Project Gutenberg's Wanderbilder aus Central-Amerika, by Wilhelm Heine

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Title: Wanderbilder aus Central-Amerika

Author: Wilhelm Heine

Commentator: Friedrich Gerstäcker

Release Date: May 3, 2014 [EBook #45569]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

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Wanderbilder
aus
Central-Amerika.


Skizzen eines deutschen Malers
von
Wilhelm Heine.

Mit einem Vorwort
von
Friedrich Gerstäcker.


Leipzig,
Hermann Costenoble.
1853.

Der geliebten Schwester
gewidmet
vom Verfasser.

Meine gute Marie!

Wenn junge Autoren ihr Erstlingsbüchlein in die Welt schicken, so pflegen sie es gewöhnlich irgend einer hohen oder berühmten Persönlichkeit zu widmen, um ihr geringes Opus zu Ehren zu bringen; wenn dagegen bereits bekannte Autoren schreiben, so ehren sie einen ihrer Freunde mit der Dedication.

Da nun aber gegenwärtiges Büchlein weder so bedeutend ist, um Jemand durch seine Dedication zu ehren, noch ich so anmaßend sein will, irgend eine hohe oder berühmte Persönlichkeit damit zu belästigen, sondern die darin enthaltenen Reisemittheilungen nichts Anderes als Lebens- und Liebeszeichen für Euch in der Heimath sein sollen, so eigne ich dieselben Dir zu.

Oft in einsamer Gebirgsöde, beim trüben Lagerfeuer, wenn das Geheul der Cayotas und Jaguars meine Nachtmusik bildete, flogen meine Gedanken der lieben Heimath zu, und ich dachte Deiner, wie Du mit liebender Sorge dem alternden Vater, der gramgebeugten Mutter zur Seite standest und den Platz ausfülltest, den der ferne Sohn und Bruder leergelassen. Und so wird es auch wieder sein, und auf nächtlicher Deckwache in fernen unbekannten Meeren werden wieder meine Gedanken in der Heimath weilen und meine heißen Segenswünsche sie begleiten.

Nimm darum dies Büchlein als eine Liebesgabe von mir an; bitte Gott, daß er einst uns Allen ein fröhliches Wiedersehen verleihen möge und gedenke stets in Liebe

Deines
treuen Bruders
Wilhelm.

Geschrieben an Bord der Dampffregatte Mississippi, in der Chasepeakbay, den 20. Nov. 1852, am Tage vor der Abfahrt der amerikanischen Expedition nach Japan.

Vorwort.

Der Leser soll hier zum ersten Mal mit einem jungen Künstler bekannt werden, den nicht nur sein frischer fröhlicher Muth und jene geheimnißvolle, aber doch auch so gewaltige Lust nach einem regen Leben, sondern auch der ernste Zweck, seinen Studien obzuliegen und seine Kenntnisse zu erweitern, in die Welt hineingetrieben, und der selbst in diesem Augenblicke bei unseren Antipoden herumschwimmt, oder mit der Büchse auf der Schulter und der Palette in der Mappe die Küsten des indischen Archipels durchforscht und die Schätze plündert, die Mutter Natur da draußen ja mit vollen Händen ausgestreut über das wundervolle Land.

Wilhelm Heine, zuerst zum Architekten bestimmt, fand mehr Freude an der freien Malerkunst. Sein Talent hierzu offenbarte sich bald. Von dem König von Sachsen in seinem Plane unterstützt, wandte er sich zuerst nach Paris, dort Decorationsmalerei zu studiren und später seine Kenntnisse der Dresdener Hofbühne zu widmen. Die dort 1849 ausgebrochenen Unruhen warfen aber die Kunst weit in den Hintergrund und von seinem rastlosen Eifer für dieselbe angetrieben, zog der junge Künstler dorthin, wohin es Tausende damals schon, wie noch jetzt, in unaufhaltsamer Sehnsucht hinüberdrängte über das Meer, in dem fernen Lande des Westens, Studien zu sammeln, und das auszubilden in der freien Welt, was er in den Kunst-Sälen von Paris vorbereitet hatte mit emsigem Fleiße.

New-York aber genügte ihm auch nicht auf die Länge der Zeit – der Amerikaner ist für die Kunst empfänglich und liebt die Künstler, aber das Land ist noch zu jung, – die Energie seiner Bewohner wird noch zu sehr für das augenblicklich Praktische gefordert, um dem Schönen schon seine vollen Sinne weihen zu können, und wo der Meubleshändler noch die »Bilder« zusammen mit Sopha und Stühlen verkauft, wo diese Gemälde noch zu so und so vielen Dutzend bestellt werden, kann natürlich der Künstler nicht Befriedigung finden.

Heine ergriff denn auch mit Freuden eine günstige Gelegenheit, die sich ihm bot, in Begleitung des, schon durch seine früheren archäologischen Forschungen in Nord- und Mittel-Amerika berühmten Herrn Squier, auch früherem Gesandten der Vereinigten Staaten in Mittel-Amerika, das letztere Land zu bereisen, um zu Mr. Squier's beabsichtigtem Werke über diese Strecken die Illustrationen zu liefern.

Ueber diese Reise, die Heine aber leider allein beenden mußte, da Mr. Squier durch Verhältnisse gehindert wurde, ihm zu folgen, handelt, mit Ausnahme eines kurzen Künstlerausflugs im Staat New-York, dies kleine Bändchen, und der Leser folgt dem jungen lebensfrohen Manne vielleicht noch mit mehr Aufmerksamkeit und Interesse, wenn er erfährt, daß Wilhelm Heine auch selbst in diesem regen Leben nicht den Drang befriedigt fühlte, der ihn weiter und weiter trieb auf der einmal betretenen Bahn, denn er befindet sich in diesem Augenblicke an Bord des amerikanischen Geschwaders, das zu einer Recognoscirungstour des indischen Archipels, vorzüglich aber der japanischen Küsten ausgesandt ist, und wohl nicht wiederkehren wird, ohne ein tüchtiges Stück von der Welt gesehen, ja vielleicht auch ein Stück in der Welt gethan zu haben.

Von dort werden seine Berichte für jetzt in der Allgemeinen Zeitung und dem Ausland erscheinen, seine Stellung an Bord eines der Kriegsschiffe, mit ehrenvollen Aufträgen der amerikanischen Regierung für unterwegs anzustellende Sammlungen, sichert ihm dabei die Gewißheit, den größtmöglichsten Nutzen von solch wilder Fahrt zu ziehen, und wir dürfen hoffen, daß er uns noch manches Schöne von fernen Ländern erzählen wird. Der Einzelne wird doch ja immer nur, möge seine Route liegen so weit sie will, auf einen verhältnismäßig kleinen Kreis beschränkt, und dem Leser bleibt es überlassen, sich von den verschiedenen Ansichten und Bildern der draußen Herumstreifenden den Honig zu sammeln und seine Meinung festzustellen.

Heine's Styl ist leicht und ungezwungen, seine Schilderung lebendig und das Herzliche und Gemüthliche seines ganzen Wesens läßt uns ihn bald liebgewinnen, und so hoffe ich denn, daß Dir, lieber Leser, diese Gabe eine willkommene sein wird, wie es mir selber eine besondere Freude gewährt hat, den jungen, noch gewissermaßen vom Seewasser triefenden Künstler bei Dir einzuführen.

Friedrich Gerstäcker.

Inhaltsverzeichniß.

Künstlerausflug durch den Staat New-York 1
Ein Jahr in Central-Amerika 41
I.
Vorwort. – Zweck der Reise. – Allgemeine Bemerkungen über Central-Amerika. – Canalproject zur Verbindung des atlantischen und stillen Oceans. 43
II.
Abreise von New-York. – Die Brig Rogelin. – Ansicht von Haiti. – Eintritt in die Wendekreise. – Unbewohnte Insel. – Mosquitoküste. – San Juan di Nicaragua. – Deutsches Gasthaus. – Lebensweise. 56
III.
Vorbereitungen zur Flußfahrt. – Das Bungo. – Abreise von San Juan. – San-Juan-River. – Clima. – Fruchtbarkeit. – Die Machuca-Rapids. – Verunglückte Tigerjagd. – Unwetter. – Aerztliche Hülfe. – Castillo Viejo. – Prophezeihung. – Der Wundarzt wider Willen. – San Carlos. – Douane. – See von Granada. – Ankunft in Granada. – Gastfreundlichkeit. – Jahresfeier des 4. Juli. 66
IV.
Die Stadt Granada. – Bauart. – Einwohner. – Lebensweise in Central-Amerika. – Festtage. – Reisezurüstungen. – Unsicherheit der Straßen. – Art zu reisen. – Fleiß der Indianer. – Massaga. – Indisches Begräbniß. 94
V.
Lavafelder. – Managua. – Reisebekanntschaft. – Landschaftliches. – Puebla nuova. – Ein Raubmord. – Nächtliche Störung. – Ankunft in Leon. 109
VI.
Freundliche Aufnahme in Leon. – General Munoz. – Ein demüthiger Apostel Christi. – Rückkehr nach Granada. 120
VII.
Indigobereitung. – Verfall des Landbaues. – Schlimme Aussichten für Ansiedler. – Gefährliche Galanterie. – Zunahme der ärztlichen Praxis. – Einfluß des Mondes. – Selbsthülfe zu rechter Zeit. – Die Schwefelquellen von Tipitapa. – Gefährliche Begegnung. – Kriegsanstalten. – Militairische Exercitien. 126
VIII.
Der geendigte Krieg in Nicaragua. – Aufregung in Granada. – Unangenehme Conflicte. – Meeting in Massaga. – Hauptquartier in Managua. – Don Fruto Chamorro. – Gefecht von Nagarote. – Erkrankung. – Gefecht von Chinandega. – Mißverhältniß der Streitkräfte. – Vertrag von Posolteja. – Treubruch des Generals Lopez. – Ehrenhaftes Benehmen des amerikanischen Gesandten. – Traurige Aussichten. 143
IX.
Neue Erkrankung. – Excursion in das Hochgebirge und die Minendistricte. – Reiseanstalten. – Aufbruch von Leon. – Nachtlager. – Räubergerüchte. – Nächtlicher Ueberfall. – Eintritt ins Gebirge. – Trockenheit. – Zuckererbauung. – Aztekische Sage. – Beschwerlicher Marsch. – Heimathliche Erinnerung. 166
X.
Aufenthalt in San Rafael. – Viehzucht. – Versuch mit dem Lasso. – Weiterreise. – Nächtliches Concert. – Totogalpa. – Der gastfreundliche Cura. – Eine Hochzeit. – Ocotal. – General Guardiola. – Hahnenkämpfe. – Spielwuth der Bewohner. 185
XI.
Dipilto. – Mangelhafter Zustand des Bergbaues. – Wiederkehrende Gesundheit. – Taminos Feuer- und Wasserprobe zu Pferd. – Erlegter Tiger. – Der Staat Honduras. 200
XII.
Yuscaran. – Don Pedro Xatrerha. – Indianerstämme. – Gefahren eines Besuches bei ihnen. – Gewaltsame Requisition. – Tegucigalpa. – Sennora L... – General Cabannas. 217
XIII.
Süßer Abschied. – Cerro di Ule. – Prachtvolles Panorama. – Heimweh. – Portillo de la Victoria. – Künstlerische Ausbeute. – Indianische Fiesta. – Große Hitze. – Ein tropisches Gewitter. – Ankunft zu rechter Zeit. – Fata morgana. – San Martin. – Choluteca. – Esteroreal. – Noch etwas über das Canalproject. – Ankunft in Leon. 232
XIV.
Glücklicher Zufall. – Abschied von Leon. – Ein Jahr Unterschied. – Stars and Stripes! – Verändertes Aussehen von St. Juan di Nicaragua. – Abschied von Central-Amerika. – Allgemeine Bemerkungen und Warnungen für Auswanderer. 254

Künstlerausflug durch den Staat New-York.

1.

Die Glocke des Steamers New-York läutet zum drittenmale, der Ingenieur giebt das Zeichen, das schöne große Schiff setzt sich in Bewegung, an seinem Bord drei lustige deutsche Maler. Der Abend war angenehm und lieblich, wie die Abende im Monat August nach einem heißen Tage an den Ufern des Hudson in der Regel sind.

Auf dem Deck und im Salon des Steamers gab es gutgekleidete Lustreisende, Leute aus der beau monde, welche in die Bäder von Saratoga, zu den lieblichen Trentonfällen oder dem großartigen Niagarafall reisten; Frauen und Mädchen, hold und anmuthig, wie sie Amerika und vor allem New-York aufzuweisen hat, in süßem Müßiggange sich im einladenden Schaukelstuhle wiegend, lachend, kokettirend; Büreau-Generale, nach ihren Landhäusern gehend, um den Sonntag dort zuzubringen; Brod- und Schweinehändler en gros, welche nach abgeschlossenen Geschäften sich wiederum ins Land hinein begeben, um alsbald mit neuen Sendungen nach New-York zurückzukehren; mitunter auch wohl ein finsterer Pfaffe, deren einer, ein Methodist, sogar später das Publikum mit einer Art Reisepredigt erlabte, an der jedoch nur blutwenig Zuhörer Geschmack zu finden schienen.

Die große wandernde Stadt, auf der wir uns befinden, Euch näher zu beschreiben, erlaßt Ihr mir wohl, meine Lieben; Fritz Gerstäcker hat es in seinen Mississippi-Bildern bereits besser gethan, als ich es im Stande sein würde. Die achthundert Pferdekraft der Dampfmaschine trieben uns rasch den prachtvollen, hier ziemlich sechshundert Fuß breiten Hudson stromaufwärts. Zur Linken streckten sich hohe Felswände in die Höhe, die Palisaden genannt, zur Rechten lagen lachende Landhäuser in üppig blühenden Gärten, kleinere oder größere Dorfschaften dazwischen, hier und da ein Bach oder ein Flüßchen, dessen Wasser sich entweder still und geräuschlos mit dem Hudson vermählt, oder eine kleine Bucht bildet, an deren Saum freundliche Spaziergänge den Reisenden zu längerem Verweilen anzulocken scheinen.

Wahrlich, wer sich die Staaten Nord-Amerikas als arm an malerischen Naturschönheiten vorstellt, der befindet sich in großem Irrthume; sie sind freilich von ganz anderem Charakter wie unsere europäischen, wollen studirt und in ihrer Eigenthümlichkeit aufgefaßt sein, bieten dann aber auch dem Künstler gar manche schätzbare Ausbeute.

Ermüdet vom Getreibe der riesigen Hauptstadt, erlabte ich Augen und Herz an den lieblichen Gemälden.

Der Kessel von Sing-Sing, wo der Strom eine große Bai von vielleicht einer deutschen Meile im Durchmesser bildet, ward mit Sonnenuntergang passirt, und von den Bergen von West-Point strahlte bereits der Mond sein mildes Licht über die lieblichen Gefilde. Der Abend rückte weiter vor und nachdem die schön geformten Berge von Katshill in der Ferne vorüber geglitten, ging ich in meine Koje, mich für den kommenden Tag zu stärken, da die Ufer von hier an bis Albany flach werden und nicht mehr die Mühe des Aufbleibens lohnen.

Bei meinem Erwachen legte der Steamer gerad am Quai von Albany an, weshalb ich auch außer dem Quai und der Straße, die nach der Eisenbahn führt, nichts von dieser Stadt sah. Kurze Rast nebst Frühstück, und weiter ging es beim ersten Strahl der lauen Morgensonne auf dem Schienenwege hin, durch das Mohawkthal. Ueberall blühende, fruchtbare Felder, nette Ortschaften, freundliche Landhäuser, großartige Fabrikgebäude längs der ganzen Bahn; der zur Seite sich hinziehende große Kanal voll regen Lebens, überall thätige, kräftige, gesunde Menschen, überall Leben, Licht, Freiheit. So ging's bis Utica, dem ersten Haltpunkte.

Nachdem wir uns glücklich durch die lärmende, drängende Menge hindurchgearbeitet, mietheten wir einen Wagen, der uns mit seinen vier Rößlein zu den Trentonfällen bringen sollte. Auf einem gut unterhaltenen Bohlenwege, dessen holzverschwenderische Anlage und Erhaltung – der ganze Weg ist mit zwölf Fuß langen, zwölf Zoll breiten und vier Zoll starken Bohlen belegt – manchen unserer gewissenhaften deutschen Forstmänner zur Verzweiflung bringen würde, rollten wir munter dahin; die acht Miles waren verhältnißmäßig schnell zurückgelegt und bald empfing uns das gastliche Dach des Herrn Moore.

Unsere gespannte Neugierde erlaubte uns zuvörderst kein langes Verweilen unter demselben, wir eilten den Fällen zu und hatten schon bei ihrem ersten Erblicken die freudige Ueberzeugung, daß dieser eine Punkt allein schon der Reise werth war.

Der West-Canada-Creek stürmt hier durch tiefe Schluchten, längs welcher sich starre, hier und da mit Bäumen und Buschwerk gekrönte, oft auch nackte, in bizarren Formen gebildete, zwischen dreihundert und vierhundert Fuß hohe Felswände, senkrecht aus dem Flusse erheben. Dazwischen hin schäumt der Fluß, manchmal in einer Breite von hundertfünfzig Fuß, über die geradlinigen Flötzgebirgformationen weggleitend, dann wieder in einen viel engeren Raum zusammengezwängt, durch zerklüftete Felsblöcke sich Bahn brechend, mit einer Fallhöhe von dreihundertachtzig Fuß auf eine kleine halbe (engl.) Meile. Nach Freund Müller's Aussagen gleicht der größte dieser Wassersturze in mehren Absätzen den Wasserfällen, welche er auf seiner letzten europäischen Reise in Dalmatien gesehen.

Hier schied ich auch von einem alten Landsmanne, D. M., der nur vorläufig nach Amerika herübergekommen war, um sich das Land, behufs einer etwaigen späteren Uebersiedelung, zu besehen und uns junges Volk bis hierher begleitet hatte. Er schien von dem, was er bis da gesehen, nicht sehr befriedigt; das paßte alles nicht recht zu seinen deutschen Agriculturbegriffen. Der Abschied von dem alten Knaben war ein wehmüthiger und schwerlich dürfte ich ihn noch einmal wiedersehen.

Die schönen landschaftlichen Vorwürfe wurden nun fleißig ausgebeutet und nach zehntägigem Aufenthalt hatten wir unsere Malermappen mit manchen höchst schätzenswerthen Motiven bereichert.

Herr Moore, der gastfreundliche, humane Besitzer des großen Hotels, ein großer Kunstliebhaber, bestellte bei uns einige Bilder mittlern Formats für recht anständigen Preis, und überdies noch einen Cyclus von Zeichnungen, als Illustrationen einer beabsichtigten Beschreibung der Trentonfälle. Trotzdem sich Herrn Moore's selbst erworbenes Vermögen kaum über einen angenehmen Wohlstand hinaus erstreckt, ist derselbe doch ein eifriger Beförderer der schönen Künste und besitzt eine, für seine Mittel nicht unbedeutende Sammlung von Gemälden, größtentheils von Künstlern, die bei ihm einsprachen. Nebstdem hat er auch noch den gewöhnlichen Hotelpreis von zwei Dollars täglich, für Künstler auf die Hälfte herabgesetzt, was bei der ganz vorzüglichen Bewirthung eine sehr mäßige Bezahlung ist. Herr Moore trieb seine Artigkeit so weit, uns selbst nach Utika zurückzufahren, wo wir herzlich und auf baldiges Wiedersehen von ihm schieden.

Und weiter ging es per Dampf, über Syrakus, wo bei Ankunft des Zuges zwanzig Glocken, in den Händen von zwanzig Kellnern, vor eben so vielen Hotels, einen wahren Heidenlärm erhoben, um allen Ankommenden recht eindringlich das Zeichen zum Essen zu geben; dann wieder weiter, nach Oswego hin, oft durch Wälder und ödes Sumpfland. Die Gegend sieht hier fiebrig und unheimlich aus, so daß man kaum zu athmen wagt.

In Oswego, einer Stadt von nahe an fünftausend Einwohnern, bestiegen wir von Neuem einen Steamer und rasch dahin glitten wir über die blaue Wasserfläche des Ontariosees, bald nur noch einen schmalen Streifen Land im Gesicht behaltend. Vier Uhr Morgens langten wir in Lewis-Town an, noch ein kurzes Stück Eisenbahn, und zwar das erbärmlichste, das je von Menschenhand erbaut worden ist, und mit Tagesanbruch standen wir da, wo:

»schäumendes Gewässer mit Donnergebrüll hinabstürzt in die grausige Tiefe!«

Es kann nicht meine Absicht sein, geognostische Abhandlungen zu verfassen, und eben so wenig poetische Reisenovellen zu schreiben; doch muß ich gestehen, daß das großartige Naturschauspiel, ohne Zweifel das größte dieser Art auf dem bekannten Erdenrund, erst allmälig begann, einen tiefen und gewaltigen Eindruck auf mich zu machen, je länger ich davor verweilte und die colossalen Proportionen zu messen begann. Die ganze Länge des Falles mag etwa tausend Schritte betragen, die senkrechte Höhe, nach dem Augenmaß beurtheilt, vielleicht ein Drittheil so viel, und ist in der Mitte von einer kleinen Felseninsel unterbrochen, zu der oberhalb des Falles eine Brücke führt. Der Niagara selbst ist von brillantem Smaragdgrün und bis weit unterhalb des Falles vom Schaume milchig gefärbt, was dem Maler reizende Farbenabwechselungen und Uebergänge gewährt; auf beiden Seiten begränzen den Fall hundertachtzig bis zweihundert Fuß hohe Felswände. Alle diese Formationen (Flötzgebirge) tragen Spuren der Gewalt des Gewässers und bis eine (engl.) Meile unterhalb seiner jetzigen Stelle hat der Fall die Merkmale seiner Zerstörungswuth zurückgelassen. Man hat nach Wahrscheinlichkeitsgründen berechnet, daß der Fall dreißigtausend Jahre gebraucht habe, um sich diese Bahn auszuwaschen; aber bei aller möglichen Hochachtung vor den Berechnungen der Gelehrten und Naturforscher, erscheint mir die hier in Frage gestellte denn doch etwas problematisch, ohngefähr so wie die Berechnung der Entfernung mancher Fixsterne. Da heißt es auch: wer's nicht glaubt, mag das Gegentheil beweisen! Das ganze Ufer zunächst des Flusses ist bedeckt mit herabgestürzten Felstrümmern, deren eben so viele in den Fluthen begraben sein mögen, gleich dem Table-Rock seligen Andenkens, der etwa vier Wochen vor unserer Ankunft glücklich zur Tiefe abgefahren ist. Ich besinne mich, irgendwo von der Berechnung eines englischen Ingenieurs gelesen zu haben, der ganz vor Kurzem erst herauscalculirt haben wollte, wie lange das Wasser sich durchaus noch zu strapaziren habe, bevor es mit der Unterwaschung besagten Table-Rocks glücklich zu Stande gekommen sei; ich möchte wohl wissen, wie weit er in seiner Berechnung fehlgeschossen haben mag? – Die Ufer des Niagara waren in den Jahren 1812 bis 15 der Schauplatz zahlreicher Gefechte mit den Engländern, und in einer Schlacht ohnweit der Fälle sollen an viertausend Todte geblieben sein.

Amerika ist das Land der Industrie und Speculation, Niagara das Land der fünfundzwanzig Cents: Du gehst auf die Heiligeninsel, kostet 25 Cents, – Du gehst zwei Meilen unterhalb der Fälle über die Hängebrücke, kostet 25 Cents, – Du läßt Dich in einem kleinen Boote über den Fluß setzen, kostet 25 Cents, – Du willst unter den Fall selbst steigen, kostet 25 Cents u. s. w.

Der hiesige Gasthof war das Gegentheil von Herrn Moore's Hotel; zwei Dollars täglich und alles mordschlecht. Wir machten Studien so viel als möglich, und beeilten uns fortzukommen, so viel als möglich, und zwar um so mehr, als wir beim Arbeiten viel von der unerträglichen Neugierde des reisenden Publikums zu leiden hatten.

Noch am letzten Tage hatten wir das traurige Schauspiel, ein armes Pferd, welches sich, oberhalb der Fälle von Hunden gehetzt, in den Fluß retirirt haben mochte, den Fall hinunterstürzen zu sehen. Weiter unterhalb fanden wir das arme Thier, zerschellt und kaum noch kenntlich, von den Fluthen auf's Ufer geschleudert daliegen. Ein Canalboot mit einer Schweinefleischladung, welches vor etwa sechs Wochen den Fluß hinabgetrieben worden war, hängt inmitten des Falles, von einem emporragenden Felsen aufgehalten, auf dem Rand des Sturzes, von brausenden Gewässern umtobt; das Treibeis des nächsten Winters wird es wohl noch vollends zertrümmern. Seltsam, trotzdem es nur ein lebloser Gegenstand ist, kann man es nicht ohne ein Gefühl des Bangens da hängen sehen und empfindet unwillkürlich eine Art von Mitleid mit dem armen Ding.

Kurz und gut, unsere Studien waren beendet, unsere Zeit gemessen und wir hatten nicht Lust, länger hier müssig liegen zu bleiben; wir begaben uns daher vermittelst obbemeldeter schlechten Eisenbahn wieder auf die Wanderschaft und an Bord des nämlichen Steamers, der uns in Lewis-Town ans Land gesetzt hatte.

2.

Unsere zweite Fahrt auf dem Ontariosee war bei weitem länger als die erste, denn wir befuhren ihn in seiner ganzen Längenausdehnung, berührten nochmals Oswego, landeten in Sacketts Harbour, ein Name, der sowohl im britisch-französischen, als im amerikanischen Befreiungskriege vielfach genannt worden, als wichtigster Posten am Ontariosee; sahen später Kingston und die rothen Röcke der englischen Soldaten und passirten am Nachmittage die Tausend-Inseln. War schon die Fahrt über den See mit seinen langgedehnten flachen Ufern langweilig, so wird die Fahrt zwischen diesen kleinen, niedrigen, mager bewaldeten, sich ähnelnden Inselchen zuletzt im höchsten Grade ermüdend. Ob es ihrer gerade tausend waren, weiß ich nicht, denn ich habe sie wahrhaftig nicht gezählt, war aber herzlich froh, als uns am Abend die Lichter von Ogdensburg das Ziel unserer Wasserfahrt andeuteten.

Hier wurden wir auf dem Landgute des Herrn von R......... höchst gastfreundlich aufgenommen und bewirthet. Diese Farm, von ungefähr eintausend Acres geklärten Landes, kann als ein vollendetes Muster amerikanischer Landwirthschaft gelten und ich hätte wohl gewünscht, mein alter Landsmann D. M. hätte seine Untersuchungsreise bis hierher ausgedehnt. Herr v. R......... hat in unglaublich kurzer Zeit Alles, was er besitzt, aus einer Wüste geschaffen; denn als er sich in Ogdensburg ansiedelte, wurden noch da Hirsche geschossen, wo jetzt sein schönes Wohnhaus steht, und dunkle Kieferwaldung stand noch da, wo jetzt ein lieblicher Park angenehme Spaziergänge bietet und in großartigen Glashäusern Südfrüchte und tropische Pflanzen reifen. Mühlen aller Art, Manufakturen, Eisenwerke, fast alle von Herrn v. R........ gegründet, liegen in und um Ogdensburg. Es kam ihm allerdings bei seinen Unternehmungen trefflich zu Statten, daß er ein sehr bedeutendes väterliches Vermögen mitbrachte, was freilich unter allen Umständen das Farmerleben aller Orten wesentlich angenehmer macht; immer aber kann man sich hier überzeugen, daß sich auch ohne jenes Zaubermittel Fleiß und Ausdauer hier reichlicher lohnen, wie in vielen andern Ländern. Nach so manchen Beobachtungen möchte ich daher überhaupt jedem in der Union Einwandernden dringend anrathen sich, wenn es seine Mittel irgend verstatten, erst in den verschiedenen Strichen des Landes umzusehen und sich mit dem landwirthschaftlichen Betrieb da und dort recht genau bekannt zu machen, bevor er sich für einen Punkt entscheidet und dann das Ganze nach vielleicht getäuschten Erwartungen beurtheilt. Eben so Viele sind durch Nichtbeachtung dieser Vorsicht zu Grunde gegangen, als andrerseits durch deren Beachtung binnen nicht sehr langer Zeit Andere zu Wohlstand, ja sogar zu Reichthum gelangt sind. Wer aber aus Trägheit oder Unwissenheit darauf beharrt, sich am ersten besten Fleck niederzulassen und das Land nach den aus Deutschland mitgebrachten Begriffen zu bebauen, dem wird es nicht besser ergehen, wie es wahrscheinlich einem Amerikaner ergehen würde, dem es einfiele unbebautes Land in Ungarn oder Rußland zu aquiriren und nach amerikanischem Systeme auszubeuten.

Nicht verschweigen kann ich es, daß ich auch in Frau v. R........ eine der liebenswürdigsten, feingebildetsten Frauen kennen lernte, die nicht nur die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder fast allein besorgt, sondern auch durch rastlose Thätigkeit und umsichtige Leitung ihres großen Hausstandes, eine Gewohnheit, die sonst den amerikanischen Frauen, bei vielen anderen Vorzügen, nicht eben sehr eigen ist, wesentlich zum Gedeihen des Ganzen beiträgt.

Ogdensburg gegenüber wurden in der Insurrection von 1837 mehre Gefechte geliefert; unter andern hatten die Insurgenten eine sehr feste Stellung inne, die nur nach hartnäckigem Kampfe genommen werden konnte. Im Lande ist sie unter dem Namen: die Schlacht bei der Windmühle, bekannt geblieben.

In Ogdensburg war während unseres Aufenthaltes daselbst von der Miliz des Districtes ein Uebungslager bezogen worden, an das man allerdings nicht den Maßstab unserer europäischen Revuen und Manövers legen darf. Diese Miliztruppen waren nämlich in vier Gattungen getheilt, als: erstens, Bewaffnete und Uniformirte; zweitens, Bewaffnete und Nichtuniformirte; drittens, Uniformirte und Nichtbewaffnete; viertens endlich, Nichtuniformirte und Nichtbewaffnete. – So passirte dieses Corps von beiläufig dreihundert Köpfen die Revue, durchzog die Stadt mit Musik und erfüllte sie mit kriegerischem Gepränge. Nichtsdestoweniger hat jedoch die Erfahrung bereits bewiesen, daß diese Leutchen, sobald es einmal Ernst gilt, ebenso wacker zu kämpfen wissen, wie nur irgend eine Truppe der Welt. – Wir aber zogen von dannen, denn nun sollte der zweite Theil unseres Ausfluges, das Waldleben beginnen.

Wir hatten uns dazu die Ufer des Roquette-River ausersehen. Wollt Ihr, meine Lieben, diesen Platz auf einer Spezialkarte der Vereinstaaten finden, so sucht ihn im Norden des Staates New-York, auf dem westlichen Abhange des Höhenzuges, welcher ihn von Süd nach Nord durchschneidet. Dort ist noch eine undurchdringliche Wildniß in einer Ausdehnung von hundertzwanzig bis hundertdreißig Meilen, die uns reichen Stoff zu solcher Art landschaftlicher Studien verhoffen ließ. In jeder Richtung hin keine Ansiedelung zu finden; dagegen bevölkern Hirsche im Ueberflusse und selbst Elenthiere den Wald, zahllose Forellen der vorzüglichsten Gattung die Bäche und Flüsse, und wilde Enten, Fasanen, Truthühner, wilde Tauben sind in solcher Masse vorhanden, daß der Jäger die reichste Beute findet. Inmitten dieser Wälder, auf der Hochebene des Gebirges, ist ein ziemlich bedeutender See, Long-Lake genannt, der südwärts den Hudson und nordwärts drei parallel laufende Flüsse, den St. Regis-, den Roquette- und den Gros-River entsendet.

Ueber Canton, Stockholm, Potsdam, Rom kamen wir bis Parisville, wo die Poststraße aufhört. Ein kleines Wägelchen führte unser Gepäck weiter, wir selbst aber wanderten per pedes nebenher, über Knüppeldämme, Sumpf und Moor in den Wald hinein, selten eine Ansiedelung treffend, die hier schon sehr dünn werden. Zu zehn englischen Meilen brauchten wir einen ganzen Tag; fünfmal brach unser Wägelchen und zuletzt so rettungslos, daß wir es zurücklassen mußten, und die letzten Meilen mit unserer Bagage auf den Schultern marschirten, bis wir spät Abends zum Tode ermüdet im letzten Settlement anlangten.

Hier ließen wir den größten Theil unseres Gepäckes zurück, uns nur auf das Nothwendigste beschränkend, und am anderen Morgen ging die Wanderung auf einem Canoe weiter, dasselbe nach Art der Indianer bei jedem Rapid (Stromschnelle) auf den Schultern um diese herumtragend. So leicht nun auch ein solches Bootchen von Birkenrinde ist, so ist es doch nichts destoweniger eine harte Arbeit, es immer weiter zu schleppen, und oft haben wir bei solcher Bergstelle von kaum einer englischen Viertelmeile mit Aus- und Einladen, Weitertragen, drei bis vier Stunden zugebracht. Noch weitere fünfzehn Meilen wurden auf diese Weise mühsam zurückgelegt und endlich langten wir am Starks-Fall, unserm Bestimmungsorte an.

Eine Schanty d. h. eine kleine Hütte von rohen Stämmen, mit Rinden bedeckt, an der vierten, dem Feuer zugekehrten Seite offen, wie sie Holzfäller bei ihrem Aufenthalt im Walde, oder Jäger die längere Zeit an einer Stelle verweilen, errichten, fanden wir noch in ziemlich gutem Zustande und hatten uns bald so wohnlich, als es irgend gehen wollte, eingerichtet. Ein helles Feuer von mächtigen, acht Fuß langen Klötzen loderte lustig im Abendwinde und in unsere Decken gehüllt, brachten wir unsere erste Nacht in einem amerikanischen Walde trefflich schlafend zu.

Unser Leben war freilich ein etwas beschwerliches, denn da wir allein auf uns verwiesen waren, mußten wir uns selbst Nahrungsmittel verschaffen, Holz für die Feuerung hauen und unser einfaches Mahl selbst bereiten. Meine Hände sahen bald so rauh aus, als zu jener Zeit, da ich Maurerlehrling war, und gar oft klebte mein Blut am Axtstiel. Nichtsdestoweniger wurde fleißig gemalt, wozu wir hier herrliche Studien fanden, und immer noch blieb genugsam Zeit übrig, dem edlen Waidwerk obzuliegen.

