheit und Stärke schenken möge.“ Zwei Brustschilder lagen in den Falten des Zeugstoffes versteckt. Das erste, aus vergoldetem Holze, zeigte nur die gewöhnliche Darstellung der Göttin Isis und Nephthys, welche die Sonne anbeteten. Das andere war aus reinem Golde und gehörte Ramses III. an. Eine letzte Schicht aus verpichtem Cannevas, ein letztes Leichentuch aus rotem Zeugstoff und die lebhafteste Enttäuschung malte sich in den Zügen aller Umstehenden: das Gesicht war in eine feste Masse von Teer getaucht, welche das Erkennen des Gesichts unmöglich machte. Um 11 Uhr 20 Minuten verließ der Chediw den Saal. Die Operationen wurden am Nachmittag desselben Tages wieder aufgenommen und am Morgen des 3. Juni fortgesetzt. Eine neue Untersuchung der Binden ließ Inschriften auf zweien unter denselben erkennen. Die eine datiert vom Jahre 9, die zweite vom Jahre 10 des Oberpriesters Amons und Königs Pinotmu I. Das Pech, von einem Bildhauer am Museum durch vorsichtige Meißelhiebe losgelöst, verschwand allmählich. Die Züge sind weniger gut erkennbar als die Ramses II.; man kann indes bis zu einem gewissen Punkte das Porträt des Eroberers wieder zusammenstellen. Kopf und Gesicht sind fast vollständig abrasiert und zeigen keine Spur von Haar oder Bart. Die Stirn, ohne weder sehr breit noch sehr hoch zu sein, hat bessere Verhältnisse als die Ramses II.; der Bogen der Augenbrauen ist weniger stark, die Backenknochen springen weniger hervor, die Nase ist weniger gekrümmt, Kinn und Kinnbacken weniger schwer. Die Augen waren vielleicht größer, aber man kann nichts darüber fest behaupten. Die Augenlider waren ausgerissen gewesen, die Höhlung ausgeleert und nachher mit Lappen ausgefüllt. Das Ohr steht weniger vom Schädel ab als bei Ramses II., es ist durchbohrt zum Tragen von Ohrgehängen. Der Mund ist über Gebühr groß, die dünnen Lippen lassen weiße und gute Zahnreihen erkennen; der erste Backzahn auf der rechten Seite scheint halb zerbrochen oder schneller abgenutzt als die andern gewesen zu sein. Der starke und muskulöse Körper gehört einem Manne von 60 oder 65 Jahren an. Die runzelige Haut bildet hinten am Nacken, unter dem Kinn, an den Hüften und an den Gelenken außerordentlich große Falten, welche übereinander gelagert sind; der König war im Augenblicke des Todes fettleibig. Kurz, Ramses III. gleicht einer Nachahmung Ramses II. in verkleinertem und weicherem Maßstabe; die Physiognomie ist feiner, überhaupt intelligenter, aber der Wuchs ist weniger hoch, die Schultern weniger breit, die Stärke war geringer. Was er selbst der Person Ramses II. gegenüber, das ist seine Regierung der Regierung Ramses II. gegenüber: Feldzüge, nicht mehr auswärts, in Syrien oder Äthiopien, sondern an den Mündungen des Niles und an den Grenzen Ägyptens, Bauten, aber in schlechtem Stil und eilig ausgeführt, ein frommes Gepränge, aber mit weniger Mitteln, eine unbändige Eitelkeit und ein solches Verlangen es in allem seinem berühmten Vorgänger nachzuthun, daß er selbst seinen Söhnen und beinahe in derselben Reihenfolge die Namen der Söhne Ramses II. gab. Die Mumien beider Könige befinden sich gegenwärtig in ihren Särgen in einem Glaskasten des Museums von Gizeh in der Nähe von Kairo. Das Gesicht liegt frei und die berühmten Könige und Eroberer, deren Kriege und Siege im vierzehnten und dreizehnten Jahrhundert vor dem Beginn unserer Zeitrechnung die Wände ihrer noch erhaltenen Tempel in Theben schmückten, müssen es sich gefallen lassen, von neugierigen Reisenden als merkwürdige Antika betrachtet zu werden. Pyramiden mit Inschriften. Es ist heute eine ausgemachte Thatsache, daß die weltberühmten Pyramiden Ägyptens, welche sich in einer Ausdehnung von etwa fünf geographischen Meilen auf dem Ostrande der libyschen Wüste entlang ziehen, westlich von der untergegangenen Hauptstadt Memphis, den ältesten Königen der Welt einst als Grabstätten dienten. Über ihre Bauart und ihre Steinmassen ist kaum noch ein Wort zu verlieren. Bemerken wir nur nebenher, daß die größte derselben sich eines kubischen Inhalts von ungefähr sieben Millionen Schiffstonnen rühmen darf und das ist keine Kleinigkeit, mit einem Worte wir wissen, daß ihr massiger Bau darauf berechnet war, für die Leichen der Könige unzugängliche und unzerstörbare Grabkammern zu schaffen, deren Dauer in Ewigkeit hin bestehen sollte. Die Gänge und zwar von der Nordseite her, welche in das Innere der merkwürdigen Bauten bis zur Grabkammer führten, wurden an verschiedenen Stellen durch gewaltige Blöcke von Granit wie durch Fallgatter abgeschlossen, so daß es, besonders bei den größeren, gewaltiger Arbeiten bedarf, um den freien Eintritt wieder zu öffnen. Die ersten Araber, die nach der Besitznahme Ägyptens den Pyramiden ihre Aufmerksamkeit schenkten und ihren Besuch abstatteten, standen in dem Glauben, daß die ehemaligen Könige des Landes in den sonderbaren Bauten nur ihre Schätze verborgen haben konnten und sie scheuten deshalb weder Mühe noch Kosten, um jene Schätze zu heben. Freilich wurden sie in ihren Erwartungen gründlich getäuscht, denn sie entdeckten in dem innersten hohlen Kern der Pyramiden nur die einbalsamierten Leichen der königlichen Erbauer und statt des gehofften kostbaren Nachlasses fanden sie wenige Schmucksachen, Bildsäulen und Gegenstände des Totenkultus vor, denen allerdings heutigentags ein archäologisch hoher Wert zugeschrieben werden dürfte. Aber was wußte man im neunten und den unmittelbar darauf folgenden Jahrhunderten von der wissenschaftlichen Bedeutung derartiger Schätze des grauesten Altertums? Unsere junge und jüngste Zeit denkt anders darüber und die eingehendsten Untersuchungen über den Bau und die königlichen Erbauer so gewaltiger Grabdenkmäler haben bis zur Stunde die gelehrte Welt mit der Lösung noch mancher rätselhaft gebliebener Dunkelheiten darüber beschäftigt. Es muß jedoch ein Übelstand an dieser Stelle hervorgehoben werden, welcher anfangs den Forschungen auf diesem Gebiete besondere Schwierigkeiten in den Weg legte, ich meine den Mangel jeder inschriftlichen Überlieferung an der Außenseite oder im Innern der pyramidalen Bauwerke, welche Auskunft über die Namen und die Geschichte der königlichen Urheber oder über die Ansichten der ältesten Ägypter über das Leben nach dem Tode in Verbindung mit der Person des verstorbenen Pharao hätten geben können. Mit Ausnahme einiger weniger Einzelheiten, die indes auf die richtige Spur mehrerer königlicher Erbauer geleitet haben, ist so gut wie nichts an und in den Pyramiden entdeckt worden, bis endlich im Jahre 1880 eine ganze Gruppe dieser Grabdenkmäler ihr lang bewahrtes Stillschweigen brach und die beschriebenen Steinwände ihren Mund öffneten. Ehe ich darauf näher eingehe, will ich es nicht mit Stillschweigen übergehen, daß wir einem alten griechischen Schriftsteller, dem Vater der Geschichte, Herodot, die merkwürdige Angabe verdanken, daß sich an der Außenseite der größten aller Pyramiden, der des Königs Cheops, noch zu seiner Zeit, d. h. in der Mitte des fünften Jahrhunderts vor Christi Geburt, eine Inschrift befunden habe, welche angeblich vermeldete, wie viel an Rettichen, Zwiebeln und Knoblauch für die Arbeiter beim Bau der Pyramiden darauf gegangen sei, nämlich nach griechischem Geldwerte 1600 Talente Silbers oder 7544000 Mark. Da nach seinem Berichte zwanzig Jahre bis zur Vollendung der Pyramiden verstrichen waren, so hatten sich die täglichen Zehrungskosten auf nicht weniger als 1048 Mark belaufen, eine Summe, welche bei den billigen Preisen für die erwähnten Lebensmittel vor mehr als 5000 Jahren im Lande Ägypten eine außerordentlich große Zahl von Bauleuten voraussetzt. Aber die ganze Geschichte ist nicht einmal wahr, da auf keinem ägyptischen Denkmale eine ähnliche offizielle Überlieferung der Altzeit nachweisbar ist. Der Dolmetscher, welcher Herodot begleitete, hatte ihm eine Lüge aufgebunden und die Erklärung irgend einer Inschrift, deren Inhalt er selber nicht zu entziffern vermochte, in unverschämter Weise ausgesonnen. Im Januar des Jahres 1880 hatte der damals noch lebende Generaldirektor des ägyptischen Museums in Kairo, mein im folgenden Jahre verstorbener Freund Mariette Pascha die Öffnung einer jener verfallenen kleineren Pyramiden angeordnet, welche die Gruppe von Sakkarah bilden. Das also genannte Dorf liegt östlich davon, dicht am Rande der Wüste. +Mariettes+ Gesundheit war damals bereits in so hohem Grade erschüttert, daß er nicht mehr in der Lage war, den etwa vierstündigen Weg nach dem Standorte der Pyramide zurückzulegen. Er überließ es daher den findigen Arabern in seinem Dienste die Arbeit ohne europäische Leitung auszuführen. Die wackeren Leute entledigten sich dieser Aufgabe in trefflichster Weise, denn trotz aller Schwierigkeiten, die sich ihnen in dem Haupteingange entgegenstellten, drangen sie bis zur eigentlichen Grabkammer vor. Sie überzeugten sich zwar, daß dieselbe etwa tausend Jahre früher von ihren eigenen Landsleuten in Sakkarah bereits durchbohrt und vollständig ausgeraubt war, aber sie hatten wenigstens die Überraschung eine Pyramide eröffnet zu haben, deren innere Gänge und Grabkammer zum erstenmale die Anwesenheit einer unglaublichen Anzahl schön eingemeißelter hieroglyphischer Inschriften bezeugten. Nach den an Mariette mitgeteilten Abdrücken der Texte ergab es sich, daß die in Rede stehende Pyramide einem Könige angehöre, dessen wohlbekannter Name Pepi auf die Zeiten der 6. Dynastie (ca. 3000 v. Chr) hinwies. Mein verstorbener Freund wollte nicht an den Pharao dieses Namens glauben, da ihm eine beschriebene Königspyramide als eine Unmöglichkeit erschien. Er zog es vor den pyramidalen Bau als das Grab eines Privatmannes zu betrachten, dessen Name, nach sehr beliebten Mustern bei den alten Ägyptern, mit dem des Königs seiner Zeit gleichlautete. Gegen Ende des Jahres 1880, nach seiner Rückkehr aus Paris -- und zwar in hoffnungslosestem Zustande, denn ein Blutsturz hatte ihn gleich nach seiner Landung in Alexandrien überfallen -- fühlte er noch so viel Kraft in sich, unmittelbar nach seiner Ankunft in Kairo ein längeres Gespräch mit mir über jene Pyramide zu führen. Er drückte mir die Bitte aus, mich schleunigst nach Sakkarah zu begeben, wo nach den letzten Meldungen seiner Ausgräber eine zweite, wiederum beschriebene, Pyramide durchbrochen und geöffnet worden war. Es war kurze Zeit vor seinem Tode, am 4. Januar 1881, daß ich die kleine Reise in Begleitung meines Bruders antrat, um die neue Aufdeckung zu prüfen. Mit Hilfe der Araber und nicht ohne eigene Lebensgefahr zwängten wir uns beide durch die durchbohrte Öffnung -- die Steinblöcke über unsern Leibern zeigten eine höchst bedrohliche Lage, denn sie konnten bei der leisesten Berührung jeden Augenblick auf uns niederstürzen -- und erreichten durch einen langen Gang glücklich das Grabgemach. Die plötzliche Überraschung sollte dafür um so größer sein. Die Seitenwände des Ganges und der Grabeskammer zeigten ihrer ganzen Länge und Breite nach einen Reichtum hieroglyphischer, in den geglätteten Kalkstein eingemeißelter Inschriften, wie ihn ähnlich nur etwa die thebanischen Königsgräber von Biban el-moluk erkennen lassen. Überdies stand ein wohlerhaltener dunkelfarbiger Granitsarg in der einfachen Gestalt einer Lade an der westlichen Wand der Grabkammer und daneben lag die ihrer Umhüllung beraubte Mumie des Pharao, der sich nach altägyptischer Gewohnheit schon bei seinen Lebzeiten den Grabbau hatte ausführen lassen. Der Sarkophag, dessen Deckel zurückgeschoben war, zeigte in schöner Ausführung der Hieroglyphenschrift die Titel und Namen des Königs, die auch in den Wandinschriften in unzähliger Wiederholung an einzelnen Stellen mir entgegentraten. Sie bezeichnen den König nach seinen beiden Hauptnamen Merenre und Mehtisauf. Aus dem letzteren schuf das griechisch abgefaßte Königsbuch Manethos den König Methesuphis der 6. Dynastie. Die Hauptsache ward damit bewiesen: die beschriebene Pyramide gehörte einem Könige an. Auch dieses Grab war bereits von Arabern in den früheren Jahrhunderten geöffnet und seines beweglichen Inhaltes mit Ausnahme der nackten königlichen Leiche beraubt worden. Selbst einzelne Stellen der Wände hatte man durchschlagen, zum großen Schaden der darauf befindlichen Inschriften, in der Meinung, daß die vergeblich gesuchten Schätze dahinter verborgen sein müßten. Mariette starb und überließ seinem Nachfolger Maspero die Aufgabe, die in der Nähe befindlichen Pyramiden derselben Gruppe von Sakkarah zu durchbohren, um die Zahl der mit Inschriften bedeckten Pyramiden zu vergrößern und die Kenntnis der Namen von den darin meist bestatteten Königen zu vermehren. Das Ergebnis der Arbeiten war die Auffindung von neuen Texten im Innern mehrerer Pyramiden, von denen drei dem Königshause der 5. und 6. Dynastie angehörten. Keine einzige war indes unberührt geblieben, denn man fand in jeder die Spuren arger Verwüstung unter den Händen der früheren Eröffner. Herr +Maspero+, welcher später seine ägyptische Stellung aufgab, um nach Paris überzusiedeln, hat es sich seitdem angelegen sein lassen, die Abschrift sämtlicher in den beschriebenen Pyramiden aufgefundenen Texte zu veröffentlichen und mit einer fortlaufenden Übersetzung zu versehen. Wenn es auch noch nicht an der Zeit sein dürfte, eine Übertragung ohne Lücken und Fehler zu wagen, so muß ihm dennoch die Wissenschaft zu höchstem Danke verpflichtet sein, die Inschriften ohne Zeitverlust bekannt gemacht und den diesen Studien ferner stehenden Lesern die Gelegenheit geboten zu haben, eine wenigstens annähernd richtige Vorstellung ihres Inhalts zu gewinnen. Zunächst ist durch das Studium derselben die wichtige Thatsache festgestellt worden, daß die Sprache und Hieroglyphik, deutlicher gesprochen die malerische Seite der letzteren, einer Epoche entlehnt ist, welche den allerältesten Zeiten der ägyptischen Geschichte angehört und wahrscheinlich bis zum ersten König des Landes Menes hinaufreicht. Die Grammatik, der Wortschatz, die Satzverbindungen verraten die ersten litterarischen Anfänge der ägyptischen Sprache, die sich bemüht, des Ausdrucks Herr zu werden und die ärmlichen Mittel, die ihr zu Gebote stehen nach Möglichkeit auszunutzen. Was die geistige Ausbildung an treffender Kürze versagt, wird durch Umschreibungen, Wiederholungen, Vergleiche und Bilder ersetzt. Selbst das Wortspiel einer naiven Sprachanschauung und der äußere Klingklang erscheinen wie Hilfsmittel, um den Eindruck des Dichterischen oder Feierlichen hervorzurufen. Alles ist steif und unbeholfen, aber urwüchsig in seiner altertümlichsten Einfachheit bei den gebotenen Sprachmitteln. Eine wechselseitige Vergleichung der Inschriften, der erhaltenen oder nur noch in Bruchstücken vorhandenen, führt zu dem Schlusse, daß sie sämtlich einer Sammlung von Texten angehören, welche ganz allgemein die Bezeichnung „+das Buch+“ tragen. Aber dieses „Buch“ mit seiner ungeordneten Folge von Kapiteln oder Abschnitten, längeren und kürzeren, besaß nach der Meinung der uralten Weisen im Nilthale die geheimnisvollen Eigenschaften einer wirksamen Zauberei. Selbst eine spätere Zeit der ägyptischen Entwickelung, als die Sprache eine ausgebildetere und vollendetere Form gewonnen hatte und die schöne Litteratur im Märchen und Roman zum Durchbruch kam, hielt an dem unverständlichen Zauber „des Buches“ fest, sowie das Grab und das Dasein nach dem irdischen Tode ins Spiel kam. Denn darauf beruhte der Inhalt der Formeln und Beschwörungen, welche die Wände der Pyramidenkammern bedecken, mit bedauernswertem Ausschluß alles dessen, was die Zeitgeschichte der Könige betrifft. Nicht die Vergangenheit der großen Toten, die in ihren steinernen Truhen ruhten, sondern ihre Zukunft in einer anderen Welt bildet den Gegenstand der absonderlichen Texte, die nebenbei als ein Schutzmittel gegen die ankämpfende Vernichtung dienen sollten. Es ist dabei nicht zu übersehen, daß in den Texten der königliche Titel meist schwindet und nur der bloße Name seine Stelle findet. Man spricht von „diesem Pepi, diesem Mehtisauf“ u. s. w., ohne diesen Namen das Wort „König“ voranzusetzen, ein auffallender Umstand, der Mariette anfangs dazu verleitet hatte, die Pyramiden, von denen die Rede ist, nicht Pharaonen, sondern Privatpersonen zuzuschreiben. Der leitende Grundgedanke, welcher in dem „Buche“ in breitester Weise zur Entwickelung kommt, ist die Vorstellung, daß der Tote nach seinem Hinscheiden zu einem neuen Dasein ersteht. Als Vorbedingung dazu erscheint seine Einbalsamierung und Umhüllung nach vorgeschriebenem Brauche, sowie die Beigabe von Talismanen und sonstigen Schutzmitteln zur Erhaltung seines Leichnams. Auch seine nach dem Leben modellierten Bilder in Stein und Holz, welche in einem versteckten Raume des Grabes ihre Aufstellung fanden, gaben seinem Ich eine erneuerte Form in jener anderen Welt. Sie sicherten den Fortbestand seiner Persönlichkeit in einem himmlischen Ägypten. Speise- und Trankopfer, Räucherwerk und Salben galten als weitere notwendige Bestandteile der Grabausrüstung, und die gottesdienstlichen Gebräuche bei der Bestattung, welche von eigenen Totenpriestern ausgeführt wurden, hatten nicht minder die Bedeutung unfehlbar wirksamer Handlungen mit Bezug auf das Fortleben nach dem Tode in stiller Grabesnacht. Das „Buch“ berührt alles dies mit einer peinlichen Sorgfalt und Ausführlichkeit und es erscheint darum wie ein Ratgeber und Führer des Verstorbenen im unbekannten Jenseits. Und dieses Jenseits ist, wie gesagt, ein himmlisches Ägypten mit seinem Nile und seinen Kanälen, auf welchen die Gottheiten und die Verklärten einherwandeln oder in Barken dahinziehen. Die Gaue, Städte und Tempel des irdischen Ägypten tragen im himmlischen dieselben Namen, ja selbst die Seen und Meere sowie die den ältesten Ägyptern bekannten Gegenden des Auslandes kehren unter ihren gewöhnlichen Bezeichnungen in der Geographie des Jenseits wieder, nur mit dem Unterschiede, daß die Bewohner aus der Genossenschaft der Unsterblichen und „der Leuchtenden“ bestehen. An