Allmorgendlich, sobald es nur hell genug war um Korn und Visir erkennen zu können, ging ich am Flußufer pirschen. Nie habe ich so zahlreiche Fährten nebeneinander gesehen, es war, als ob eine Herde Schafe durch den Wald getrieben worden wären. Da ich aber keine genaue Kenntniß der Wechsel hatte, so jagte ich nur auf der Fährte und hatte das Glück, schon am zweiten Morgen ein altes Thier und zwei Spießhirsche in Zeit von einer Stunde zu schießen; so hatten wir Fleisch im Ueberfluß und besonders gab das der Spießer, auf indianische Manier auf einen Baumzweig gespießt, einen gar saftigen, köstlichen Braten.

Unser Appetit ward aber auch durch die ungewöhnte Lebensweise und den steten Aufenthalt in freier Luft so geschärft, daß wir, im Verein mit ein paar Jägern, die weiter hinauf an den Fluß wollten und einen halben Tag bei uns verweilten, die zwei Spießer in drei Tagen radical aufzehrten, wobei ich indeß bemerken muß, daß die Hirsche hier zu Lande bedeutend schwächer sind, als in Europa.

Einen ganz vorzüglichen Braten bot uns auch die sogenannte schwarze Wildente, welche vom Fressen einer gewissen, nur hier in den Sümpfen vorkommenden Wasserpflanze außerordentlich fett und schmackhaft wird. Aus Mangel an Schrotladung und einer Flinte, war ich genöthigt den Fasan, die Ente und selbst die wilde Taube mit der Büchse zu schießen. Da man indeß selten weiter als vierzig bis fünfzig Schritt zu schießen hat, gewöhnte ich mich bald daran und habe selten gefehlt. Häuten, Aufbrechen und Ausweiden der Thiere, Trocknen der Häute und Räuchern des Fleisches auf indische Weise, gaben manche spaßhafte Beschäftigung und gute Gelegenheit etwas zu lernen. Meinen dritten Hirsch habe ich so tadellos aufgebrochen und ausgewirkt, daß jeder gelernte Waidmann seine Freude daran gehabt hätte.

Wölfe, obgleich dieselben noch ziemlich häufig sein sollen, habe ich noch nirgend gesehen, selbst nicht Spuren, und ebensowenig Füchse, Panther und Bären, die hier nur höchst selten vorkommen sollen.

An einem Regentage, der das den Boden bedeckende dürre Laub vollkommen durchweicht hatte, folglich höchst günstiges Wetter zu einem Pirschgange bot, hatte ich, obschon auf viele Fährten treffend, erfolglos vom Morgen an gejagt und mich etwas weiter als gewöhnlich von unserm Lager entfernt. Gegen Abend kam ich auf eine ganz frische Fährte die ich verfolgte und mich denn auch bald auf einer kleinen Waldwiese einem stattlichen Hirsche gegenüber befand. Die Entfernung war zwar etwas weit, hundertdreißig bis hundertvierzig Schritt, doch die Zeit drängte, denn wir brauchten Fleisch, und nirgend sah ich eine Deckung um näher heran zu schleichen. Langsam hob ich die treue Büchse, ein scharfer Krach erschütterte die Atmosphäre und mit einem dumpfen Schrei stürzte das edle Thier zu Boden. »Guter Braten!« dachte ich, und stieß in aller Ruhe eine frische Kugel in den Lauf hinab, doch ehe ich noch mit Laden fertig war, erhob sich der Hirsch plötzlich wieder, ein angestrengter Satz und er tauchte in das bunte Dickicht der Sassafrasbüsche nieder. Auf dem Anschuß fand ich Schweiß in Menge und Lungenkrümel. Der deutlich ausgeprägten und mit Schweiß ganz übergossenen Spur folgend, ward ich aber nach dreißig bis vierzig Schritten von undurchwadbaren Sumpf aufgehalten; ich umkreiste denselben, der Hirsch war darin, ich hörte ihn deutlich nur wenige Schritte vor mir, im Todeskampfe die Büsche knicken, und konnte nicht zu ihm, denn so oft und von welcher Seite ich es auch versuchte, versank ich gleich beim ersten Schritt bis über die Knie in den morastigen Boden.

Das war denn nun höchst fatal! nicht nur weil ich sehr ungern das schöne Stück Wild einbüßen wollte, sondern auch weil ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte und folglich Fleisch brauchte. Doch, was war zu machen? Ich verbrach den Anschuß, schnallte mir den Hungerriemen fester und machte mich auf den Weg, um wo möglich noch unser Lager zu erreichen, denn die Sonne war bereits zu Rüste. Ich suchte mich so gut wie möglich in der Richtung zu orientiren und marschirte tapfer vorwärts in die Dunkelheit, die schnell hereinbrach.

Nach zweistündigem Marsch erreichte ich ein ansteigendes Terrain, das ich für dasselbe hielt, welches ich nach meiner Berechnung auf dem Wege zu unserm Lager allerdings passiren mußte; allein schon war ich eine gute Weile gegangen und statt flacher, ward das Terrain immer steiler. Ich ward nun wohl inne, daß ich mich verirrt hatte, wußte aber durchaus nicht, wo ich mich etwa befinden konnte. Vor allen Dingen war es mir darum zu thun, bald möglichst eine Lichtung zu gewinnen, denn der Theil des Waldes, in dem ich mich befand, war so dicht, daß auch nicht ein Zoll breit Himmel zu sehen war. Ich drang also weiter vor, nach der Spitze des Hügels, auf dem ich mich aller Wahrscheinlichkeit nach befinden mußte; das Terrain war felsig und ebnete sich bald, so daß ich schon Halt machen wollte, um den Aufgang des Mondes abzuwarten, als plötzlich meine Füße ausglitten, ich mich über Moos, Steine und Sträucher rasch dahinrutschen fühlte, endlich wieder ebenen Boden unter mir hatte, aber so im Schusse war, daß ich mich nicht zu halten vermochte, mit dem Kopfe im nämlichen Augenblicke so derb an einen Baumstamm hämmerte, daß mir die Sinne vergingen und ich um und um kollerte. Ein Weilchen mochte ich wohl so dagelegen haben, als ich aber allmählig wieder anfing meine fünf Sinne zusammen zu lesen, ward ich inne, daß ich außer denselben bei dem Purzelbaum auch noch Büchse, Pulverhorn, Mütze und Messer verloren und dafür etliche Knuffe und Püffe eingetauscht hatte, die sich ziemlich unangenehm fühlbar machten. Nach langem Umhertappen fand sich endlich mein Eigenthum, mit Ausnahme des Messers, wieder zusammen, welches letztere ich selbst, als der Mond seine Laterne durch die allmählig dünner gewordenen Wolken heraus steckte, nicht wieder finden konnte. Zu gleicher Zeit belehrte mich auch der Stand des Mondes, daß ich, statt nordwestlich zu gehen, südöstlich gegangen war.

Gern wäre ich jetzt liegen geblieben, denn ich fühlte mich erschöpft und meine zerstoßenen Gliedmaßen schmerzten mich in der That recht empfindlich, aber zwei Umstände verhinderten mich daran, zuerst brennender Durst, sodann der Verlust meines Messers, und Mangel an trocknen Holz; denn ohne Feuer hätte ich die recht beißend naßkalte Nacht in meiner dünnen und durchnäßten Leinwandblouse nicht ausgehalten.

Ich »calculirte,« daß ich mich wahrscheinlich auf dem scheidenden Rücken des St. Regis- und dem Roquette-River befand, nördlich mindestens zwanzig Meilen von der nächsten Ansiedelung, östlich sechs bis acht Meilen vom St. Regis und westlich etwa eben so weit vom Roquette-River entfernt, südlich aber vielleicht hundert Meilen weit dichte Waldung vor mir hatte.

Ich selbst war ohne Kompaß, ohne Feuerzeug, ohne Messer, ohne Decke, dünn gekleidet, nüchtern seit dem Morgen, eine Kugel in der Büchse und nur noch zwei in der Tasche, allerdings eine etwas ungemüthliche Situation. Nach reiflicher Ueberlegung hielt ich es für das Beste, vor allen Dingen den Roquette-River aufzusuchen und dann an seinen Ufern hinabzugehen; ich mußte dann doch am Ende auf unser Lager, oder auf irgend eine Ansiedelung stoßen. Fand ich nur erst Wasser, so konnte ich es im schlimmsten Fall wohl noch einen ganzen Tag ohne Speise aushalten. Das Empfindlichste war mir vor der Hand der Mangel eines guten, erwärmenden Feuers.

Den Mond zur Linken, gings nun westlich und nach dreistündigem höchst beschwerlichem Marsche, während welchem mein Fuß oft über Stämme und Steine stolperte und ich einen gefährlichen Moorbruch passiren mußte, befand ich mich glücklich am Ufer des Flusses. Ich verrichtete zuvörderst ein geringfügig Waidmannsgebetlein, und zwar keinesweges in der Meinung, daß dadurch irgend etwas Verdienstliches geschehe, sondern weil es mich in Wahrheit drängte, Dem, der ja auch hier mir nahe war, meinen Dank abzustatten. Mein Durst war mit zwei Mützen voll Wasser gestillt, aber nunmehr verlangten meine durchkälteten Gliedmaßen desto ungestümer nach Wärme.

Neue Verlegenheit: kein Messer, kein Feuerzeug. Ich suchte in allen Taschen nach etwas Papier, um mit Hülfe der Büchse Feuer zu bekommen, aber auch das fehlte; ich fand nichts als einen Brief von meinen Lieben aus der Heimath, der während meiner Abwesenheit in New-York eingetroffen und mir noch zur letzten Station nachgesendet worden, und den wollte ich doch nicht gern verbrennen; war er mir doch jetzt doppelt theuer in meiner Einsamkeit, als freundliches Liebeszeichen aus weiter Ferne! – Endlich fand ich einen ziemlich trocknen, verfaulten Stamm, derselbe ward tüchtig mit Pulver eingerieben, die Büchse dicht davor losgedrückt, die Funken zur Flamme angeblasen, und bald loderte der Stamm hell empor, durch seine wohlthuende Wärme die Mühe reichlich lohnend. Bei seinem Scheine hatte ich die Freude, als Ersatz für das mangelnde Nachtmahl, die lieben Zeilen noch einmal zu durchlesen, dann warf ich mich todtmüde unter die breiten Aeste einer Ceder, als einziges Kopfkissen ein gut Gewissen, über mir als Bettdecke den gestirnten Himmel, diesen großen Mantel aller Trostbedürftigen. Meine Uhr zeigte auf halb Zwei, ich war demnach ziemlich sieben Stunden in der Irre umher marschirt.

Mehrmals ward ich aus dem tiefen Schlafe aufgeschreckt durch den gellenden Schrei einer Nachteule, so nahe, daß ich aufsprang und nach der Büchse griff, meinend, ein Panther wolle mich mit seinem nächtlichen Besuche beehren.

Am anderen Morgen nach dem Frühstück, d. h., nachdem ich abermals aus dem Fluße getrunken, machte ich mich auf, den Fluß hinabzugehen, wegen der vielen Sumpfstellen, die man entweder umgehen oder durchwaden muß, ein etwas beschwerlicherer Marsch, als eine Promenade im Dresdner großen Garten.

Auch fand ich hier eine alte, oftgehörte Jagderfahrung sehr handgreiflich bestätigt, daß nämlich der Jäger, der am nöthigsten Wild braucht, keine Klaue zu sehen bekommt. Wenigstens ging es mir an dem Tage so, und mit knurrenden Magen mußte ich durch den Wald schreiten, der von Wild wimmelt, alle Augenblicke einmal frische Fährten kreuzend. Es war die Geschichte vom Herrn Tantalus.

Einmal rauschte ein prächtiger Adler kaum dreißig Schritte vor mir empor, die Jagdpassion riß mir die Büchse an den Backen, aber im Zielen fiel mir noch zu rechter Zeit ein, daß ich jetzt nur noch eine Kugel in der Büchse und eine in der Tasche hatte, die dritte war ja in den Baumstamm gefahren, und so blieb das Rohr stumm.

Endlich gegen zehn Uhr stieß ich wieder auf das Lager, und ich versichere Euch, von der Hirschkeule die ich in Angriff nahm, blieb außer dem Knochen auch nicht ein Atom übrig.

Die Genossen waren besorgt um mich gewesen und hatten wiederholt ihre Gewehre abgefeuert; allein zu jener Zeit war ich wenigstens schon vier Meilen von ihnen entfernt.

Zweierlei höchst weise Erfahrungen hatte ich bei dieser Gelegenheit gesammelt, erstens, daß es sehr unklug ist, ohne Compaß und ohne Feuerzeug in solcher Wildniß zu jagen, und zweitens, daß man sich in einem amerikanischen Urwalde doch nicht so leicht zurecht findet, als in unseren von Flügeln und Schneusen durchschnittenen königlichen Forsten. Uebrigens aber war ich sehr froh, daß meine abhärtende Lebensweise und frühzeitiges Vertrautsein mit unangenehmen Situationen mich in den Stand setzten, mich vorkommenden Fährnissen leichter zu entziehen. Ersteres verdanke ich Eurer Erziehungsweise, geliebte Eltern, letzteres großentheils dem wackeren alten Ohm. Sei Euch allen mein Dank dafür übers Meer geschickt, dem guten Ohm aber insbesondere noch für die treue Büchse, die mir in kalter Nacht Feuer, und außerdem noch manchen guten Braten verschafft hat.

3.

Wir hatten nun Studien vollauf gesammelt und genug der Freuden des Waldlebens, denn unsere Decken boten uns nicht mehr genügenden Schutz gegen den Frost, der in letzter Nacht über einen halben Zoll Eis gebracht hatte. Nach dreiwöchentlichem Aufenthalt, am 6. October brachen wir daher auf, um uns wieder der Civilisation zuzuwenden. Unsere Reise ging den Fluß entlang, gen Potsdam zu.

Wir hatten in unserm Lager den Besuch eines Amerikaners, eines Dokter H.... aus Potsdam gehabt, der mehre auf Kosten der Regierung zur Erleichterung des Holzflößens im Fluße erbaute Dämme zu inspiciren hatte. Dieser Gentleman ersuchte uns, ihm einige correcte Skizzen dieser Dämme zu zeichnen, um dieselben seinem Rapporte an die Regierung beizufügen, eine Arbeit die in wenigen Tagen erledigt war und uns die Summe von 50 Dollars einbrachte, sehr willkommene Subsidien, da unsere Reisekasse verwünscht knapp zu werden begann. Unterwegs erhandelte ich von einem Indianer ein schönes Paar Elenhörner, von einem Ende zum andern sechs und einen halben Fuß lang und in den Schaufeln acht Zoll breit, in hiesigem Lande ein wahres Prachtexemplar.

Auch die Feuerjagd habe ich versucht, doch in anderer Art als Fritz Gerstäcker sie uns beschrieb. Wir jagten auf dem Fluß in Gesellschaft eines alten Jägers, der die Führung des Bootes übernommen hatte, eine jener ächt Cooperschen Gestalten, die hier immer seltener zu werden beginnen. Statt der Kienpfannen hatten wir eine Art viereckige Kappe, oder Helm, an drei Seiten geschlossen, die vierte vor dem Gesicht offen, und oben drauf eine Art Laterne mit einem sehr starken Talglichte, dessen Schein die Umgegend nach vorn auf zwanzig bis fünfundzwanzig Schritte erhellte. Wir fuhren ganz geräuschlos am Flußufer hin, und erst als wir den Hirsch im Wasser hörten, ward die Laternenmütze angezündet und aufgestülpt. Es war eine Doe (Thier), die bis ans Blatt im Wasser stand, gerade gegen uns gekehrt, und gewaltig blies und schreckte, als sie des Lichtes ansichtig ward. Die fertig gehaltene Büchse fuhr an den Backen und die Kugel der Doe in den Halswirbel. Weil diese Art zu jagen mir noch neu war und man auch gewöhnlich des Nachts Alles überschießt, hatte ich es nur dem Umstande, daß die Doe mir gerade zugekehrt stand, zu verdanken, daß ich sie überhaupt bekam.

Nach kurzer Rast in Potsdam, wo wir unser zerrissenes Schuhwerk und unser durchlöchertes Waldnegligé als milde Stiftung zurückließen und uns wieder etwas säuberlich machten, um als honnette Menschen in der Gesellschaft erscheinen zu können, gingen wir mit der Eisenbahn hinüber nach dem Champlain-See.

Dieser lange, schmale See bietet ungleich mehr Reiz dar, als die canadischen Seen, denn seine Breite beträgt selten mehr als vier bis fünf engl. Meilen, und die oft längs desselben hinlaufenden Gebirgsketten des Staates Vermont, so wie auf der anderen Seite des Staates New-York, gewähren dem Auge eine eben so angenehme als malerische Abwechselung. Möglich auch, daß der angenehme Eindruck, den die Gegend auf uns machte, noch gesteigert ward durch den lieblichen Duft der auf der Landschaft lag, und die herrlichen Herbstfarben der Bäume, welche das Ufer bekränzen. Noch nirgend habe ich bis jetzt solchen Farbenreichthum einer Landschaft gesehen. Amerika ist berühmt wegen seiner prachtvollen bunten Herbstblätter, und verdient diesen Ruf im vollsten Maße. Dabei haben seine Wälder noch den Reiz der außerordentlichsten Mannichfaltigkeit der Hölzer; sogenannte Familien- oder Geschlechtswaldungen, wie bei uns, habe ich hier nirgend getroffen; auf verhältnißmäßig sehr kleinem Raum sahen wir dicht gedrängt bei einander die Eiche, die Buche, den Ahorn mit hochrothen Blättern, Hikory und Sassafrasstämme, dazwischen wieder die schwarze melancholische Tanne, die knorrige Kiefer, und manchmal sogar die Birke mit ihrem hellgelben Laube und weißem Stamme durchblitzend. Durch das verschiedenzeitige Welken all dieser Blätter entstehen tausend Schattirungen und Uebergänge, vom dunkelsten und zugleich möglichst brillanten Purpurroth, bis zum hellsten Goldgeld, und von da in gleicher Weise durch alle Abstufungen bis zum saftigsten Dunkelgrün, was besonders bei Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang, wo die Ferne bald in blauen, bald in violetten Duft gehüllt ist, eine wahrhaft zauberische Wirkung hervorbringt.

Den See kreuzend, gelangten wir nach Whitehall, malerisch in einer Schlucht gelegen, an der Mündung des Sees, wo ein Canal ihn mit dem Hudson in Verbindung setzt. Durch diesen Canal kommen die Produkte des fernsten Westen über den Ontario, den Sanct-Lorenzstrom, den Champlainsee und Hudson bis New-York, ein Weg von vier- bis fünftausend engl. Meilen, welchen die verschiedenen Handelsgegenstände zurücklegen, ohne das Schiff zu verlassen, in das sie in Detroit oder Michican geladen worden sind. Außerdem laufen noch zwei andere Canalwege südlich nach demselben Punkt, von drei Hauptbahnlinien und zahllosen Canälen und Zweigbahnen nach anderen Staaten durchkreuzt, wo ein ähnlicher Stand der Dinge herrscht, und führen die Güter dem Orte ihrer Bestimmung zu. Fast alle diese Riesenwerke sind erst in den letzten fünfzig Jahren entstanden und ohne daß der Staat als solcher auch nur einen Dollar dazu gegeben. Das sind die Segnungen einer gesetzlichen Freiheit, wie die ungesetzliche Freiheit und Anarchie der Fluch der Völker ist! – Eine, im Verhältniß zu dem ungeheuren Territorium schwache Bevölkerung, hat diese Werke vollführt und vollführen können, weil ihrer Entwickelung nach allen Seiten hin ein unbegränztes Feld offen stand, weil der kühne Unternehmungsgeist der Einen, wie der Fleiß und die Thätigkeit Anderer nicht eingezwängt wird von veralteten Zunftgesetzen, der Erwerb nicht geschmälert und aufgezehrt wird vom Zahn des alles verschlingenden Monopolwesens. Doch ist das Alles ja von so vielen Anderen viel besser gesagt und beleuchtet worden, als ich es zu thun vermöchte, und wollte ich das Lob Amerikas mit vollen Backen posaunen, so gliche dies einer Abhandlung über den wohlthätigen Einfluß des Sonnenlichts.

Auf unserm Wege begegneten wir überall Werkstätten voll rüstiger und thätiger Arbeiter, welche den Mineralreichthum der Berge in den verschiedensten Formen der Welt übergeben, oder die Riesen des Waldes, zu Brettern, Latten, Kisten, Kasten, Fässern, Geräthen aller Art zerschnitten und verarbeitet, ihre Reisen zum Markt antreten lassen. Ueberall zeigt sich dies Land dem aufmerksamen Beschauer wie eine Art von Riesenkind, das oft Riesenwerke spielend verrichtet, daneben aber wieder Manches, das ihm zu tief dünkt, bei Seite wirft für spätere Zeiten, immer aber wachsend, sich kräftigend und Wunder für die Zukunft versprechend.

Die Gegend, durch die wir mußten, ist mit Blut getränkt; hier war der Schauplatz von Kämpfen ohne Zahl, zuerst mit den Indianern, um ihnen das Land abzugewinnen, dann die langen Fehden zwischen den Eingeborenen, den französischen und britischen Heeren. Namen wie Ticonderoga, Fort-Edward, Fort-William, Fort-Henri, rufen blutige Greuelscenen vor das Gedächtniß und selbst unser Jahrhundert hat bereits dergleichen blutige Spuren hinterlassen, im Jahre 1812 bei Plattsburg, wo viertausend Briten ihr Leben auf der Wahlstatt aushauchten.

Wir durchkreuzten auch den Boden, wo Cooper's letzter der Mohicans spielt. Bei Fort-Edward hielten wir an und wanderten hinüber nach Gleen-Falls. Dort stürzt der Hudson, noch ein unbändiger Knabe, wild durch zerklüftetes Gestein hinab, zu beiden Seiten der kleinen Insel, auf welche Lederstrumpf den Major Howard und die Töchter Monrooes führte. Wollt Ihr eine genaue Beschreibung der Localität, so les't Cooper's meisterhaften Roman, der Platz ist darin nach der Natur geschildert. An der Stelle, wo Nahuga den verfolgenden Indianern entschlüpfte, ist jetzt ein Marmorbruch; die Höhle, in welcher die Schwestern die Nacht zubrachten, ist ziemlich von Treibholz verstopft, doch kann man noch hineingelangen. Da, wo Hawkeye den Indianer vom Baume herunterschoß, stehen eine Menge Mühlen, statt des todten Kriegers, fallen jetzt Abschnitzel von Brettern in die schäumende Fluth, und die Spitze, welche zu erreichen zwei Kriegern das Leben kostete, wo Unca's Messer den Major vom Tomahawk des Feindes rettete, ist jetzt bloßgelegt von Wasser, was den Fällen durch einen Canal für den Betrieb der Mühlen entzogen wird.

Von hier ging es nach Saratoga, ehedem der heilige Platz des rothen Mannes, jetzt der Badeort par excellence für die elegante Welt. Noch springt die Quelle, die Hawkeye wieder aus dem Boden grub, doch statt der Calabasse, aus der die ermüdeten Jäger den Durst löschten, gewährt eine elegante Trinkhalle einen bequemen Raum, und da, wo früher in der heiligen Waldesruhe die Mineralquelle dem rothen Thonboden entsprang, wandelt jetzt der Fuß schöner Frauen, dem Stutzer auf Spaziergängen kokettirende Blicke zuwerfend.

Nicht zieht mehr der rothe Krieger an die heilige Quelle, um zu seinen Göttern zu beten, aber dennoch wallfahrten die neuen Kinder des Landes allsommerlich in Schaaren fashionabler Zugvögel hierher, um anderen Götzen zu opfern, um entweder in den Tanz- und Spielsälen Gesundheit und Vermögen zu zerrütten, oder die erstere in Kurhäusern wieder zusammenzuflicken. Verdrehtes Leben der sogenannten feinen Welt, die kokettirend, brillirend, raffinirend, intriguirend dahin zieht, denjenigen am meisten bewundernd, der es am besten versteht, durch die größte Modethorheit ihre Aufmerksamkeit so lange zu fesseln, bis eine andere, noch größere, sie schnell wieder in Vergessenheit bringt. C'est tout comme chez nous!

Als wir aber durch Saratoga kamen, sahen wir von alle dem nichts mehr; die Saison war zu Ende, das Kurhaus geschlossen, und außer einigen schläfrigen »Niggers«, die sich in den Hausthüren herumlümmelten, Alles todt und öde. Die Blätter fielen, die Schwalben zogen südwärts und die Maler heimwärts in ihr Atelier, beutelleer, aber beuteschwer, Geld, wie Farben und Leinwand aufgebraucht.

Ein Jahr in Central-Amerika.

I.
Vorwort. – Zweck der Reise. – Allgemeine Bemerkungen über Central-Amerika – Canalproject zur Verbindung des atlantischen und des stillen Oceans.

Am Bord der Brigg Rogelin, im atlantischen Ocean, Junius 1851.

Ehe ich angelangt bin in jenen Tropenländern, welche für die nächste Zukunft mein Aufenthalt sein sollen, halte ich es für angemessen, einige erläuternde Worte, sowohl in Bezug auf den Zweck meiner Reise, als in Bezug auf mich selbst vorauszuschicken.

Glückliche Zufälligkeiten hatten mich in New-York in Verbindung mit Herrn Squier gebracht, einem Mann, welcher sich bereits durch seine Verdienste um archäologische Forschungen in Nord- und Central-Amerika, so wie durch seine ehrenhafte Thätigkeit in einer Angelegenheit, die tief eingreift in die Handelsinteressen fast des ganzen Erdenrundes, einen bedeutenden Ruf erworben.

Herr Squier war mehre Jahre Gesandter der Vereinigten Staaten von Nordamerika bei den verschiedenen Republiken von Central-Amerika, und hatte während dem die beste Gelegenheit, einen großen Theil dieser Länderstriche genau zu erforschen. Das Ergebniß dieser Forschungen ist ein Werk, mit dessen Beendigung Herr Squier jetzt eben beschäftigt ist, während ich, nach getroffener Uebereinkunft mit ihm, vorausgegangen bin, um mich einstweilen mit dem tropischen Klima und der Lebensweise jener Länder vertraut zu machen, bis Herr Squier sofort nach Beendigung und Publikation jenes Werkes mir nachfolgen wird, um seine Forschungen in Gemeinschaft mit mir in den bis jetzt fast noch gar nicht bekannten Strichen Central-Amerikas fortzusetzen. Gestalten sich die Umstände diesem Unternehmen günstig, so soll dessen Resultat ein zweites Werk Squier's sein, an welchem ich mich nur in Bezug auf dessen artistische Ausstattung mit landschaftlichen Ansichten betheiligen werde.

Was nun mich betrifft und dasjenige von meinen persönlichen Reiseerlebnissen, was vielleicht vorher und ganz unabhängig von dem projektirten Werke zur Oeffentlichkeit gelangt, so nöthigt mich die tadelnde Aufnahme, welche Herrn Fröbel's Nachrichten über Central-Amerika zu Theil wurden, zu folgenden Bemerkungen.

Ich bin Künstler, und habe nur als solcher die Reise unternommen, aus Liebe zur Kunst und aus Freude an wissenschaftlichen Forschungen. Es kann nicht in meiner Absicht liegen Reiseberichte zu schreiben, welche diesen oder jenen Strich Landes in zu günstigen Farben schildern und welche vielleicht Veranlassung werden könnten, einen größeren oder kleineren Theil der Auswanderung nach irgend einem bestimmten Punkt der neuen Welt zu lenken. Der Widerspruch, den oberwähnte Berichte mehrseitig erweckt, beweist klar genug, wie überaus schwer es ist, eine feste Meinung über irgend ein Land als unbedingt maßgebend aufzustellen. Das Schicksal des Auswanderers hängt überall von zu vielen Nebenumständen ab, und durchschnittlich gehen an jedem Platze eben so viele zu Grunde, als andere wiederum den Grund zu ihrer Existenz, zu Wohlhabenheit oder gar zu Reichthum legen, wenn nicht gar der ersteren Zahl die überwiegende ist. Jedenfalls sind stets Personen genug vorhanden, welche triftigen Grund haben, Lob oder Tadel eines Landes, je nach individuellen Umständen, übertrieben zu finden.

Ich werde meine Zeit während meines Aufenthaltes in Central-Amerika wohl anderweit bedürfen, als dieselbe mit Entgegnungen von derlei Einwürfen hinzubringen, wenn überhaupt solche mir zu Gesicht kommen sollten, bemerke also im voraus, daß das, was ich etwa in dieser Beziehung zu sagen haben könnte, eben nur individuelle Ansichten und Wahrnehmungen sind, die ich unbefangen und wie sie sich meiner unmittelbaren Anschauung darstellen wiedergebe. Sollte ich wichtige Thatsachen zu berühren haben, so werde ich mich bemühen, stets die Quellen anzugeben, aus denen ich geschöpft.

Bin ich übrigens etwa irgendwo im Irrthume, soll mir's lieb sein, wenn sich Jemand findet, der es besser weiß und seine Ansicht ausspricht.

Was die etwaigen naturhistorischen und archäologischen Entdeckungen betrifft, welche während der vereinigten Expedition von Herrn Squier und mir gemacht werden sollten, so bemerke ich, daß das hier von mir zu Sagende nicht als wissenschaftliche Doctrine anzusehen ist. Dieses Feld bleibt einer geschickteren Feder überlassen als der meinigen, der meines Freundes Herrn Squier. Ich selbst sehe ab von allem und jedem System, wünsche nichts als die Eindrücke wiederzugeben, welche Natur, Menschen und Kunstwerke, als in engster Verbindung mit einander stehend, auf mich als Mensch und Künstler hervorrufen, und fühle mich hierzu veranlaßt durch die Ansicht, daß es Pflicht eines Reisenden in wenig bekannten Länderstrichen ist, seine Beobachtungen zur Kenntniß des Publikums zu bringen, um so, wenn auch nur in einem Minimum, seinen Tribut zum Schatz des menschlichen Wissens beizusteuern.

Nebenbei fühle ich mich gegenwärtig hierzu noch besonders durch den Umstand veranlaßt, daß die Schaubühne von Herrn Squier's und meinen Forschungen sich auf einem Theil des amerikanischen Continents befindet, welcher für diesen Welttheil eine ähnliche Bedeutung hat wie Aegypten und Assyrien für die alte Welt, und ich fühle mich freudig erhoben in dem Gedanken, einen wenn auch noch so kleinen Theil zur Entwicklungs- und Kunstgeschichte des Landes beizutragen, das den Fremden gastlich auf seinem Boden aufgenommen.

Weder Hr. Squier noch ich sind die ersten, welche diesen Gedanken erfaßt: der vorzüglichste Pionier der Neuzeit, im erhabenen Sinne des Worts, der große Humboldt ist es! Viele namhafte Gelehrte und Künstler haben seitdem mannichfaches Licht über jene Gegenden verbreitet, und die letzten Veröffentlichungen Herrn Squier's haben dasselbe vermehrt. Doch noch viel, sehr viel bleibt zu thun übrig, und speciell in den Staaten Nicaragua, Honduras, St. Salvador und Guatemala hemmen unendliche Schwierigkeiten die Fortschritte des wißbegierigen Sammlers. Wie weit unser Unternehmen dieselben überwinden kann, bleibt Gott anheimgestellt; mögen die Resultate indeß sein wie sie wollen, ich werde mich stets dem Schicksal dankbar verpflichtet fühlen, das mir gestattet, meine Thätigkeit mit der eines gleichgesinnten Mannes zu einer so schönen und edlen Unternehmung zu vereinigen.

Es scheint mir zuvörderst dienlich einige topographische Mittheilungen in Bezug auf den zukünftigen Schauplatz unseres Unternehmens und seine Verhältnisse zu machen, zu denen ich die Mittheilungen benutze, welche mein würdiger Freund, Hr. Squier, bereits früher dem amerikanischen Publikum übergeben.

Geographisch ist Nicaragua der größte und bedeutendste Theil von Central-Amerika. Es dehnt sich aus von einem Ocean zum andern, und umfaßt in seinen Gränzen die großen Seen von Nicaragua und Managua, durch welche, wie jetzt einstimmig festgestellt ist, die einzig mögliche Linie für einen Schifffahrtscanal über diesen Theil des amerikanischen Continents (Isthmus) führt. Die Nordgränze ist eine unregelmäßige Linie vom Golf di Fonseca am stillen Ocean zum Cap Gracias a Dios am atlantischen, die Südgränze hingegen eine gerade Linie von der Spitze des Golfs von Nicoga zu einem Punkt inmitten der Mündung des San Juan und dem Hafen von Matina in Costarica am atlantischen Ocean.

Der Grund und Boden hat ein mannichfaltiges Aeußere und eine unbegränzte Fruchtbarkeit. Das große Becken der Seen besteht aus Ebenen und sanft ansteigendem Hügelland, abwechselnd begränzt und unterbrochen durch hohe steile Vulcane, und bietet alle Produkte der Tropenländer im reichsten Maße dar. Die nördlichen Departements Segovia und Choutales sind höher gelegen, gebirgiger, besitzen einen Ueberfluß an Metallen und bringen eine Menge Früchte der gemäßigten Zone hervor; die Temperatur ist vergleichsweise kühl und frisch.

Die atlantische oder, wie sie zumeist genannt wird, Mosquito-Küste ist im ganzen flach, der fast das ganze Jahr sich ergießende Regen höchst beschwerlich, die Atmosphäre drückend heiß und weniger zuträglich als in andern Theilen des Staates. Die ziemlich dünne Bevölkerung besteht aus Indianern vom Stamm der Charibs, entlaufenen Negern von den westindischen Inseln und einer Mischlingsrace zwischen beiden. Der größte Theil der Bevölkerung von Nicaragua jedoch bewohnt den Abhang gegen den stillen Ocean hin. Hier ist der Boden nicht nur überaus fruchtbar und leicht zu bearbeiten, sondern auch das Klima unendlich gesünder und angenehmer. Es giebt hier nur zwei Jahreszeiten: die Regenzeit, von Mitte Mai's bis Mitte Novembers, und die trockene, während welcher sehr selten Regen fällt. Die Temperatur ist ziemlich gleichmäßig, etwa zwischen 70 und 82° Fahrenheit, und schwerlich dürfte sich eines der Tropenländer eines angenehmeren Klima's, einer günstigeren Lage zu erfreuen haben.