ihrer Spitze thront der Sonnengott, der Vater der Götter und Menschen, der sich an jedem neuen Morgen aus dem Ocean erhebt, um durch die eisernen Thore im Osten, welche der Erdgott unter donnerndem Geräusche öffnet und deren Lage in der Nähe der (himmlischen) Sonnenstadt +On+ gesucht wurde, seine tägliche Fahrt auf dem Nile anzutreten. Die Gegend des Sonnenaufgangs gewann gleichzeitig die Bedeutung einer Örtlichkeit für die Auferstehung der Verstorbenen und alle Mittel einer bilderreichen Sprache wurden aufgebraucht, um diese Vorstellung zur lebendigen Anschauung zu bringen. Bald wird das Aufsteigen in handgreiflichster Weise mit Hilfe einer Leiter vollzogen, auf welcher der Tote das Sonnenschiff erklimmt, bald wird die Auferstehung mit dem Aufgang oder der Geburt des Morgensternes oder des Hundssternes oder eines anderen Gestirnes oder des Mondes verglichen und eine Betrachtung daran geknüpft, welche sich auf die Bewegung der Sternbilder in der oberen Himmelssphäre bezieht. Während des Sonnenlaufes am östlichen Teile des Himmels erscheint „die Binsenwiese“ (genauer Cypergraswiese) daselbst als ein Lieblingsaufenthalt der Götter und Toten -- sie vertritt die elysäischen Gefilde der Griechen -- und auf den Inseln und Kanälen derselben herrschte die höchste Freude der Seligen. Auch das Wort „Binsenwiese“ ist der irdischen Geographie Ägyptens entlehnt, denn der gleiche Name bezeichnete die schwer zugänglichen, versteckten binsen- und schilfreichen Sümpfe an der nordöstlichen Ecke Unterägyptens, nach welchen man in den Urzeiten der Geschichte den Aufenthalt der Seligen verlegte. Der Himmel selbst wird als die Mutter des Verstorbenen betrachtet und seine Auferstehung aus dem Reiche des Todes als seine Wiedergeburt aus dem Leibe seiner Himmelsmutter verherrlicht. Sie ist ihm die Führerin auf seiner himmlischen Wanderschaft. „Sie berührt deinen Arm und sie zeigt dir die Richtung nach der Lichtsphäre, da wo sich der Sonnengott befindet“, meldet eine Stelle des „Buches“. Der Tote wird dadurch zu einem „Leuchtenden“ oder verklärten Wesen, vor dem sich bei seiner Ankunft die Scharen der Seligen demutsvoll verneigen, denn, wie es wörtlich heißt: „Zu dir kommen die Verklärten unter Verbeugungen und sie küssen den Boden zu deinen Füßen wegen deines Buches.“ Immer und immer wieder ist es das Buch, welches selbst auf die Seligen seine magischen Wirkungen nicht verfehlt. Auf seinen Wanderungen durch die Himmelsräume ist es selbstverständlich, daß der Verklärte mit den Sternbildern in Berührung kommt, die an der „eisernen“ Decke leuchten. Jedes Sternbild wird als der Aufenthalt „der Seele“ eines Gottes bezeichnet; wie beispielsweise die Seele des Osiris im Orion und die der Isis im Sirius oder Hundsstern thronend gedacht wurde. Die genannten waren wohlthätige Gottheiten, aber auch an bösen fehlte es nicht, die in den Gestirnen ihre Sitze aufgeschlagen hatten. Das Sternbild des großen Bären oder, wie die Ägypter es bezeichneten, „der Vorderschenkel“, besaß nach dieser Richtung hin einen schlimmen Ruf, denn der Widersacher der Götter und Menschen, Gott +Set+-Typhon, hauste darin, um seine schädlichen Ausflüsse im Himmel und auf Erden zur Geltung zu bringen. Dagegen war der Leuchtende, welcher gleichfalls seinen Stern erhielt, durch das magische Buch gefeit, das die Wände seiner Grabkammer in großen Hieroglyphen bedeckte. Standen ihm doch in seinem Kampfe gegen die Unholde die Götter zur Seite, vom Gott der Weisheit, +Thot+, angefangen. So wenig wir aus dem „Buche“ Belehrung zur Erkenntnis einer tieferen philosophischen Gedankenwelt bei den alten Ägyptern in Bezug auf die letzte aller Fragen schöpfen können, so anregend wirkt andererseits sein Inhalt durch die zahllosen Angaben, welche sich auf die Mythologie, die Geographie, die Astronomie, die Tier- und Pflanzenkunde u. s. w. und nebenbei auch auf Sitten und Gewohnheiten der ältesten Bewohner des Landes beziehen. Die Bezirkseinteilung und die Hauptstädte Ägyptens mit ihren Göttern, Göttinnen und heiligen Tieren erschienen in nichts von den späteren Zeiten verschieden, die Sternbilder und ihre Namen, wie man sich überzeugt, waren nach ihren Hauptgruppen schon lange vor der Erbauung der Pyramiden bekannt, und wie noch heute, so schlichtete schon damals der angesehene Mann den Streit um das Wasser zur Berieselung der Felder zwischen zwei hitzigen Bauern. Allerdings klingt es nicht erbaulich und wirft einen tiefen Schatten auf die Denkungsart der Altvordern, daß es nach dem „Buche“ zu den Paradiesesfreuden der Gewaltigen der Erde gehörte, nach Art von Negerkönigen die Frauen anderer Männer durch ihre Minne zu beglücken. Viel lehrreicher ist es dagegen, aus denselben Texten zu erfahren, daß in jenen Vorzeiten bereits die Ägypter aus Gerste ihr tägliches Brot buken und den Spelt zur Bereitung von Bier verwendeten, das bis in die Zeiten der Römer hinab das beliebteste Getränk der Bewohner des Nilthales bildete und in zwei Sorten, in Weißbier und in Rotbier, unterschieden ward. Im übrigen war nach den überlieferten Speisezetteln in denselben Pyramidenkammern die Auswahl der Gerichte für den Tisch keine geringe. Rindfleisch und Geflügel aller Art, Früchte und Gemüse werden der Reihe nach aufgezählt, und neben dem Bier wird der Wein und die Milch als labendes Getränk genannt. Auch für Salben und Schminken und für die Bekleidung war schon damals reichlichst gesorgt, und zahlreich sind die Bezeichnungen der ein- und buntfarbigen Zeugstoffe, welche die Weberinnen für den Bedarf der Landesbewohner anfertigten. Aber die Wohlgerüche Arabiens kannte man damals noch nicht. Die Texte der Pyramiden stellen den Glauben außer Zweifel, daß der Dahingeschiedene in seinem Pyramidenhause nach seinem vollendeten irdischen Dasein sich eines neuen Lebens erfreute, das er körperlich auf Erden, seelisch im Himmel weiter führte. Aber die Seele vermochte nach ihrem Belieben sich mit dem Leibe zu vereinigen und den erstarrten Gliedmaßen und dem stillstehenden Herzen Gelenkigkeit und Bewegung zu verleihen. „Du lebst und du stirbst nicht,“ rufen in mehrfacher Wiederholung die Inschriften aus und das Leben war ganz nach irdischen Vorbildern eingerichtet. Der wiedererweckte Tote ißt und trinkt, ohne je zu hungern noch zu dürsten, er empfindet alle Bedürfnisse des menschlichen Leibes, er wandelt auf seinen Füßen einher, er verrichtet auf den elysäischen Gefilden die üblichen Arbeiten des Landmannes, er kämpft mit Speer, Pfeil und Beil gegen die Feinde an, er feiert an den Festtagen des ägyptischen Kalenders frohe Feste, er vergnügt sich an der Jagd, am Vogelfang, am Fischen und an sonstiger Kurzweil, er gleicht mit einem Worte dem frommen König Osiris, der nach seinem gewaltsamen Tode zum erstenmale den Aufgang zum Lichte am östlichen Himmel vollzog und dem Gerechten als Vorbild diente in Gegenwart und Zukunft, auf Erden und im Himmel. Der aus der irdischen Welt abgeschiedene Mensch ging geradezu in dem Wesen des Osiris auf und auch ihm sollte zu teil werden, was dem Gotte beschieden war, dem sein Sohn Horus (die neugeborene Sonne) als Rächer und seine Schwestern Isis und Nephthys (die Flügel der Morgenröte) als Schirmerin und Schützerin alltäglich erstanden. Im jungen Horus verkörperte sich die Wiedergeburt des Vaters, in den beiden Göttinnen zugleich die Natur als nährende Amme, denn sie heißen die Sängerinnen des Gottes. Diese Andeutungen werden ausreichen, um über dunkle Stellen in den Pyramidentexten, wie beispielsweise die folgende, ein aufklärendes Licht zu verbreiten. An den verstorbenen König Pepi z. B. wird die Anrede gerichtet: „O Pepi! du hast dich auf den Weg gemacht, du leuchtest und du bist machtvoll wie der Gott. Ein Stellvertreter des Osiris ruft deine Seele dir in deinem Innern und deine Macht dient dir zum Schutze. Deine Krone ist dir auf deinem Haupte und dein Kopftuch hängt auf deiner Schulter nieder. Dein Angesicht ist geradeaus gerichtet. Deine Verehrer befinden sich vor dir, deine Diener hinter dir. Die Edlen des Gottes vor dir sie geben das Zeichen: es kommt ein Gott, es kommt ein Gott, es kommt dieser Pepi wegen des Thrones des Osiris. -- Isis redet dich an, Nephthys spricht zu dir. -- Du steigst empor zu deiner Himmelsmutter und sie zeigt dir die Richtung nach der Lichtschöne, da wo der Sonnengott weilt. Es öffnen sich dir die Thürflügel des Himmels und es thun sich dir auf die Pforten der Wasserquelle. Du findest den Sonnengott, er steht da als dein Hüter. Er berührt dir deinen Arm und er ist dein Führer in den Himmelsräumen. Er setzt dich auf den Thron des Osiris.“ In diesem Tone geht es Seiten lang weiter, aber man müßte bei jeder neuen Wendung stehen bleiben, um die Dunkelheit, welche sich an Namen und Vorstellungen knüpfen, mit größerer oder geringerer Sicherheit des Verständnisses zu erleuchten. Herr Maspero hat, wie gesagt, das Mögliche geleistet, als er das kühne Wagstück ausführte, den Inhalt der Pyramidentexte durch eine wortgetreue Übertragung den Lesern zugänglich zu machen. Es bleibt der Zukunft vorbehalten, die noch unverstandenen Einzelheiten zu berichtigen oder ihren Sinn zu erläutern. Die Ägypter liebten es z. B. in ihrer mythologischen Sprache gewöhnliche Worte durch eine rätselhafte, nur von dem Eingeweihten gekannte Bezeichnung zu ersetzen. Nur auf Umwegen ist die heutige Wissenschaft imstande, im Einzelfalle den Schlüssel zur Lösung zu finden. Vorläufig bieten vor allem die zahlreichen mystischen Namen, unter welchen die himmlischen Bewohner aufgeführt werden, das thatsächliche Hindernis zum vollkommenen Verständnis des ganzen Inhaltes der Pyramidentexte dar. Aber auch das wird mit der Zeit beseitigt werden und die ältesten Texte der Welt werden ein ungeahntes Licht auf die menschlichen Zustände in den Urzeiten der Geschichte im Nilthale werfen und damit vor allem der anthropologischen Forschung ein unerwartetes Material zuführen. Wenn am äußersten Horizonte aller geschichtlichen Erinnerungen beispielsweise der Himmel ein eisernes Gewölbe und der Stuhl, auf welchem Osiris thront, ein eiserner genannt wird, wenn von den eisernen Thüren am Firmament die Rede ist, die sich dem Verstorbenen öffnen, so hat die Erwähnung dieses Metalles durchaus keine nebensächliche Bedeutung für die Kulturentwickelung der ältesten Menschheit. Lange vor dem Dichter Homer, welcher dem Himmelsgewölbe den Beinamen des eisernen schenkte, war den ältesten Ägyptern dieselbe Vorstellung geläufig, denn die Pyramidentexte geben keinem Zweifel darüber Raum. Ja sie gehen noch weiter und lassen dies Metall aus dem stärksten und gewaltigsten Gotte, dem ägyptischen Typhon-Set, hervorgehen, ganz im Einklang mit einer griechischen Überlieferung, wonach man am Nil das Eisen mit dem Namen des Knochens des Set belegt habe. Ein eiserner Himmel setzt die Bekanntschaft mit diesem härtesten aller Metalle voraus, und es tritt die Frage näher, ob nicht, entgegen den bisherigen Ansichten darüber, das Eisen nach der Steinzeit vor oder neben dem Kupfer und vor Bronze bekannt war. Auch die ältesten biblischen Nachrichten über das Vorkommen und die Bearbeitung des Eisens (Thubalkain, wie aus dem 1. Buche Mose 4, 22 hervorgeht, galt als der Erfinder der Eisenschmiedekunst) setzen für das höchste Altertum eine allgemein verbreitete Anwendung des Eisens voraus. In listenförmigen Aufzählungen der Metalle, wie sie gelegentlich die ägyptischen Denkmäler- und Papyrusinschriften bieten, folgen der Reihe nach: Gold, Silber, Eisen, Bronze, Kupfer, Blei. Das Eisen nimmt auch darin seine berechtigte Stelle ein. Bereits in den Pyramidentexten werden hakenförmige Instrumente aus Eisen aufgezählt, die bei religiösen Handlungen (z. B. bei der sogenannten Mundöffnung) ihre Verwendung fanden. In den Zeiten des sechzehnten Jahrhunderts v. Chr. erscheinen eiserne Gefäße erwähnt und Pharao heißt: „Die eiserne Mauer zum Schutze Ägyptens.“ Selbst zu medizinischen Zwecken wurde das Eisen wie noch in unseren Tagen verwertet, wenigstens nach einer Angabe in dem medizinischen Papyrus von Berlin zu schließen, wonach z. B. eine Mischung von Eisenrost mit Nilwasser als äußerliches Mittel zur Heilung bei Fieberhitze empfohlen wird. Der Name und die Anwendung dieses Metalles war, wie man sieht, von den ältesten Zeiten an den Ägyptern durchaus geläufig, und nichts läßt darauf schließen, daß in Ägypten die Eisenzeit der Bronzezeit notwendig gefolgt sei. Man könnte vielleicht der Meinung sein, daß es sich in allen genannten Beispielen nur um Meteoreisen handele und daß dies um so wahrscheinlicher sei, als die Bezeichnung des Eisens in der ältesten ägyptischen Sprache durch ein zusammengesetztes Wort ausgedrückt war (~bi-ni-pe~), welches wörtlich so viel als „Wunderding“, „Wundergabe des Himmels“ bedeutet. Allein es ist zu bedenken, daß in den Zeiten der Griechen und Römer derselbe Ausdruck für das Eisen ganz allgemein gebraucht war und daß in der Sprache der christlichen Ägypter oder der Kopten dasselbe Wort im Sinne von Eisen fortbestand, ohne Rücksicht auf den meteorischen oder tellurischen Ursprung desselben. Ich habe dem Beispiele des Eisens meine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, um daran den Nachweis zu führen, welche Bedeutung den Pyramidentexten für die allgemeine Kulturgeschichte der Menschheit innewohnt. An Hunderten von Stellen drängt sich die Überzeugung auf, daß jene Texte, deren erstaunliches Alter von niemand bezweifelt wird, bereits in den Abschluß einer großen Kulturepoche gehören, in welcher ein zweigeteiltes Ägypten mit einem einzigen Herrn und König an der Spitze bestand. Schon damals war nach Andeutungen in jenen Texten die Ostgrenze Unterägyptens durch Festungswerke geschützt, welche sich an der Spitze der nördlichsten Bucht des Roten Meeres erhoben. Es ist daraus ersichtlich, daß diese Bucht an dem heutigen Krokodilbecken ihren Anfang nahm, das in der Mitte der Landenge von Suez gelegen ist und in der Wasserlinie des Suezkanals aufgegangen ist. Auch für das Vorkommen der ältesten Pflanzenwelt bieten dieselben Pyramidentexte eine reiche Ausbeute der Forschung dar. Der Ackerbau war auf der Kultur von Weizen, Gerste und Spelt begründet. Die Getreidesorten waren längst von dem Euphratgebiete her nach Ägypten eingeführt worden, ebenso der Anbau der Leinpflanze und des Weinstockes, wie es Prof. Schweinfurth durch seine eingehenden Untersuchungen auf dem Gebiete der Pflanzengeschichte wahrscheinlich gemacht hat. Auch der Papyrus und der Lotos, sowie eine Reihe von Binsengräsern an den Ufern des Niles und in den Seen und Sümpfen werden in den Pyramidentexten als allgemein bekannt angenommen und unter den Bäumen sehen wir die Dattelpalme, die Sykomore, den Feigenbaum, die Persea, den Moringabaum und Stachelakazien in den Vordergrund treten. Unter den Vierfüßern werden der Elefant, das Nilpferd, der Löwe, die Hyäne, der Fuchs, der Luchs, Antilopen, Gazellen, Hasen und als gezähmte mehrere Rinderarten, das Schaf, die Ziege, der Esel, der Hund, die Katze, aber weder das Pferd noch das Kamel in denselben uralten Texten erwähnt. An Schlangen und giftigem Gewürm aller Art besaß die ägyptische Erde von damals einen gewaltigen Überfluß, denn nur dadurch erklärt es sich, daß die Pyramidentexte es nicht verschmäht hatten, mitten in das uralte Totenbuch eine ganze Reihe von Beschwörungen einzutragen, welche gegen die Bisse und Stiche des das Leben und die Gesundheit des Menschen bedrohenden Gewürmes gerichtet waren. Die Formeln schließen meist unverständliche Redensarten und Wörter in sich, wie sie nicht bloß in der ältesten Zeit den Zauberern eigen waren, um ein drohendes Übel fern zu halten und in wirksamster Weise abzuwehren. Und gerade dieser Zauber ist es, der dem ganzen übrigen Inhalt der Pyramidentexte ihren Grundcharakter verleiht. Es macht den Eindruck, als seien die unbekannten Verfasser der kulturhistorisch so merkwürdigen Überlieferungen aus der ältesten geschichtlichen Vergangenheit Ägyptens wahre Hexenmeister gewesen, die nach der Volksmeinung es verstanden, unter priesterlichem Namen ihren Einfluß auf die beängstigten Gemüter der Menge auszuüben und unter dem hellen klaren Lichte der ägyptischen Sonne die Mächte der Finsternis sich ihrem Willen unterthan zu machen. Das „Buch“ der Pyramidentexte ist von diesem Standpunkte aus ein eigentliches Zauberbuch, mit welchem der ägyptische Gottesglaube seinen ersten Einzug in die kaum gegründete älteste Kulturwelt hält. Der ägyptische Staat ist gestiftet, seine Provinzen, deren Hauptstädte sind festgestellt, der König trägt die weiße Krone der Südwelt und die rote der Nordwelt auf seinem Haupte, sein Hof ist von Edlen und Dienern bevölkert, die Bewohner beider Landesteile beugen sich vor seinem Throne und „berühren die Erde zu seinen Füßen mit ihrer Nasenspitze,“ aber seine eigentliche Macht war in der Vorstellung begründet, daß er als Nachkomme und Vertreter des Lichtgottes auf Erden der Oberste aller Zauberer sein müsse, dem selbst nach seinem Tode ein Dasein höherer Art beschieden sei. Über die Fragen nach dem Wo und Wie? sollte das „Buch“ in den Grabkammern der beschriebenen Pyramiden eine unfehlbare Antwort erteilen. Im Faijum. Abseits von dem eigentlichen Nilthale in westlicher Richtung von Mittelägypten gelegen bildet das sogenannte Faijum oder auf gut deutsch „das Seeland“ eine große rings von Höhenzügen der libyschen Wüste umschlossene Oase von etwas mehr als 1200 Kilometer ins Geviert Flächeninhalt. Der Strom der Reisenden, welche Jahr aus Jahr ein die winterliche Pilgerfahrt auf dem heiligen Strome zurücklegen, berührt dies schöne Stück Erde nur selten, das unter sämtlichen Provinzen geradezu als die Perle bezeichnet zu werden verdient. Und nicht die gütige Mutter Natur hat ihr freiwillig diesen Vorzug verliehen, sondern der Mensch vor mehr als viertausend Jahren war es, der die Schöpfung des Faijum ins Leben rief und eine sandige unfruchtbare Oase zu einem Paradiese umwandelte. Wie dies geschehen, das haben die Forschungen der Gelehrten