Der Staat Nicaragua ist in fünf Departements eingetheilt und hat, trotz seiner großen Ausdehnung, eine Bevölkerung von nur 250,000 Einwohnern, die jedoch hauptsächlich die Städte bewohnen. Die Hauptstadt und der Sitz der Regierung ist Leon, mit 25 bis 30,000 Seelen; die zweite Masaya, eine fast durchaus indianische Stadt, bemerkenswerth durch ihre Manufacturen, die dritte Granada, am See von Nicaragua, durch welche ein großer Theil des Verkehrs des Landes über den See und den Fluß St. Juan geht, mit 12 bis 14,000 Einwohnern. Außerdem sind Managua, Sitz der gesetzgebenden Versammlung, und Rivas schon ziemlich bedeutende Plätze.

Der nichtindianische Theil der Bevölkerung stammt von den ersten spanischen Eroberern her, und ist an Sitte und Charakter seinem Stammblut ziemlich treu geblieben. Ein näheres Eingehen hierauf behalte ich mir noch einer persönlichen Bekanntschaft mit den edlen Dons und Sennores vor.

Der bedeutendste Hafen am stillen Ocean ist der von Realejo, zwischen welchem und St. Francisco sich bereits ein lebhafter Verkehr entwickelt. Zweifelsohne wird Central-Amerika binnen Kurzem für Californien und das Oregon-Gebiet was die westindischen Inseln für die Union waren. Zucker, Tabak, Reis, Cacao, Baumwolle, Indigo, Mais und fast alle tropischen Früchte sind in Nicaragua in bester Art wie im größten Ueberfluß zu finden, und bieten Millionen fleißiger Menschen noch reichliche Quellen des Lebensunterhaltes dar. Eine ungeheure Anzahl von Hornvieh ist vorhanden, und Häute, Indigo, Kaffee und kostbare Nutzhölzer bilden den Haupt-Export.

Die Verfassung von Nicaragua ist entschieden liberal, und die freundschaftlichsten Gesinnungen für die Vereinigten Staaten überall und durch alle Classen der Bevölkerung vorherrschend; überall sprechen sich Güte und Gastfreundlichkeit aus. Die Regierung besteht aus einem obersten Director, alljährlich wählbar, einem Haus der Repräsentanten und einem Senat, letzterer für zwei Jahre, ersteres für ein Jahr wählbar. Die ersten Staatsbeamten in San Salvador und Honduras sind Präsidenten benannt.

Seit der Eroberung von Californien ist der Plan für Eröffnung einer directen Canalverbindung zwischen dem atlantischen und stillen Ocean, über San Juan und den See von Nicaragua, nicht nur erneuert worden, sondern man hat sich auch ernstlich mit seiner praktischen Ausführbarkeit beschäftigt; eine große Menge Contracte sind bereits darüber aufgesetzt worden, leider aber noch keine Resultate erfolgt.

General Taylor war sofort nach seiner Präsidentenwahl auf das Lebhafteste mit diesem wichtigen Unternehmen beschäftigt, und eine der ersten Handlungen seiner Verwaltungsperiode war die Absendung einer Spezial-Gesandtschaft in der Person des Hrn. Squier nach Nicaragua, mit Vollmacht in Unterhandlung mit diesem Staat zu treten. Eine Compagnie bildete sich in New-York unter dem Namen: The American Antlantic and Pacific Canal Company im August 1849, und im folgenden September unterzeichneten Hr. Squier und die Bevollmächtigten von Nicaragua den (am 27. d. M. auch von der Regierung dieses Staates ratificirten) Vertrag, welcher die Neutralität dieses Canals, freien Durchgang jedes amerikanischen Bürgers und seines Eigenthums durch denselben für ewige Zeiten garantirt, ingleichen die unbeschränkte Freiheit aller Häfen des Landes, und selbige Bestimmungen sollten auf alle Nationen, welche später dem Vertrag beitreten wollten, ausgedehnt werden.

Dieser Vertrag wurde vom General Taylor geprüft und dem Senat der Vereinigten Staaten zur Ratificirung übersendet; es ist jedoch bis jetzt nichts weiter in dieser Sache gethan worden. Ebenso erfolglos ist ein später zwischen Hrn. Clayton, Staatssecretär der Vereinigten Staaten, und Sir Henry Bulwer, Gesandten Ihrer großbritannischen Majestät, entworfener Vertrag zum Zweck der Zusicherung gegenseitigen Schutzes beider Nationen für jeden Communicationsweg, welcher je über diesen Continent eröffnet werden wird, geblieben, und hier mag wohl das Haupthinderniß in den Territorial-Ansprüchen liegen, welche England unter dem Namen eines Protectorats auf das Reich des ziemlich imaginären Mosquito-Königs, und mithin auf die in dessen Gränzen gelegenen Mündung des San Juan, erhebt.

Was nun aber die Hauptsache, d. h. den projectirten Canal selbst betrifft, so würde nach der Schätzung des Hn. Squier, laut officiellem Bericht an das Staatsdepartement, die ganze Länge der vorgeschlagenen Wasserlinie betragen:

a) Länge des San Juan-River 90 Miles,
b) Länge des zu passirenden Theils des Sees von Nicaragua 110 "
c) Länge des Tipitapa-River 18 "
d) Länge des Sees von Managua 50 "
e) Vom See nach Realejo 45 "
313 Miles,

oder nach Wegfall der 160 Miles sub b und d – 153 Miles eigentlicher Fluß- und Canalfahrt. Aber auch von dieser Summe würden noch 25 Miles wegfallen, wenn man die Canalmündung nach Tamarinda verlegte. Einige andere Projecte lasse ich unerwähnt.

Schon vor dem Jahr 1838 hatte Herr Bailey, englischer Officier in Halbsold, im Auftrag der central-amerikanischen Regierung einen ähnlichen Plan ausgearbeitet, und dessen Kosten auf 20 bis 25 Millionen Dollars veranschlagt – eine Summe, welche, der Wichtigkeit und Großartigkeit dieses Unternehmens gegenüber, nur gering erscheint, und deren Aufbringen, wenn nur erst obige Hindernisse beseitigt wären, gewiß keine so große Mühe erheischen würde. Geschieht dies aber, so verwirklichen sich nach drei und einem halben Jahrhundert die Plane, welche unausgesetzt den Geist eines der größten Männer seines Jahrhunderts, Christoph Columbus, beschäftigen, deren Ausführung sein Leben geweiht war, und an deren Verwirklichung er noch in seinen letzten Jahren gearbeitet.

II.
Abreise von New-York. – Die Brig Rogelin. – Ansicht von Haiti. – Eintritt in die Wendekreise. – Unbewohnte Insel. – Mosquitoküste. – San Juan di Nicaragua. – Deutsches Gasthaus. – Lebensweise.

San Juan de Nicaragua, 19. Jun. 1851.

Am 28. Mai 1851 früh 9 Uhr lichtete die Brig Rogelin die Anker, und mit einer leichten Südsüdwest-Brise glitten wir den Hudson hinab über die Bay von New-York. Das Land, das bei seinem ersten Anblick solch angenehmen Eindruck auf mich gemacht, dünkte mir jetzt, beim Scheiden auf unbestimmte Zeit, noch einmal so lieblich. Die freundlichen Ufer von New-Jersey, der Castle-Garden, dessen Bäume sich eben mit dem frischen Frühjahrsgrün geschmückt hatten, Staten-Island mit seinen reizenden Landhäusern, wo ich noch den letzten Tag in Gesellschaft von Freund Schmidt und seiner lieben Familie verlebt – alles schien mir ein freundliches Lebewohl zuzurufen, und als das schöne Glockenspiel von Trinity-Church aus der Ferne herüber klang in wohlbekannter Weise, war mir's als ob »der Freund des Freundes Hand noch wärmer drückt, wenn er sie lassen soll.«

Unsere Brig war just nicht größer als nöthig um auf der See nicht zu sehr beengt zu sein; Passagiere waren außer mir nur einer, Hr. D., welcher nach Segovia zurückkehrte, wo er mit einem Compagnon eine Silbermine betreibt, unser Capitain, ein gemüthlicher Neu-Engländer, beides Leute mit denen es sich gut einige Wochen aushalten ließ, mithin keine schlimmen Aussichten. Das einzige Ungemach das ich zu leiden hatte, war eine sehr kurze bewegte See, die mich während 36 Stunden recht unangenehm seekrank machte, nachdem ich aber recht weidlich H. Ulrich um Hülfe angeschrieen, kehrte mein Wohlbefinden zurück, und hat mich bis zur Landung nicht verlassen.

Am 1. Junius durchschnitten wir den Golfstrom mit Nordost, und befanden uns schon am 4. südlich vom Cap Henry, doch hielten uns von da widrige Winde und Windstille auf bis zum 11. Morgens, wo uns ein heftiger Südost-Sturm bei Turks-Island, bekannt durch seine Salzfabrication, in den Handkerchief-Paß der westindischen Inseln trieb. Um Mitternacht war östlich abermals Land sichtbar, und bei Sonnenaufgang waren wir in Sicht der Nordwestspitze von Haiti – eine Ansicht von langgestreckten Berglinien, unterbrochen von einigen Spitzen, ähnlich den Bergen am Lake Champlain und in Böhmen. So weit durch das Glas erkennbar, waren die Berge mit kurzem Gesträuch bedeckt, hie und da Gruppen von großen Bäumen, stellenweise felsiges Gestein, am Fuß der Berge ein langer flacher Landstrich, theils Sand, theils mit Gebüsch bedeckt, bewohnte Plätze nirgend sichtbar.

Am 12. Jun. waren wir westlich vom Cap Donna Maria, welches mit hohen schönen Gebirgen bedeckt ist, deren höchste Spitze, gegen 6000 Fuß, ganz in Gewitter eingehüllt war.

Mit dem Eintritt in die Wendekreise eröffnet sich dem beobachtenden Freund der Natur eine neue Welt. Die bekannten Sternbilder des heimathlichen nordischen Himmels verschwinden allgemach, und neue fremde Sterne strahlen herab aus dem tiefblauen Aether. Die senkrecht herabfallenden Sonnenstrahlen brennen heiß auf den Scheitel, während der Schatten des Haupthaares sich auf den Füßen zeichnet, und die so beleuchteten Gegenstände mit ihren scharfen Reflexen ein seltsames fremdartiges Ansehen erhalten. Das Meer bedeckt sich des Morgens und Abends mit einem schweren Dunst, und die Sonne sinkt als ein dunkelglühender Feuerball hinab. Fremdartig gestaltete Seevögel lugen neugierig nach dem einsamen Segler, und lassen sich oft auf den Raaen des Schiffes nieder. Schlafende Riesenschildkröten sonnen sich träg in der Mittagshitze, bis Schaaren fliegender Fische, verfolgt von ihrem grimmen Feind, dem Delphin, sich mit großem Geräusch über das Wasser erheben und bald wieder in dasselbe zurückfallen, während des Menschen Feind, der gefräßige Hai, dem Lauf des Schiffes folgt, sein Opfer zu erspähen. Die dunstige Atmosphäre giebt den fernen Gebirgen eine zarte violettgraue Farbe, ist aber auch Ursache, daß diese Küstenstriche fieberisch und ungesund sind.

Ich hatte hier wiederum Gelegenheit zu bedauern, daß mir noch so vieles Wissen mangelt. Eine genauere Kenntniß der Astronomie würde mich in den Stand gesetzt haben in den schönen klaren Nächten nützliche Beobachtungen zu machen, und alles was ich thun konnte war, die astronomischen Berechnungen der Längen- und Breitengrade mitzumachen.

Südwestlich von Haiti liegt eine kleine unbewohnte Insel, ungefähr zwei Miles im Durchmesser. Windstille die uns in unmittelbarer Nähe davon überfiel, machte eine Landung auf einer Düne an der Westseite der Insel möglich; der andere Theil besteht aus Felsen, ungefähr in der Höhe von 100 bis 120 Fuß, bedeckt mit kurzem Gestrüpp. Möven, Seeraben, Boobees, Seeschwalben und Strandläufer verdunkeln die Luft und erfüllen sie mit ihrem Geschrei. Die Menge dieser Vögel ist annähernd nur mit den ungeheuern Taubenzügen zu vergleichen, welche im Herbst die canadischen Seen kreuzen, und sie umschwärmen den Menschen, dessen fremdartige Erscheinung ihnen nicht Furcht, sondern Neugierde einflößt, gleich Mückenschwärmen. Ich beabsichtigte einige Specimen zu schießen, fand dies aber unnöthig, da unsere Matrosen die Vögel mit Knüppeln und Steinen aus der Luft herabwarfen, und ich selbst einen lebendig mit meinem Schnupftuch und darein gebundenen Stein fing. Der Boden besteht aus Sand und rundlichen Kieseln, zwischen denen spärliche Gräser sproßten, stellenweise deckte aber eine dicke Kruste der Excremente der Vögel den Boden. Das Wasser wimmelt buchstäblich von Fischen.

Leider war es nicht möglich den felsigen Theil der Insel zu untersuchen, denn ein schnell heraufziehendes Gewitter machte unsere schleunige Rückkehr nöthig, und in der That hatten wir auch nur Zeit das Schiff zu erreichen, als der losbrechende Sturm und die hohl gehende See es schon für unser Boot unmöglich machten länger See zu halten. Die eingesammelten Eier, sowie einige frische Fische mundeten uns köstlich. Der Sturm, welcher unsere Untersuchung so unangenehm unterbrochen hatte, förderte unsere Reise trefflich, so daß wir schon am 14. Morgens weit südwestlich von Jamaica waren.

Von jetzt an war unsere Reise wiederum unausgesetzt von Stürmen begleitet, und ich lernte hier zuerst die Macht eines tropischen Gewitters kennen. Oft scheint der ganze Horizont in Feuer zu stehen, und der Donner kracht, als ob hundert Kanonen zugleich abgefeuert würden. Dazu peitscht ein mächtiger Wind die Wogen, daß sich die Masten, trotz der wenigen Leinwand, gleich dünnen Gerten biegen, und eine neue Sündfluth scheint alles Lebendige von der Welt wegwaschen zu wollen. Wegen der großen Nähe der Küste und der vielen kleinen Inseln und Riffe war unsere Lage nicht ganz gefahrlos, doch stieß uns kein weiterer Unglücksfall zu, als daß durch das von der großen Hitze leck gewordene Deck eine Menge Wasser hereinströmte, das uns unsere Cojen und einen Theil unseres Gepäcks jämmerlich durchweichte. Mir ward durch diesen Umstand ein unangenehmer Verlust verursacht, da mehrere für das Daguerreotyp nöthige Chemikalien mir verdarben – ein Verlust den ich jedoch dadurch auszugleichen hoffe, daß ich umgehend Nachricht an Hrn. Squier sende, der, augenblicklich noch durch Geschäfte in New-York zurückgehalten, in der Mitte nächsten Monats gleichfalls hieher abreisen wird.

Die kleinen Inseln, welche wir passirten, gewährten einen überaus lieblichen Anblick, so z. B. Little und Great Corn Island, mit in frischem Grün prangenden Hügeln und kleinen Gehölzen mit Cocospalmen durchstreut. Endlich am 18. Morgens zeigte sich die ersehnte Küste unsern Augen. Langgedehntes Hügelland, nach der See das Ufer ganz flach, überall jedoch in der üppigsten Vegetation prangend. Eine kleine Pirogue aus Mahogany mit zwei Indianern bemannt, brachte einen Piloten an Bord, und wir liefen in der Rhede ein als just der Steamer Mexico dieselbe verließ. Ich mußte lächeln als auf unsere aufgehißten Sterne und Streifen von der Küste die Flagge des imaginären Mosquitoreiches uns Antwort gab, blau und weißgestreift, in der Ecke ein rothes Doppelkreuz auf weißem Grunde. Bald brachte uns ein Boot, gleichfalls unter der Mosquitoflagge, den Hafencapitain und den Hafenarzt an Bord, und als nach wenigen Minuten uns beide verließen, machte ich von ihrem freundlichen Anerbieten Gebrauch und benutzte das Boot, um an Land zu gehen.

San Juan de Nicaragua oder Greytown, wie es die Engländer in der Neuzeit getauft haben, ist eine abenteuerlich aussehende Niederlassung von 4 bis 500 Einwohnern, von denen drei Fünftel Indianer oder Neger sind. Es liegt an der Mündung des St. Juan Flusses an einem ungesunden Platz, und ist ringsum von undurchdringlichem Wald eingeschlossen, von dem eben nicht mehr niedergehauen ist als nöthig um den jämmerlichen Schilfhütten, an die sich in der Neuzeit einige Bretterhäuser der neueren Ansiedler angeschlossen, Raum zu schaffen. Die Einwohner leben lediglich vom Umsatz der importirten Produkte gegen die Roherzeugnisse des Binnenlandes. Cultur ist gar keine da; Korn, Kartoffeln etc. beziehen sie von oberhalb der Seen oder von Bluefield, 30 bis 40 Miles weiter hin an der Küste; einige Pferde, weniges Vieh und einige Bungos (Flußboote) bilden den ganzen Reichthum. In der ziemlich geräumigen Bay liegt ein englischer Kriegsschooner vor Anker, und in einer Baracke zunächst der des Königs der Mosquitos, die zugleich Posthaus und Gouvernementshaus ist, eine Besatzung von 15 bis 20 blaubejackten Negersoldaten.

Ich nahm ein kleines Zimmer in einem neuerbauten Gasthaus des Hn. Wiener für 1½ Doll. täglich, und vertreibe mir nun, bis ich meinen Bungo bekommen kann um den Fluß hinaufzureisen, nach besten Kräften die Zeit mit Zeichnen, Sammeln von Pflanzen, Vogelbälgen und Reptilien und der Alligatorjagd, damit ich die Rückfahrt unseres Schiffes nach New-York benützen kann, um eine kleine Sendung gleich von hier zurückzuschicken. Hoffentlich wird mein Aufenthalt möglichst kurz sein, denn einestheils wünsche ich aus diesem Land des Fiebers hinwegzukommen, anderntheils brenne ich vor Begierde mich recht gründlich mit dem Studium der tropischen Natur, von der die Küste nur einen schwachen Abglanz bietet, in Granada zu beschäftigen, wo ich einen angenehmeren Aufenthalt habe, und Herrn Squiers Ankunft abwarten werde. Der amerikanische Steamer Prometheus, der in diesen Tagen ankommen muß, mag diesen Brief, den ersten aus so großer Entfernung, mitnehmen, der nächste wird aus Granada datirt sein, und euch Näheres über meine Flußreise berichten, die jedenfalls sehr beschwerlich sein und 9 bis 10 Tage dauern wird. Mein Befinden ist bis jetzt außerordentlich gut, und soll's, so Gott will, bleiben, da ich eine sehr strenge Diät beobachte, auch in Hinsicht der Strapazen, sowie in Bezug auf das Aussetzen der Sonnenhitze die Regeln der Vorsicht befolge.

III.
Vorbereitungen zur Flußfahrt. – Das Bungo. – Abreise von San Juan. – San-Juan-River. – Clima. – Fruchtbarkeit. – Die Machuca-Rapids. – Verunglückte Tigerjagd. – Unwetter. –Aerztliche Hülfe. – Castillo Viego. – Prophezeihung. – Der Wundarzt wider Willen. – San Carlos. – Douane. – See von Granada. – Ankunft in Granada. – Gastfreundlichkeit. – Jahresfeier des 4. Juli.

Granada de Nicaragua, 6. Juli 1851.

Ich habe euch, meine Lieben, jetzt schon über 14 Tage in St. Juan, wo ich am Schluß meines letzten Briefes von euch Abschied nahm, sitzen lassen, und erlöse euch jetzt mit um so größerem Vergnügen, als der dortige Aufenthalt keineswegs ein angenehmer war.

St. Juan liegt an der Mosquitoküste im wahren Sinne des Worts, urtheilt darnach. Gegenüber der Mündung des San Juan und einer ziemlich guten und geräumigen Rhede, von der indeß ein Theil versandet, streckt sich eine Reihe jämmerlicher Rohrhütten hin, mit den früher erwähnten Bretterhäusern neueingewanderter Handelsleute dazwischen. Mit Ausnahme eines kaum einen Büchsenschuß breiten Sandstriches an der Küste, ist dem Urwald kaum so viel Raum abgewonnen als für die Häuser nöthig; daher giebt es keine mannichfachen Spaziergänge, da der ringsum dicht verwachsene Wald keinen andern Pfad erlaubt als den man sich selbst mit der Macheta (Messer) durch die Schlingpflanzen haut. Hinter dem Ort liegen einige kleine Teiche (lagunas), welche am obern Ende leicht mit dem Fluß, am untern mit der See eine gute Abkürzung der Canallinie bilden könnten, da sie hinreichende Wassertiefe besitzen sollen.

Wie ich bereits erwähnt, nahmen mich Capitain F., der Hafencommandant, und Capitain J., Commandant des Schooners, mit ächt britischer Gastfreundschaft auf, die mir die wenigen angenehmen Stunden bereitete, die man überhaupt in diesem Ort verleben kann. Da die amtliche Stellung dieser Herren mich nicht direct berührte, war mir's um so mehr vergönnt, mich ihrer gastfreundlichen Güte zu erfreuen. Capitain J. holte mich mehrfach mit seinem Gig ab, um in der Bay und auf dem Fluß Alligatoren zu jagen, und neben mehreren kleinen hatten wir eines Tages das Glück einen großen alten Burschen von 16½ Fuß zu erlegen, den ich im Sand vergrub, um bei der Heimkehr das Gerippe mitzunehmen.

Da keine einzelne Passage nach Granada zu bekommen war, so benutzte ich das Anerbieten des Herrn Ligaud, eines bei St. Juan ansässigen Franzosen, und miethete im Verein mit meinem früheren Reisegefährten ein ganzes Bungo (Flußboot) zum Preis von 100 Dollars, das wir mit Fracht beluden, und bestiegen mit noch zwei Amerikanern aus Granada als Passagiere das Boot. Ein solches Bungo ist von ziemlich roher Construction, oft großentheils aus einem einzigen Stamm gehöhlt, größere jedoch aus Planken gefügt, doch wegen der schwer zu passirenden Stromschnellen ziemlich fest gebaut. Der unsrige war ungefähr 50 bis 55 Fuß lang, bemannt mit 9 Bootsleuten und dem Patron. Letzterer steht auf einer Art kleinen Quarterdecks, und hält in reitender Stellung das Steuer zwischen den Füßen, da in den Stromschnellen das Boot mit Hülfe langer Stangen regiert wird. Die Bootsleute führen Ruder von etwa 15 Fuß Länge, stehen bei jedem Schlag auf und hängen sich rückwärts gelehnt mit der ganzen Schwere des Körpers an das Ruder, wobei sie jedesmal mit dem Sitztheil derb auf den Rudersitz aufstoßen. Die Passagiere befinden sich unter einem kleinen Dach im Hintertheil des Bootes, und liegen auf ihren Koffern, da der Raum unter den Ruderbänken für Frachtgüter benutzt wird. Da wir im Boot querüber liegen mußten, hatten wir viel Ungemach auszustehen, besonders ich, da das Boot nur 5 Fuß breit, ich aber thatsächlich 6 Fuß lang bin.


Am 23. Junius stießen wir vom Ufer und kreuzten die Bay nach der Flußmündung hin. Die schweren Regenwolken hatten sich etwas zertheilt, und die glühende tropische Sonne beleuchtete mit ihren letzten Strahlen den ersten Schritt meiner Reise ins Innere. Unsere Freunde winkten uns vom Ufer ein Lebewohl, und als das Kriegsschiff den Abendschuß abfeuerte, antworteten wir durch eine Salve unserer Feuerwaffen (Flinten und Pistolen waren Alles in Allem nicht mehr als 34 Läufe an Bord). Nur eine kurze Strecke fuhren wir den Fluß hinauf, dann nöthigte uns die, in den Tropen sofort nach Sonnenuntergang hereinbrechende Dunkelheit Anker zu werfen.

Die Hitze trieb mich aus der kleinen Cajüte, und ich lagerte auf dem Dach, während die Bootsleute, jeder auf seinem Rudersitz, in die Decke gewickelt schliefen. Die Nacht war hell, und mein Auge schweifte in den unbekannten neuen Sternbildern umher, bis es auf dem südlichen Kreuz, dem einzigen traditionell bekannten Sternbild, haften blieb; die Gedanken aber schweiften weit hinüber in die deutsche Heimath, an der, obschon getrennt von ihr, mein Herz mit warmer Liebe und dankbarer Rückerinnerung frohverlebter Jugendjahre hängt. Ich entschlief erst spät, doch trieben mich schon früh Moskitos und Thau, der mich trotz meiner Regendecke ganz durchnäßt hatte, auf, noch ehe die Indianer ihre Morgengebete für glückliche Reise sagen.

Giftige Nebel machen die Flußreise gefährlich, und sind Ursache, daß die Flußmündungen Fieber und Tod aushauchen. Die Ufer sind mit dichten, ewig feuchten Waldungen bedeckt, die von gefährlichem Gewürm angefüllt sind, und des Nachts tönt das klägliche Geheul des Schakals, zu dem oft das Gebrüll des Jaguars kommt, widerlich ins Ohr. Im Fluß lauert der grimme Kaiman, versteckt im Wasser oder hohem Gras auf seine Beute, und manch argloses Thier, Trank oder Kühlung suchend, wird vom Schlag seines Schuppenschwanzes niedergestreckt, während in der Höhe der Bäume selbst die Boa Constrictor manchen possierlichen Affen überfällt, oder einen brütenden Vogel in der Vertheidigung seines Nestes würgt. Die Vegetation ist so überaus üppig, daß nur an wenigen Stellen des Ufers eine Landung möglich ist; deshalb pflegt man nur einmal des Tages zu kochen, was wegen des feuchten Holzes zwei Stunden Aufenthalt verursacht. Bei jedem Schritt versperrt dichtes Gesträuch und Lianen den Weg, den man oft genug sich mühsam durchhauen muß. Der Boden jedoch ist von der fruchtbarsten Beschaffenheit, und wird, hat sich erst die Cultur Bahn gebrochen, die ergiebigsten Ernten liefern. Nur wird das Loos der ersten Ansiedler ein hartes sein, da der Nordländer das Klima erst gewohnt werden muß.

Zu trinken hatten wir nichts als das schmutzige warme Flußwasser. Die während des Tages außerordentliche große Hitze veranlaßt oft Alles über Bord zu gehen, um sich so viel als möglich im Bad zu erfrischen, und die nackten Zambos (Mischling von Indianer und Neger, ein schöner und starker Menschenschlag) springen oft ganz vom Schweiß triefend ins Wasser, ohne üble Folgen zu spüren.

Wir ankerten an der Mündung des Colorado, eines Arms des San Juan, der südlich entweicht, und hier dürfte ein Damm für den Canal nöthig werden, um durch die große Wassermasse, die hier verloren geht, die hinderlichen Triebsandbänke zu entfernen. Hier ist eine der schönsten Flußstellen: Bäume von 150 Fuß in den schönsten Formen decken die Ufer, gekleidet in saftiges Grün, geschmückt mit gelben, violetten und rothen Blüthen. Riesenhafte Schlingpflanzen, oft von der Dicke eines jungen Baumstammes, winden sich in die höchsten Gipfel, von wo sie sich wieder bis zum Wasserspiegel herabsenken; Schwärme buntgefiederter Papageien durchkreuzen die Luft nach allen Richtungen, während Massen der verschiedenartigsten Reiher (ich zählte deren dreizehn Gattungen) und mannichfache Specimen von Affen vorkommen, und von Insecten eine wahre Fülle vorhanden ist. Da es mir an Schrot fehlte, zerschnitt ich mit vieler Mühe einige Pistolenkugeln und tödtete mehrere Vögel, deren Bälge ich aufbewahrte. Gar zu gern würde ich mehr sammeln, da aber die Transportmittel sehr schwierig und mithin theuer sind, habe ich keine Hoffnung diese wissenschaftlichen Schätze mit mir nehmen zu können.

Den 26. passirten wir den Serapique-River, am 27. den San Carlos-River, beide von Süden kommend und sich mit dem San Juan verbindend. An letzteren werden die ersten Berge sichtbar, und die Moskitos waren weniger häufig, mir sehr angenehm, da ich kaum mehr einen Finger bewegen konnte, so geschwollen und zerstochen war ich. Mehrere Arten wilder Enten kamen vor, bis zur Größe einer Gans, und ich sah hier zum erstenmal Enten auf Bäume fliegen. Wir verspeisten einige, welche das große Blei meiner Büchse zu sehr zerrissen, und fanden sie höchst schmackhaft, weniger jedoch die Affen, die wir auch kosteten, jedoch den Bootsleuten überließen, zu ihrer großen Freude, da die Nahrung dieser armen Leute lediglich aus Reis und Bananen besteht. Schwalben, gelbe sowohl als ganz kleine graue, überaus niedliche, große rothe Arras (Lappes) mit blauem Schweif und Flügeln waren gleichfalls sehr häufig. Ich tödtete einen Congo (Brüllaffen) von der Dimension eines Hundes mittlerer Größe, der ein sehr lautes brüllendes Geschrei erhob, derselbe ward jedoch von den Indianern als nicht eßbar bezeichnet; sie ziehen den großen rothen langgeschwänzten Affen (Migo) vor.

Am 28. brachen wir ungewöhnlich früh auf, um die Machuca-Rapids zu passiren, aus Stromschnellen von drei Miles Länge bestehend, sehr beschwerlich und sogar gefährlich, da das Wasser sehr starken Fall hat und über große Felsstücke geht. Zwei Boote, welche uns folgten, vereinigten sich mit uns, eines der Boote nach dem andern herüber zu bringen, wozu immer 20 bis 25 Mann nöthig waren, und womit wir erst am Abend zu Stande kamen, so daß wir an diesem Tage nicht über vier Miles zurücklegten.

Während die Boote über die Fälle gebracht wurden, ging ich ans Ufer einen wilden Truthahn zu schießen; als ich in kurzer Entfernung auf einen großen Puma (Tiger) stieß, der, niedergekauert liegend, feindselig knurrte und mir mit seinen grünglänzenden Augen Liebesblicke zuwarf. Obschon man sagt, daß der centralamerikanische Tiger in der Regel Menschen nicht angreift, so wußte ich doch nicht, wann gegenwärtiger zuletzt gefrühstückt hatte, und schnell riß ich die Büchse an den Backen. Doch die Begierde, das schöne Fell zu erlangen, ließ mich zu unbedachtsam feuern, und meine Kugel zerschmetterte ihm das linke Schulterblatt. Heulend warf sich die Bestie ins Gebüsch, und ich, ein Pistol ziehend, rasch hinterdrein. Auf dem schlüpfrigen Boden strauchelnd, blieb ich mit dem Fuß in einer Liane hängen, und zu Boden stürzend entlud sich mein Pistol, während mein werthes Ich sich im Koth der jungfräulichen Wälder abdrückte. Weitere Verfolgung erwies sich als nutzlos, und ich kehrte zum Boot zurück, da dumpf rollender Donner einen Hurican verkündigte.

Kaum angelangt, brach das Wetter los, und heftige Donnerschläge, wie der Schall vieler Kanonen, schienen die Grundvesten der Erde erschüttern zu wollen, während alle Schleußen des Himmels ihre Wasserströme auf uns herabsendeten. Ein zufällig auf dem Deck stehender Blech-Eimer diente mir als Regenmesser, und zeigte in einer Viertelstunde 14 Zoll Wasser. Wir waren gerad an einer schwierigen Stelle der Fälle, und 20 Mann mußten ins Wasser das Boot weiter zu bringen, während der Rest der Mannschaft vom Boote aus mit langen Stangen nachhalf. Ein Blitz, der kurz vor dem Boot einen ungeheuern Baum zusammenschlug, vollendete die Verwirrung, die anfing gefährlich zu werden, da Alles durcheinander schrie und lärmte. Der Patron betete zu St. Antonio, die Amerikaner fluchten und suchten die Indianer mit gezogenem Pistol oder Knüppel zu neuen Anstrengungen anzutreiben, und ich brauchte das wenige Spanisch, das ich weiß, und schrie: Agua ardiente! Agua ardiente! (Schnaps), welches Alles zusammen denn auch seine Wirkung that, gleichviel nun, ob St. Antonio, die Prügel oder der versprochene Schnaps, den ich von dem für die Insecten und Reptilien mitgenommenen Alkohol austheilte, geholfen hatte.

Ich muß bemerken, daß St. Antonio, welcher für die Machuca-Rapids eine besondere Gültigkeit haben soll, jedenfalls ein unangenehmes Amt bekleidet. Ich wenigstens würde die Patronschaft ablehnen, müßte ich den ganzen Tag Boote über diese verwünschten Stromschnellen bringen.

Im letzten Rapid liegt das Wrack eines amerikanischen Dampfbootes, das, für die See bestimmt, jetzt durch ein anderes ersetzt worden ist. (Dieser Steamer war wahrscheinlich dem St. Antonio, der nur das Bungo gewöhnt ist, zu schwer, deshalb ließ er ihn sitzen.)

In der folgenden Nacht hatten wir arg zu leiden von dem vielen Regenwasser, das, in das Boot gedrungen, die Häute, mit denen die Waaren bedeckt, aufgeweicht hatte, was einen pestilenzialischen Geruch verursachte. Ueber die Cajüte hatte ich eine große Gummidecke gebreitet, die als Frachtstück mitging und uns selbst wenigstens trocken hielt.

Wir sahen hier Herrn Cropsey, Ingenieur des Canals, welcher ein auf ein Boot befestigtes Haus bewohnt und längs des Flusses die vorbereitenden Arbeiten leitet. Er war sehr erfreut in der Bootsladung für ihn bestimmtes Fleisch, Mehl, Branntwein und Kaffee zu finden, denn in einer Länge von 90 Miles ist gar nichts zu bekommen, da der ganze Fluß unbewohnt ist.

Einer der Passagiere ward heftig vom Fieber geschüttelt, alle waren unwohl, doch brachten einige meiner mitgenommenen Aloepillen eine erwünschte Aenderung bei Allen hervor, mit Ausnahme des Fieberkranken, der durch einen am Morgen hinzugetretenen Schlaganfall sich sehr übel befand. Doctor Gescheidt's Geschenk, eine Lanzette, leistete mir beim Aderlaß, den ich an ihm vornahm, gute Dienste, und er befand sich bald besser darauf.