mit großem Scharfsinn nachgewiesen. Bereits um das Jahr 2500 v. Chr. war vom Nilstrome ein wasserreicher Kanal -- es ist derselbe, welcher heute den Namen des Josephskanals trägt -- in das Sandbecken der späteren Oase eingeleitet worden, um den dürren Erdboden zu befruchten und auf die Wüste die Schlammdecke des Niles auszubreiten. Der Segen des Werkes ließ nicht auf sich warten, denn reiche Ernten lohnten den Fleiß des Landmannes. Es war zugleich ein Triumph der ältesten Kunst des Wasserbaues, diesen Kanal mit einem künstlichen Wasserbecken von gewaltiger Ausdehnung zu verbinden. Die darin infolge der jährlichen Nilüberschwemmungen angesammelte Wassermenge, welcher Schleusenwerke den freien Abzug strahlenförmig nach allen Richtungen hin gestatteten, reichte aus, um das gesamte „Seeland“ zu berieseln und in den Jahren der Not vielleicht dem Nil selbst einen Teil des von demselben empfangenen Geschenkes zurückzugeben. Vom Herodot an bis zum Plinius hin ist das klassische Altertum darüber einig, daß der +Mörissee+ (so nannte man ihn nach einem ägyptischen Worte ~meri~ für einen See oder Wasserbecken) ein hervorragendes Wunderwerk sei, das seinesgleichen in der Welt suchte. Der See ist heutzutage vollständig verschwunden und nur seine koptische Bezeichnung ~jom~, d. h. der See, das Meer, in dem heutigen Namen der Provinz Faijum oder Faijom hat die Erinnerung an sein ehemaliges Dasein auch noch im heutigen Ägypten selber bewahrt. Zu den Vermutungen über die eigentliche Lage des Sees welche von einer Reihe namhafter Gelehrter älterer und jüngerer Zeit ausgesprochen worden sind, ist in den letzten Jahren eine neue getreten, welche besonders in Ägypten selber ein gewisses Aufsehen erregt hat, nachdem die englische Verwaltung des Landes ihr die Berechtigung der Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit nicht hat absprechen können. Ein amerikanischer Kapitän Whitehouse, welcher seit einer Reihe von Jahren seinen Winteraufenthalt in Kairo aufgeschlagen hat, ist infolge eifriger Nachforschungen und Vermessungen an Ort und Stelle zu dem Schlusse gelangt, daß der alte Mörissee seine größte Ausdehnung nach Südost in dem heutigen sogenannten Wadi Rayan gehabt haben müsse, und daß seine Wiederherstellung nur eine Frage des Geldes und der Zeit sei. Die Engländer sind praktische Leute und sie würden hier zu Lande sicherlich nicht den Ideen und Arbeiten des Amerikaners ihre vollste Aufmerksamkeit geschenkt haben, wenn dieselben nicht ihre Begründung in den Thatsachen fänden. Vorläufig ist der Kostenüberschlag zur Herstellung und Füllung des Wasserbeckens von Rayan mittelst eines künstlichen Kanals auf 1700000 Lstr. abgeschätzt worden und nichts steht der Schöpfung des neuen Sees mehr im Wege, sobald die englischen Wasserbaumeister sich überzeugt haben sollten, daß die Anlage zweier Riesenreservoirs, das eine in Nubien zwischen Kalabscheh und Philä, das andere in Ägypten bei Selseleh, sich zu kostspielig oder unausführbar herausstellen sollte. Alle drei Projekte haben den Zweck zu erfüllen, in den Zeiten des tiefen Wasserstandes für das Deltagebiet stets ein erforderliches Quantum von Wasser in Bereitschaft zu halten und durch ein eigenartiges Schleusensystem den Abfluß einer nutzlos vergeudeten gewaltigen Wassermenge in das Meer zu verhindern. Selbst der neue Mörissee des Herrn Whitehouse würde diesen Hauptzweck zu erfüllen haben und seinen verschollenen Vorgänger riesenhaft übertreffen. Wie dem auch sein möge, das eine steht unbestritten fest, daß der heutige Josephskanal mit seinen Schleusen und verästelten Wasseradern die Rolle des vergangenen Mörissees in glücklichster Weise übernommen hat und daß infolge dessen die moderne Seeprovinz zu den fruchtbarsten Gebieten des ägyptischen Reiches gehört. Ich bedaure aufrichtig, daß es mir erst im Jahre 1892 vergönnt gewesen ist, ihr durch eigene Anschauung auch meinerseits dieses Zeugnis ausstellen zu können, das ihr von allen europäischen Reisenden zugestanden wird. Der Weg von Kairo nach dem Herzen des Faijum, d. h. der Hauptstadt desselben mit dem Namen Medineh, d. h. „Stadt“, dauert kaum vier Stunden. Nach zweistündiger Fahrt auf der oberägyptischen Eisenbahn bis zu dem Orte El-Wasta tritt für den Reisenden ein Wagenwechsel ein. Man besteigt nach einer Viertelstunde Rast den nach Medineh abgehenden Zug und hat schon auf dem kleinen Bahnhofe von El-Wasta Gelegenheit, sich von der veränderten Lage der Dinge oft in handgreiflichster Weise zu überzeugen. Die europäische Eigenart, welche in Kairo und an sonstigen von unsern Reisenden viel besuchten Plätzen Oberägyptens das arabische Element zurückdrängt, geht bis zur Sprache hin in die Brüche und „der Sohn des Landes“, vom hochmütig sich spreizenden jungen Effendi an bis zum grobkörnigen Fellachen hin, läßt seine berechtigten oder unberechtigten Eigenschaften mit allem Nachdruck des Besonderen den fremden Einwanderer fühlen. Man schreit und ruft, man keift und lärmt, man schiebt und drängt sich durcheinander, man besetzt die Wagen, wie es einem gefällt, bis endlich der Zug ins Rollen kommt und von dem Schaffner eine Sichtung des Ungehörigen in allerletzter Minute vorgenommen wird. Hält der Zug an der nächsten Station still, so beginnt das Schreien und Drängen von neuem und das Lexikon arabischer Liebenswürdigkeit tönt in unsere Ohren: „Friede sei mit dir, Mohammed, wo fährst du hin? -- Auch mit dir sei der Friede, ich fahre nach der Stadt, um meinen Esel zu verkaufen. -- So sei dir Heil auf der Reise beschieden! -- O mein Herrgott! mein Retter und Bewahrer! -- Mein Brüderchen, du bist ausgestiegen, ohne deine Fahrkarte abgegeben zu haben. -- Hier ist sie, mein Bruder! Möge Gott dich segnen u. s. w.“ schwirrt es durch die stauberfüllte Luft, während alles durcheinander rennt und stürmt, um bald den Ausgang, bald den Eingang von Wagen zu Wagen zu suchen. Auf der Plattform, am Ende der Waggons, fehlt die schützende Brüstung, aber man übersieht schnell dieses Manko, denn ein helles Lachen ergießt sich über den Frengi, welchen es mit Entsetzen erfüllt, daß der hölzerne Fußboden unter ihm klaffende Risse und Öffnungen zeigt, welche die freie Aussicht auf den Schienenweg öffnen, so frei, daß selbst der Staub durch die gähnenden Spalten hindurchwirbelt. Und welcher Staub erfüllt die im Coupé herrschende Atmosphäre! Gesicht und Hände, Kleider und Gepäckstücke, alles ist mit einer grauen Decke überzogen und zahllose Fliegen vermehren die Plagen in dem oberägyptischen Waggon, den unsere europäischen Bahnverwaltungen kaum mehr für reparaturfähig halten dürften. Die Wagen krachen und wanken, daß man seekrank zu werden vermeint, aber lustig geht es vorwärts vom Nil aus über die grüne Fläche mit ihren Dörfern und Herden zu beiden Seiten des Schienenweges, bis nach kaum viertelstündiger Fahrt die Ränder der Wüste erscheinen, welche das Faijum vom eigentlichen Nilthale trennen. Im hellen Sonnenglanze strahlte zur Rechten in kaum einstündiger Entfernung jene merkwürdige Pyramide, welcher die Araber den Namen der Lügen-, d. h. Vexierpyramide, beigelegt haben. Auf den vielfachen Windungen des Niles erscheint sie dem Schiffer auf dem Strome in allen Richtungen der Windrose, als habe sie es darauf abgesehen ihn zu foppen und ihn in die Täuschung zu versetzen, als käme er nicht von der Stelle. Das Grabdenkmal hat erst seit vorigem Jahre eine hohe historische Bedeutung gewonnen, nachdem die Nachgrabungen des findigen Engländers Petrie die Lösung ihres rätselhaften Ursprunges der Wissenschaft geliefert haben. Dreißig Meter tief unter dem Boden der Wüste und dicht vor der Pyramide entdeckte derselbe einen Tempel, dessen Inschriften als ihren Erbauer einen König +Snofru+ nennen, den Vorgänger Königs +Chufu+-Cheops, den Urheber der höchsten Pyramide von Gizeh. Die Pyramide von Meidum, wie sie heute nach der Bezeichnung des zu ihren Füßen liegenden Dorfes genannt wird, ist somit das älteste Baudenkmal der Welt und mit Ehrfurcht begrüßen wir diesen Markstein am Horizonte aller menschlichen Erinnerungen durch die staubigen Fenster des rollenden Marterkastens. Der kleine Zug zwängt sich bald durch die künstlichen Einschnitte der Wüste hindurch, bald bewegt er sich frei auf dem flachen Boden derselben, um eine kleine Stunde lang dem Reisenden den Genuß einer sandigen Einöde und ihrer Schrecken zu bieten. Auf dem höchsten Punkte des Plateaus malen sich die grünen Ränder des Faijum in westlicher Richtung am Himmel ab und mit Bequemlichkeit läßt sich die Gesamtausdehnung dieser fruchtbaren Provinz vom Wagen aus überschauen. Allmählich unterbrechen kleine mit Pflanzenwuchs bedeckte Strecken den sandigen Boden, und der Verkehr zeigt sich in allen möglichen Gestalten. Am wenigsten erwünscht erscheinen uns die wandernden Büffel, Rinder, Kamele, Pferde, Esel, Schafe und Ziegen, welche mit ihren Führern und Reitern den Schienenweg vor uns eingeschlagen haben und sicher durch den Eisenbahnzug zermalmt werden würden, wenn nicht der schrille Pfiff der Lokomotive ihnen das Warnungszeichen zum schleunigen Abzug gäbe. Auch darin verleugnet sich der orientalische Charakter durchaus nicht. Niemand pflegt sich weder in den engen Straßen der Städte noch auf offenen Feldwegen umzusehen, um einem vom Rücken aus kommenden Hindernis auszuweichen. Es bedarf erst eines Anrufes von hinten her, um im gegebenen Falle je nach rechts oder links auszubiegen. Dieselbe Erscheinung wiederholt sich selbst in der geschichtlichen Entwickelung der morgenländischen Völker. Was hinter ihnen liegt, kümmert sie blutwenig, und nur der Moment der Gegenwart fesselt ihren geistigen Blick. Immer deutlicher und zahlreicher werden die Spuren des vegetativen Lebens, wenn es auch zunächst nur vereinzelt stehende Palmen, dorniges Gestrüpp und rohrartige Gewächse sind, die zu beiden Seiten der eisernen Straße den sandigen Boden der Wüste schmücken. Endlich durchqueren wir einen mächtig breiten, 8 bis 10 Meter hohen Erdspalt, durch dessen Mitte sich Wasserstreifen entlang ziehen. Schilfgebüsch, Tamarisken und Strauchwerk aller Art bedecken den feuchten Boden des „Fluß ohne Wasser“ genannten Erdspaltes, dessen Ränder mit aller Deutlichkeit die Ablagerungen eines ehemals mächtigen Stromes erkennen lassen. Der Spalt zieht sich in Windungen an dem westlichen Rande der Wüste entlang und endigt schließlich in nördlicher Richtung, nicht weit vom sogenannten „Hörnersee“ (Birket el-Qurun), jenem langgestreckten Seebecken mit salzigem Wasser, das die westliche Grenze des gesamten Faijum bildet. Wir lassen die Frage unerörtert, ob wir in diesem „wasserlosen Flusse“ einen Abflußkanal des ehemaligen Mörissees erkennen müssen, der an dem Plateau der Wüste von Hawara und Illahun vorüberzog, auf dessen Höhe wir in etwa ein- und zweistündiger Entfernung vom Schienenwege aus die massigen dunklen Überreste von zwei Pyramiden erkennen. Es sind die riesigen Grabbauten von zwei Königen der zwölften Dynastie, dem vierten und sechsten derselben, welche einst, d. h. vor etwa 4000 Jahren ihre Residenz im Herzen des Faijum aufgeschlagen hatten. Von der Pyramide von Illahun aus hat der Besucher die beste Gelegenheit, die Abbiegung des Josephskanals in die östliche Thalspalte des Faijum in Augenschein zu nehmen. Mehr als irgendwo in der Welt zeigt sich die segensreiche Wirkung des Wassers und nun gar erst des Nilwassers, auf die Fruchtbarkeit des Bodens und wäre es eine Wüstenei, wie an dieser Stelle am Fuße der Pyramide von Illahun. Schon der scheinbar moderne Name Illahun oder, ohne den angefügten arabischen Artikel, +Lahun+ weist auf einen uralten Ursprung der Anlage des Kanals zurück, denn er ist seiner ehemaligen ägyptischen Bezeichnung ~La-hunet~, d. i. „die Mündung des Kanals“ entlehnt, die sich in ihrer griechischen Form in dem Namen des Labyrinths, d. i. ~Lapi-ro-hinet~, „der Tempel der Kanalmündung“ wiederfindet. Thatsächlich lag der vollständig vom Erdboden verschwundene Bau, welcher diesen Namen trug, im Süden der Pyramide von Hawara, mit anderen Worten in der Nähe der Kanalmündung, woselbst es dem Engländer Petrie geglückt ist, den Grundplan des ehemals weltberühmten Gebäudes wiederherzustellen. Doch ich verliere mich in die vergangenen Zeiten und springe von der Gegenwart ab, aber dennoch ist diese unzertrennlich in Ägypten von den mehrtausendjährigen Geschichten, die sich auf dem Boden dieses merkwürdigen Landes abgespielt haben und die dem Modernen gerade einen besonderen Reiz verleihen. Ich weiß wohl, daß ein englischer Diplomat die Äußerung gethan haben soll, daß er das ganze ägyptische Altertum zum Henker wünsche, da es den Grund zu vielen politischen Scherereien abgebe, allein es wird ihm kaum der Trost beschieden sein, seine Meinung von der Mehrzahl seiner eigenen Landsleute geteilt zu sehen. Das heutige Ägypten würde trotz seines Bodenreichtums und seines milden Klimas halber kaum eine besondere Anziehungskraft auf die Tausende von Reisenden ausüben, welche alljährlich ihre Nilreise antreten, wenn nicht seine Altertümer und seine Geschichte einen so mächtigen, selbst poetischen Reiz auf die Phantasie ausübten. Nur von der geschichtlichen Ferne aus gesehen erhält das gegenwärtige Ägypten seinen idealen Wert, gerade wie die Städte und Dörfer im Nilthale nur aus der Ferne betrachtet den Eindruck des Malerischen hervorrufen. In der Nähe lösen sich die Bilder in Schutt, Schmutz, Fetzen und Elend auf und wie Nebelgestalten zerrinnen die zauberhaftesten Lichteffekte vor unsern sehenden Augen zu glanz- und farblosen Tönen. Die Fahrt hinter dem „Flusse ohne Wasser“ oder dem +Bahr-bela-ma+, welche in einer kleinen halben Stunde zurückgelegt ist, entschädigt reichlich für die toten Eindrücke inmitten der wenn auch kurzen Strecke durch die Wüste. Das frische Leben voller Saft und Kraft einer mit verschwenderischer Hand spendenden Natur tritt uns an jeder Stelle entgegen, denn soweit das Auge bis zu den Bergzügen am Horizonte, welche den Thalkessel des Faijum einschließen, zu reichen vermag, allenthalben wird es durch den Anblick wundervoll grüner Ebenen mit üppigstem Baumwuchs entzückt. Der Schienenweg durchzieht ein wahres Eden und wir sind überrascht durch die wechselvollsten Bilder einer nichts weniger als ägyptischen Landschaft. Allenthalben fließen die Wasser zwischen den Feldern und Baumpflanzungen und von allen Richtungen her tönt uns das Knarren gewaltiger Wasserräder entgegen. Die Dörfer, aus ungebrannten Erdziegeln aufgeführt, bewahren allein ihren ägyptischen Charakter, nur die Bewohner des gesegneten Ländchens offenbaren in ihren Zügen einen besonderen Typus, der von dem echt ägyptischen bemerkenswert absticht. Der Bahnhof der Hauptstadt der Oase des Faijum, Medineh, ist endlich erreicht und der Zug fährt in die offene Halle ein, welche ein Holzbau mit Satteldach überschattet. Der Zugang ist durch ein Holzgitter abgesperrt und nach europäischem Muster fordert der Portier an der Thür dem Reisenden die Fahrkarte ab. Wir sind dem stauberfüllten Waggon mit einem „Gott seis gedankt!“ entstiegen und müssen uns nach einem Esel umsehen, um den kurzen Weg nach der Stadt zurückzulegen. Das Grautier ist leichter gefunden als bestiegen, denn die zerlumpten hohen Sättel sind schlecht gegürtet und die Steigbügel, wenn solche überhaupt vorhanden sind, haben ungleiche Länge. Mit Hilfe von zwei Eseljungen sitzen wir endlich im Sattel und haben Gelegenheit, ein wenig aufzuatmen und die Umgebung des Bahnhofs näher zu betrachten. Ein unentwirrbares Knäuel von tausend Dingen, alles in Staubwolken eingehüllt, erschwert die Prüfung der Einzelheiten, nur soviel wird uns klar, daß ein Güterschuppen fehlt und daß der Raum rechts und links von den Schienen zur Aufspeicherung der ankommenden und abgehenden Güter und Waren dient. Der Schienenweg selber bildet auch hier die kürzeste Straße nach der Stadt, und Mensch und Tier wandern lustig neben den rollenden Eisenbahnzügen einher, ohne daß Barrieren oder Bahnwärter für die öffentliche Sicherheit Sorge trügen. Gott ist barmherzig und mit Ihm, dem Retter, läßt sich alles wagen. Wir schlagen den Seitenweg linker Hand ein und begrüßen bald den Josephskanal, auf dessen Rücken beladene Schiffe dahinziehen. Hölzerne Brücken -- ein unerhörter Anblick im eigentlichen Nilthale -- sind in kurzen Entfernungen über den Kanal geschlagen, der mitten durch die Stadt führt, um am entgegengesetzten Ende derselben an den letzten Häusern vorüberzuziehen. Der Anblick hat hier etwas ungemein malerisches und lohnt allein eine Reise nach dem Faijum. Die dunklen Häuserwände auf der einen Seite des Kanals, die üppige Vegetation, und nicht am letzten, wundervolles Palmengebüsch am andern Ufer sind wie für den Dichter geschaffen und fesseln das entzückte Auge. Und weiter hinaus, neben Feldern, Gärten und Gräberruinen zieht der Kanal seine Straße dahin, um innerhalb eines großen ummauerten Beckens sein Ende zu finden oder vielmehr um als Josephskanal seinen Namen zu verlieren. Schleusen leiten seine angesammelte Wassermenge durch mehrere Kanäle dahin, die über das ganze Faijum ihr Netz ausspannen und dem Hinterlande den feuchten Segen der Fruchtbarkeit zuführen. Die Stadt selber, man merkt es ihr an, war weder schön noch ist sie es jetzt, der echte morgenländische Charakter haftet ihr an, aber sie scheint sich emporzuringen und ein wenig veredeln zu wollen. Der Wohlstand hat sich einzelne aus weißen Kalksteinblöcken zusammengefügte Häuser geschaffen und das in Medineh angesessene Europäertum, an ihrer Spitze die nie fehlende, überaus thätige, schaffende und schachernde griechische Kolonie, hat sich auch beim Bau ihrer Wohnstätten zu europäischen Mustern emporgeschwungen. Selbst ein Gasthof mit griechischer Firma ist in den letzten Jahren entstanden, und ich kann versichern, daß Zimmer und Verpflegung mehr als bloß bescheidenen Ansprüchen genügen. Die eine Seite des Hauses liegt sogar an einem breiten, aus dem Josephskanal abgeleiteten Wasserbecken, an dessen Rändern männiglich seine Waschungen