Bis zu den Rapids Castello Viejo ist stilles Wasser von gehöriger Tiefe, ebenso oberhalb derselben bis zum See, so daß die größten Mississippi-Boote bequem gehen können, nur werden die Rapids ziemlich bedeutende Schleußenbauten erfordern. Im ganzen Fluß ist jedoch kein größeres Hinderniß als solche, die im St. Lawrence-Fluß schon mit großer Leichtigkeit überwunden worden sind, nur ist hier die große Schwierigkeit, daß die Eingebornen schlechte Arbeiter und bei jeder ihnen unbekannten Arbeit unbrauchbar sind, und Arbeiter aus dem Norden haben anfänglich viel vom Klima zu leiden.

Am 29. Junius langten wir im Castello Viejo an. Auf der Spitze eines kleinen Hügels liegen die Trümmer des alten Castells und beherrschen die kurzen, aber sehr heftigen Stromschnellen; es wurde jedoch von den Briten 1848 belagert und geschleift. Mit vieler Mühe hieb ich mir einen Weg zum Gipfel nach den Trümmern, die in schon so kurzer Zeit ganz von der Alles überwuchernden Vegetation bedeckt sind; da wo noch vor vier Jahren die Kanonen über die Geschützbettungen donnerten, stehen schon große Bäume. Die größte Sicherheit des Platzes bestand in dem Mangel an Raum zu Errichtung feindlicher Batterien, für die erst der Wald niedergehauen werden mußte. Das Fort selbst besteht theils aus Felsen, theils ist es aus einer Art Porphyr, theils aus Ziegelsteinen gemauert. Seine gegenwärtige Besatzung besteht nur aus Fledermäusen, von denen ich in den Casematten mehrere nach männlichem Kampfe erlegte, andere fing. Sie waren den nordischen Fledermäusen ähnlich, und hatten durch einen aufrecht stehenden Hautlappen über der Nase das Aussehen eines Nashorns. Farbe ganz schwarz, Körper haarig, fünf Zehen, an den Flügeln kleine Haken, Zähne außerordentlich groß, beinahe so lang wie die obere Kinnlade. Einige alte spanische Geschütze liegen im Schutte begraben.

Am Fuß des Castells liegt ein Rancho (Rohrhütte). Hr. W., ein Agent der Canalcompagnie, ist mit einer Anzahl Indianer beschäftigt einen Landungsplatz für das Dampfboot zu bauen. Er klagte sehr über die Schwierigkeit, die Indianer zu guten Arbeitern zu machen. Mit Ausnahme einiger Aexte, die von der Compagnie geliefert wurden, bedienen sie sich lediglich der Macheta. Dies ist ein Messer, welches, je nach der Sitte des Landes, von der Größe eines langen Dolches bis zu einem sehr schwerfälligen Säbel anwächst, und zum mannichfachsten Gebrauch dient. Man haut damit sein Holz, baut ein Haus, was jedoch bei diesen Rohrhütten nicht viel sagen will, schneidet Fleisch und braucht es als Waffe. Die Indianer hackten damit nach Anweisung am Holz herum, und schienen sich zuletzt selbst zu wundern, wenn ein Stamm zurecht gehauen war. Es wird bald der Plankenweg fertig sein, und eben ein solcher an den Machuca gebaut werden.

Als ich von San Juan abging, war eben eines der kleinen eisernen Dampfboote angelangt, und man arbeitete an dessen Zusammensetzung; zwei andere folgen nach, und es wird in jeder der drei Hauptabtheilungen des Flusses eines gehen. Wird der Fluß angesiedelt, so werden jedenfalls an diesen Plätzen zuerst Dörfer entstehen. Bald vielleicht wird sich ein American-Eagle-Hotel oder Independence-Hotel erheben und diesem fruchtbaren Boden eine Ernte abgewonnen werden.

Zwischen beiden Bootsleuten entspann sich ein Streit, und dem einen ward mit der Macheta ein Stück aus dem Backen gehauen. In den Augen der Indianer ist jeder weiße Mann ein Doctor; durch meine Purganzen und Vomitive, sowie durch den Aderlaß war die Thatsache noch mehr festgestellt, und jetzt mußte ich nolens volens des Mannes Backen zusammenflicken. In Ermangelung chirurgischer Nadeln legte ich ihm mit einer gewöhnlichen Nähnadel Heftlöcher an. Der arme Teufel stand viel Schmerzen aus, doch flickte ich ihn übel und bös zusammen, und pappte schließlich ein Heftpflaster darüber; wenn die Backe schief heilt, ist's nicht meine Schuld. Lieb wäre mir es aber doch, wenn meine chirurgischen Kenntnisse nicht zu arg auf die Probe gestellt würden.

An diesem Platze waren wiederum Moskitos und Bremsen, deren Stich wie Feuer brennt, sehr lästig, daher setzten wir so schnell als möglich unsere Reise auf dem jetzt ruhiger fließenden Fluß mit günstigem Fahrwasser fort. Ich überraschte einen Kaiman im Gras schlafend, und schoß ihn durch das Blatt; er suchte noch das Wasser zu gewinnen, doch kam ich ihm zuvor, und stach ihn zweimal mit der Macheta in die Weichen, wobei er mich mit einem Schwanzschlag in das Wasser warf. Ehe ich wieder im Trockenen war, hämmerten schon die Indianer auf seinem Kopf herum, und ich konnte nur das Gebiß retten. Es war ein Weibchen, maß 11 Fuß und hatte im Magen ein ganzes Hirschkalb. Die Flußufer sind hier flach und wie überall der Boden höchst üppig.

Am 30. Mittags langten wir im Fort San Carlos an. Hier stand früher gleichfalls ein großes Fort, das die Mündung des Sees beherrschte, aber von den Engländern Ausgangs des verflossenen Jahrhunderts in Trümmer gelegt ward, in welcher Action der junge Nelson als Midshipman eine seiner ersten Waffenthaten verrichtete. Das jetzige Fort besteht aus einer verfallenen Schanze, auf derselben ein Haus für ein bis zwei Dutzend Soldaten, ein etwas besseres für den Commandanten. Neben der Flagge von Nicaragua steht eine alte vom Rost zerfressene Kanone (etwaige Schmugglerboote aufzuhalten) auf einer Laffette, deren Räder aus einem quer durchgeschnittenen Stamm bestehen. Beim Abfeuern dieses Geschützes sehe ich weniger Gefahr für den Feind als für den Artilleristen, der es loszubrennen hat. Einige Dutzend Kugeln rosten im Gras, doch liegen demontirt auch einige schöne bronzene 32-Pfünder mit der Jahreszahl 1618 im Sand. So günstig auch dieses Fort für die Vertheidigung liegt, so würde es doch in seinem jetzigen Zustande von zehn derben Leuten mit Leichtigkeit zu nehmen sein.

Die am Fort liegende Ortschaft war lange ganz verlassen, doch sind jetzt wieder einige Dutzend Rohrhütten erbaut, und bei eintretendem lebhaften Verkehr wird dieser Ort jedenfalls ein wichtiges Settlement werden; in seinem jetzigen Zustand jedoch kann es füglich mit San Juan gleichgestellt werden.

Hier ist die Douane der Republik Nicaragua, welche die Reisenden sehr quält, denn die kleinste Kiste muß ausgeladen und untersucht werden. Ich machte hier zuerst von meinen Papieren Gebrauch, und erlaubte nicht daß man mein Gepäck berührte. Die Douanenbeamten, sei's weil sie nicht verstanden oder verstehen wollten, gaben sich indeß nicht zufrieden und wollten selbst ausladen, da erschien der Douane-Inspector und der Commandant des Forts. In San Juan hatte eine Auction stattgefunden, in welcher unsere Schiffsgesellschaft, für den Fall, daß wir den 4. noch auf dem Fluß oder See sein sollten, einen Korb Champagner erstanden. Als die beiden Herren erschienen, nahm ich eine Flasche, legte sie an den Backen, und schoß den Pfropfen auf den Douane-Inspector ab, dem Commandanten meine Beglaubigung gebend. Durch beides zufrieden gestellt, leerten wir diese und noch eine Flasche auf unser gegenseitiges Wohl, während welcher Zeit der Hafencommandant sich entschuldigte, daß er meinen Salutschuß mit dem Champagner, wegen spärlicher Munition aus seinen Geschützen nicht erwiedern könne. Als die Fracht die Douane passirt hatte, schieden wir mit gegenseitigen Achtungsversicherungen.

Die Fahrt über den See, welche 110 Miles beträgt, begann wieder des Abends, allein ein ungleich lieblicherer Anblick bot sich mir, als beim Beginn der Reise. Die ungeheure Wasserfläche, nach vorn den Horizont bildend, wird rechts und links begränzt von schönen Gebirgen, und während links die große Gebirgskette sich nach Costarica hinabzieht, erheben sich inmitten des Sees die Gipfel der beiden großen Vulkane des Ometepa-Islands majestätisch in die Wolken. Links, südlich, sind die Mündungen des Rio Frio, umkränzt von üppigem Pflanzenreichthum, während Baumgruppen ganz übersäet von Purpurblüthen sich rechts erheben. Ein von Norden heraufziehendes Gewitter erfüllte die Luft mit imposanten Wolkenformen, während die abendliche Spiegelung derselben den See in reiche Farbenpracht kleidete.

Unser Boot gleitete unter seinem ärmlichen Segelwerk leise im Abendwind dahin; als jedoch das Gewitter in gewohnter Heftigkeit losbrach, getrauten sich die Bootsleute nicht dem Sturm Trotz zu bieten, und ankerten im See bis Anbruch des Tages. In der nächsten Nacht war kein so starker Wind, der Mann am Steuer aber schlief fortwährend, so daß wir uns selbst über das Boot erbarmten und mit Hülfe einer eben veröffentlichten (Colton) New-York-Karte und eines Taschencompasses weiter segelten bis Tagesanbruch.

Der See von Granada ist der größte in Centralamerika, giebt den großen canadischen Seen nicht viel nach und ist mit umfangreichen Inseln besäet, deren größte, Omatepa, zwei Vulkane von 5-6000 Fuß besitzt und 30,000 Einwohner hat. Ein in der nächsten Nacht losbrechendes Gewitter, das unser kleines Fahrzeug gleich einer Nußschale herumwarf, nöthigte uns in unmittelbarer Nähe des Landes zu ankern. Gegen Morgen ruderten wir vollends bis Granada, und vor Sonnenaufgang hatten wir neben dem kleinen amerikanischen Steamer, dem ersten, welcher diesen See befährt, geankert.

Es war der 4. Jul., der jedem amerikanischen Bürger theure Jahrestag der Unabhängigkeits-Erklärung der Vereinigten Staaten, der wie immer von der amerikanischen Flagge recht mit Ehren gefeiert wird. Bei Sonnenaufgang hißte der Steamer und die beiden Schooner die Flagge, und vom Bord stiegen eine Masse Raketen in den blauen Himmel, wir aber grüßten die stolzen Sterne und Streifen mit einer dreifachen Salve.

Wir suchten die Ausschiffung unserer Effecten zu beschleunigen, die einige Schwierigkeiten verursachte, da abermals ein Zollbeamter Einwendungen gegen die Einfuhr meines Alkohol, der allerdings hier Monopol ist, erhob, doch nach Erklärung des Zweckes gab er sich zufrieden, nur hatten sich während der Debatte eine Partie zerlumpte Soldaten, deren ganze Uniform in Flinte und Patrontasche bestand, und die meine Effecten bewachen sollten, in einige Forschungen über den Inhalt des Getränks vertieft. Bald war jedoch Alles auf einen großen zweirädrigen Ochsenkarren, dessen Räder wie die der Kanone aus einem Baumstamme geschnitten waren, geladen; das Deichselgespann ward von einem auf dem Wagen stehenden Mann nach antiker Art mit dem Speer gelenkt, voraus ging ein nackter Kerl, mit einer Art langer Decke drapirt, in der Hand die unvermeidliche Macheta, mit der er, dem Vordergespann auf das betreffende Horn hauend, die Richtung bezeichnete. Die Ochsen sind daran gewöhnt daß kein Lenkseil gebraucht wird, daher haben Zug-Ochsen oft ganz zerhackte Hörner, oft auch wird aus Mißverständniß ein Stück Ohr mit abgehauen.

Ich fand hier den bekannten Gelehrten Hrn. Fröbel, dessen Bekanntschaft ich voriges Jahr in New-York gemacht hatte, und nachdem die Freude des Wiedersehens vorüber war, brachte ich mich selbst und mein Gepäck im Hause eines Hrn. Dr. B. unter, der mir ein großes Zimmer freundlichst abtrat.

Es war mir endlich verstattet, nachdem ich meine Koffer und Kisten, deren Inhalt durch die viele Feuchtigkeit an einigen Stellen mit Schimmel und Moder bedeckt war, ausgepackt und gelüftet, meinen strapazirten Körper mit gründlicher Reinigung, frischer Wäsche und reinen Kleidern zu laben, und das war eine wahre Wohlthat, denn ganz bedeckt vom Schmutz des Bootes und der Wälder, kostete es mir nach jedem Bad im Fluß keine geringe Ueberwindung wieder in meine Schmutzhülle zu schlüpfen. Nach dieser nöthigen Reinigung gab ich einen Bündel Briefe ab, wobei Dr. B. (ein Deutscher) meinem mangelhaften Spanisch als Dolmetscher zu Hülfe kam. Ueberall ward mir der freundlichste Empfang zu Theil, denn sowohl Hr. Squier als Herr Marcoleta (Gesandter in Washington) waren sehr geachtete Persönlichkeiten, und überall erhielt ich Einladungen zum Besuch und Aufenthalt in Hacienden, von denen ich zuerst die Don Jose Sandovals, eines freundlichen alten Spaniers, benutzen werde, um einige Tage auf seinem schönen großen Besitzthum zuzubringen.

Ich war eben nach Hause zurückgekehrt als der Präsident, in Begleitung des Vice-Präsidenten, den hiesigen Amerikanern und meiner Wenigkeit zur Feier des 4. Jul. eine Einladung zu einem Festessen und Bankett überbrachte, welche ehrende Auszeichnung ich mit Dank annahm. Um 4 Uhr begab ich mich in Gesellschaft F's. und des Dr. B. in das Fest-Local.

Die Häuser sind nach Art der maurischen Häuser in Algier gebaut. In der Mitte ein sehr großer Hof, umgeben von Säulengängen, an welche die verschiedenen Gemächer des Hauses stoßen. Nach der Straße hin ist meist eine große Empfangs-Halle, welche hier als Fest-Local mit den Flaggen der Union und Nicaragua's und mit einer Menge ungeheurer Palmenzweige geschmückt war. Ingleichen waren die Colonnaden des Hofs durch Palmen in Baumgänge verwandelt, und da jeder Hof hier mit Pflanzen geziert ist, zwischen denen immer eine Menge zahme Papageien und andere Vögel, auch wohl zierliche Rehe herumlaufen, gewährte das Ganze einen überaus lieblichen Anblick, mehr noch als bei einbrechender Dunkelheit eine Masse von Lichtern durch das Grün schimmerten. Außer den angesehensten hier wohnhaften Bürgern der Vereinigten Staaten waren als Ehrengäste zugegen: der Präfect, der Commandant des Militärs, einige andere Beamte und einige der angesehensten Eingebornen und Franzosen.

Der Präsident, Hr. Coterell, erinnerte in kurzer Ansprache an den Zweck der Feier, und nachdem an der reichgeschmückten Tafel, auf der zwischen ganzen gebratenen Rehen und gewaltigen wilden Truthühnern nordische Leckerbissen in Gesellschaft der üppigsten Südfrüchte prangten, den gastronomischen Forschungen eine kurze Zeit gewidmet war, erhob man die Gläser, in denen rheinische Weine, Port und Madeira blinkten, und der perlende Sohn der Champagne, seiner silbernen Bande entledigt, schäumte, und brachte zuerst die bei jeder amerikanischen Feier des 4. Julius üblichen regulären Toaste, denen sich dann eine Menge anderer anschlossen.

Ein Toast aber ward durch einen sonderbaren Zufall besonders feierlich. Bei jedem Gläserklingen antwortete von der Hauptwache ein Kanonenschuß, und gegen Abend kam das unausbleibliche Gewitter wieder herauf. Es waren eben die Worte gesprochen worden: »Wir trinken in der Stille dem Andenken des großen Georg Washington!« – Jeder brachte schweigend und erhoben sein Glas an die Lippen, da übernahm der Himmel selbst den üblichen Salutschuß durch einen furchtbaren Donnerschlag, der die Erde in ihren Grundfesten erzittern machte, und ich läugne nicht, daß ich, wie gewiß alle, das Glas mit einer Art von andächtigem Grausen leerte. Eine Musikbande spielte in der Veranda während des ganzen Mahles, und bis in späte Nachtstunden blieben die Genossen in ungezwungener Heiterkeit beisammen, welche durch die anerkennungswerthen Bestrebungen des Herrn Coterell nie die üblichen Formen der Wohlanständigkeit überschritt.

Einige Veränderungen im Ministerium und der Regierung ließen es mir räthlich erscheinen, meine Depeschen andern Tags persönlich an ihre Adressen abzugeben. Ich habe meine Reisevorbereitungen getroffen, mein Pferd ist auf Don Sandovals Hacienda gehörig ausgefüttert und stark und wohl geeignet eine strapaziöse Reise zu ertragen, die zu erwarten steht, da die Regenzeit, in der wir leben, die Wege bodenlos gemacht hat. In einer Beziehung ist mir's lieb, daß noch sechs bis acht Tage hingehen, ehe ich anfange zu malen, denn die empfangenen Eindrücke sind alle so neu und bewältigend, daß ich nothwendig dieselben erst ordnen und klar machen muß. Ich habe eine Menge der mannichfaltigsten und schönsten Gegenstände für Studien gefunden, und sobald ich meine Verpflichtungen gegen die Regierung erfüllt, werde ich mit großer Freude an die Arbeit gehen, und bleibe ich von Krankheit verschont, was ich wünsche und hoffe (denn seit ich hier bin erfreue ich mich eines ganz außerordentlichen Wohlbefindens), so denke ich ein reiches Portefeuille zu sammeln. Sehr froh bin ich, daß ich statt des Daguerreotyps, wie ich erst beabsichtigte, ein Phototyp mitgenommen, denn ein Amerikaner, der ein Daguerreotyp hieher gebracht, war ganz in Verzweiflung, daß er während der trocknen Jahreszeit keine Platte poliren konnte, da der die ganze Luft erfüllende Sandstaub alle Politur zerkratzte. Ich hoffe besonders von interessanten Gruppen der Indianer, die nicht gern still stehen sich malen zu lassen, sowie von naturhistorischen Gegenständen manche gute Beute damit zu machen, und so reut mich die für meine Umstände bedeutende Ausgabe von 150 Dollars, die ich dafür gemacht, nicht. Auf der andern Seite thut mir's sehr leid, daß ich mein Sammeln von Insecten und Vögeln nur in so kleinem Maßstab betreiben kann, da die Transport- und Packmittel für dergleichen Gegenstände sehr theuer sind und meine Kräfte übersteigen. Ich werde meinen Vorsatz, eine Collection an einige deutsche naturhistorische Cabinette zu schicken, nicht ausführen können, und außer einem Geschenk an Freund M. werde ich mich lediglich auf das Institut in Washington, das mir eine Summe für diese Zwecke zur Verfügung gestellt, beschränken müssen. Hier ist einer von den wenigen Fällen, wo ich mehr bemittelt zu sein wünschte, denn es hindert mich diese Mittellosigkeit an der Erreichung eines schönen Zwecks.

Nach meiner Rückkehr von Leon halte ich mich hier auf, um Hrn. Squiers Ankunft abzuwarten und Stadt und Umgegend auszubeuten. Sobald es die Jahreszeit erlaubt, will ich eine Besteigung des Mombatch, der über der Stadt sein Haupt erhebt und jetzt beständig in Wolken gehüllt ist, unternehmen. Mein nächster Brief wird entweder eine Beschreibung meiner Reise nach Leon, oder eine genauere Beschreibung Granada's enthalten, welches wohl derselben werth ist, denn es ist an dem schönen See mit seinen zierlichen Ufern höchst pittoresk gelegen, und bietet im Innern eine Menge malerischer Ansichten. Das Leben selbst ist ebenso reichhaltig, daß es, sowie die Verhältnisse der ganzen Stadt, vielfach malerischen Stoff bietet.

Man erwartet jetzt die Ankunft des Gesandten der Vereinigten Staaten Hrn. Kerr, den aus St. Carlos abzuholen der Dampfer gestern abgegangen ist, und zu dessen Empfang die Amerikaner für heute eine Festlichkeit bereitet haben, an welche Dr. B., F. und ich uns anschließen werden.

IV.
Die Stadt Granada. – Bauart. – Einwohner. – Lebensweise in Central-Amerika. – Festtage. – Reisezurüstungen. – Unsicherheit der Straßen. – Art zu reisen. – Fleiß der Indianer. – Massaga. – Indisches Begräbniß.

Granada, 4. Aug. 1851.

Seit ziemlich drei Wochen bin ich von meiner Excursion nach Leon wieder zurückgekehrt nach Granada und habe seitdem ungestört meine künstlerischen und wissenschaftlichen Studien beginnen können.

Granada ist, wie ich schon früher erwähnt, die bedeutendste Stadt am See gleiches Namens, mit 12-15000 Einwohner, und unter den jetzigen Umständen wohl überhaupt die wichtigste Stadt dieses Landes zu nennen. Die Zeit ihrer Gründung fällt mit der zweiten Periode der Entdeckung von Amerika zusammen. Ihre Erbauer waren jene kühnen Freibeuter, welche ein seltsames Gemisch von soldatisch roher Ritterlichkeit, gepaart mit blindem Glaubenseifer waren, mit welchen Eigenschaften sie aber doch auch eine gewisse kaufmännische Verschmitztheit verbanden.

Die Häuser, meist nur aus einem Geschoße bestehend, dessen Höhe zwischen 12 und 15 Fuß beträgt, haben durch ihre 6-8 Fuß breiten Thüren und hohen vergitterten Balconfenstern ein festungsähnliches Aussehen. Die innere Einrichtung beschrieb ich Euch bereits früher. Die Haupträume bleiben überall der mit Zierpflanzen geschmückte erste Arcadenhof und die an der Vorderfront liegende Empfangshalle, an welche gewöhnlich das Frauengemach stößt; oft auch befindet sich über letzterem noch ein Balconzimmer. Ein solches ist gegenwärtig meine Wohnung, mit wundervoller Aussicht über den See und die Gebirge. Einen zweiten oder Hinterhof, umgeben die Ställe, die Küche (in der nur auf offenem Herde gekocht wird, Bratöfen, Kochmaschinen, wie in Europa und den Verein.-Staaten, kennt man hier nicht), welche letztere zugleich dem Geflügel und sonstigem kleinen Gethier, das für jede Mahlzeit frisch geschlachtet wird, zum Aufenthalt dient. In vielen dieser Hinterhöfe befindet sich auch ein Ziehbrunnen, doch wird das Wasser mehrentheils aus dem See geholt, da die Quellen fast alle mineralischer Natur sind.

Sehr belebt ist das Seeufer bei Sonnenaufgang: Frauen und Mädchen erscheinen, mit großen irdenen Gefäßen, ähnlich den antiken Amphoren, nur etwas bauchiger, auf dem Kopf und schöpfen Wasser; Reiter und Fußgänger lustwandeln in der Morgenkühle, fast alle Besucher aber erfrischen sich mit einem Bade. Später räumen sie den Waschwannen das Feld, sowie den Schiffsleuten, welche die Waaren aus den Booten auf große, zweirädrige, von 4-6 Ochsen gezogene Karren umladen. Dann füllen sich die Straßen mit Indianern der benachbarten Dörfer und Haciendas, welche ihre Produkte zum Kaufe ausbieten. Bei geringen Entfernungen tragen sie ihre Last auf dem Kopfe, in großen hölzernen Schüsseln, von denen man auch sagen kann, sie haben ungeheure hölzerne Hüte auf, die sie umgekehrt auch zum Tragen benützen. Kleine nackte Jungen bringen auf Pferden und Maulthieren Ladungen von jungen Mais (Zakate) als Futter für die Pferde zu Markt, während die Stadtbewohner theils in ihren Läden den Verkauf betreiben, die Frauen weibliche Arbeiten oder Cigarren verfertigen; noch öfter aber liegen alle in den Hammocks, rauchend und sich schaukelnd, wozu sie von Zeit zu Zeit einen Schluck Teste, ein gar nicht übles Getränk aus Maismehl, Zucker, Cacao und Wasser nehmen. Geraucht wird aber von Mann und Weib, Jung und Alt, und oft schickt ein Vater sein kaum vierjähriges Söhnlein oder Töchterlein in die Küche, um Feuer zu holen, welche dann gravitätisch mit der brennenden Cigarre im Munde und qualmend wie Dampfessen zurückkommen.

Das Costüm der Frauen besteht in einem Unterrock von Mousselin, um die nackten Hüften gebunden und am unteren Saume mit Flittern besetzt; über dem Oberkörper tragen die besseren Classen ein kurzes, weitfaltiges Uebergewand, ähnlich dem griechischen Peplum, die niederen Classen aber den Oberkörper ganz bloß; oft auch, zumal bei Kindern, ist vollkommener Mangel an Kleidung vorhanden, was die Frauen hier anwesender Amerikaner oft veranlaßt, die Augen niederzuschlagen oder mit der Hand zu bedecken. Alle Stände aber schmücken sich die schönen, größtentheils ebenholzschwarzen Haare mit Jasminblüthen und Blumen von lebhaften Farben, was die ausdrucksvollen und oft classisch regelmäßigen Gesichter mit phantastischer Schönheit ziert. Der Gang hat, wahrscheinlich durch die Gewohnheit alle Lasten auf dem Kopfe zu tragen, etwas überaus Elastisches, was den ganzen Gestalten einen erhöhten Reiz verleiht.

Mehre schöne Kirchen, in einem seltsamen Gemisch von maurischem Charakter, spanischer Renaissance, oft mit sehr bemerkbarem Anklang von byzantinischem Style erbaut, zeugen von der früheren Macht und dem Reichthume des Clerus (bei Errichtung der Städte ward bekanntlich der zehnte Theil aller Beute auf Errichtung von Kirchen und Klöstern verwandt). Durch die häufigen Revolutionen hat sich denn freilich in dieser und anderer Hinsicht vieles geändert, da die großen Capitalisten entweder auswanderten oder durch bedeutende Contributionen sehr in Anspruch genommen wurden. Wenn auch noch hier und da ein wohlbeleibter, behäbiger Prälat auf seinem Ochsenkarren und von zwei Soldaten begleitet durch die Straßen zieht, so reitet dafür manch armer, abgemagerter Dorf-Cura (Pfarrer), nach dem Beispiele des Heilandes, als wahrhafter Apostel auf einem armseligen Eselein durch das Land, um mit christlicher Demuth auf irgend einer entfernten Hacienda dem Sterbenden eine geistliche Wegzehrung zu spenden.

An Festtagen, deren es hier, nach dem was ich bis jetzt gesehen, fast so viele als Tage im Jahr zu geben scheint, durchziehen zahlreiche Prozessionen mit Geigen und Flöten die Straßen, wobei an Weihrauch unendliche Wolken verdampfen, und an Schießpulver, knallenden und prasselnden Schwärmern, Raketen, französischen Schlägen, letztere oft zu Dutzenden auf einmal, ein Erkleckliches verpufft wird. Abends wird dann die Prozession mit Hunderten bunter Laternen fortgesetzt, was mit den Gruppen, die allabendlich plaudernd die Räume vor den Hausthüren füllen, und den erleuchteten Balconen, von denen transparente, mit Blumen geschmückte und umgebene Heiligenbilder schimmern, einen malerischen und poetischen Anblick gewährt. Oefters habe ich, spät am Abend von meinen Excursionen heimkehrend, mein Pferd angehalten, um auf die eigenen schwermüthigen kirchlichen Melodien zu horchen, oder Gruppen mit ihren Liebhabern schäkernder Mädchen zu belauschen.

Doch indem ich mich so in Schilderungen des Lebens in Granada vertiefe, vergesse ich ganz, euch von meiner Reise nach Leon zu berichten.

Nachdem ich einige Ruhetage benutzt hatte, um aus dem Mr. Squier gehörigen und hier zurückgelassenen Eigenthume für mich ein starkes und rasches Pferd mit Sattel und Packtaschen, für einen Diener ein kräftiges Maulthier zu wählen, die Büchse und meine herrlichen Revolvers[1], ein Reisegeschenk meines ehrenwerthen Gönners de Rhame in New-York, vom Schmutze der Reise zu reinigen, frisch zu laden und einige Munition nebst Wäsche einzupacken, während ich von meinem freundlichen Wirthe, Don Narciso Espinosa, eine leichte Vogelflinte nebst einer unbändig langen Doppelpistole für meinen tapfern Sancho Pansa geliehen hatte, trat ich am 9. Juli meine Reise in nomine domini an. Es circulirten eine Menge Gerüchte über Unsicherheit der Straßen, und ein Halbdutzend Morde, welche im Laufe der letzten Monate vorgefallen waren, bestätigten dieselben allerdings in nicht erfreulicher Weise. In Berücksichtigung der Regierungsdepeschen aus Washington, die ich nach Leon zu überbringen hatte, wurde mir vom Commandanten eine Escorte von zwei Lanciers angeboten; ich gestehe aber, daß ihr Ajustement und ihr ganzes Aeußere mich denn doch mehr Vertrauen in die Vorzüglichkeit meiner Waffen, meines Pferdes und meine geringe Person selbst setzen ließen. Ich dankte demnach höflichst für die Ehre, und zog es vor die Reise allein zu machen.

Durch die hier zu Lande übliche Art zu reisen wird man noch lebhaft an die Zeit der fahrenden Ritter erinnert. Jeder Reisende, der sich auf irgend eine Weise Säbel und Pistolen verschaffen kann, rüstet sich damit, und in Ermangelung letzterer baumeln doch wenigstens ein paar leere Pistolenhalfter am Sattelknopfe; wenn möglich, nimmt man auch eine mit Rehposten geladene Flinte mit, die entweder quer über den Sattelknopf gelegt, oder vom Schildknappen, wie weiland dem edlen Ritter Don Quixote die Lanze, hinterdrein getragen wird. Das Gepäck hat man theils selbst in Satteltaschen bei sich, theils trägt es der Diener vor sich auf dem Maulthiere. Gewöhnlich trottirt dieser voraus, den Weg zeigend; trifft man jedoch unterwegs mit anderen Reisenden zusammen, so reiten die Caballeros voraus, während die hinterfolgenden Diener sich gegenseitig von der Tapferkeit ihrer Gebieter, der unvergleichlichen Güte ihrer Waffen und Pferde u. s. w. tüchtig etwas vorrenommiren, was mit unvermindertem Eifer in jedem Nachtquartiere fortgesetzt wird, wo dann gewöhnlich der Wirth noch die allerabsonderlich grausenhaften Geschichten von Mordthaten zu erzählen weiß, die sich kürzlich erst ganz in der Nähe zugetragen haben sollen, natürlich in der menschenfreundlichen Absicht, den oder die Reisenden wo möglich noch den nächsten Tag dazubehalten.

Beim Mahle, meist aus gekochtem Reis, Huhn, Eiern und Fisch, nebst einigen steinharten rothen Bohnen und der unvermeidlichen Tortilla (einem aus Mais gebackenen flachen Kuchen, der die Stelle des Brodes hier vertritt) bestehend, wartet der Mozo (Diener) hinter dem Stuhle seines Caballero stehend, auf, lauert aber gierig auf den Augenblick, wo dieser sich erhebend, ihm die Reste der Speisen überläßt.

Früh, wo ich meist um 3 Uhr aufbrach, um die Morgenkühle zu benutzen, kostete es stets mannichfache Mühe und Arbeit, Diener und Wirth aus dem Schlafe zu rütteln, und bis die Thiere gefüttert waren, verging dann immer noch mehr als eine Stunde, weshalb ich in der Regel das Geschäft des Wecken schon um 2 Uhr begann, nichts destoweniger aber mit einer Strohcigarre vorlieb nehmen mußte, während der Magen erst im nächsten Dorfe, oft 14-16 Miles entfernt, bedacht werden konnte. Genug, man übersetze die Abenteuer und Irrfahrten des obgenannten unsterblichen Ritters ins Moderne, und man hat das leibhafte Conterfei eines Reisenden in Central-Amerika.

Der erste Theil des Weges nach Massaga, dem ersten Haltpunkte, war durch den vielen Regen grundlos geworden, und mein armes Pferd mußte immer aus einem Sumpfloche ins andere tappen. Die Maulthiere, durch welche fast der ganze Verkehr des Landes betrieben wird, treten immer wieder in die Fußstapfen des vorangehenden Thieres, an dessen Schweif ihr Zaum gebunden ist, so daß manchmal dadurch Reihen von 16-20 hintereinander entstehen; hierdurch wird aber bei Regenwetter die Straße zu einer Reihe nebeneinander und quer darüber hinlaufender Gräben, die, mit Wasser und Schlamm gefüllt, das Reiten ungemein erschweren, und da die hiesigen Pferde sehr kleinen Schlages sind, kaum 14 Hand hoch, so werden die Füße des Reiters mit den 4 bis 5 Zoll langen großgeräderten Sporen weidlich in den Koth getaucht. Ich zumal hatte oft Gelegenheit Betrachtungen darüber anzustellen, warum der liebe Himmel gerade mich mit so unziemlich langem Pedal ausstatten mußte. Bei besserem Wege ist die Gangart der hiesigen Pferde eine sehr angenehme Art von Paß, paso picarro hier zu Lande genannt. Ueberhaupt ist die Race ganz vortrefflich für hiesige Gegend, obschon man auf Broadway, in Hydepark oder dem Bois de Boulogne, im Berliner Thiergarten oder im Wiener Prater eben nicht sonderliche Bewunderung damit erregen würde.

Da es noch früh am Tage war, begegnete ich langen Zügen von Indianern, welche ihre Produkte, als: Mais, Bohnen, Cacao und Taback, zu Markte trugen, die, theils auf Pferden, theils in Netzen auf dem Rücken hängend, an einem breiten Gurt über die Stirn getragen wurden, wie man dies auch zuweilen in den Schweizerbergen sieht, eine abscheuliche Mode, die den Leuten das Aussehen von Zugochsen giebt. Mir erschien diese Art von Kopfarbeit eine höchst anstrengende, wie auch als der Grund der vielen Kröpfe, die ich hier herum wahrnahm.