vollzieht und sich ohne Rücksicht auf die vorüberziehenden Straßengänger in höchster Ungeniertheit unter der Tagessonne badet. Die Bazare der Stadt sind dunkel und schattig, die ausgelegten Waren vermögen nur den Eingeborenen anzulocken und die Käufer sind bei weitem anziehender in ihrem Gebahren beim Kaufen und Feilschen als der Kaufmann und seine Bude. Da sitzen sechs Bauernweiber auf dem Erdboden vor dem engen Laden eines Kastenmachers, klatschen in die Hände und singen Freudenlieder dazu, weil ihr männlicher Beistand soeben den Kauf eines buntangestrichenen Koffers als Hochzeitsgabe für eines der Weiblein abgeschlossen hat. Es ist herzerfreuend derartigen Straßenscenen in unserer verwöhnten Welt zu begegnen, und ich pflege gern stehen zu bleiben, um den Unterhaltungen dieser ungeschminkten Naturmenschen zu lauschen. Die Leute der Stadt bedienen sich nur bei weiteren Ausflügen des Esels, seltener des Pferdes als Reittier. Die Einführung des +Karro+ oder kleinrädrigen Lastwagens, der natürlich als Hauptstraße den Schienenweg einschlägt, ist jungen Datums, aber geradezu unerhört ist der Anblick eines zweirädrigen Vehikels, auf welchem ein griechischer „Bauunternehmer“ seine Besorgungen in und außerhalb der Stadt zu machen den Vorzug hat. Das Volk auf der Gasse starrt das Wundergefährt mit großen Augen an und äußert darüber sein wohlbekanntes: „Was Gott nicht alles geschehen läßt.“ Der Unternehmer zu Wagen ist nicht der einzige in seiner Art, denn es regt sich mächtig im Faijum und alle Tage treten neue Schöpfungen zu Tage. Der fruchtbare Boden birgt Gold in sich und jede Spekulation zur Ausbeutung desselben trägt ihren reichlichen Gewinn. Sollte man es beispielsweise glauben, daß selbst mit deutschem Gelde und durch deutsche Unternehmer von Medineh aus neue Schienenwege in das Innere des Faijum gebaut worden sind? Das Herz hüpfte mir vor Freude im Leibe, als ich diese Thatsache an Ort und Stelle von allen Seiten bestätigt fand. Die Stadt Medineh, deren Einwohnerzahl mir aus dem Munde des Herrn Bürgermeisters selber in kürzester Fassung auf 50 -- er meinte natürlich 50000 damit -- angegeben worden ist, hat wie jede Stadt des Morgenlandes ihre besonderen Merkwürdigkeiten, die dem ankommenden wißbegierigen Fremden gern und willig gezeigt werden. Mit Vorliebe führt man den Wandersmann von draußen nach einer verfallenen Moschee am andern Ende der Stadt, dorthin, wo die schönste Aussicht ist, von der ich oben gesprochen habe. Besagtes Gebäude, vor langem von dem ägyptischen Sultan Kait Bey gegründet, ist mit Hilfe einer Reihe antiker Marmorsäulen nebst ihren Kapitälen aufgeführt worden, die man aus der nahegelegenen Ruinenstätte Arsinoe, der griechisch-ägyptischen Vorgängerin von Medineh, hierher geschleppt hatte. Das wäre allerdings nichts besonders Merkwürdiges, denn ähnliche Verwendungen antiken Baumateriales finden sich in sonstigen Städten des Orients vor, das Merkwürdige vielmehr besteht in einer weißen von grünen Flecken durchzogenen Marmorsäule und ihrem Gegenüber, deren Farbe ich leider vergessen habe. Beide Säulen haben die Eigenschaft eines medizinischen Wunders. Man höre nur. Die Säule Nr. 1, an deren Fuße eine Menge frisch ausgedrückter Limonen liegen, zeigte bis auf 4 Fuß Höhe eine dicke Kruste heruntergelaufenen Menschenblutes. Auf meine Frage nach dem Ursprunge dieses edlen Saftes wurde mir von meinen sämtlichen mohammedanischen Begleitern die verbürgte Erklärung gegeben, daß jene Säule bis zur Stunde die Eigenschaft besitze, jede Art innerer Krankheiten zu heilen. Das Rezept sei folgendes: Man zerdrücke an der Säule eine Limone und lecke so lange auf der benetzten Fläche, bis das klare Blut aus der Zunge an dem Marmor entlang läuft. Die Krankheit weiche danach sofort, wie tausendfältige Kuren bewiesen hätten. Weniger anstrengend ist die Kur an der Säule Nr. 2. Wer von Gliederschmerzen und Rheumatismus geplagt sei, lege den Rücken an die Säule, reibe ihn ein paarmal daran und -- ~probatum est~, die Heilung sei augenblicklich vollbracht. Ich lobte und dankte Gott mit den Gläubigen des Propheten und hütete mich wohlweislich, auch nur den mindesten Zweifel an der Heilkraft der beiden medizinischen Säulen auszusprechen. Die heutige Stadt Medineh an den Wassern des Josephkanals ist die modernste Auflage ihrer älteren und ältesten Vorgängerin Krokodilopolis oder „der Krokodilstadt“, die einer der Ptolemäer nach dem Namen seiner Schwester in Arsinoe umtaufte. Die älteste Stadt befand sich etwa eine halbe Stunde nördlich von dem heutigen Orte, die folgenden Ansiedlungen aus den Zeiten der späteren Pharaonen, der Perser, Griechen, Römer, Kopten und Araber bauten sich in der Richtung nach Süden bis in die Nähe des jetzigen Medineh auf. Die Trümmerstätte aller dieser untergegangenen Städte mit ihren Tempeln, Wohngebäuden, öffentlichen Werken, Säulen, Statuen und allen Erzeugnissen der Kunst und Industrie bis zu den beschriebenen Papyri hin, ist heutzutage von mächtigem Umfang. Ich brauchte volle anderthalb Stunden, um sie in ziemlich schnellem Schritte zu umgehen. Nicht weniger als dreizehn hohe Berge von Schutthaufen, von denen ein jeder seinen eigenen Namen bei den Einwohnern von Medineh führt, erheben sich auf dem mit Scherben und Bauresten bedeckten Boden der Vorzeit und täglich treten neue Funde zu Tage, welche der Zufall oder Ausgrabungen aufdecken. Der Handel mit Altertümern ist daher an Ort und Stelle in Schwung und ich darf mit vollem Rechte behaupten, daß sogar der größte Teil der in den Hauptstädten Ägyptens, besonders in Kairo und Alexandrien, feilgebotenen Antiken, vor allem in Töpferware und Papyri, seinen Ursprung aus dieser Ruinenstätte herleitet. Daß seltsame Verwechselungen bei der Abschätzung der gewonnenen Funde vorkommen, mag folgendes Beispiel lehren. Bei meinem Besuche der Ruinen näherten sich meiner Person zwei wohlgekleidete Bürger in langem Kaftan und weißem Turban, von denen der jüngere in seiner Hand einen zierlich in ein weißes Tuch eingewickelten Gegenstand trug. Nach gegenseitiger Begrüßung machten sie mir den Vorschlag, gegen eine Barzahlung von 10 Pfund Sterling in Gold, das sind 200 Mark, eine in ihrem Besitze befindliche höchst wertvolle Antike zu erwerben. Es fehlte wenig, daß ich in ein helles Lachen ausgebrochen wäre, nachdem es sich herausstellte, daß der teure Schatz aus ältester Vorzeit nichts mehr und nichts weniger als die Hälfte eines zerbrochenen kleinen Porzellanengels war, wie man ihn auf unsern Jahrmärkten für 10 Pfennige erstehen kann. Ich bedauerte mit verbindlichstem Danke keine Verwendung für das seltene Kleinod zu haben und wir segneten uns beim gegenseitigen Abschied voneinander. Derartigen Mißgriffen begegnet man häufig bei den Eingeborenen, ohne daß man bei ihnen beabsichtigte Täuschung voraussetzen dürfte. Es fehlt ihnen aber jede Vorbildung, um den Unterschied zwischen Altem und Modernem heraus zu erkennen, sobald es sich um Gegenstände außerhalb ihrer gewöhnlichen Anschauungssphäre handelt. Da lobe ich mir Meister +Mahmud+ in der ehrsamen Stadt Medineh, den lustigsten aller Antiquare, den ich je in der Welt gesehen. Sein Haus, inmitten der Stadt gelegen, ist eine wahre Fundgrube für den Altertumsforscher, denn alles, was dem Bauernvolke und den Städtern auf der weit ausgedehnten Ruinenstätte an Antiken in die Hände fällt, wandert sofort in das Museum Meisters +Mahmud+. Es ist wahr, der biedere Mann kann weder schreiben noch lesen, aber er hat einen ausgezeichneten Kennerblick für das Echte und Gute und hält die ganze ägyptische Mythologie wie am Schnürchen. Freilich hat er sich seine eigene Terminologie zurechtgelegt, aber man versteht sie, sobald man nur eine halbe Stunde mit ihm verkehrt hat. Allerdings sind seine Sammlungen nicht geordnet, denn die Antiken bedecken haufenweise den Fußboden und die langen Tischbretter, aber er weiß die Hauptsachen mit seinen zwickernden Augen zu finden und herauszufischen und den uneingeweihten Reisenden nebenbei durch sein scheinbar unverfängliches Wesen arg zu täuschen. Zwischen den echten Dingen blenden wunderbar glänzende Nachahmungen durch ihre seltsamen Darstellungen in Begleitung uralter Königsnamen und gerade für diese Werke der modern arabischen Kunstfertigkeit findet Mahmud die meisten Abnehmer zu den höchsten Preisen. Natürlich giebt er vor, nichts darüber zu wissen, aber er verrät sich selber, denn ein schelmisches Lächeln umspielt seinen Mund, wenn er einen willigen Käufer gefunden zu haben glaubt. Das gehört einmal zum Leben der Großstadt, zu welcher das moderne Arsinoe emporzusteigen ganz ernste Anläufe nimmt. Wie wäre es z. B. sonst möglich, daß über vielen Kaufläden und Hausthüren Schilder mit Namen und Titeln prangen, die neben dem Arabischen die Umschrift und Übersetzung in das Französische und Englische erkennen lassen, obgleich ich keinen einzigen Franzosen und Engländer, nicht einmal eine englische Rotjacke, in Medineh zu Gesicht bekommen habe. Offenbar bereitet man sich für die Zukunft vor, ohne sich vorläufig weder für den einen, noch für den anderen zu entscheiden. Es hält schwer in der ersten Nacht seines Weilens in Medineh sich eines ruhigen Schlafes zu erfreuen, denn die Wasser rauschen, die Schöpfräder knarren, die Hunde bellen und die Wächter führen so laute Unterhaltungen vor den Häusern, daß es ein wahres Kunststück ist, die Augen in den ersten Stunden der Nacht schließen zu können. Die nächtliche Kühle macht sich hier mehr als sonst in dem Lande der Ägypter fühlbar und es empfiehlt sich daher, sich durch warme Decken zu schützen. Das Klima ist im übrigen vorzüglich, die Sommerhitze nicht übermäßig stark und die heißen Südwinde, die sogenannten Chamsin, sind ein unbekanntes Ding. Haben die Leute von Stande, mit denen ich zu verkehren Gelegenheit fand, wahr geredet, so wären ansteckende Krankheiten, wie Cholera und Pest, niemals in das Faijum eingezogen. Ob auch die Influenza vor Illahun Halt gemacht hat, habe ich nicht erfahren können, obgleich sie im ganzen Nilthale, wenn auch in milder Form, vorläufig wenigstens, bei Jung und Alt aufgetreten ist. Rechnet man noch die Rosengärten, Weinberge und Obstbaumanpflanzungen zu den Wohlthaten der menschlichen Existenz, so ließe es sich im Faijum herrlich und in Freuden leben. Vorläufig hat der Zug der Reisenden sich bisher wenig nach dem Faijum gelenkt. Gewöhnlich sind es die Jagdliebhaber, welche die Richtung über Medineh nach dem Hörnersee einschlagen, um Hyänen, Schakale, Luchse, wilde Katzen oder sonstiges Raubzeug zu schießen, oder auf Wasservögel zu jagen und die wohlschmeckenden Fische im See zu fangen, die mit den Nilfischen keinerlei Verwandtschaft zeigen sollen. Soll ich vollständig in meinem Berichte über das Faijum sein, so darf ich nicht vergessen, daß sogar die Aussprache des Arabischen für mein Gehör dialektische Verschiedenheiten von der Kairenser Sprache darbietet und daß, nebenbei bemerkt, die Bewohner des Faijum sich einer Redefülle befleißigen, die mit frommen und erbaulichen Phrasen gespickt ist. In den Gebräuchen bei öffentlichen Aufzügen, wie bei Hochzeiten, Beschneidungen und Bestattungen offenbaren sich gleichfalls Verschiedenheiten von den Sitten bei den übrigen Ägyptern. Alles in allem lohnt es sich, einen Abstecher nach dem Faijum von Kairo aus zu unternehmen, um sich von der Eigenart dieser Oase und ihrer Bewohner durch den Augenschein zu überzeugen. Wer den Versuch machen will, wird sich reichlich belohnt fühlen, doch vergesse er nicht, sich mit ausreichenden Geldmitteln zu versehen. Auch im Faijum giebt es keine billige Zeit mehr und an den gesegneten Ufern des Josephskanals kennt man so gut wie in Kairo nur hohe und höchste Preise. Der Fremde ist eben nur dazu da, um weidlich ausgeplündert zu werden. Bei meiner Abreise von Medineh genoß ich auf einer Bank vor dem bescheidenen Bahnhofsgebäude sitzend, noch eines rührenden Schauspieles. Der Zug wurde in fünf Minuten erwartet und das einheimische Volk mit seinen Bündeln auf dem Rücken belagerte bereits die Eingangsthür des hölzernen Gitterverschlages. Da saßen in gemächlicher Ruhe sechs tief verhüllte Weiber auf dem staubigen Boden mitten zwischen den Schienen, auf welchen der erwartete Zug in der nächsten Minute eintreffen sollte, scheinbar unbekümmert um ihr nächstes Schicksal. Zum Glück bemerkte ein Wärter noch rechtzeitig das Gefahrdrohende ihrer Lage. „O ihr Weiber,“ herrschte er sie mit keifender Stimme an, „steht auf, steht auf, denn der Zug wird gleich da sein.“ -- „Darum sitzen wir hier, um ihn nicht zu versäumen,“ erwiderte eine der verhüllten Schönen. Das Pfeifen der bereits heranbrausenden Lokomotive belehrte sie eines Besseren, sie räumten eiligst das Feld und der Zug zog langsam in die kleine Halle ein. Ich drückte mein Erstaunen über die unglaubliche Bahnfreiheit dem Herrn Inspektor aus. Mit aller Ruhe gab er mir die trostreiche Antwort zurück: „Es schadet dir ja nichts, mein Herr, und was willst du, die Weiber sind eben wie das liebe Vieh, das die Gefahr erst merkt, wenn sie ihnen vor der Nase steht. Und Gott ist barmherzig. Wir haben bisher kein Unglück zu beklagen gehabt.“ Mir ging die Sache über den Spaß, ich drehte den rauschenden Wassern den Rücken zu, bestieg mein Coupé, in welchem ein zerlumpter Junge mit einem Flederwisch die Staubdecke von den Lederkissen säuberte, und empfahl meine Seele dem Allerbarmer. Glücklich und wohlbewahrt langte ich mit geschwärztem Gesicht abends 7 Uhr pünktlich auf dem Bahnhofe Bulak ed-dakrur auf der linken Nilseite in der Chalifenstadt an. Ende. Helios-Klassiker-Ausgaben. ~L.~ = biegsamer Leinenband. ~Ld.~ = biegsamer Lederband mit Goldschnitt. =Börnes= gesammelte Schriften. 3 Bände. ~L.~ M. 5.-- =Byrons= sämtliche Werke. 3 Bände ~L.~ M. 5.-- =Chamissos= sämtl. Werke. 2 Bde. ~L.~ M. 2.50, ~Ld.~ M. 7.-- -- poetische und erzählende Werke. 1 Band. ~L.~ M. 1.25. =Eichendorffs= ges. Werke. 2 Bde. ~L.~ M. 3.--, ~Ld.~ M. 7.-- =Gaudys= ausgewählte Werke. 2 Bände. ~L.~ M. 3.50. =Geibels= ausgew. Werke. 2 Bde. ~L.~ M. 2.50, ~Ld.~ M. 7.-- =Goethes= Werke in 4 Hauptbänden. ~L.~ M. 5.--, ~Ld.~ M. 14.-- Preis der Ergänzungsbände (bisher 4 erschienen) in ~L.~ je M. 1.25, in ~Ld.~ je M. 3.50. =Grabbes= sämtliche Werke. 2 Bände. ~L.~ M. 3.50. =Grillparzers= sämtl. Werke. 3 Bde. ~L.~ M. 5.--, ~Ld.~ M. 10.-- =Hauffs= sämtliche Werke. 2 Bde. ~L.~ M. 3.--, ~Ld.~ M. 8.-- =Hebbels= sämtliche Werke. 4 Bde. ~L.~ M. 5.--, ~Ld.~ M. 14.-- 2 Ergänzungs-Bände. ~L.~ M. 2.50, ~Ld.~ M. 7.-- =Heines= sämtliche Werke. 4 Bde. ~L.~ M. 5.--, ~Ld.~ M. 14.-- =Herders= ausgewählte Werke. 3 Bände. ~L.~ M. 5.-- =Kleists= sämtliche Werke. 1 Bd. ~L.~ M. 1.50, ~Ld.~ M. 3.75. =Körners= sämtliche Werke. 1 Bd. ~L.~ M. 1.40, ~Ld.~ M. 3.50. =Lenaus= sämtliche Werke. 1 Band. ~L.~ M. 1.50, ~Ld.~ M. 3.75. =Lessings= Werke. 3 Bände. ~L.~ M. 5.--, ~Ld.~ M. 10.-- -- poetische und dramatische Werke. 1 Band. ~L.~ M. 1.75. =Longfellows= sämtliche poetische Werke. 2 Bde. ~L.~ M. 3.50. =Ludwigs= ausgewählte Werke. 1 Bd. ~L.~ M. 1.75, ~Ld.~ M. 4.-- =Miltons= poetische Werke. 1 Band. ~L.~ M. 2.-- =Molières= sämtliche Werke. 2 Bände. ~L.~ M. 3.50. =Mörikes= sämtliche Werke. 2 Bde. ~L.~ M. 3.50, ~Ld.~ M. 7.-- =Reuters= sämtliche Werke. 4 Bde. ~L.~ M. 6.--, ~Ld.~ M. 14.-- -- ausgewählte Werke. 2 Bände ~L.~ M. 3.50, ~Ld.~ M. 8.-- =Rückerts= ausgew. Werke. 3 Bde. ~L.~ M. 5.--, ~Ld.~ M. 10.-- =Schillers= sämtl. Werke. 4 Hauptbde. ~L.~ M. 5.--, ~Ld.~ M. 14.-- -- -- 4 Hauptbde. u. 2 Ergänz.-Bde. ~L.~ M. 7.50, ~Ld.~ M. 20.-- =Shakespeares= sämtl. dram. Werke. 4 Bde. ~L.~ M. 5.--, ~Ld.~ M. 14.-- =Stifters= ausgew. Werke. 2 Bde. ~L.~ M. 3.50, ~Ld.~ M. 7.-- =Uhlands= gesammelte Werke. 2 Bde. ~L.~ M. 2.50, ~Ld.~ M. 7.-- Aus Ph. Reclams Universal-Bibliothek. Preis jeder Nummer 20 Pfennig. =Alt=, Das Klima. Nr. 5431/32. Geb. 80 Pf. In Leder oder Pergament M. 1.80. =Brugsch-Pascha=, Aus dem Morgenlande. Altes und Neues. Nr. 3151/52. Geb. 80 Pf. =Fallmerayer=, Der heilige Berg Athos. Schilderung. Nr. 5048. =Forster=, Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich im April, Mai und Junius 1790. Nr. 4729/30. 4731/32. 4733/34. Zusammen geb. M. 1.75. =Günther=, Geschichte der Naturwissenschaften. Nr. 5069/70. 5071-74. Zus. geb. M. 1.50. In Leder oder Pergament M. 3.--. =Haeckel=, Natur und Mensch. Nr. 5404/5. Geb. 80 Pf. In Leder oder Pergament M. 1.80. =Humboldt=, Ansichten der Natur. Nr. 2948-50. Geb. M. 1.--. =Katscher=, Aus China. Skizzen u. Bilder. Nr. 2256. 4131. =Kennan=, Zeltleben in Sibirien und Abenteuer bei den Korjäken und anderen Stämmen Kamtschatkas und Nordasiens. Nr. 2795-97. Geb. M. 1.--. -- Sibirien. Schilderungen. Nr. 2741/42. 2775/76. 2883. Geb. M. 1.50. -- Russische Gefängnisse. Schilderungen. Nr. 2924. Geb. 60 Pf. =Pahde=, Meereskunde. Nr. 5632-34. Geb. M. 1.--. In Leder oder Pergament M. 2--. =Stanley=, Wie ich Livingstone fand. Reisen, Abenteuer und Entdeckungen in Zentral-Afrika. Mit einer Karte. Nr. 2909-13. Geb. M. 1.50. =Wieleitner=, Schnee und Eis der Erde. Nr. 5521-23. Geb. M. 1.--. In Leder oder Pergament M. 2.--. =Woenig=, Am Nil. Bilder aus der Kulturgeschichte des alten Ägyptens 3000-1000 v. Chr. Nr. 2888. 3084. 3837. -- „Hej, die Pußta!“ Bilder aus der ungarischen Tiefebene. Nr. 3633. 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Porto direkt vom Verlag von Philipp Reclam jun. in Leipzig End of the Project Gutenberg EBook of Aus dem Morgenlande, by Heinrich Brugsch *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK AUS DEM MORGENLANDE *** ***** This file should be named 60501-0.txt or 60501-0.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/6/0/5/0/60501/ Produced by the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at http://pglaf.org For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director gbnewby@pglaf.org Section 4. 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Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: http://www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.