Der Weg schlängelt sich theils durch herrlichen, hochstämmigen Wald, bemerkenswerth durch die mächtigen und häufigen Gummibäume, theils führt er hin zwischen Bananen- und Indigofelder, umgeben von 5 bis 6 Fuß hohen wilden Ananas-Hecken. Hier und da bietet sich von der Höhe eines Hügels eine entzückende Aussicht nach den Seen von Granada und Managua und dem Tipitapa-River, begränzt von den lachendsten, fruchtbarsten Ebenen und majestätischen Gebirgszügen mit sanft ansteigenden Vorhügeln in den schönsten Formen und geschmückt mit aller Pracht und Ueppigkeit der tropischen Vegetation. Beim großen Gott! dies Land ist ein wahres Paradies und könnte Wunder wirken, Millionen fleißiger Hände ernähren, wäre es nicht von solch träger, kurzsichtiger und geistig beschränkter Bevölkerung bewohnet, welche es nicht versteht, oder nicht verstehen will, diesem gottgesegneten Boden einen auch nur einigermaßen erheblichen Tribut aufzuerlegen.

Massaga, wo ein kräftiges Frühstück mich und meinen Diener, süßer junger Mais die Thiere erquickte, ist ein niedliches Städtchen, oder großer Flecken, mit nicht unbeträchtlichem Markt für einheimische Produkte. Ein großer Theil der Ortsbevölkerung wohnt freilich nur in indianischen Rohrhütten, allein der Fleiß derselben sticht vortheilhaft gegen andere Ortschaften ab, die ich später sah. Selbst Frauen, welche Früchte zu Markte trugen, flochten im Gehen Strohhüte und Matten von recht zierlicher Arbeit, und weniger als anderswo sah ich hier die Leute in ihren Hammocks faullenzen. Trotzdem waltet aber auch hier immer noch dieselbe indianische Halsstarrigkeit gegen alle und jede Verbesserung vor, die ihre Arbeit nutzbringender machen könnte.

In dem kleinen, jenseits Massaga gelegenen Dörfchen Indiery sah ich zufällig das Begräbniß eines jungen indianischen Mädchens mit an, während unsere Thiere gefüttert wurden.

Die Leiche ward auf einer Bahre, ohne Sarg, blos der Körper mit einem Leinentuche bedeckt, das Gesicht, dessen schöne unschuldvolle Züge selbst der Tod nicht zu verunstalten vermocht hatte, jedoch offen getragen. Vorauf zogen sechs Musikanten mit zwei Geigen, zwei Flöten, einem Waldhorne und einem Violoncello, hinter ihnen der arme Dorfpfarrer, Gebete sprechend. Die Musik war eigentlich mehr ein sonderbarer Wirrwarr von Tönen zu nennen, die nur bei einigen öfters wiederkehrenden Gebetformeln sich zu einer Art von Accord einigten.

Beim Grabe, einer kleinen, kaum einige Fuß tiefen Grube, auf dem Platze vor der Kirche angelangt, ward nach kurzem Ceremoniel die Leiche in die Grube gelegt, jeder der wenigen Leidtragenden warf seine Hand voll Erde darauf und ein paar Leute mit Schaufeln thaten in kaum drei, vier Minuten den Rest. Ein Bündelchen Raketen zischte in die Luft empor, das Aufschwingen der Seele gen Himmel andeutend, wie mir einer der Anwesenden erklärte, und jetzt zum erstenmale einte sich das bisherige Tongewirre der Musikanten zu einer wirklichen Melodie, in der ich zu meiner großen Ueberraschung das liebliche Lied der Brautjungfern in unseres herrlichen Webers Freischütz, wenn auch etwas naturalistisch verstümmelt, wieder erkannte. Wie dies Lied den Weg bis hierher in die Tropenwelt gefunden, mag der Himmel wissen.

Ich kann nicht sagen ob es die Erinnerung war, welche diese aus holder Kinderzeit herüberklingenden heimischen Töne in mir erweckte, oder was sonst, so viel aber ist gewiß, daß weder das pomphafteste Trauergepränge, noch die vollstimmigsten und kunstvollsten Trauerhymnen, noch die schönsten Grabreden jemals einen rührenderen Eindruck auf mich hervorgebracht haben, als diese kindlich naiven Töne und die noch naivere Raketensymbolik neben diesem frischen Grabe einer kaum im Entfalten schon dahingerafften Blüthe. Der Zufall ist oft poetischer, als das poetischste Raffinement!

Als eine Viertelstunde später die Thiere getränkt und gefüttert waren und ich wieder da vorbeiritt, spielten die Kinder schon wieder harmlos und fröhlich auf der Stelle, die eine kaum merkliche Erhöhung als ein Grab andeutete, da ja der jugendliche Körper nur wenig Raum einnahm.

[1]: Sechsschüssige Pistolen.

V.
Lavafelder. – Managua. – Reisebekanntschaft. – Landschaftliches. – Puebla nuova. – Ein Raubmord. – Nächtliche Störung. – Ankunft in Leon.

Fünf Miles von Massaga erreichte ich, nachdem ich noch einige allerliebst zwischen Cocospalmen gelegene indianische Dörfchen passirt, die Lavafelder des Vulcans von Massaga. Seine Thätigkeit beschränkt sich nur noch auf zeitweilige Entwickelung von Schwefelwasserstoff und starke Erhitzung des Schlammbodens in dem erloschenen Krater; ein kleiner Salzsee auf der Südseite, welcher einen andern Krater ausfüllt, so wie ungeheure, sich wohl 6 bis 7 Miles gegen Norden hin erstreckende Lavafelder, geben Zeugniß seiner früheren Verheerungen. Ueberhaupt ist das ganze Land mit trachitischen Gebilden, Osidien und todten Lavaströmen bedeckt, welche die alles überwuchernde üppige Vegetation später mit neuem Leben bekleidet hat. Ein großer Theil der Quellen ist gleichfalls voller mineralischer Substanzen, und viele haben einen beträchtlichen Hitzegrad. In den Lavafeldern von Massaga fielen mir besonders eine Menge seltsamer Höhlen auf, ähnlich ungeheuren Backöfen, wahrscheinlich herrührend von den durch sich entwickelnde Gase gebildeten Blasen.

Am Nachmittage brach wieder ein Gewitter mit gewohnter tropischer Heftigkeit los. »Donnere du bis du es satt hast!« dachte ich, und wickelte mich zum Schutze gegen die herabströmende Sündfluth in meinen Poncho, eine dicke Wolldecke, mit einem Loch in der Mitte, zum Durchstecken des Kopfes, welche als Mantel den ganzen Menschen einhüllt, während der Kopf durch einen breitkrämpigen Hut geschützt wird; mein armes Pferd aber schritt schwermüthig auf der, in einen Gießbach verwandelten Straße einher und mein Sancho Pansa hinterdrein, höchst kleinlaut und verdrüßlich auf seinem Maulthiere hockend.

Menschen und Thiere waren froh, als wir am Abend Managua erreichten, eine ziemlich ansehnliche Stadt am See gleiches Namens gelegen und Sitz der gesetzgebenden Versammlung, übrigens durch nichts bemerkbar als durch eine nicht unschöne Hauptkirche von ziemlich reicher Architektur, in dem oben erwähnten Mischlingsstyl.

Ein wilder Truthahn, den ich unterwegs geschossen, bildete unser Abendessen, welches ich mit einem Italiener theilte, der, gleichfalls auf der Reise nach Leon begriffen, in Verzweiflung war, daß sein Reisegefährte, ein Spanier des Landes, ihm durch seine permanente Trunkenheit die Reise äußerst beschwerlich und unangenehm machte. Die regelmäßig schönen Gesichtszüge dieses Mannes, von antiker Strenge, aber durch die freundlichen blauen Augen, aus denen herzliches Wohlwollen blickte, sehr gemildert, so wie seine stramme soldatische Haltung, gepaart mit ritterlicher Anmuth, zogen mich wider Willen an und in stillschweigender Uebereinkunft brachen wir am anderen Morgen um 3 Uhr gemeinschaftlich auf, den lästigen Trunkenbold zurücklassend, der noch seinen gestrigen Rausch ausschlief.

Mein neuer Bekannter hatte, nachdem er die letzten Kriege seines Vaterlandes mit durchgekämpft und sein geliebtes Weib, das alle Gefahren und Beschwerden treu mit ihm getheilt, auf schreckliche Weise verloren, die friedliche Beschäftigung des Landmannes erwählt, und war jetzt auf dem Wege nach Californien, wo er beschlossen hatte, im Vereine mit mehren seiner Schicksalsgenossen sich lediglich auf die Agricultur zu verlegen und so, wenn auch langsamer, die wahren Schätze dieses Landes auszubeuten, das in nicht gar zu langer Zeit vielleicht noch einer der blühendsten Staaten der nordischen Union werden wird. In Leon, wo ich mehrere Mitglieder dieser projectirten Colonie, meist Genueser, kennen lernte, die einen sehr erfreulichen Gegensatz zu den Fehlern bildeten, die man meist den Italienern vorwirft, vernahm ich erst zufällig den Namen dieses, in der neuesten Periode seines Vaterlandes berühmt gewordenen Mannes, aber das strenge Incognito achtend, das er angenommen um sich vor Zudringlichkeiten zu schützen, war und blieb er für mich nur Signor Giuseppe, oder auch Monsieur Joseph.

Hinter Managua führt der Weg über eine steile, mit großen Felsbrocken bedeckte Anhöhe, welche, da wir sie noch im Morgendunkel passiren mußten, unsere armen Thiere weidlich zum straucheln brachten. Wir erreichten jedoch ohne erheblichen Unfall mit Tagesanbruch den Gipfel, wo die aufgehende Sonne ein wahres Paradies vor unsern entzückten Blicken entrollte. Südöstlich sahen wir noch den See von Granada, nordwestlich aber, jenseits des See's von Managua, dessen Brandung dumpf zu uns herauf tönte, dehnte sich langhin das schöne Thal von Leon, über welches der hohe Viejo sein rauchendes Haupt über die Wolken erhob.

Der Weg gleicht von hier an dem prachtvollsten Park, der Wald ist fortwährend durchbrochen von üppigen Wiesenflächen, in deren hohem Grase schöne Rinder, größer als ich sie bis jetzt hier zu Lande gesehen, und muntere Stuten mit ihren Füllen weideten. Die einzige Calamität dieses gesegneten Landes ist der Mangel an fließendem Wasser, denn während der trockenen Jahreszeit, wo die kleinen Teiche und Tümpel meist austrocknen, der Wald, seines grünen Blätterschmuckes beraubt, nur noch in brillantem rothen und gelben Blätterkleide erscheint, irrt das geängstete Rindvieh, durstend, geplagt von Schwärmen von Insecten, dumpf brüllend umher, nach vereinzelten Quellen suchend, um seinen Durst gemeinsam mit dem schüchternen Reh und dem possirlichen Affen zu stillen. Zahlreich umherliegende Gerippe geben Zeugniß, wie viele schon als Opfer des Durstes, oder auch des grimmen Jaguars gefallen waren.

In Pueblo nuevo, unserm Nachtquartier, fanden wir im Gasthause einen kleinen englischen Schiffsjungen und erfuhren von ihm die genauen Details eines nur vor wenig Tagen erst verübten Raubmordes, den ich, als ich im letzten Nachtquartier und unterwegs davon reden hörte, für eine der gewöhnlichen Aufschneidereien gehalten hatte. Ein englischer Capitain, dessen Schiff in Realejo gestrandet war, hatte den Erlös der geretteten Waaren nebst einigen anderen Gegenständen mit sich auf einem Ochsenkarren geführt. Dieser Umstand war, wie man vermuthet, durch den Karrenführer, von dessen Mitgenossenschaft an der Gräuelthat man sogar ziemlich stark munkelt, bekannt geworden und eine kurze Strecke hinter Pueblo nuevo überfielen sechs Strauchdiebe den Capitain, der in Gesellschaft des kleinen Schiffsjungen ein Stück Wegs hinter dem Fuhrwerke herging, auf welchem er seine Waffen gelassen hatte und von denen er auf diese Weise abgeschnitten war. Ein Mann von Entschlossenheit und großer Körperkraft, leistete er waffenlos nichtsdestoweniger tapferen Widerstand, warf einen der Strolche zu Boden und verwundete ihn mit dessen eigener Macheta. Von den übrigen hinterrücks zu Boden geworfen, ward auf ihn losgehauen wie auf ein Bündel Brennholz, und als der arme Junge, den ein Schlag über den Kopf besinnungslos niedergestreckt hatte, wieder zu sich kam, war der todtähnliche Capitain in ein nahes Gebüsch geschleppt, der Karren des Geldes, des Schiffschronometers und einiger anderen leicht transportablen Gegenstände beraubt, die Banditen aber verschwunden. Einige Amerikaner, – die ich später in Leon kennen lernte – des Weges kommend und gut bewaffnet, setzten zwar den Räubern eine Strecke nach, aber ohne Erfolg. Sie mußten sich damit begnügen den Verwundeten, der noch einige Lebenszeichen von sich gab, zu verbinden und nach Pueblo nuevo zu schaffen, wo man ihn unter der Pflege der Wirthsleute, ein paar gutmüthiger alter Jungfern, noch zu retten hoffte. Zwei Aerzte aus Leon, Dr. Livingston und Dr. Seidel, ein Sachse, die man schnell von dorther zu Hülfe geholt hatte, fanden nicht weniger als fünfzehn Hieb- und Stichwunden und zwei Knochenbrüche an dem Unglücklichen, der trotz aller angewandten ärztlichen Sorgfalt am dritten Tage, in Folge des vielen Blutverlustes den Geist aufgab. Große Erbitterung herrscht hier über diesen Mord, dem in nicht langen Zwischenräumen bereits mehre vorangegangen, und sobald sich nur erst Gelegenheit dazu findet, wird Judge Lynch, glaube ich, auf tüchtige Beschäftigung rechnen können.

Der arme Schiffsjunge war noch sehr niedergeschlagen und fühlte sich bang unter all den fremden Menschen hier, von denen keiner seine Sprache kannte. Ein gutes Abendessen, das wir mit ihm theilten, ein Glas alten Portwein aus unserm Reisekeller, so wie einige kleine Geldgeschenke heiterten ihn indeß ein wenig auf. Am andern Tage ward er nach Leon abgeholt, um von dort über Realejo auf einem englischen Schiffe in seine Heimath befördert zu werden.

Im Hause fanden sich nur zwei Gastbetten und davon war eines das Todesbett des unglücklichen Capitains gewesen; die Strohmatte, aus der hier einzig die Betten bestanden, starrte noch von den dunklen Blutflecken des Ermordeten. Obschon ein solcher Umstand nicht eben die Annehmlichkeiten eines Nachtlagers erhöhet, sind doch 45 Miles zu Pferd ein probates Mittel um alle etwaigen Bedenklichkeiten niederzuschlagen und ich entschlummerte sanft, während Mr. Joseph ein Gleiches auf der anderen Strohmatte that.

Gegen Morgen weckte mich ein Luftzug und ein seltsames Geräusch; die Thüre ins Freie stand auf, ich hörte an meinem Gepäck zerren und ein unbekanntes Etwas dumpf brummen. »En garde!« rief ich, und das Knacken eines Pistolenhahnes gab mir vom Nachtlager meines Reisegefährten herüber Antwort, wobei mir dieser zugleich zurief, ich möge schnell Licht machen, er wolle die Thüre vertheidigen. Die eintretende Helle überzeugte uns jedoch, daß der vermeintliche Spitzbube nur ein friedliches Schwein war, welches, angelockt vom Geruche einiger schönen Vogelbälge, an meinen Satteltaschen herumzupfte, in welchen ich sie verwahrt hatte. Ich war so grausam seinen Drang nach ornithologischen Studien durch einige Hiebe zu dämpfen. Die dadurch erregte Heiterkeit hatte allen Schlaf verscheucht; wir sattelten und machten uns auf den Weg, um Leon wo möglich noch bei guter Zeit am Vormittage zu erreichen.

Ein seltsames Concert bildet noch in jedem Dorfe das fortwährende Geschrei der Hähne und das Bellen einer zahllosen Menge von Hunden, das die ganze Nacht ununterbrochen fortdauert, als wollten letztere damit gegen das alte Mährchen, daß die Hunde in diesen Tropenländern stumm wären, recht eindringlich protestiren. – Eine höchst praktische Schutzwehr der Höfe bilden hier die Cactushecken, welche sich pallisadenartig, mit scharfen harten Stacheln besetzt, oft in einer Höhe von 8 bis 10 Fuß ringsherumziehen, und vorzüglich zum Abhalten der Jaguare geeignet sind, die sich häufig des Nachts zu ihrem Schmause Hunde aus den Dörfern holen.

Um 7 Uhr Morgens stiegen wir hinab in das herrliche Thal von Leon, das an Schönheit wie an Fruchtbarkeit wohl kaum von irgend einem Lande der Welt übertroffen werden kann. Ueberall wo nur der mindeste Fleiß angewandt ist, lohnt sich derselbe im reichsten Maße. Dabei habe ich bis jetzt noch nirgend gesehen, daß die Cultur wirklich so zur Verschönerung der Natur beitragen kann, wie eben hier, denn da die Felder meist 50-60 Acres betragen und sich dazwischen immer Gebüsche und schöngezeichnete reiche Baumgruppen hinziehen, während dichte Waldung da und dort einen, bald bunten, bald dunklen Hintergrund bildet, so wird dadurch die angenehmste und zugleich malerischeste Abwechselung hervorgebracht. Inmitten dieser großen Thalebene liegt Leon, mit seinen vielen Kirchen, lieblich auf Hügelhängen an einem kleinen Fluße, zwischen majestätischen Baumparthien. Hier und da wiegen Cocospalmen, einzeln oder in Gruppen ihre vom Morgenwinde bewegten Häupter auf zierlichen Stämmen; jenseits der Stadt aber zieht sich die imposante Gebirgskette hin, auf welcher fünf Vulkane fortwährend Rauchsäulen gleich gigantischen Stoßseufzern, gen Himmel senden, Kunde gebend von ihrer geheimnißvollen Thätigkeit tief im Schooße der Erde. Im Osten steht der Monotombo, über 6000 Fuß hoch, im Westen der Viejo, 5500 Fuß hoch, als die gewaltigen Strebefeiler dieser Riesenmauer, während der stille Ocean sich am fernen Horizont als dunkelblaue Linie hinzieht.

Um 10 Uhr ritten wir in Leon ein und mit einem Händedruck schied ich von meinem liebenswürdigen Reisegefährten, der seine Fahrt nach Realejo fortsetzte. Ob wir uns je wiedersehen, weiß Gott allein.

VI.
Freundliche Aufnahme in Leon. – General Munnoz. – Ein demüthiger Apostel Christi. – Rückkehr nach Granada.

Ich fand für mich, für Diener und Thiere eine gastliche Aufnahme im Hause des Dr. Livingston, eines sehr geachteten Arztes, dem ich meine Depeschen, gleich einer Art von Empfehlungsbrief vom Pferde herab überreichte. Ehe ich mir jedoch Ruhe vergönnte, machte ich mich auf, gestiefelt, bespornt und staubbedeckt, wie ich war, vor allen Dingen diese Depeschen abzugeben, die mir dringend ans Herz gelegt waren und wozu ich noch besondere Veranlassung in den kriegerischen Gerüchten fand, welche überall laut wurden. Später habe ich mich jedoch überzeugt, daß dergleichen hier eben nicht viel zu bedeuten hat. Man schreit und zankt sich eine Weile herum, feuert, wenns hoch kommt, ein paar Dutzend Flintenschüsse ab, sperrt auch vielleicht hinterher einige Hauptschreier auf kürzere oder längere Zeit ins Loch, dann ist alles vorbei, um in einigen Monaten wieder von vorn anzufangen.

Von meinem Empfange bei der Regierung ist nicht viel zu sagen. Schon vielfach ist das Lächerliche eines kleinen Staates, gleichviel ob Republik oder Monarchie, ohne inneren Gehalt, ohne Macht und äußern Einfluß, der sich aber gleichwohl das Ansehen und Gewicht eines größeren geben möchte, besprochen worden. Der Unterschied zwischen Washington und Leon ist ungefähr dem eines Empfanges am Hofe von St. Petersburg und eines in Bernburg zu vergleichen. General Munnoz, der eine Art von Dictatorrolle spielt, war noch in Unter-Inexpressibles, warf aber schnell ein kleines gelbes spanisches Mäntelchen um, das wahrscheinlich eine Art von Interimsuniform vorstellen sollte. Ich ward übrigens äußerst freundlich und zuvorkommend aufgenommen und in mehren Häusern ward mir Wohnung und Unterhalt angeboten. Ich zog es jedoch vor da zu bleiben, wo ich war, d. h. bei Dr. Livingston, wo ich mich einer trefflichen Verpflegung und wahrhaft liebenswürdigen Umganges zu erfreuen hatte.

Mein Zeichnen- und Maler-Material hatte ich in Granada zurückgelassen und es drängte mich endlich an die Arbeit zu kommen, deshalb dachte ich auf meine baldige Rückkehr dahin, auf welcher Rückreise Dr. Livingston und Mr. Lane, ein zeitweilig hier lebender Amerikaner, mich begleiten wollten.

Am Tage vor der Abreise saß ich mit letzterem eben vor der Thüre, als ein wohlbeleibter Prälat, in Begleitung seiner gewöhnlichen Sauvegarde von zwei Soldaten, auf seinem Ochsenkarren angeklingelt kam. Wir nahmen ganz höflich die Hüte ab, allein dies schien dem frommen Manne noch keineswegs zu genügen, denn er sendete einen seiner Soldaten ab, der uns zum Niederknieen nöthigen sollte. Das kam uns denn doch ein wenig allzuspanisch vor, zumal er ja nicht das Venerabile mit sich führte. Als wir nicht schleunigst gehorchten, holte der Soldat aus, um Mr. Lane einen Kolbenstoß zu versetzen. Ein ächter Yankee versteht in diesem Punkte nicht viel Spaß und mein Gefährte zog rasch eine jener sechsschüssigen New-Yorker Pistolen hervor, was auch mich veranlaßte mein Bowiemesser ein wenig zu lüften; beim Anblick unseres guten Vertheidigungszustandes retirirte der Kriegsheld über Hals und Kopf hinter den Karren des Prälaten, der die Faust ballte und die schrecklichsten Maledictionen auf uns herabdonnerte. Die ganze Gesellschaft entfernte sich aber so eiligen Schrittes, als ein Ochsengespann vermittelst Hieben fortzubringen ist. Mein Gefährte forderte mich auf sogleich mit ihm zum Präfekten zu gehen, wo wir den zornentbrannten Prälaten bereits vorfanden. Der Mann des Gesetzes gerieth durch unsere Gegendeposition so in Verlegenheit, daß er die ganze Sache, als nicht vor seinen Richterstuhl gehörig, von sich wies. Der Amerikaner wandte sich nun mit seiner Beschwerde an den Militaircommandanten, der den allzueifrigen Soldaten auf 24 Stunden ins Loch sperren ließ. Der arme Bursche dauerte mich, da er ja gar nicht wußte, wem er es eigentlich recht machen sollte, und erinnerte mich lebhaft an jenen Rekruten in den fliegenden Blättern, der auf die Frage: »Was ist ein Soldat?« die Antwort giebt: »A armer geplagter Mensch!«

Der Rückweg nach Granada bot nur den Unterschied, daß ich einige prachtvolle Arten von Vögeln sammelte, und einen recht einfältigen Mord an einem armen Affen beging, der ein Kleines auf dem Rücken trug, was ich leider vorher nicht bemerkt hatte. Ich nahm mich der hinterlassenen Waise pflichtschuldigst an und päppele sie bis diesen Tag mit Milch und Wasser weiter, bis sie im Stande sein wird, sich durch eigenes Ingenium ihren Lebensunterhalt zu verschaffen. Eine ganz neue Erscheinung waren für mich die Quadusen, im Baue ähnlich dem Hasen, doch mit kürzeren Ohren und Springfüßen und trippelnd wie der Dachshund.

Auch machte ich von Massaga aus dem Vulkane gleiches Namens einen Besuch, um vorläufig einige Zeichnenstudien dieser eigenthümlichen Naturbildungen zu nehmen. Ich hätte sehr gewünscht ins Innere des Hauptkraters hinabsteigen zu können, der mehre höchst interessante und groteske Schwefelformationen enthalten soll; dies allein zu unternehmen ward mir jedoch als eine absolute Unmöglichkeit dringend widerrathen, da ebensowohl die während der Regenzeit sehr häufigen und plötzlich eintretenden Nebel den Weg ungemein erschweren, als auch die noch fortwährenden Entwickelungen von Schwefelwasserstoffdämpfen den einsamen Wanderer leicht der Gefahr des Erstickens aussetzen. Auch hätte ich mein armes Pferd um keinen Preis über die verglaste Schlackenmasse hinweggeschunden und eben so unmöglich war es, trotz aller Nachfragen und Geldanerbietungen einen Führer und ein Maulthier zu erlangen. Nichtsdestoweniger habe ich die Lavafelder so viel als möglich kreuz und quer durchstrichen und auch einen kleineren Nebenkrater erklettert, bis mich körperliche Erschöpfung und meine total zerrissenen Schuhe zur Rückkehr nöthigten, habe auch, trotz der erschwerenden Umstände einige höchst interessante Studien zustandegebracht.

Das Durchwandern dieser öden, und doch dabei an malerischen Schönheiten so reichen Landschaft, gewährte mir einen eigenthümlichen Reiz, dem ich nicht Worte zu geben vermag.

VII.
Indigobereitung. – Verfall des Landbaues. – Schlimme Aussichten für Ansiedler. – Gefährliche Galanterie. – Zunahme der ärztlichen Praxis. – Einfluß des Mondes. – Selbsthülfe zu rechter Zeit. – Die Schwefelquellen von Tipitapa. – Gefährliche Begegnung. – Kriegsanstalten. – Militairische Exercitien.

Ihr habt mich zuletzt Anfang August 1851 auf der Rückreise von Leon nach Granada verlassen, woselbst ich mein Malergeräth und sonstige Effecten in Verwahrung gelassen und nun endlich meinen Reisegefährten, Mr. Squier, selbst, oder doch wenigstens gewisse Nachricht über die Zeit seines Eintreffens vorzufinden hoffte. Da beides nicht der Fall war, beschloß ich wenigstens, die Zeit zu fleißigen Arbeiten für mein Portefeuille und kleinern Ausflügen in der Umgegend zu benutzen.

Mein erster ging über den Bergrücken, welcher Granada von Rivas trennt, nach einer Hacienda des Don Emanuel B.........., die mir als eine der vorzüglichsten geschildert worden war, sowohl für den Kaffee- und Cacaobau, wie für Erzeugung des Indigo, mir also die beste Gelegenheit bot, mich über den Betrieb des hiesigen Landbaues zu unterrichten. Ich war in Begleitung eines so gebildeten wie liebenswürdigen jungen Mannes aus Granada, Don Jose S.... Unser Weg führte theils durch herrliche Wälder, theils durch angebautes Land, dessen Hauptproducte Indigo, Mais und Bananen sind.

Ziemlich auf der Höhe eines kleinen Gebirgsrückens, etwa 8 Miles von Granada, hatte ich die Freude, die Ueberreste eines wahrscheinlich aztekischen Idols aufzufinden; obgleich nur aus geringem und weichem Material gearbeitet und arg mitgenommen von der Witterung, wie von der Zerstörungslust der Maulthiertreiber, die im Vorbeiziehen gern einen Streich mit der Macheta (lange, schwertartige Messer, die zugleich als Waffe und als einziges Hau- und Schneidewerkzeug dienen) gleich einem alten Sündenbocke danach führen, zeigte es doch noch deutlich die nicht unschönen Proportionen und auffallende Aehnlichkeit mit den flachstirnigen Physiognomien mexicanischer Monumente.

Mehrfach bemerkte ich unterwegs einen merkwürdig lauten Hall des Hufschlages unserer Pferde, entweder von den Lavafeldern herrührend, über die sich die wunderbar üppige Vegetation dieses Himmelsstriches gebreitet, oder vielleicht auch von vulkanischen Höhlungen, die der Erdoberfläche ziemlich nahe liegen. Ich habe bis jetzt noch nirgends eine so bedeutende Verstärkung und Weitertragung des Schalles vernommen wie hier, am auffallendsten aber bei Besteigung eines etwa 10 Miles von Granada liegenden Berges, der eine entzückende Fernsicht von den Gebirgen von Leon bis hinab nach St. Carlos bietet und wo ich, zufällig am Boden liegend, ganz deutlich Trommeln und Musik aus Granada vernahm, während man stehend nichts davon hören konnte.

Rings um den Mombatch, den Hauptstock des Gebirges von Granada, dessen eingestürzter, gewaltiger Krater von allen Seiten die malerischesten Umrisse bietet, erheben sich eine Menge größerer und kleinerer Hügel, theils noch jetzt fortwachsend, getrieben von der Gewalt des unterirdischen Feuers, das einen derselben in den letzten vier Jahren über 30' gehoben hat, vielleicht aber doch nicht mehr Kraft genug besitzt, um noch kleinere Nebenkrater zu bilden, wie sie sonst bei Vulkanen mehr oder minder vorkommen.

Auf der erwähnten Hacienda, die wir gegen Abend auf den jetzt überall durch den Regen grundlos gewordenen Wegen erreichten, ward uns eine überaus gastliche und freundliche Aufnahme zu Theil, wie denn überhaupt Gastfreundschaft die hervorragendste Tugend der Einwohner dieses Landes ist.

Die Hacienda enthält nebst einem ziemlich bedeutenden Viehstande eine Pflanzung von etwa 12,000 Cacaobäumen und eben so viel Kaffeebäumen; sehr große Strecken waren mit den für den Wirthschaftsbedarf nöthigen Mais und Bananen, hauptsächlich aber mit Indigo bebaut, dessen Fabrication mich am meisten interessirte. Bekanntlich ist der Indigo nur ein Oxyd des durch Gährung aus der Pflanze gezogenen und ursprünglich grünen Saftes. Die Pflanze wird zu diesem Zwecke kurz über der Wurzel abgeschnitten, in großen gemauerten Bassins dicht aufgespeichert und das Ganze unter Wasser gesetzt. Die darauf wirkende heiße Sonne färbt das mit dem Pflanzensafte geschwängerte Wasser bald grün, worauf es in andere, tiefer liegende Behälter abgelassen, dort durch fortwährendes Rühren und Peitschen mit der Atmosphäre in Contact gebracht wird und so allmälig erst jene schöne tiefblaue Farbe bekömmt. Das Umrühren wird anderwärts gewöhnlich durch einen Ochsengöpel oder durch Wasserkraft bewerkstelligt, hier aber durch eine Procedur, die einen wirklich höchst possirlichen Anblick gewährte, nämlich durch eine quer durch den Behälter gehende, mit kurzen Stangen gespickte Holzwelle, in welcher in der Mitte eine Art Schaukelbret angebracht ist, an dessen Enden zwei Männer sitzen, die durch abwechselndes Aufstehen und Niederkauern die ganze Maschine, nach Art der Nürnberger Sägemännchen, in Bewegung setzen. Man kann kaum etwas Komischeres sehen, als diese hockenden, schreienden, schwitzenden, oben kupferfarbigen und unten echt indigogefärbten Indianer.

Die ganze Plantage war in früherer spanischer Zeit, aus welcher überhaupt alle umfassenden Anlagen und bessern Einrichtungen herstammen, mit großer Umsicht angelegt; weit ausgedehnte gemauerte Kanäle brachten das Wasser nach allen Theilen der in geordneten Reihen stehenden Pflanzung. Fortwährende Revolutionen, deren ungefähr aller drei bis vier Jahre eine ist und durch welche jedesmal die Reichern durch Contributionen arg geschröpft werden, haben das Vermögen der Besitzer sehr heruntergebracht; die Kanäle sind verschlammt, die Indigofelder voller Unkraut, in traurigem, wüstem Zustande, der nur eben so weit bewältigt wird, um nicht Alles ganz einschlafen zu lassen.

Traurige Zustände, denen allein durch eine recht gesunde, kräftige Einwanderung abgeholfen werden könnte, wozu aber wiederum nur eben solche Leute tauglich wären, welche sich zuvor in den Vereinigten Staaten die Hörner ein wenig abgelaufen und dort erst gelernt hätten, wie man sich in fremdem Lande am besten organisirt und seine Kräfte anwenden muß, um die mehrsten Körner aus seinem Weizen zu dreschen. Solche aber, welche direct aus Deutschland herüberkommen und etwa meinen, es würden ihnen bei nur geringer Mühe die gebratenen Tauben in den Mund fliegen, werden hier wahrlich schlechte Rechnung finden. Doch hierüber werde ich mir am Schlusse meiner Reiseberichte noch einige besondere Gesammtbemerkungen erlauben.

Einige landesübliche Galanterien sind hier doch solcher Art, daß der nicht eingewohnte Europäer sich dagegen bei Zeiten verwahren muß, wenn er nicht, wie ich, die üblen Folgen verschmecken will. Die jungen Damen vom Hause hatten die Artigkeit gehabt, mir zur Nacht eine mächtige Schale voll Jasmin unters Bett zu stellen. So gut gemeint dies auch war und vermuthlich eine landesübliche Sitte gegen Gäste, hatte es doch zur Folge, daß mein armer Kopf mir andern Tages noch viermal so dick und schwer, als gewöhnlich vorkam. Ich empfehle meinen Nachfolgern also nicht blos Vor-, sondern auch Untersicht beim Zubettgehen!

Aber nicht nur in Bezug auf Land und Leute, sondern auch an mir selbst habe ich Entdeckungen gemacht, die Euch in Erstaunen setzen werden. Wie Ihr wißt, hatte mein trefflicher Freund, Dr. Gescheidt in New-York, mich beim Antritte meiner Reise mit einem kleinen chirurgischen Besteck, Anleitung zum Aderlassen, sowie einigen allgemeinen medicinischen Regeln ausstaffirt. Schon während der Fahrt auf dem St. Juan-River hatte ich Gelegenheit gehabt, von ersterm verdienstliche Anwendung zu machen. Hier aber sollte ich in noch ganz andere Versuchung geführt werden.

Der alte Herr, dessen Gastfreundschaft ich genoß, von Umfang des Leibes ziemlich einem Falstaff gleich, befand sich am Abend sehr übel und wollte guten Rath von mir. Solchen nicht geben, heißt hier sehr unhöflich sein, denn selbst Demosthenes würde diese braven Leutchen nicht überzeugt haben, daß ein Europäer (zumal ein Deutscher) und ein Doctor nicht ganz identisch seien. Zum Glück war der Fall ziemlich einfach, da der Hauptgrund der Krankheit augenscheinlich in täglich fünfzehn- bis achtzehnstündigem Schlaf im Hammock und etlichen Tagesmahlzeiten à proportion seines Leibesumfanges lag. Nach Pulsfühlen und gewichtigem Fingerandienaselegen verabreichte ich ihm eine gehörige Dosis meiner prächtigen Aloëpillen, die, wenn sie nichts nützten, doch auch nicht schaden konnten, machte ihn aber aufmerksam, ja nicht zu Nacht zu speisen, was jedoch eine unmöglich zu befolgende Vorschrift war, weil der gute alte Papa eine mörderliche Angst hatte, in diesem Falle über Nacht Hungers zu sterben. Zwei Becher gewürzter Chocolade mußte ich also nolens volens concediren. Trotzdem war der Zustand des Patienten am andern Morgen bedeutend besser, da die Pillen ihre bekannte Eigenschaft kräftigst bethätigt hatten, und ich empfing von der gesammten Familie die feierliche Versicherung, daß ich ein großer Doctor sei – was denn doch in der That eine nagelneue Entdeckung genannt werden kann!

Am Tage darauf kam jedoch ein bedenklicherer Fall: ein Knecht war von einem Maulthiere an den Schlaf geschlagen worden und lag für todt da. Natürlich sollte und mußte der Sennor e'strangero da wieder Rath schaffen. Ich spürte noch einige Lebenszeichen an ihm und verfuhr nun flugs wie der gute Dr. de Montegre mit mir vor vier Jahren in Paris verfahren, als ich jenen unfreiwilligen Purzelbaum von 44' Höhe vom Gerüste herab gemacht hatte, d. h. ich ließ dem Scheintodten von mehrern Personen zugleich die Hände und Füße mit ganz heißem Wasser waschen, bis ich wieder Pulsschläge fühlte, worauf ich ihm eine Ader öffnete, und hatte die Freude, ihn bald wieder bei voller Besinnung zu sehen. Die Moral der Sache ist, daß etwa hierher pilgernde Landschaftsmaler sich darauf gefaßt machen müssen, nebst ihrer Kunst auch noch ganz andere Künste zu üben. Dergleichen Kopfstöße scheinen übrigens hier etwas sehr Gewöhnliches zu sein, denn besagtes Individuum ward wenigstens, außer jener kurzen Gefahr, eine Reise in den Himmel zu machen, weiter nicht sehr von den Nachwehen belästigt, und hülste schon am Nachmittage ganz gemüthlich und zu meiner großen Freude Cacao aus, denn ich habe eine wahre Heidenangst, daß meine wider Willen ausgeübte Doctorpraxis mich einmal recht ordentlich in die Klemme bringt, wo die gute Absicht einen kaum ausreichenden Trostgrund für angerichtetes Uebel gewähren dürfte.

Auch die in der tropischen Zone so heftigen Einflüsse des Mondes wie der Sonne habe ich einige Zeit darauf an mir selbst erfahren. Von ersterem, als ich eine Nacht so lag, daß die Strahlen des Mondes eine Zeitlang auf mein Gesicht schienen. Nach lebhaften, ängstigenden Träumen, von denen mich doch sonst mein gesunder Schlaf nach körperlicher Ermüdung immer frei läßt, erwachte ich mit überaus heftigem, nervösem Kopfschmerz, der den ganzen folgenden Tag anhielt und meine ganze, vom Monde beschienene Gesichtshälfte dick aufschwellte.

Schlimmer bekam mir die andere Erfahrung in Bezug auf die Sonne, die möglicherweise sogar den Grund zu der bösen Krankheit gelegt haben kann, die mich bald darauf befiel. Ich hatte Dr. Livingston wieder ein Stück nach Leon zurückbegleitet, um später von dieser himmlisch gelegenen Stadt aus meine Malerexcursionen vorzunehmen; vorher aber wollte ich trotz des Abmahnens allein den heißen Schwefelquellen von Tipi-Tapa und dem Vulkane von Massaga einen Besuch abstatten. Von Managua aus führt der Weg über die große Ebene, welche die Seen von Granada und Managua trennt, theils durch herrlichen, hochstämmigen Wald, theils durch baumloses Sumpfland. Die Sonne brannte heiß hernieder auf den einsamen Wanderer, das 5 bis 6 Fuß hohe Schilf gewährte keinen Schutz gegen die senkrechten Strahlen, und die Sumpfluft lag bleiern über der lautlosen Landschaft. Roß und Reiter trieften von Schweiß und suchten vergebens nach erquickendem Schatten und Wasser. Mir ward plötzlich so schwindlich und unwohl, daß ich mich nicht mehr im Sattel zu halten vermochte und, da ich die Ursache meines Uebelbefindens errieth und allenfalls noch Bewußtsein genug hatte, um meinen Rock abzustreifen und meine Lanzette hervorzuholen, so versuchte ich hier zum ersten Male meine Kunst an mir selbst und öffnete mir eine Ader. Nach einiger Zeit erwachte ich wieder aus der Ohnmacht, in die ich verfallen war, hatte starken Blutverlust gehabt, fühlte mich aber auch sehr erleichtert dadurch. Mein Schimmel dachte nicht ans Fortlaufen, sondern beschnoperte neugierig bald mich, bald die Blutpfütze. Ich band mir das Taschentuch so fest ich konnte, um den Arm und kletterte mühsam auf's Pferd, konnte aber diesen Tag vor Mattigkeit Tipi-Tapa nicht mehr erreichen, sondern mußte in einer kleinen Hacienda übernachten, wo mein armes Pferd, da kein Futter vorhanden war, sich das seinige selbst im Protero (Weideplatz) suchen mußte, der noch dazu über eine englische Meile entlegen war. Dieser letztere Uebelstand tritt sehr oft ein und deshalb bringt jede Reise die Thiere sehr herunter, besonders wenn man schwer laden muß, wie ich es genöthigt war, da ich bei solchen kleineren Excursionen aus öconomischen Gründen weder Diener noch Packthier bei mir habe.

Nachdem ich mich bei dem gutmüthigen Besitzer der Hacienda einen Tag ausgeruht, riskirte ich, trotz der erhaltenen Witzigung, noch einen Besuch der Schwefelquellen von Tipi-Tapa, welche ungefähr eine Meile vom genannten Flecken, an der Stelle liegen, wo der Rio di Tipi-Tapa (ein Ausfluß des Sees von Managua) sich zwischen großen Felsbrocken verliert.

Die stärkste dieser Quellen erhebt sich inmitten eines, theils sumpfigen, theils mit Steingerölle gefüllten flachen Kessels aus einem, durch Niederschlag der das Wasser sättigenden Mineralien gebildeten Hügelchen von acht bis zehn Fuß Höhe. Das Wasser quillt ganz siedend hervor und entwickelt eine Menge von Schwefelwasserstoffdämpfen, die mich, als ich beim Losbrechen und Sammeln einzelner Stücken des Niederschlages etwas zu lange verweilte, ganz schwindlich machten. Ich befürchtete eine Rückkehr des vorerwähnten Ohnmachtanfalles und entfernte mich so schnell als ich vermochte. Es ging auch bald vorüber, als ich nach einiger Zeit in freiere Luft kam, und ein Fußbad in dem etwas weiter entfernten abgekühlten Wasser wirkte besonders wohlthätig auf mich.

Eine zweite heiße Schwefelquelle entspringt inmitten eines kleinen Teiches von ganz kaltem Wasser, wie dies auch bei den Liparischen Inseln an der Küste Siciliens gefunden wird, und noch mehre andere, von minderer Bedeutung, nicht weit davon. Alle diese Quellen enthalten augenscheinlich eine große Menge Schwefel, Kochsalz, sowie einige andere kräftige Substanzen, und werden dereinst einmal, wenn erst eine zahlreichere und betriebsamere Bevölkerung das Land etwas empor gebracht haben werden, gewiß eine sehr besuchte Heilquelle bilden, und einen nicht weniger bedeutenden Exportartikel liefern.

In Folge dieser beiden eigenen Erlebnisse kann ich alle, mir etwa nachfolgenden Reisenden, zumal so lange sie sich noch nicht völlig an das hiesige Klima gewöhnt haben, nicht dringend genug warnen, selbst kleinere derartige Ausflüge niemals allein zu unternehmen.

Als ich Tags darauf auf meinem Rückwege durch einen Wald über eine Art von Kreuzweg kam, riefen mir von der Seite drei Berittene, mit Lanzen bewaffnet, ein grimmiges »Halt!« zu; ich verspürte jedoch nicht sonderlich viel Lust mich mit ihnen in nähere Expectorationen einzulassen, und als einer davon mit erneutem Rufe ein Pistol aus der Halfter zog, nahm ich, so miserabel und unkriegerisch mir auch noch zu Muthe war, meine getreue Büchse herauf, was die drei Helden, zu meiner großen Befriedigung, bewog, Kehrt zu machen und sich nicht weiter um mich zu bekümmern. Ich erfuhr bald darauf, daß es der Vorposten eines, in Managua garnisonirenden, etwa 300 Mann starken Corps der Granadiner Reichsarmee war, welche zum bevorstehenden Kampfe mit den Leonesern zusammengezogen wird.

Ihr müßt nämlich wissen, daß seit etwa zwei Wochen wiederum eine neue Revolution sammt allen Gräueln des Bürgerkrieges im Anzuge ist, ohne daß ich selbst bis jetzt viel davon bemerkt hatte. Die respectiven Regierungen von Granada und Leon haben einen Aufruf an alle waffenfähige Bürger erlassen, zur Rettung des Vaterlandes herbeizueilen, welcher Aufruf jedoch, wenigstens auf Seite der Granadiner, eben keinen absonderlichen Enthusiasmus erregt zu haben scheint. Eine Abtheilung dieser barfüßigen Prätorianer liegt, wie gesagt, in Managua, größtentheils mit Flinten bewaffnet, von denen die eine keinen Ladestock, die andere kein Bajonett, die dritte sogar kein Schloß hat, sehr viele davon aber wohl beim ersten Schuß springen werden. Dieses Corps steht unter dem Commando eines Generals, der sich in besseren friedlichen Zeiten damit beschäftigt, verdorbene Uhren noch mehr zu verderben.

Auf der Durchreise ward mir das Glück zu Theil, diese tapferen Spartaner manövriren und exerciren zu sehen. In Erwartung nämlich, daß der Feind kommen werde, laufen die Helden einstweilen täglich einige Stunden, einer hinter dem andern, rings um den geräumigen Marktplatz herum, wozu abwechselnd auf einer faßartigen, von zwei Mann getragenen großen Trommel, oder auf zwei kleinen übereinandergebundenen, Tambourins gleichenden Trömmelchen tapfer darauf losgepaukt wird. Auch Festungswerke hat man errichtet, wenn man nämlich einige, 4 Fuß hohe, einen Fuß dicke Mäuerchen aus Luftziegeln und von Holzklötzen und Balken gestützt, mit diesem Titel beehren will. Auf der Gegenpartei mag es wohl auch nicht viel besser aussehen, und so stehen sich denn die Löwen kampfgerüstet einander gegenüber.

Der Hauptkern dieser ewig wiederkehrenden Katzbalgereien, die das arme Land nur aussaugen und keinen gedeihlichen Zustand zur Blüthe kommen lassen, beruht auf einem individuellen Streite der Machthaber von Leon und Granada, und diesmal scheint mir die Granadiner Partei insofern im Rechte zu sein, als sie einen, meiner Ansicht nach, ganz vernünftigen Zusammentritt zu einer größeren Föderativrepublik zum Feldgeschrei haben, während die Leoneser eine Art von Sonderbündelei im Schilde führen, aus der natürlich immer wieder neuer Same der Zwietracht erwachsen muß. Das Seltsamste dabei ist aber, daß die ganze Sache sich eigentlich nur um das Privatinteresse von etwa einem Dutzend tonangebender Personen dreht, die Hauptmasse der Bevölkerung derselben ziemlich fremd bleibt und nur insofern Interesse daran hat, als sie immer wieder das blutende Opfer dieser Kämpfe werden muß; von wahrem Patriotismus, freudiger Hingebung an das allgemeine Wohl des Vaterlandes habe ich aber verwünscht wenig bemerkt, trotzdem die Leute derlei pomphafte Reden ewig im Munde führen.

Solche Wahrnehmungen, so viel sie auch zur Erweiterung meiner Welt- und Menschenkenntniß beitragen, betrüben doch recht herzlich in einem Alter, das noch für allerhand schöne und ideale Illusionen empfänglich ist. Hat man auch endlich hier und da noch einige edle Züge entdeckt, so schrumpfen bei näherer Prüfung auch davon noch die meisten zu einer gedörrten Frucht zusammen, die sich nur das Ansehen einer frischen zu geben strebt. So jung ich auch noch bin und so wenig Welterfahrung ich auch in dieser Hinsicht noch gesammelt, ist mir doch der Appetit nach mehren schon ziemlich vergangen.

VIII.
Der geendigte Krieg in Nicaragua. – Aufregung in Granada. – Unangenehme Conflicte. – Meeting in Massaga. – Hauptquartier in Managua. – Don Fruto Chamorro. – Gefecht von Nagarote. – Erkrankung. – Gefecht von Chinandega. – Mißverhältniß der Streitkräfte. – Vertrag von Posolteja. – Treubruch des Generals Lopez. – Ehrenhaftes Benehmen des amerikanischen Gesandten. – Traurige Aussichten.

Leon, d. 1. December 1851.

So widerlich und betrübend für den Menschenfreund auch das seit meinem letzten Berichte hier zu Ende geführte Drama ist, kann ich mich doch nicht enthalten Euch das schmachvolle Ende dieses neuesten zahmen Revolutionskampfes von Nicaragua zu schildern. Ich will eine möglichst ausführliche und getreue Darstellung der letzten Ereignisse versuchen, einmal, weil, soviel ich weiß, keine der bisherigen Correspondenzen in amerikanischen Blättern frei von Irrthümern war, was seinen natürlichen Grund darin hat, daß keine dieser Correspondenzen von Leon aus erfolgte, wo die Haupttragödie – oder Comödie, wie man es nehmen will – gespielt hat und hier zu Lande, wie anderwärts, jede Meile ein wenig an der Nachricht verändert, so daß eine Mosquitofliege, welche in den Straßen von Leon ausfliegt, schon in Granada als ein zweiköpfiger Drache anlangt und bis St. Juan zu einem Monstrum mit hundert Köpfen und tausend Armen anschwillt.

Nebstdem vermag aber auch nichts einen deutlicheren Begriff der hiesigen unglückseligen Landesverhältnisse zu geben, als eine schlichte Darstellung solcher Ereignisse, die sich schon so oft in gleicher Weise wiederholt haben und noch wiederholen werden, mit dem einzigen Unterschiede, daß dann immer andere Hauptacteurs figuriren; die Hauptsache bleibt aber dieselbe.

Meine letzte (dritte) Reise von hier nach Granada und zurück, um einen meiner Creditbriefe in klingende Münze zu verwandeln, so wie eine zufällige Unterhaltung mit dem eben zurückgekehrten Präsidenten Pineta, der mir aber zu jener Zeit noch unbekannt war, in Massaga, erlauben mir die genaueste Auskunft über das zu geben, was sich auf Seite der Granadiner zutrug. In Betreff der Leoneser Partei setzen mich die detaillirsten Mittheilungen eines, zur Zeit hier noch residirenden, höchst achtbaren Amerikaners, dessen verantwortliche Stellung mir jedoch die Nennung seines Namens verbietet, der aber von allen Vorfällen auf das Genaueste unterrichtet ist, in den Stand auch dasjenige zu berichten was sich zutrug, als ein hitziges Fieber mich ans Bett fesselte und somit verhinderte, Augenzeuge der Vorfälle zwischen dem General Lopez von Honduras und dem Leoneser General Munoz zu werden. Endlich aber überzeugten mich mehre Unterhaltungen mit dem Minister Chicodilla, welcher fast täglich das Haus meines gütigen Wirthes und Pflegers, des Dr. Livingston besuchte, von der vollkommenen Richtigkeit aller jener Mittheilungen.

Ich übergehe meine letzte Hinreise nach Granada, die den früher schon beschriebenen gleich war, bis auf den Umstand, daß ich diesmal meinen Weg über Tamarinta-Bay nahm, welche ich jedoch nur in der Entfernung einer (engl.) Meile zu Gesicht bekam, da der Sumpfboden, in welchem mein armes Pferd bis an den Sattelgurt versank, mir nicht verstattete, näher hinan zu gelangen. Dieser Abstecher brachte mir nebenbei auch noch das Vergnügen einer schlaflosen und höchst qualvollen Nacht ein, in der ich von Mosquitos und Sandfliegen, – das allerlästigste Insect von der Welt – beinahe aufgefressen worden wäre.

Am Tage, oder richtiger am Abend, wo ich Granada wieder verließ, war die Stadt aus zweierlei Anlaß in lebhafter Aufregung. Zuerst war früh 9 Uhr die Nachricht eingetroffen, daß der vertriebene Präsident Pineta aus seiner Verbannung über Segovia und Tipitapa eintreffen werde, infolge dessen jedermänniglich und weibiglich sein Haus aufs Beste mit Fahnen, Teppichen und Blumen zu schmücken bemüht gewesen war. Diese Freude der Granadiner ward jedoch unangenehm durch den blinden Lärm gestört, Colonel Mac-Claen sei mit einer großen Anzahl Amerikaner in St. Juan del Sur den Leonesern zu Hülfe gekommen und rücke mit Heeresmacht heran, um Granada zu bedrohen. Daß diese letzte Nachricht völlig unwahr, wußte ich sehr wohl, denn noch bevor ich Leon verließ war besagter Colonel mit nicht mehr als 14 Mann amerikanische Freiwillige dort eingetroffen, welche Heeresmacht noch durch etliche Zuläufer bis zu einer sehr schwachen Compagnie angewachsen war, die Mac-Claen eben noch möglichst einzuexerziren sich abmühete.

Es hatte sich in Granada, Gott weiß aus welchem Grunde und auf welchem Wege, das Gerücht verbreitet, ich sei Träger einer bedeutenden Geldsumme für Munoz, welche seine Freunde in Granada ihm zusendeten. – Du lieber Himmel! als ob ein armer reisender Maler überhaupt jemals Träger einer bedeutenden Geldsumme sein könnte? – und als ich die Plaza passirte, ward ich vom Pfeifen und Schreien der Menge begleitet, während ein junger, ziemlich anständig gekleideter Mensch sogar unverschämt genug war, mich auf englisch zu insultiren und mich als Parteigänger Munoz bezeichnete, den man anhalten, das Pferd wegnehmen müsse und endlich gar das Wort Scoundrel (Schurke) gebrauchte. Wer ein gut Gewissen hat, braucht sich nicht schimpfen zu lassen, dachte ich, wendete augenblicklich mein Pferd und zog, auf den Laffen losgaloppirend, den Ladestock meiner Büchse, um ihm die verdiente Züchtigung angedeihen zu lassen; er flüchtete sich aber in ein Haus, durch dessen verschlossene Thür ich ihm freilich nicht folgen konnte, was mir für den Moment um so lieber war, als die späte Tagesstunde, so wie ein heraufziehendes schweres Gewitter mich zur Eile antrieb; treffe ich aber den Burschen jemals wieder, so dürfte unsere Begegnung zur Folge haben, daß ich mir einen neuen Ladestock anschaffen müßte.

Ich wünschte noch vor später Nacht Massaga zu erreichen und legte die 5 Leguas, durch den unaufhörlichen Regen bodenlos gewordenen Weges bis dahin so schnell wie möglich und mit all der Vorsicht zurück, die eine Vedette in Feindesland anwendet, denn nach den gemachten Erfahrungen mußte ich jeden Augenblick gewärtig sein, den Pfeil eines Meuchelmörders aus dem Dickicht schwirren zu hören. Nichts der Art trug sich indessen zu und gegen 10 Uhr Abends ritt ich in das Gehöft einer bekannten Familie ein, bei der ich schon zweimal übernachtet hatte.

Ich fand in diesem Hause, wo ich sonst nie einen Mann, außer dem Besitzer, getroffen hatte, eine Versammlung von zehn bis zwölf Männern vor, von denen einer, ein hochgewachsener helläugiger Mann mit blondem oder grauem Haare, – wegen mangelhafter Beleuchtung konnte ich den Zweifel nicht lösen – der gutmüthig in die Welt hinausblickte, el Sennor Directore genannt wurde. Ich war zu sehr mit dem Gedanken an meine Weiterreise mitten durch die, einander feindlich gegenüberstehenden Heere, so wie mit der Befriedigung meines Appetits beschäftigt, um der Unterhaltung dieser Gesellschaft absonderliche Aufmerksamkeit zu schenken; allein auf einige an mich gerichtete Fragen über Zweck und Endpunkt meiner Reise, so wie um meine Meinung über das Land, die Revolution und die Stimmung der Fremden, antwortete ich frank und frei, ohne mir ein Blättchen vor den Mund zu nehmen, so daß ich sicher war, verstanden zu werden. Zudem sorgte auch noch ein junger Mann, Namens Rivas, dafür, aus einer der angesehensten Familien Massagas, der geläufig englisch und französisch sprach und meinen Dollmetscher machte. Auf meine Aeußerungen der Entrüstung: daß in einem kleinen Lande wie Nicaragua, das man selbst auf der größten Specialkarte bequem mit der Hand bedecken könne und dennoch zwanzigmal mehr Flächenraum habe als zum Unterhalte seiner Bewohner nöthig, die Menschen nicht einmal in Ruhe und Frieden mit einander leben könnten, lachte jener blondgraue Herr recht aus vollem Herzen und schnitt dazu ein Gesicht wie mein Schimmel, wenn ich ihm die Schüssel voll süßen Mais vorhalte.

Ohne weitere Abenteuer langte ich andern Tages bei guter Zeit in Managua an, wo man mich nach meinem Paß vom Präfecten von Granada fragte und mich auf meine verneinende Antwort an den commandirenden General Don Fruto Chamorro verwies. Ich war vortrefflich mit doppelten Pässen versehen, einen vom Ministerium in Washington und einen zweiten von Sennor Don Marcoleta, spanischer Gesandter bei der Regierung der Vereinsstaaten und den Staaten von Central-Amerika, dachte mithin nicht im mindesten daran, umzukehren.

Nachdem ich mich und mein Roß erst mit einigem Imbiß gestärkt, ritt ich straks vor Don Fruto's Hauptquartier. Es wimmelte von Officieren, Ordonnanzen und Soldaten aller Waffen, wohl ihrer hundert, kurz einem Generalstabe, mit dem sich eine Armee von 50,000 Mann allenfalls hätte begnügen können. Das erste Beginnen dieser Helden war, mich zu entwaffnen, ja einer schnallte mir sogar die Sporen ab, während zwei Andere mein Pferd hielten. Ein Officier bezeigte sogar Lust, Hand an mein Toledoschwert zu legen, was ich jedoch fest entschlossen war nicht auf-, sondern dem dreisten Menschen eines damit über den Kopf zu geben, als Don Fruto's Dazwischenkunft noch bei Zeiten alle weiteren Gewaltthätigkeiten verhinderte, bei denen meine Wenigkeit am Ende doch wohl den Kürzeren gezogen haben dürfte. Da ich aber nun einmal auf hohem Pferde saß, ließ ich ihm einige sehr scharfe Redensarten verschmecken, worauf er, wie ich nicht anders erwartet hatte, sein Visa ohne weiteres Zögern unter meine Pässe setzte.

Auf halbem Wege zur nächsten Station (Mitiares) begegnete mir ein Officier in großer Hast und Eile und von äußerst mürrischem Ansehen; im Dorfe selbst angelangt, welches der letzte befestigte Posten der Granadiner war, fand ich etwa 200 bis 250 Mann, ganz entkräftet, mit bei Seite geworfenen Waffen überall schlafend umherliegen, während von Zeit zu Zeit immer noch Andere vereinzelt und eben so erschöpft anlangten. Am Ausgange des Dorfes erfuhr ich die Ursache hiervon. In vergangener Nacht war ein vorgeschobenes Corps von 350 Mann im Dorfe Nagarote von den Leonesern plötzlich mit großem Ungestüm angegriffen und in die Flucht geschlagen worden. Genauere Details konnte ich zur Zeit nicht erfahren, außer daß ein Colonel Silaga – auch Cachirullo genannt – durch einen Lanzenstich getödtet worden sei, was mich aufrichtig betrübte, denn ich war schon bei meiner ersten Anwesenheit in Leon mit diesem Colonel persönlich bekannt und befreundet worden und hatte ihn als braven, gebildeten Officier und auch sonst um Vieles höher schätzen lernen, als einen großen Theil seiner Landsleute.

Bis Abends 7 Uhr begegnete ich noch Nachzüglern, theils einzeln, theils in kleinen Trupps, theils mit, theils ohne Waffen, theils auf der Heerstraße einherschwankend, theils aus dem Walde kommend, wohin sie sich in ihrem Schrecken geflüchtet hatten.

Tief in der Nacht und triefend von Regen langte ich in Nagarote an; am Eingange des Dorfes lagen einige getödtete Pferde und die Bewohner waren noch so voller Schrecken über die letzte Affaire, daß ich nur erst, nachdem man meine von früherher noch bekannte Stimme wieder erkannt hatte, Einlaß ins Wirthshaus erhielt.

Dies waren die einzigen persönlichen Rencontres, die ich mit den Heeren der kriegführenden Mächte von Central-Amerika zu bestehen hatte, und aller Wahrscheinlichkeit nach waren es diese Vorfälle, aus denen der Correspondent eines New-Yorker Blattes die grausenhafte Geschichte meiner Gefangennehmung und tödtlichen Verwundung zusammengeschmiedet hatte, die Euch, Ihr Lieben, leider in so große Sorge und Angst um mich versetzte. Die Münchhausiade sei ihm in Gnaden verziehen.

In Leon, das ich am andern Morgen ohne weitere Fährlichkeiten erreichte, erfuhr ich erst die genaueren Details über jenes Gefecht von Nagarote. Dreißig Mann Infanterie, ungefähr eben so viele Cavalleristen und etwa ein Dutzend amerikanischer Scharfschützen waren unter Befehl des Colonel Silaga auf eine Recognoscirung detachirt worden und stießen unvermuthet auf den Feind. Als die Vorposten feuerten, ging's gleich mit Hurrah und Halloh drauf los, und da die Dunkelheit die geringe Anzahl der Leoneser verbarg, so brachte der erste entschiedene Angriff eine eben so entschiedene Niederlage hervor und die Granadiner liefen nach allen Seiten davon, wie ich noch selbst hatte sehen können, und so wild war die Flucht gewesen, daß mehre Armee-Papiere, Geld, Effecten und die ganze Bagage der Officiere, insoweit dieselben dergleichen hatten, in die Hände der Leoneser fielen. Noch am Morgen nach dem Gefechte wurden von den Dorfbewohnern fünf Granadiner aus einem flachen Brunnen gezogen, wohinein sie in der Todesangst gesprungen waren.

Doch genug der Thaten der zerlumpten Helden. Ich war, wie gesagt, glücklich und wohlbehalten in Leon angekommen, mußte aber gleich nach meiner Ankunft den nur aufgeschobenen Tribut der Acclimatisation zahlen, indem ich in ein hitziges Fieber verfiel, das mich über vierzehn Tage ans Bett fesselte und mich sehr von Kräften brachte; nur durch die größte Schonung, treffliche Pflege in Dr. Livingston's gastfreiem Hause, gute Nahrung, Porter u. s. w. kam ich nach und nach wieder auf. Während dieser Zeit war die Entwickelung des traurigen Possenspiels in folgender Weise vor sich gegangen:

Am 4. November war eine Escolta von fünfundzwanzig Infanteristen und fünfundzwanzig Cavalleristen nach Chinandega, einer kleinen Stadt von circa 10,000 Einwohnern, halbwegs zwischen hier und der Küste des Pacific gelegen, entsendet worden, um eine Geldcontribution zu erheben. Commandant des kleinen Trupps war Major Silaga II., Bruder jenes erstgenannten Colonel Silaga, der übrigens nicht in jenem Gefechte von Nagarote geblieben war, sondern nur drei leichte Wunden davon getragen hatte. Dieser Leoneser Trupp war bereits bis auf die Plaza von Chinandega vorgerückt, mit Befremden nur durch leere Straßen marschirend, als er plötzlich von allen Seiten mit einem mörderischen Feuer begrüßt ward. Es waren dies Hondurenser Truppen, welchen Staat Granada für sich zu gewinnen gewußt hatte, unter Commando des Generals Lopez, begleitet von dem Minister Chicodilla von Nicaragua, welcher mit dem Präsidenten Pineta die Verbannung getheilt hatte. Schon einige Zeit vorher hatte das Gerücht vom Abfall Honduras und vom Eintreffen dieser Truppen in Leon circulirt, Niemand hatte aber recht daran glauben wollen.

Ein kurz zuvor eingetretener Regensturm hatte zum Unglücke der Leoneser Truppen auf dem Marsche den größten Theil ihrer Munition durchnäßt; die Uebermacht nicht beachtend commandirte Major Silaga dennoch muthig zum Angriff und warf den Feind auch wirklich fünf Straßen weit zurück, über einen kleinen Fluß. Hier aber ward er mit solcher Heftigkeit von drei Seiten angegriffen, daß er nicht länger Stand zu halten vermochte; nachdem jeder seiner Leute die wenigen etwa noch trocken gebliebenen Patronen bis auf die letzte verschossen hatte, zerstreuten sie sich und suchten einzeln, so gut sie konnten, sich einen Ausweg zu bahnen. Der Major Silaga und sein Adjutant, denen beiden die Pferde unter dem Leibe getödtet worden waren, mußten zu Fuß den Weg bis Chichigalpa suchen, an welchem Orte sie so glücklich waren frische Pferde zu erlangen. Von der ganzen Escolta trafen im Laufe der nächsten Tage noch 26 Mann, ohne ihre Officiere, ein; etwa 12 Todte waren auf dem Platze geblieben, worunter die Mrs. Bradburry und Lane. Das Häuflein erreichte glücklich Leon auf weitem Umwege über Realejo. Feindlicher Seits waren bedeutend mehr geblieben. Im Ganzen sollen sich jedoch die Hondurenser, obschon ihnen ihre große Ueberzahl zu statten kam, immer noch besser geschlagen haben, als die Granadiner Helden.

Der General Munoz sah nach diesem Gefechte ein, daß die neuesten zuverlässigen Nachrichten über die nummerische Stärke des Feindes ihm ein sehr zweifelhaftes Resultat in Aussicht stellten. Die Granadiner zählten, die allerdings nur schwachen Garnisonen von Granada, Rivas, St. Juan del Sur, Matagalpa nicht mit eingerechnet, über 1100 Mann, wovon ein großer Theil zuletzt noch in aller Eil ganz gut mit Uncle Sams Musqueten bewaffnet worden war, die Mr. White als Preis seines nichtswürdigen Monopols erschachert hatte; dazu die Hondurenser, zwischen 300 und 400 Mann stark, also zusammen über 1500 Mann disponible Truppen. Diesen hatte Munoz Alles in Allem nicht ganz 700 Mann entgegenzustellen, allerdings besser disciplinirte und exerzirte Leute, mit einer halben Batterie leichter Artillerie unter Commando eines französischen Officiers. Auch sein kleines Häuflein Cavallerie war nicht ganz übel beritten und einexerzirt. Bei solchem nummerischen Mißverhältniß und geringem Vertrauen auf die kriegerische Ausdauer der Eingeborenen, war es daher das Klügste was man thun konnte, mit der Gegenpartei in Unterhandlungen zu treten, um die Stadt doch wenigstens unter möglichst guten Bedingungen zu übergeben.

Munoz sendete daher am 9. November einen Parlamentair ab, der eine Zusammenkunft in Posolteja mit General Lopez stipulirte. Bei Munoz Annäherung mit der gegenseitig accordirten Escolta (die Munozsche bestand aus 2 Officieren, 2 Amerikanern und 6 Lanziers), lief die Granadiner Escolta über eine Legua zurück, bis Chichigalpa, und war erst dort zu überzeugen, daß von dieser, in friedlicher Absicht gekommenen, handvoll Leute nichts zu befürchten sei.

Die Capitulation kam denn auch wirklich zu Stande, und einige ihrer Hauptbedingungen waren: gänzliche Amnestie für alle an dem Revolutionskriege Betheiligten, Entlassung der beiderseitigen Kriegsheere, Freiheit für die amerikanischen Freiwilligen, zu gehen, oder sich friedlich im Lande niederzulassen u. s. w.

Am 12. November ward in Folge dieser Capitulation Leon übergeben; die Amerikaner feuerten den üblichen Salutschuß, während die eingeborenen Artilleristen in den stehenden Batterien postirt waren. Wie groß war aber das Erstaunen des Generals Munoz, als er sich, nachdem er seinerseits pünktlich alle Artikel erfüllt, die Waffen gestreckt und alle seine Truppen entlassen hatte, plötzlich von der eingerückten Abtheilung Leoneser, die er mit einem Handgriff hätte erdrücken können, so lange er seine Truppen noch unter Waffen hatte, überfallen und mit eilf der vornehmsten Officiere gefangen sieht. Der Traktat war dem Präsidenten Abaonza (von Leon) übergeben, dann aber diesem wieder heimlich entwendet worden, und jetzt leugnete General Lopez sogar dessen Existenz ganz ab.

Auf wessen Seite von Anfang her das Unrecht lag, sei hier ganz dahingestellt, und eben so die Erörterung der Frage, ob ein Sieg der Leoneser Partei dem unglücklichen Lande eine bessere Zukunft in Aussicht gestellt haben würde; aber jeder Unbefangene wird sich nach Obigem einen Begriff machen können, was man in Central-Amerika auf die Heiligkeit der Verträge, auf Soldaten- und Mannesehre zu geben hat.

Die Gefangenen hatten sich noch am selben Nachmittage an den sehr ehrenwerthen Mr. Kerr, bevollmächtigten Gesandten der Vereins-Staaten in Nicaragua gewandt und dieser stand keinen Augenblick an sich dieses Vertrauens, so wie der Regierung, die er repräsentirte, vollkommen würdig zu beweisen. Trotzdem er früher laut und unverhohlen kund gegeben, wie weit entfernt er sei, mit der Revolutionspartei und dieser steten Erneuerung der Mißhelligkeiten zu harmoniren, eilte er jetzt bei so grober Rechtsverletzung nichtsdestoweniger, obschon es schon spät in der Nacht war, zum feindlichen General, um unter dem Schutze der Sterne und Streifen auf der Stelle eine energische Protestation gegen solch nichtswürdiges und wortbrüchiges Verfahren, so wie gegen jede etwaige militairische Verurtheilung und Tödtung der Gefangenen, diese geradezu als niedrigen Meuchelmord bezeichnend, niederzulegen. Dieser Akt war keineswegs so leicht und gefahrlos, wie er daheim unter civilisirten Nationen erscheinen mag; denn hier, wo durchschnittlich immer die Hälfte der Soldaten betrunken, und die andere noch nicht völlig nüchtern ist und demnach fortwährend Excesse aller Art vorkommen, war es gar nicht unmöglich, daß einige Soldaten, statt ihren patriotischen Heldenmuth durch Freudenschüsse in die Luft kund zu geben, wie man es hier sehr liebt, aus Versehen dem verhaßten amerikanischen Gesandten, der ihrem General so starke Sachen zu riechen gab, eine Kugel durch den Hirnschädel jagte.

Erst zwei Tage darauf wagte es endlich Don Fruto Chamorro mit seiner gesammten Heldenarmee in die Stadt zu rücken, nachdem er sich vorher sorgfältig überzeugt hatte, daß ihm keinerlei Gefahr mehr drohe. Ich hörte von meinem Krankenbette aus die Freudensalven der Soldaten, konnte aber leider den Anblick des mit Lorbeern und Lumpen bedeckten Siegesheeres nicht genießen.

Am 18. brachte eine Escolta Hondurenser 10 Amerikaner, die sich laut Vertrag im Hafen von Realejo hatten einschiffen wollen und im Augenblicke ihrer Einschiffung von den nachgeschickten Truppen gefangen genommen worden waren, in die Stadt. Dr. Livingston und ich, da ich wieder so weit Reconvalescent war, um ausgehen zu dürfen, gingen sogleich um die Gefangenen zu sehen, wurden aber zurückgewiesen. Wir kehrten sogleich um, ich um zu Mr. Kerr zu gehen und ihm den Vorfall anzuzeigen, während Dr. Livingston schriftlich von Don Fruto Chamorro eine Erklärung über diese neue Vertragsverletzung verlangte.

Nach einigem Hinundherverhandeln ward uns endlich allen Dreien der Zutritt verstattet, und traurig genug war der Anblick der armen Leute; in einem wahren Hundeloche, voller Schmutz und Ungeziefer, ohne Essen, Trinken, noch irgend eine Spur von Versorgung. Es wurden indeß vier, welche infolge der Mißhandlungen bedeutend erkrankt waren, sogleich auf Dr. Livingstons Bürgschaft an diesen ausgeliefert, während der Rest, Dank den energischen Schritten des Mr. Kerr, später gegen Handgelöbniß entlassen, und seit gestern in völlige Freiheit gesetzt wurden, bis zu welchem Tage sie alle im gastfreien Hause des Dr. Livingston eine Zufluchtsstätte gefunden hatten.

Die Lage der eingeborenen Gefangenen blieb jedoch nach wie vor dieselbe, und ohne Mr. Kerr's unermüdliche Wachsamkeit, der sich überhaupt während dieser ganzen Zeit kein geringes Verdienst um die Ruhe und Sicherheit der Stadt erworben, wären sie vielleicht schon längst ihres Lebens beraubt worden. Man hatte mehrfach beabsichtigt, dieselben aus dem bischöflichen Palaste, wo sie gefangen gehalten wurden, an einen anderen Ort zu bringen, und es entspräche ganz dem niedrigen Charakter der jetzt herrschenden Partei, bei der sich, wie dies so häufig der Fall ist, Feigheit mit Grausamkeit paart, während des Transportes unter möglichst schwacher Bedeckung, die Gefangenen von einem Haufen gedungener Mörder überfallen und abschlachten zu lassen. Das Gouvernement kann ja dann mit Leichtigkeit alle Schuld von sich abwälzen und öffentlich mit größtem Eifer nach den Dolchen suchen, die es in der eigenen Schärpe trägt.

Das politische Wetter ist übrigens noch entsetzlich schwül und ich müßte mich sehr täuschen, wenn nicht binnen ganz kurzer Zeit ein neues Ungewitter losbräche. Durch den, vor einigen Tagen erfolgten Abmarsch der Hondurenser, so wie massenhafte Desertionen unter den Granadinern ist die Stärke der Besatzung, welche Chamorro noch unter seinen Händen hat, auf circa 260 Mann zusammengeschmolzen, und schon tauchen hin und wieder Gerüchte von einem vorbereiteten neuen Aufstande auf. Dazu hat Chamorro in seinem kindischen Unverstande die von Munoz sehr zweckmäßig angelegten Batterien um die Kathedrale, welche dieselbe zu einer, nach hiesigen Verhältnissen, fast uneinnehmbaren Stellung machten und mit deren Hülfe er die ganze Stadt leicht in Schach halten konnte, rasiren und die Geschütze demontiren lassen, während er in seiner ganzen Armee nicht einen Officier besitzt, der fähig wäre sie wieder in Stand zu setzen. Bricht nun früher oder später eine neue Revolution aus, so wird sie jedenfalls grausamer und verderblicher wie die vorhergegangene, und wahrscheinlich würde es dann wiederum den Granadiner Grundbesitzern und Handelsherren ebenso scharf an die Börsen und Waarenlager gehen, wie jetzt den Leonesischen.

Noch muß ich hinzufügen, daß auch Don Fruto Chamorro, auf die offizielle Anfrage seiner Regierung, die Existenz der mit Munoz abgeschlossenen Capitulation gänzlich ableugnete, trotzdem Mr. Kerr die schriftlichen Beweise dafür in Händen hat und dieselben präsentirte, ein Verfahren, für welches in jedem nur halb civilisirtem Lande einem solchen Officier der Degen zerbrochen worden wäre.

Wann wird doch dieses herrliche, von der Natur in jeder Hinsicht so sehr begünstigte Land aufhören, durch die niedrigen Leidenschaften seiner erbärmlichen Bewohner, durch die Schwäche und Hinterlist seiner Machthaber in immer tiefere Degradation zu sinken? Wahrscheinlich nicht eher, als bis die Sterne und Streifen über dem ganzen Isthmus wehen, und zum Heile der Civilisation muß man wünschen, daß dies recht bald geschehen möge.

Quien sabe! – wie die Leute hier zu Lande immer zu sagen pflegen.

Wenig bleibt mir noch hinzuzufügen. Betrachtet man diese letzte Revolution im Ganzen, so ist es allerdings in keiner Weise zu rechtfertigen, den Präsidenten so ohne Weiteres bei Nacht und Nebel über die Grenze zu werfen, so wenig befähigt dieser sich auch für seine Amtsführung zeigen, oder dieselben mißbrauchen mochte; andrerseits dient aber auch das Benehmen eben dieser Schützer der Gesetze den ewigen Revolutionen, wenn auch nicht zur Rechtfertigung, so doch zu einiger Entschuldigung. Ich kenne bis jetzt wenigstens noch kein Volk, das weniger befähigt ist sich selbst zu regieren, und eine Art von russischem Gouvernement würde ihm eine wahre Wohlthat sein.

Die Geschichte bietet Beispiele, wie durch lang anhaltende Tyrannei civilisirte Nationen gänzlich demoralisirt worden sind; dies Volk aber ist ein Beispiel des umgekehrten Falls, der Demoralisation durch Unabhängigkeit, denn von da an datirt sich dieselbe, wenn schon die Ursachen vielleicht noch viel weiter zurückliegen mögen.

Von mir habe ich nur noch zu sagen, daß die Folgen des Fiebers allgemach schwinden und ich dessen quitt zu sein hoffe. Es drängt und treibt mich wieder hinauszukommen, an die Fortsetzung meiner Studien und Arbeiten. Zunächst nach der Küste des Pacific, um mich durch die Seeluft zu stärken, dann nach dem Dorfe Felica, etwa 7 Meilen von hier, wo ich kurz vor der Erkrankung einen altindischen Begräbnißplatz und beim Nachgraben mehre höchst interessante Alterthümer aufstöberte, die ehemöglichst ausgebeutet werden müssen. – – –

IX.
Neue Erkrankung. – Excursion in das Hochgebirge und die Minendistricte. – Reiseanstalten. – Aufbruch von Leon. – Nachtlager. – Räubergerüchte. – Nächtlicher Ueberfall. – Eintritt ins Gebirge. – Trockenheit. – Zuckererbauung. – Aztekische Sage. – Beschwerlicher Marsch. – Heimathliche Erinnerung.

Leon, Ende Mai 1852.

Die in meinem letzten Briefe ausgesprochene Hoffnung, durch ein mehrwöchentliches hitziges Fieber den Tribut der Acclimatisation vollständig entrichtet zu haben, sollte leider nicht in Erfüllung gehen und das schlimmste Ende noch nachkommen. Das allzukühne Vertrauen auf meine Jugendkraft und feste Constitution, die Nichtbeachtung gutgemeinter Warnungen, in Bezug auf die schädlichen Wirkungen des Klimas, habe ich, wie Euch mein Brief vom Ende Januar d. J. gezeigt haben wird[2], durch einen sehr bösen Rückfall, der mich nahe an den Rand des Grabes brachte, und mehre Monate an's Krankenlager fesselte, gebüßt. Gottes väterlicher Schutz und die liebevolle Pflege wackerer Menschen haben mich aber die herbe Leidensperiode glücklich überstehen lassen und mich dem Leben, der Gesundheit, der Thätigkeit zurückgegeben.

Laßt mich die traurige Zeit der Krankheit und langsamen Reconvalescens mit Stillschweigen, und sofort zum letzten und angenehmsten Theile meiner Fahrten und Erlebnisse in der Tropenwelt Central-Amerikas übergehen, nämlich zu meiner:

Excursion in das Hochgebirge und die Minendistricte von Nicaragua und Honduras.

Während meiner Krankheit hatte ich endlich bestimmte Nachricht von Mr. Squier erhalten, daß er sein Unternehmen hierher aus wichtigen Gründen leider aufgeben müsse, wenigstens vor der Hand, und somit die eigentliche Absicht meines hiesigen Aufenthalts vereitelt sei. Theils um denselben nun doch wenigstens zu möglichst reicher Ausbeute für mein Malerportefeuille und mein Tagebuch zu benutzen, theils aber auch, um die vom Fieber hinterlassene Schwäche vollends aus meinen Gebeinen zu verjagen, beschloß ich, die noch übrige Dauer der heißen Jahreszeit in dem gesunden Gebirgsklima zu verbringen, womit mein freundlicher Arzt und ärztlicher Freund, Dr. Livingston, vollkommen einverstanden war.

Für eine Reise durch jene noch sehr wenig bevölkerten Gegenden ist es nöthig, sich gleich anfangs mit einem Paar kräftiger Segovier Maulthieren zu versehen, für sich und seinen Diener, da die aus der Plaine nicht zu so beschwerlicher Gebirgskletterei geeignet sind; dabei möglichst wenig Gepäck und einigen Proviant, denn in diesen Gegenden ist der Reisende meist auf sich selbst verwiesen; Gasthöfe kennt man daselbst nicht einmal dem Namen nach. Auf der andern Seite herrscht freilich eine fast unbegrenzte Gastfreundschaft; ein bloßer Empfehlungsbrief sichert einem fast überall die freundlichste Aufnahme und man kann bleiben, so lange man nur immer Lust hat; allein unterwegs ist es oft unmöglich bewohnte Orte zu erreichen, man bleibt, wo man Wasser und Futter für die Thiere findet, den Hammock zwischen zwei Bäumen aufgehangen, wenn nämlich solche da sind, die nackte Erde, auf welcher, der blaue Himmel das Dach, unter welchem man schläft. Ein wenig an der Sonne gedörrtes Fleisch, etwas Totoposke (doppelt gebackene Maiskuchen) bilden Frühstück, Mittag- und Abendessen und ein kleiner blecherner Feldkessel, den man mit sich führt, dient um Kaffee zu kochen, bei welchem die Sahne natürlich meist der Phantasie überlassen bleibt. Die Thiere werden »gehobbelt«, d. h. die Vorderfüße zusammengebunden, und lassen sich während der Nacht die Weide schmecken, wenn nämlich welche da ist.

Gerade zur Zeit, als ich meine Reise antreten wollte, waren Maulthiere beinahe gar nicht zu bekommen und ich gerieth dadurch in einige Verlegenheit, bis ich an das »Maison« gewiesen wurde, dort Abhülfe derselben zu finden. Das Maison ist nämlich ein großes, den orientalischen Caravanserais ähnliches Gebäude, bestehend aus Höfen und Säulengängen, wo jeder ankommende Maulthiertransport seine Ladung deponirt, die Zölle entrichtet und dort gleich verkauft oder einzeln an ihre Bestimmung abliefert. – Dort miethete ich nun von einem Caravanos aus St. Rafael (nahe Matagalpa) ein großes starkes Segovier Pferd (groß im Vergleich mit der kleinen Race des Landes) und ein dito Maulthier für das Gepäck, denn mein eigenes Pferd und Maulthier waren durch Futtermangel während und nach der Revolution zu wahren Skeletten herabgekommen und bedurften erst der längeren Ruhe im Protero (Weideplatz), um sich wieder zu kräftigen.

Am 3. März gegen Abend, als eben die Glocken zur Oration geläutet, kletterte ich, wegen meiner Schwäche nicht ohne Schwierigkeit, in den Sattel, und unsere ganze Streitmacht, aus 7 Mann und 13 Maulthieren bestehend, setzte sich in Bewegung. Die Cavallerie bestand, außer mir selbst, aus Don Eusebio, dem Eigenthümer der Maulthiere wie der Ladung, und Don Cesario, seinem Major domo; die Infanterie aber aus zwei Mozos (Dienern), Basilio und Apolinario, und zwei Jungen von 12-15 Jahren, Innocente und Candelario, zu deutsch: Leuchter – und so »mit Licht und Unschuld im Geleite – zog frohen Muthes ich ins Weite.« Jeder war auf seine Weise so gut wie möglich bewaffnet, denn man sprach viel von einer, aus Ausreißern beider Revolutionsarmeen gebildeten Spitzbubenbande in der Gegend des Monte-Rota, die einige Reisende angehalten und sogar mehre Haciendas ausgeraubt hatte. Ich führte die deutsche Spitzkugelbüchse und die amerikanischen Revolvers, die Dons Pistolen, sämmtliche Cavallerie aber unendlich lange Toledo-Schwerter; die Infanterie hatte ihre Machetas (lange Messer), Basilio und Apolinario aber Bogen und einige Dutzend Pfeile. Don Eusebio und ich bildeten die Avantgarde, dann folgte das Gros der Armee sammt Bagage und als Nachhut Don Cesario, dem dieser Posten zugleich die große Annehmlichkeit gewährte, den ganzen Tag inmitten einer großen Staubwolke zu reiten.

So ging denn der Zug vorwärts in stiller, klarer Mondnacht, lieblich und wollüstig wie nur eine tropische Nacht sein kann. Wir befanden uns zwar noch mitten in der heißen Jahreszeit, seit November hatte kein Wölkchen den tiefblauen Azur des Himmels getrübt; allein obschon die Tage glühend heiß waren, so schien doch in der Nacht die ganze Natur, von einem kühlen Südost erfrischt, der nur leise in den Blättern der majestätischen Palmen spielte, neues Leben zu athmen. Die große Ebene von Leon erstreckt sich auf der einen Seite hinaus bis an den Pacific (stillen Ocean), auf der andern bis zum See von Managua, und wird im Norden von der prachtvollen Kette von Vulkanen begrenzt, als deren Endpfeiler der Viejo und der ehrwürdige, über 6000 Fuß hohe Monotombo sich in überaus zarten, grauen Tinten vom Horizonte absetzen. Feierliche Ruhe schien über die ganze Natur verbreitet, nur hier und da unterbrochen vom Hufschlage eines Maulthieres oder der kurzen, melancholischen Melodie einer spanischen Romanze. Wäre ich Dichter, so hätte ich hier die passendste Gelegenheit zu poetischen Ergüssen gehabt.

Wir blieben jedoch nicht lange in Marsch; schon nachdem wir etwa 2 Leguas zurückgelegt, wurde Halt gemacht, die Thiere abgeladen und gehobbelt, Feuer angezündet, die Hammocks an einzelne Bäume aufgehangen und bald schlief Jeder, in seinen Poncho gewickelt, sanft und süß, während einer der Mozos über Menschen und Vieh Wache hielt; letzteres delectirte sich an dem dürren, schlechten Grase, als ob es das süßeste Heu wäre. Meine Ruhe ward leider sehr unangenehm von den Garralatos, zu deutsch Holzböcken, gestört, ein höchst lästiges Insect, mit dem man während der heißen Jahreszeit ganz bedeckt ist, sobald man durch ein Gebüsch geht oder reitet, und dessen Biß wie Feuer brennt. Zuletzt schlief ich aber denn doch recht tapfer bis zum nächsten Morgen, wo bei guter Zeit das Frühstück genossen, die Maulthiere beladen, was stets mit größter Sorgfalt geschieht, damit die Thiere nicht aufgerieben oder gedrückt werden, und dann der Marsch wieder angetreten ward.

Ziemlich früh kamen wir an einem kleinen Vulkan vorüber, der sich erst vor ungefähr zwei Jahren gebildet hat und sich noch immer fleißig in Eruptionen übt; der Patron soll überaus reizbaren Temperaments sein, denn wenn ein Stein in den Krater geworfen, heftig auf den Boden gestampft, ja nur besonders laut gesprochen wird, soll er seinen Verdruß alsogleich durch höchst unmanierliche Expectorationen kundgeben, weshalb wir auch in mäuschenstiller Ehrerbietung an ihm vorbeizogen. Mr. Squier giebt in seinem neuesten Werke über Nicaragua eine genaue Beschreibung davon.

Gegen Mittag überschritten wir die Vulkankette am Monte-Rota und stiegen dann nach kurzer Rast, um die Thiere zu tränken, in die nördlich von den Vulkanen gelegene Thalebene hinab, wo wir die Nacht auf einer kleinen Waldwiese, das Caimito genannt, zubrachten. Diese zweite Ebene erstreckt sich vom nordwestlichen Ende des Sees von Managua gegen den Golf von Fonseca hin. Es ist dies einer der fünf Punkte, welche schon der große Humboldt als geeignet für eine künstliche Verbindung zwischen den beiden Oceanen bezeichnete. Capitain Sir Edward Belcher, H. B. M. N., welcher diesen Theil des Landes vom Golf von Fonseca aus untersuchte, bezeichnet diese Ebene sogar als den vielleicht einzigen Punkt, wo ein Kanal, brauchbar für Schiffe erster Größe, angelegt werden kann. Auch Squier spricht in seinem Werke eine ähnliche Meinung aus; da ich aber auf meinem Rückwege Gelegenheit hatte, noch einen andern, größeren Theil dieser Ebene zu untersuchen, so werde ich mir später erlauben, meine Bemerkungen über diesen Gegenstand mitzutheilen.

Die beiden nächsten Tage verfolgten wir eine mehr östliche Richtung, in nicht allzu großer Entfernung vom See von Managua. Die flache, meist bewaldete und nur hier und da ein Stück Wiesen- oder Ackerland zeigende Ebene glich im Charakter ziemlich den Flächen im südlichen Frankreich, und sah in seinem ganzen Habitus, Häusern, der Art und Weise zu leben und zu reisen, so zu sagen mittelalterlich aus. Wenn da oder dort der Klang einer Holzaxt durch den Wald schallte, meinte ich immer, Moliere's Scagnarelle erscheinen zu sehen, und ein Paar Reiter glichen bald Don Juan und Leporello auf der Flucht vor den Dienern der heiligen Hermandad, bald wieder Don Quixote mit seinem getreuen Sancho Pansa, auf Abenteuer ausziehend. – Jeder Reisende hier zu Lande hat übrigens, wie ich schon früher bemerkte, etwas mit dem berühmten Ritter von der traurigen Gestalt gemein, theils des imposanten Kriegsapparates halber, den man hier mit sich schleppen muß, theils der mehr als spanischen Diät wegen, zu der man hier gezwungen ist. Hier erst ging mir ein Licht auf, wie wahr und getreu der gefräßige Charakter jener Bedienten der alten Komödien aufgefaßt ist, denn man lugt selbst begierig aus, wo man etwas Leidliches zu schnappen bekommt. Uebrigens ist der Haupterwerbszweig durch diese Ebene die Rindviehzucht.

Gegen Abend des dritten Tages näherten wir uns endlich dem Hochgebirge, das rauh genug aussah und strapazenreiche Märsche versprach. Die Berichte über Spitzbuben mehrten sich hier in bedenklicher Weise; erst zwei Tage vorher hatten dieselben eine Hacienda geplündert und ein reisender Leoneser war seines Pferdes, Gepäckes, selbst seiner Kleider bis auf die Unter-inexpressibles beraubt worden, und noch dazu von seinem eigenen, leiblichen Bruder, der sich im Lande aufhielt. Süße, heilige Bande der Natur! – Ich hatte ordentliche Sehnsucht, mit solch' lieben Burschen eine handgreifliche Bekanntschaft zu machen. – Don Eusebio wurde nachdenklich und hatte allerdings Ursache dazu, denn nicht nur, daß Maulthiere und Ladung, so wie der Erlös aus seiner Reise nach Leon einen beträchtlichen Theil seines Vermögens ausmachten, sondern er hatte auch eine ziemliche Geldsumme für einen der Bergwerksbesitzer in Matagalpa unter seine Verantwortung genommen. Meine Befürchtungen waren in dieser Beziehung nicht so bedeutend, dem alten Sprichworte gemäß: »Wo nichts ist u. s. w.« Indeß hielten wir doch für gut, unsere bisherige Marschordnung etwas mehr zu concentriren, um nöthigenfalls einander schnellen Beistand zu leisten.

Zur Nacht campirten wir dicht am Fuße des Gebirges auf einer Savannah mit einigen zerstreuten Bäumen und einer kleinen Waldspitze, welche in die Wiese auslief. Ein scharfer Nordost blies von den Bergen herab, und um mich ein wenig dagegen zu schützen, baute ich mir aus drei Packsätteln und einer Pferdedecke eine Art von Zelt. Die gewöhnliche Wache ward ausgestellt, und wir Uebrigen legten uns im schönen klaren Mondlichte zum Schlafen nieder. Es mochte etwa gegen 2 Uhr Morgens sein, als mich Don Eusebio plötzlich weckte, mit ganz verstörtem Aussehen rief: »Sennor, Sennor, los ladrones vienen!« und fast zu gleicher Zeit plafften einige Flintenschüsse von oberwähnter kleinen Waldspitze herüber. – Sie mögen in Gottes Namen kommen! dachte ich und blieb still liegen, wo ich war, denn die Sättel bildeten eine ganz hübsche Art von Brustwehr, sah aber doch für den Nothfall nach meinen Revolvers und machte die Büchse schußfertig. Die Mozos liefen hin und her, um die Thiere zusammenzutreiben, und ließen ihre Machetas gar fürchterlich im Mondlichte blitzen, wozu sie schrieen wie vom bösen Geiste besessen. Die Dons Eusebio und Cesario schossen ihre Pistolen gegen das Gehölz ab, was mit einigen Flintenschüssen erwiedert ward. Wenn die Spitzbuben wirklich die Absicht hatten, uns Eins auszuwischen, so müssen es mordschlechte Schützen gewesen sein, denn ich kann versichern, auch nicht eine einzige Kugel pfeifen gehört zu haben.

Während dieser Scene der Verwirrung sah ich deutlich eine weiße Jacke nebst dazu gehörigen Modesten gleich einer Schlange auf dem Bauche nach jener Stelle hinkriechen, wo mein Pferd graste, augenscheinlich in der Absicht, dasselbe zu stehlen. Da ich nun durchaus nicht gewillt war, die beschwerliche Reise zu Fuß fortzusetzen, auch der Mond noch hell genug schien, um Korn und Visir zu erkennen, so ließ ich eine meiner Spitzpillen hinübersausen. Sobald der Schuß knallte, sprang die weiße Jacke wie electrisirt in die Höhe und die Modesten tanzten mit bewundernswürdiger Gelenkigkeit und Eile nach der Waldspitze zurück. Mit Gewißheit kann ich allerdings nicht behaupten, den Eigenthümer dieser Kleidungsstücke verwundet zu haben, wenn aber, so muß es unzweifelhaft an derselben Stelle gewesen sein, wo Cooper's Natty Bumpo seinem verhaßten Gegner, dem Zimmermann Hiram, eine Kugel applicirte, denn ich bemerkte, wie der eine Aermel der Jacke während des Schnelllaufes höchst verdächtige Bewegungen nach einer gewissen, nicht wohl anständig zu bezeichnenden Gegend besagter Modesten machte. Hiermit endete die Scene und Alles ward wieder ruhig, wie vorher, nur daß Jeder noch für einige Zeit seinen bewiesenen Heldenmuth bedeutend pries. Dies war der einzige Schuß, den ich je in Central-Amerika zu meiner Vertheidigung abgefeuert; vielleicht wäre er nicht einmal nöthig gewesen: allein man hatte bisher so viel Lärmen und Aufhebens von solchen Räubergeschichten gemacht, daß man mir vergeben wird, wenn ich vielleicht zu voreilig meinen kleinen Beitrag zu denselben lieferte.

Jetzt endlich traten wir in das Gebirge ein, durch ein Thal, rechts und links von bewaldeten Bergen eingeschlossen, die sich allmälig zu beträchtlicher Höhe erheben und deren Gipfel eine Art Tafelland, mit Savannahs, steinigtem Terrain und einigen armseligen Bäumen bedeckt, bildet. Durch das Thal herab fließt ein ziemlich breiter Fluß, der sich in den See von Managua ergießt, jetzt aber freilich nur einige Wasserlachen enthielt, an deren Rändern die wunderschönen alten Bäume ihr frisches Grün behalten hatten, ein Herz und Augen erlabender Anblick in dieser Jahreszeit, wo die ganze Natur bis ins innerste Mark verbrannt aussieht, und die großen Besen gleichenden Bäume ihre nackten, blätterlosen Arme wie hülfeflehend gen Himmel emporstrecken. Die Flüsse, welche wir bisher passirt, und wo an manchen Stellen während der Regenzeit schon Menschen und Thiere ertranken, waren jetzt so trocken, daß wir tiefe Löcher in den Sand graben mußten, um nur etwas schmutziges Wasser für die Thiere zu erlangen.

Ungefähr 9 bis 10 Miles wand sich der Weg in der Schlucht fort, bis zu dem Dörfchen Hykaral, und dann begann ein mühseliges Bergsteigen über einen heißen, mit Felsbrocken bestreuten Boden, den nur eben ein Segovia-Maulthier passiren kann, ohne die Beine zu brechen. Rechts und links sendeten nackte weiße Sandsteinfelsen die Strahlen der tropischen Sonne mit verdoppelter Stärke zurück und mein Reisethermometer zeigte ziemlich 110° Fahrenheit im Schatten, nota bene wo etwa Schatten war. Von jetzt an war die Reise nichts mehr als ein beständiges Auf- und Niederklettern, bei Gelegenheit eine kleine Strecke im Thale bleibend oder für einige Miles auf hohem Tafellande, bedeckt mit Wiesen und einigen Hykarobäumen, aus deren kürbisartigen Früchten man hier Trinkgefäße macht. Elend aussehende kleine Rohrhütten, in die man von allen Richtungen hinein- und auf der andern Seite wieder hinausschauen kann, waren die einzigen Zeichen, daß hier noch Menschen wohnten. Die Nächte wurden allmälig kühler und jeden Morgen gegen 2, 3 Uhr stellte sich ein dichter Nebel und starker Thau ein, der, indem er meine Kleider bis auf die Haut durchnäßte, sehr lästig fiel, denn in diesen Klimaten wird die Haut sehr empfindlich gegen Feuchtigkeit und Kälte.

In den Thälern und in der Nähe fließenden Wassers wurde viel Zuckerrohr gebaut, doch meist nur in kleinen Abtheilungen von einzelnen Indianerfamilien; die oben erwähnten Hochebenen dagegen werden großentheils für Rindviehzucht benutzt, doch ist das Vieh hier klein und nur von geringer Qualität. Da gerade die Zeit der Zuckerernte war, so brodelte in allen Kesseln über starkem Feuer der Zuckersaft, und so oft wir eine Pflanzung passirten und Appetit verspürten, bekamen wir zum Geschenk ein Bündel köstlichen Zuckerrohres, bei dessen Verspeisung wir so ziemlich einer Bande ambulanter Flötenspieler glichen, und durch welche Nahrung man nach einiger Zeit so fett wird, wie ein Bär im Herbste.

Eine erwähnenswerthe Unterbrechung der Einförmigkeit meiner Reise war bei dem Dorfe Guaximala, seitwärts am Wege, eine große Höhle, an deren Eingang einige Felsen mit Sculpturen bedeckt waren, im Charakter den alten Bildwerken an den beiden Seen von Nicaragua und ihren nächsten Umgebungen gleichend. Eine kleine indische Legende knüpft sich an diese Höhle, nach welcher eine aztekische Prinzessin, von den Spaniern verfolgt, sich in dieselbe flüchtete und durch einen dichten giftigen Nebel, den sie erscheinen ließ, die Verfolger am weiteren Vordringen hinderte. Hier soll sie noch weilen, umgeben von fremden, geheimnißvollen Wesen, jeden Neumond oben auf dem Gipfel des Berges erscheinend, um zu sehen, ob nicht ein Adler einen Geier bekämpft und tödtet, denn geschieht dies, so ist der Augenblick der Befreiung des Landes gekommen; die weißen Fremdlinge werden ausgerottet und der alte indische Fürstenstamm wird wieder in erneuter Glorie das Land beherrschen. – Der neueste Lauf der Begebenheiten wird, wie mir scheint, diesen Augenblick noch bedeutend hinausschieben, denn die rothhemdigen, tabackkauenden Männer des Nordens, welche sich neuerdings im Lande niedergelassen haben, scheinen mir eine schwer auszurottende Race. –

Ich hätte sehr gewünscht, diese geheimnißvolle Höhle näher zu untersuchen, von deren großer Ausdehnung, zahlreichen labyrinthischen Gemächern mit Sculpturen und theilweiser Vergoldung die Leute viel zu erzählen wußten; aber nicht eine bedeutende Summe hätte einen Indianer vermocht, mir als Führer zu dienen, und allein das Unternehmen zu wagen, nahm ich denn doch Anstand, denn in dieser Art von Höhlen entwickeln sich häufig Schwefelwasserstoffgase, und schwach, wie ich noch war, war mehr als Wahrscheinlichkeit vorhanden, dem Unternehmen zu erliegen; da ich zudem in diesen Theil des Landes zurückzukehren dachte, so verschob ich die Untersuchung dieses interessanten Monuments für später, leider, wie ich jetzt sehe, vielleicht für immer.

Am achten Tage meiner Reise stiegen wir in ein Thal hinab, so steil und so tief, daß es wirklich schien, als solle es direct bis ins Centrum der Erde gehen; unten erreichten wir endlich ein niedliches Dörfchen, »la Concordia«, inmitten zahlreicher Zuckerrohrfelder und Gruppen schöner alter Bäume, am Ufer eines kleinen Bergflusses gelegen, der rasch und lustig über Felsen und Gestein dahin hüpfte. Um so theuerer mußte ich aber den lieblichen Anblick durch das Erklettern des jenseitigen, noch viel steilern Bergpfades erkaufen, noch erschwert durch den Umstand, daß ich Basilio, der am Tage vorher von einem Maulthiere geschlagen worden war und gar nicht gehen konnte, mein Pferd geliehen hatte, und so, theilweise auf Don Eusebio's Thier, theilweise aber auch zu Fuß, in meinen schweren Reitstiefeln den Weg zurücklegen mußte. Ein bitter Stück Arbeit!

Gegen Abend indeß erreichten wir den nördlichen Saum eines Tafellandes und befanden uns plötzlich im Angesichte von St. Rafael, dem Orte unserer Bestimmung.

Hier bot sich dem Auge ein wunderliches Spiel der Natur: gegen Süden erstreckte sich eine großartige Gebirgslandschaft in den so ernsten und doch so graziösen Conturen, ganz ähnlich den Gebirgen Griechenlands und Kleinasiens; nordwärts dagegen war auch nicht mehr ein Schatten tropischer Natur zu sehen. Das Thal von St. Rafael, von kleineren vulkanischen Hügeln umgeben, glich frappant dem Thale von Teplitz in Böhmen und war bewaldet mit Massen von Rotheichen, dazwischen Wiesen und Zuckerrohrfelder, die aus solcher Entfernung für das Auge die Getreidefelder ersetzten; die Gipfel der Hügel mit einer Menge der schönsten Kiefern bedeckt. Selbst die Hütten des Dorfes glichen in Form und Größe von weitem den Häuserchen des sächsischen und böhmischen Erzgebirges – mit einem Worte: es sah beinahe aus wie daheim im lieben Sachsenlande.

[2]: Dieser, so wie einige andere Briefe, waren jedoch nicht an ihre Bestimmung gelangt.

X.
Aufenthalt in San Rafael. – Viehzucht. – Versuch mit dem Lasso. – Weiterreise. – Nächtliches Concert. – Totogalpa. – Der gastfreundliche Cura. – Eine Hochzeit. – Ocotal. – General Guardiola. – Hahnenkämpfe. – Spielwuth der Bewohner.

Ich ward genöthigt, einige Tage hier zu bleiben, theils weil Don Eusebio Geschmack an mir gefunden hatte und mich durchaus in seinem Hause beherbergen wollte, was mir sehr angenehm war, um etwas auszuruhen, und dann, weil zwei der Maulthiere am vorigen Tage ganz erschöpft zurückgelassen werden mußten, und ich so meine Bagage zu erwarten hatte, bis Apolinario sie auf anderen Thieren nachgeholt haben würde. Die kurze Rast bekam mir aber vortrefflich und mein Gesundheitszustand besserte sich schnell und merklich.

Don Eusebio zeigte mir seine Besitzung, meist Weideland und an Umfang beinahe so groß, als manches kleine Fürstenthum, mit ungefähr 4000 Stück Rindvieh, nannte sich selbst aber dabei einen armen Mann; er hatte insofern nicht ganz Unrecht, als er von all' seinem Eigenthume kaum 600 bis 700 Piaster jährlich realisiren kann. (Das Stück Rindvieh im Preise von 3, 4, höchstens 5 Piaster.)

Da Don Eusebio eine kleine Ladung Rohzucker nach Ocotal zu senden hatte, so contrahirte ich mit ihm für Thiere nach dem nicht weit von Ocotal gelegenen Dipilto, einem der bedeutendsten Minenplätze des Landes. Es mußten dazu noch einige von den in den Savannahs grasenden Maulthieren eingefangen werden, und auf Don Eusebio's Einladung beschloß ich, auch einen Versuch mit dem Lasso zu machen.

Eines Morgens ritten wir in Begleitung von zwei Mozos, jeder mit seinem Lasso am Sattelknopfe, zur Jagd aus, nachdem ich von Don Eusebio noch einige Lectionen, wie zu verfahren sei, erhalten hatte, denn es ist ein verwünschter Unterschied, einen Lasso zu Pferd oder zu Fuß zu werfen. Nachdem die Mozos in Zeit einer halben Stunde den geschäftlichen Theil erledigt, d. h. die nöthigen Maulthiere eingefangen, kam an mich die Reihe, meine Künste zu produciren. Ein starker Bulle ward ausersehen und ich ritt langsam auf denselben los. Der Stier, Schlimmes ahnend, fing an zu laufen, ich galoppirte hinterdrein, das Pferd scharf in der Faust. In angemessener Entfernung erhob ich mich ein wenig in den Bügeln, wirbelte den Lasso um den Kopf, lehnte mich vorwärts, um ihn zu werfen, als – schnapp! der Steigbügel mir entschlüpfte, und ich kopfüber zu Boden schoß. – Ungeheuere Heiterkeit von allen Seiten! – Das gut abgerichtete Pferd stand im Augenblicke still, und nachdem ich mich überall befühlt und entdeckt hatte, daß alle meine Knochen noch ganz waren, stieg ich wieder auf, mein Glück auf's Neue zu versuchen; diesmal ging's besser, der Lasso fiel, den halben Cirkel beschreibend, dem Thiere kunstgerecht über die Hörner; das Pferd, als ob es die Länge des am Sattel befestigten Lasso genau berechnet hätte, wendete augenblicklich um und brachte durch einen heftigen Ruck den Bullen zu Boden. Nur ist noch eine gewisse Geschicklichkeit erforderlich, sich des Thieres auch ganz zu bemeistern, was meiner Unerfahrenheit doch wahrscheinlich etwas schwer geworden sein dürfte, hätte Don Eusebio nicht, seinen Lasso von der andern Seite werfend, alle weiteren Schwierigkeiten beseitigt, und so endete denn dieser erste Versuch mehr zu meinem Ruhme, als ich in der That verdient hatte. – Ungeheuere Zufriedenheit!


Nachdem Don Eusebio mich während meines Aufenthalts bei ihm so gastfrei behandelt, als seine Mittel es nur irgend erlaubten, begleitete er mich noch einige Meilen auf meiner Weiterreise.


Ich änderte nun meine Richtung, die bisher eine nordöstliche gewesen war, in eine nordwestliche und, obschon weit im Binnenlande, eine mit der rechtwinkligen Form der Meeresküste parallel laufende Linie beschreibend, setzte ich meine Reise in alleiniger Begleitung eines Mozo fort. Der Weg glich so ziemlich dem vorigen, nur daß in so beträchtlicher Höhe, wie ich mich befand (3000 bis 4000 Fuß auf den tiefsten Punkten), die Nachtluft, zumal auf den Gipfeln der Hügel, recht empfindlich kühl ward, mein Poncho und ein tüchtiges Feuer mir äußerst angenehm waren, desto mehr aber die Thiere zu leiden hatten, denen die Kühle häufig eine Art von Darmgicht oder Kolik zuzieht, die zwar nur einige Stunden anhält, sie aber doch für diese Zeit ganz unfähig macht, zu gehen.

Wasser ist hier häufiger und von vorzüglicher Qualität. Die Zuckerrohrfelder, obwohl nur klein, sind ergiebig, der übrige Boden, wie bisher, Wald und Weideland. Die Landschaft war hier unter dem Einflusse der Morgennebel und des reichlichen Thaues schön grün geblieben. Bergauf- und bergabsteigend bot die Pflanzenwelt eine höchst überraschende Abwechselung dar, denn in der bedeutenden Wärme der Thäler sproßte die tropische Vegetation in vollster Ueppigkeit, während auf den höchsten Höhepunkten, die ich berührte, oft selbst die Kiefer als verkrüppeltes Knieholz hinter mir blieb, und ich so manchmal im Zeitraume eines Tages die Vegetation von 30 bis 40 Breitegraden beobachten konnte.

Ich passirte eine Menge von Dörfern, von bald christlichen, bald heidnischen Namen, unter denen ich mich besonders eines lieblichen Blickes in das Thal Santa Rosa, von der Borda di Santa Rosa herab, mit Vergnügen erinnere. Die Nächte freilich wurden des täglich heftigern Thaues wegen auch im nämlichen Grade unangenehmer und mein Schlummer ward oft gestört vom nächtlichen Geheul der Cayotas oder südamerikanischen Wölfe, welches ganz so klingt, als ob eine Bande ungezogener Gassenbuben im höchsten Discant schrie, und in das sich manchmal das tiefe, langgezogene Geheul eines Jaguars mischt. Obschon man allgemein und, wie ich glaube, mit Recht behauptet, daß diese Bestien, außer vielleicht im furchtbarsten Hunger, den Menschen nie angreifen, so kann man sich doch, wenn das schändliche Concert zu arg wird und gar nicht aufhören will, eines gewissen Büchsenfertigmachungs- und Messerzurechtlegungsgefühles nicht erwehren, und manch' liebes Mal trieb mich die Sorge um die Thiere aus dem Hammock, um mit der Büchse im Arme die Wachtrunde zu machen.

Am dritten Tage gegen Abend gelangte ich nach Totogalpa, einem mit Ausnahme des Cura (Pfarrers), der ein Weißer ist, nur von Indianern bewohnten Dorfe, die sich immer wieder nur unter einander verheirathen und so ihren Stamm rein und unvermischt erhalten. – Der Cura war ein compadre (auf gut deutsch Herr Gevatter) Don Eusebio's, weshalb der Mozo Ordre hatte, mich nach seinem Hause zu bringen. Der Cura, ein respectabel aussehender Vierziger, war die Herzensgüte und Freundlichkeit selbst. Da ich immer noch ein wenig zu schlank im Verhältniß meiner Körperlänge war und blaß aussah, so litt er nicht, daß ich im Hammock schlief, sondern ich mußte durchaus ein Bett annehmen, wie ich erst später zu meinem großen Leidwesen erfuhr, des würdigen Mannes eigenes Bett, da er in dem Artikel nicht eben reichlich versehen war.

Mr. Stevens rühmt in seinem Werke über Central-Amerika mit allem Rechte die Güte der Curas, und ich muß dieses Lob in vollster Ausdehnung bestätigen; mit vielleicht nur wenigen Ausnahmen in den größern Städten ist das Haus des Cura stets die Zufluchtsstätte aller Obdach- oder sonst Hülfebedürftigen, und so auch in Totogalpa. Es blieben in derselben Nacht wenigstens zehn bis zwölf Personen, darunter auch drei Damen, welche auf dem Wege nach Leon begriffen waren, in der Pfarrei, und vielleicht dreißig Maulthiere und Pferde ließen sich die Weide auf des guten Pfarrers Protero trefflich schmecken.

Die bessern Häuser haben hier alle einen Patio oder Veranda, den jeder Reisende ebenso als sein Eigenthum betrachten kann wie die Landstraße; zwischen den Säulen schlingt er seinen Hammock auf, in einer Ecke oder auf dem freien Platze vor dem Hause zündet er sein Feuer an, kocht seine mitgebrachten Vorräthe und zahlt nur dann etwas, wenn er irgend etwas von den Vorräthen des Hauses consumirt, – nota bene wenn Vorräthe da sind. –

Der Cura theilte mir beim Schlafengehen mit, daß am andern Morgen drei junge Paare den ledigen mit dem Ehestande vertauschen wollten, und lange vor Tagesanbruch folgte ich ihm in die Kirche, der Ceremonie beizuwohnen, denn es ist hier Sitte, jede Trauung noch vor Sonnenaufgang zu vollziehen, eine Sitte, die wahrscheinlich noch indianisch-heidnischen Ursprungs ist.

Die jungen Paare erschienen, gefolgt von ihren Verwandten, im Geleite der Brautführer und Brautjungfern; der Cura vollzog die Trauung nach dem Ritus der katholischen Kirche und im Zwielichte des anbrechenden Tages begab sich der ganze Hochzeitszug nach dem Hause des Bräutigams, um dort den Tag bis zur späten Nacht mit Essen, Trinken und Tanzen zuzubringen.

Der Cura führte mich in eins der Häuser, um die Festlichkeiten mit anzusehen. Inmitten der dichtgedrängten Menge ward getanzt, doch stets nur ein Paar auf einmal, beim Klange zweier Guitarren und einer Geige. Das Mädchen stand auf einer Seite des kleinen Tanzraumes und der junge Bursche bewegte sich hüpfend und tänzelnd auf sie zu, bald vorwärts, bald rückwärts, und drehte sich in verschiedenen Bewegungen um sie herum; dann that das Mädchen desgleichen, dann beide zusammen, worauf beide abtraten, um einem neuen Paare den Raum zu überlassen, sich selbst aber mit Tortillas und Bohnen zu erlaben. Aus besonderer Rücksicht auf mich als Fremden und die würdige Begleitung, in der ich mich befand, näherte sich mir eine Art von Ceremonienmeister und forderte mich zum Tanze auf; da aber mittlerweile der Tag angebrochen war und die Thiere gesattelt vor der Thür standen, entschuldigte ich mich mit meinen bestiefelten und pfundbespornten Gemüthszuständen, schüttelte dem wackern Diener Gottes herzlich die Hand und galoppirte lustig dahin in der frischen Morgenluft.

Bald bot sich mir von der Höhe der Borda de Ocotal eine wunderliebliche Aussicht in das Thal, wo sich der Riococo hinab nach der Ostküste schlängelt, an seinen Ufern das reizend gelegene Dörfchen Ocotal und drüben auf der andern Seite die grandiosen Berge von Dipilto. Noch ein steiles Hinabklettern, bei dem die Thiere manchmal eine ganze Strecke auf dem Hintertheile rutschend zurücklegten, dann die Passage des Riococo, jetzt ziemlich leicht, doch in der Regenzeit sehr schwierig und gefahrvoll, und ich ritt nach kurzer Zeit über die Plaza von Ocotal nach dem Hause der Sennora, Donna Chepa (Josephine) G., einer großen corpulenten Dame, an die ich eine Empfehlung hatte. Aufnahme wie überall.

Als ich beim Frühstück saß, kam der Militärcommandant des Departements, Don Gabriel Y., in Gesellschaft eines kurzen, dickbeleibten Sennors mit ungeheuerm militärischen Schnurrbart und blauem Oberrock, um der Sennora einen Besuch abzustatten. An mich wurden nun viele Fragen: Leon, die Revolution, Munoz etc. betreffend, gerichtet, die ich ungenirt und so gut ich es vermochte beantwortete. Mir fiel dabei auf, daß der dicke Herr im blauen Oberrock mit dem gewaltigen Schnurrbarte seine übrigens recht hübschen und sanften blauen Augen immer schüchtern wie ein verlegenes Mädchen niederschlug, wenn ich ihn ansah, eine Gewohnheit, die mir an Männern nie recht gefallen will. – Später in Dipilto, wo ich denselben nochmals antraf, erfuhr ich erst, daß es der General Guardiola sei, auch »der Tiger von Honduras« benannt. – Dieser Mann hatte sich im Jahre 1844, wo er die Regierung von Honduras unterstützte, eine traurige Berühmtheit erworben durch seine blutige, grausame Verfolgung der Gegenpartei. Im Jahre 1849 conspirirte er dann selbst gegen die Regierung, hatte aber schlechten Succes und hielt sich seit jener Zeit als Verbannter in Costa-Rica auf. Dann ward er von der Regierung von Nicaragua herbeigerufen, um ein Commando gegen Munoz zu übernehmen, konnte sich jedoch nicht mit dem commandirenden General, Don Fruto Chammorro, vertragen und nahm deshalb sehr schnell wieder seine Entlassung.

Ocotal ist die von Manchen als Nuevo Segovia bezeichnete Stadt; die eigentliche Stadt dieses Namens ist jedoch 4 Miles tiefer hinab, am Riococo gelegen, ward im Anfange des vorigen Jahrhunderts aber von Flibustiern, die den Fluß heraufkamen, zerstört und die geflüchteten Bewohner bauten das heutige Ocotal.

Ich wünschte noch vor Nacht Dipilto zu erreichen und brach also auf, sobald Menschen und Thiere sich ein wenig erholt hatten. Als ich über die Plaza kam, bemerkte ich eine Menge Menschen und aus ihrer Aufregung und der allgemein auf einen Punkt gerichteten Aufmerksamkeit schloß ich, daß da etwas Absonderliches los sein müsse. Als ich an die Stelle kam, sah ich, daß ein Paar Kampfhähne die Helden der Scene waren, und der heutige Tag, wie man mir sagte, der eines weitberühmten Hahnengefechts. Jetzt erst ward mir plötzlich klar, warum ich unterwegs so viele Leute mit Bretern auf dem Rücken gesehen hatte, auf deren jedem fünf bis sechs Hähne festgebunden waren. Ein Mann zu Pferde kam sogar mehr als 30 Miles weit her, die vier Ecken seines Sattels nach den vier Himmelsgegenden zu mit ebenso vielen Hähnen garnirt, zwei an Stelle der Holftern, zwei an Stelle der Satteltaschen. Die Hähne fechten hier nicht mit den gewöhnlichen Sporen, sondern mit sichelartigen Messerchen, deren haarscharfe Klinge manche so geschickt an das rechte Bein des Hahnes zu befestigen verstehen, daß oft schon beim ersten Anlauf der Gegner ein Bein einbüßt. Eben als ich anlangte, fiel einer der armen Kämpen, von seinem Gegner in die Seite gestochen und schändlich hinterlistig umgebracht, zu Boden und maß den Wahlplatz mit seinem Heldenleibe. Gleich war jedoch ein neues Paar zur Stelle, und ein barfüßiger, ziemlich lumpenhaft toilettirter Sennor frug mich, ob ich nicht mit ihm auf einen der Duellanten wetten wollte. Wie viel? – Zehn! – Was zehn, Piaster? (Etwas hoch, dachte ich.) – Nein, zehn Mark Silber (ziemlich 80 Dollars). Bagatelle! meinte ich und machte, daß ich weiter kam, denn ein so niedriges und grausames Vergnügen schien mir nicht werth, Zeit und noch weniger Geld daran zu setzen. Es ist übrigens eine gewöhnliche Sache, hier anscheinend arme Leute recht hohe Summen bei Hahnen- und Stiergefechten verwetten zu sehen. Das Spiel ist hier die vorherrschendste Leidenschaft und, wie man mich versicherte, sollen am selben Tage auf zwei Hähne von besonderer Kriegsreputation in mehrern Wetten die Summen von 2000 Dollars im Ganzen auf dem Spiele gestanden haben. So fand ich auch, was ich vorher nicht beachtet hatte, in jedem Hause einen oder mehrere Kampfhähne, jeden mit einem Bindfaden am Fuße, auf einer Art von Papageienstock sitzend, die lediglich zu jenem barbarischen Vergnügen aufgefüttert werden.

Bald hinter Ocotal tritt man wieder in eine tiefe Schlucht ein, und gleich im Anfange hören alle bewohnten Plätze auf. Ein zwar enger, aber doch nicht zu beschwerlicher Weg führte bald auf dem einen, bald auf dem andern Ufer des Rio di Dipilto hin, der hell, klar und lustig über die Steine dahinhüpft, hier und da von einem kleinen Salto (Wasserfall) unterbrochen, mühsam an manchen Stellen sich durch das Thal zwängend, dessen vielfache Windungen ihm manchmal das Aussehen geben, als hätte hier die Welt ein Ende. Mein Mozo, für den das Hahnengefecht mehr Anziehungskraft hatte, als für mich die Reize dieser malerischen Natur, war etwas zurückgeblieben, und so verfolgte ich denn meinen Pfad in einer angenehmen Einsamkeit. Die steilen Höhen rechts und links, bedeckt mit majestätischen Kiefern, wie ich sie noch kaum so hoch gesehen, ließen die Sonne nicht so eindringen, und die tiefe Ruhe, durch das sanfte Gemurmel des dahineilenden Flüßchens noch traulicher gemacht, ward nur dann und wann vom leisen Gesange eines Vögelchens unterbrochen. Viele Nordländer sind der Meinung, daß die Vögel der Tropen nicht singen; dem ist aber nicht so, nur muß sich das Ohr an ihren Gesang gewöhnt haben, der so zart ist, daß sie fast leichter zu sehen als zu hören sind. Ich aber fühlte mich so froh gestimmt, daß ich die schweigsamen Wälder lustig vom Gesange deutscher Lieder wiederhallen ließ, was ihnen wohl nicht häufig passiren mag.

Endlich und endlich öffnete sich das Thal ein wenig und auf einem kleinen Plateau, just nur groß genug, um den Gebäuden nothdürftig Raum zu geben, erschienen die Dächer von Dipilto, vergoldet vom letzten Strahle der untergehenden Sonne.

XI.
Dipilto. – Mangelhafter Zustand des Bergbaues. – Wiederkehrende Gesundheit. – Taminos Feuer- und Wasserprobe zu Pferd. – Erlegter Tiger. – Der Staat Honduras.

Dipilto, jetzt vielleicht der bedeutendste Minenort in Nicaragua, war, obschon seine Minen schon seit sehr langer Zeit betrieben werden sollen, vor zwanzig Jahren noch nur ein einziges Haus, und ward das Almuercadero (Frühstücksplatz) genannt, weil die Reisenden von Honduras meist hier am Ufer des Flusses im Schatten einiger Bäume, die jetzt noch dastehen, ihr Frühstück einnahmen.

Ich stieg im Hause der Madame L. ab, hier nur glattweg die Madama genannt, an welche ich eine Empfehlung von ihrem Manne aus Massaga hatte. Sie war Französin und hatte sich, obschon bereits 22 Jahre in Central-Amerika, noch ihre echt französische Lebendigkeit und Liebenswürdigkeit vollkommen bewahrt, in Bezug auf Gastfreundschaft aber mit den Sitten des Landes ganz acclimatisirt. Ich fand hier drei Amerikaner und einen amerikanisirten Deutschen, Mr. Sch....., welcher, sowie ein Engländer in Matagalpa, Mr. P., die einzigen ausländischen Minenbesitzer in Honduras sind. Einer der drei Amerikaner ist jener Mr. Dickson, der im vorigen Jahre mein Schiffsgenosse auf der Reise von New-York nach Central-Amerika war, augenblicklich aber nicht in Dipilto anwesend.

Der Bergbau liegt hier freilich noch sehr in den Urzuständen, und von einem wissenschaftlichen Betrieb ist noch kaum die Rede. Zwei junge deutsche Bergleute, Herr Schmidt, ehemaliger Bergstudent in Freiberg, und Herr Witting aus Hessen, beide im Interesse einer Compagnie arbeitend, waren ganz in Verzweiflung über die vielen Hindernisse, die einem geregelten Betriebe des Bergbaues hier noch im Wege stehen. An einen kunstgemäßen Schachtbau ist noch nicht zu denken; wo sich eine Ader findet, schlägt man ein und folgt ihr in jeder beliebigen Richtung, aufwärts oder abwärts, rechts oder links, nach Art der Maulwürfe. Manche Minen haben allerdings eine Art von Schacht mit Ruheplätzen (Posas) von ungefähr 15 Varas (20 Ellen) Umfang, sowie auch Leitern, die aber nichts weiter sind, als unbehauene Stämme mit rechts und links in dieselben angebrachten Kerben, Papageienstangen nicht unähnlich, auf welchen die Indianer wie die Affen hinauf- und hinunterklettern, auf dem Rücken einen ledernen Sack, der an einem Riemen über die Stirn getragen wird, um das Erz und die Steine zu transportiren. Von regelrechten Fahrten mit Sprossen, Schachten mit Göpeln zum Ausbringen der Erze und des todten Gesteines hat Niemand eine Idee, und ebenso wenig vom Bau eines Stollens, um die unterirdischen Gewässer abzuleiten. Daher werden die meisten Minen schon in einer Tiefe von 200 bis 300 Fuß verlassen, und erst in neuester Zeit hat Herr Sch...... Versuche gemacht, eine aufgegebene Grube auszupumpen und wieder gangbar zu machen. Das größte Hinderniß sind die üblen Straßen, auf denen Alles nur durch Maulesel und Menschen fortgetragen werden muß, und die es natürlich unmöglich machen, zweckmäßige Maschinen zum Auspumpen ersoffener Schachte herbeizuschaffen. Von einer bergmännischen Berechnung, wo man sich unter der Erde befinde, hat hier gleichfalls Niemand eine Ahnung. Trotz des bedeutenden Mineralreichthums (manche Minen geben 18 bis 20, ja sogar 25 Procent Silber) wird es immer noch geraume Zeit dauern, bis Dipilto den Aufschwung bekommt, den es haben könnte, denn Jeder wird einsehen, daß unter so erschwerenden Umständen viel Arbeit nöthig ist, um nur ein leidliches Resultat zu erzielen. –

Die localen Verhältnisse sind übrigens in vieler Hinsicht günstig; der Fluß mit bedeutendem Fall ist während aller Jahreszeiten im Stande, eine hinreichende Wasserkraft zu produciren; als Brennmaterial dient das vortrefflichste Kiefernholz, zum bloßen Preis des Umhauens, und die Arbeiter erhalten die niedrige Bezahlung von 2 Dimes (etwa 8 Silbergroschen) den Tag; die größte Schwierigkeit ist aber eben, diese zu bekommen. Sobald der Indianer nur noch einen Cent in der Tasche hat, kann ihn keine Macht zum Arbeiten bewegen, statt Montag kommt er oft Mittwoch oder Donnerstag zur Arbeit; von einer regelmäßigen Eintheilung in Schichten für Tag- und Nachtarbeit ist gar keine Rede. Was nun daraus für eine Art von Bergbau entsteht, mag Jeder beurtheilen, der nur die oberflächlichste Sachkenntniß hat. Das sicherste Mittel, was noch der Arbeitgebende hat, die Leute zur Arbeit zu zwingen, ist, ihnen einige Dollars vorzustrecken, dann kann er die Leute durch den Alcalden zwingen, das Geld abzuarbeiten, und sollte der Mann vom Sterbebett des Kindes weggeholt werden müssen. Da nun die Indianer in ihrem sorglosen Wesen sehr leicht verschuldet werden, so bringen die Leute meistens ihr Leben in einem Zustande zu, noch schlimmer als Sklaverei. Es ist dies eins der vielen Uebel, die spanische Gesetze nach Amerika gebracht haben.

Da viele der Minen 5 bis 6 Miles von Dipilto liegen, so werden die Erze durch Maulthiere dahin geschafft. Auch das Verfahren beim Ausbringen des Silbergehaltes liegt hier noch in derselben Kindheit, wie vor etwa drei, vier Jahrhunderten in Freiberg und Goslar, und geschieht meistentheils in kleinen Oefen durch Feuer, so daß jede Operation 7 bis 8 Stunden erfordert und ein sehr unvollkommenes Resultat giebt.

Einige Besitzer bedienen sich auch noch einer amerikanischen Originalerfindung auf dem Patio, d. i. ein großer gedielter Platz, auf dem das gemahlene Erz in Haufen (Montones) von 15 bis 20 Centner gebracht, mit etwas Kochsalz und Quecksilber gemischt, mit Wasser durchgetreten und dann etwa 14 Tage der Sonne ausgesetzt wird, welcher Proceß sich oft drei- bis viermal wiederholt; dann wird der Sand ausgewaschen, das gewonnene Amalgama unter Kupferglocken verdampft, die Quecksilberdämpfe in dem darunter befindlichen Wasser condensirt und später das Silber in kleinen Oefen von der geringen darin noch enthaltenen Quantität Kupfer gereinigt. Ein höchst langwieriges Verfahren, welches wegen des dabei unvermeidlichen Verlustes an Quecksilber (hier im Preise von 140 Dollars der Centner) immer mehr in Abnahme kommt.

Das Mahlen des Erzes geschieht im sogenannten Ingenio (vielleicht sogenannt, weil in der Erfindung eben durchaus nichts Ingeniöses ist); diese Maschine besteht aus einem horizontalen Rade, meist 30 Fuß im Durchmesser und ebenso hoch vom Boden entfernt, auf dessen Zähne oder Kästen eine im Winkel von wenigstens 45° herabstürzende Wasserkraft wirkt. An der verticalen Axe, etwa 5 Fuß über dem Boden, durchkreuzen zwei Hölzer, jedes von ungefähr 20 bis 25 Fuß, dieselbe, an deren Enden Steine von 12 bis 15 Centnern, durch das Rad gedreht, einen Kreis beschreiben und so die Erze zerquetschen. Eine sehr schwerfällige Maschine, deren Resultat sich durch viel einfachere Mittel weit vollkommener erreichen läßt.

Die letzte Methode des Ausbringens, die erst in neuerer Zeit in Aufnahme zu kommen beginnt, ist die bekannte Amalgamatiere in drehbaren Fässern, nachdem das Erz vorher im Ofen geröstet worden ist. Herr Schmidt stellte eben auch Versuche der sogenannten Augustin'schen Methode vermittelst Kochsalz an, mit welchem Erfolge ist mir zur Zeit jedoch nicht bekannt geworden.

Die vier Wochen, welche ich in Dipilto zubrachte, waren vom allerbesten Erfolg für mein Befinden und werden unter meinen Erinnerungen aus Central-Amerika stets eine liebe Stelle einnehmen. Ich ging mit erneueter Lust an die Arbeit, bereicherte meine Zeichnenmappe beträchtlich mit höchst pittoresken Studienblättern und meine Naturaliensammlung mit Specimen der verschiedensten Art. Der klare Fluß bot mir ein kräftigendes Bad am Morgen, die bewaldeten Berge angenehme Spaziergänge in der Kühle des Abends, mit einem Worte, ich lebte wieder neu auf. Selbst die kleinen Unannehmlichkeiten, die ein Aufenthalt an so entlegenen, von aller Communication abgeschnittenen Orten mit sich bringt, fühlte ich im Hause meiner gütigen Wirthin und durch den so lieben freundlichen Umgang weniger. Sogar für literarische Unterhaltung auf einsamen Spaziergängen war gesorgt, denn ihr Büchervorrath enthielt allerhand Literaturerzeugnisse in buntester Mischung, von Rousseau und Voltaire bis Frederic Soulié und Alexander Dumas.

Lebensmittel sind, da dieselben erst aus den tiefer gelegenen Bezirken auf Maulthieren herbeigeschafft werden müssen, wohl zu Zeiten etwas sparsam; allein da Herr und Madame L. selbst Handel mit Silber nach Granada und mit allerhand Gütern für den Verbrauch am Orte von dort hierher betreiben, so geht beinahe monatlich ein Transport hinab und einer herauf, wodurch denn auch Keller und Speisekammer wohl versorgt ward. Zur Regenzeit mögen freilich manchmal magere Tage auf fette folgen.

Gesellschaft fand ich, außer den beiden jungen deutschen Bergleuten, in Herrn Sch., meinem Doppellandsmann, geborenen Deutschen und naturalisirten Amerikaner, Don Felix S., ein unternehmender, thätiger Mann, dem Dipilto die Einführung der neuesten Verbesserungen verdankt, Don Chico F. u. s. w. Die meisten dieser Leute waren früher durch Guardiolo aus Besitz und Heimath vertrieben worden und jetzt irrte ihr früherer Verfolger in denselben Gegenden heimathlos umher, wo die Vertriebenen sich eine neue Heimath gegründet. »Nehmt euch ein Exempel dran!«

Selbst die frohesten Stunden müssen aber ein Ende haben und so auch mein Aufenthalt in Dipilto. Wenn ich noch andere Punkte für meine Studien ausbeuten wollte, hatte ich, der bevorstehenden Regenzeit wegen, nicht sehr viel Zeit zu verlieren.

Ich fand hier noch größere Schwierigkeit, mir Thiere zu verschaffen, denn die meinigen waren gleich nach meiner Ankunft nach St. Rafael zurück gekehrt, weil der Mangel an Futter dort die meisten unfähig zur Arbeit machte. Da ein Packthier, welches ich mit Mühe und Noth auftrieb, erst in einigen Tagen disponibel ward, mir aber mittlerweile ein ziemlich gutes Reitpferd verschafft worden war, so beschloß ich, mich einstweilen allein auf den Weg zu machen, um in der Zwischenzeit Mr. Dickson, meinen vorjährigen Reisegefährten von der Brigg Rogelin, zu besuchen, der in Maquelizo eine Zweigmine bearbeitete.

So belud ich denn – es war jetzt schon Mitte April – den kleinen munteren Braunen mit den nöthigsten Lebensmitteln, da ich wenig Aussicht hatte, die nächsten zwei Tagereisen bis Yuscaran welche zu bekommen, und begab mich frisch und fröhlich wieder auf die Wanderschaft.

Es ging nun von Neuem an ein Steigen und Klettern durch ödes steriles Gebirg, weit und breit keine Spur menschlicher Wesen, denn ich befand mich hier so ziemlich zwischen den letzten Außenposten der Civilisation. Ich mochte etwa drei Stunden geritten sein und hatte von fern schon mehrmals einzelne Savannen hinter mir in Feuer gesehen, als ich, in einem engen Felsthal eingeschlossen, auf einem kleinen abschüssigen Terrain, bei einer Biegung das Thal vor mir in Flammen sah. Wäre das Gras hier so hoch und dicht wie in den Prairien von Texas, so würde ich jetzt wahrscheinlich nicht im Stande sein, gegenwärtige Zeilen zu schreiben. Die Sache erscheint aber weit gefährlicher als sie wirklich ist, denn das Gras ist hier nur dünn und kurz, brennt schnell wie Pulver ab, und dann bieten auch einzelne ganz nackte Stellen Plätze, wo das Feuer nicht hinreicht, ja bisweilen hält nur ein kleines Bächlein den Gang der Flammen auf. Es geschieht dies Abbrennen absichtlich gegen Ende der heißen Jahreszeit, um dem neuen Grase Platz zu machen.

Zurückzugehen fand ich nicht für rathsam, denn bergauf wäre ich von den Flammen sicherlich eingeholt und vom Feuer und Rauch noch mehr belästigt worden, darum hielt ich auf der etwas hoch gelegenen Stelle an, stieg ab und sattelte mein Pferd etwas mehr zurück, um ihm das Athmen zu erleichtern.

Das kluge Thierchen wieherte leise, als hätte es mich verstanden und wollte mir sagen: Sei nur ruhig und verlaß dich auf mich.

In der That sind auch die Thiere durch das alljährliche Abbrennen der Savannen so ans Feuer gewöhnt, daß selbst Kühe sich ganz gemächlich an gesicherte Punkte zurückziehen, wobei sie freilich die feinere Witterung vor dem stolzen und doch oft so hülflosen Herrn der Erde voraus haben.

Ich hielt nun still, bis die Flammen einen Punkt erreicht hatten der mir günstig schien, gab dem Braunen scharf die Sporen und im raschen Galopp, das Gesicht in des Pferdes Mähne geborgen, tauchte ich gegen den Wind in den dichten Qualm und war in nicht einer halben Minute wieder auf der anderen Seite aus dem Feuer heraus. Zwar war der Boden noch heiß, die Luft schwer und raucherfüllt, allein bald verlor sich auch dies, und als ich nach einiger Zeit an einen Quell kam, wusch ich mein Pferd, das an den Beinen ziemlich versengt war, so wie mein eigenes rauchgeschwärztes Gesicht im kühlenden Naß. Das Fatalste war, daß ich durch die Hatze den Weg verloren hatte und erst eine Weile herumirren mußte, ehe ich ihn wieder fand.

Ich konnte nun freilich Maquelizo diese Nacht nicht mehr erreichen, wie ich gewollt, allein da ich gegen Abend einen Rehbock schoß und auch so glücklich war, ein Bächlein mit noch grünem Ufer zu finden, das Wasser und Futter für's Pferd bot, blieb ich liegen, hobbelte das Pferd, briet mir etwas Fleisch und ließ das andere am Morgen den Coyotas, welche die ganze Nacht darum serenadirt hatten.

Ich kam nach Maquelizo, das etwas kleiner als Dipilto, übrigens aber demselben sehr gleicht, schüttelte Freund Dickson die Hand, und nachdem wir einen Tag mit gegenseitiger Erzählung unserer Erlebnisse verbracht, ritt ich weiter gen Honduras. Ich war jetzt auf der Höhe des Gebirges, welches die Wasserscheide zwischen den beiden Oceanen bildet; in einer Entfernung von nur einigen hundert Schritten entsendeten Quellen ihre Wässer nach Osten und Westen.

Bis Yuscaran kam ich nur zweimal an elende Indianerhütten, in deren einer ich übernachtete. Mein Bett war ein hölzerner Trog, in welchem die Thiere, »die Moses Kinder scheuen«, nach ihrem Tode abgebrüht und ihrer Borsten beraubt werden, und mein Schlummer ward sehr gestört, nicht sowohl von den blutigen Gestalten jener unschuldig Gemordeten, sondern von einer Legion Flöhe und anderer Insecten. Ich hatte am nächsten Morgen auch noch das Vergnügen, einen Tiger zu schießen, der mich von einem kleinen Felsblocke aus neugierig betrachtete, als ich eben mein Pferd einen steilen Hohlweg am Zügel heraufführte. Die Kugel drang ihm ins linke Auge und er verschied ohne weitere Protestationen, das Pferd aber hatte beim Knall Reißaus genommen, und ich hatte Mühe, es wieder zu erhaschen. Das schöne Fell brachte ich als Trophäe mit nach New-York.

Am Mittag erreichte ich den Rio di Choluteca, den Grenzfluß zwischen Honduras und Nicaragua. Von Zollbeamten und Gensdarmen zur Visitation der Pässe war hier freilich keine Spur, und doch wäre es mir höchst erfreulich gewesen, dergleichen Leutchen hier zu finden, da sie mir doch die Furth zum Passiren des Flusses hätten zeigen können, zu der ich den Weg im steinigten Terrain verloren hatte; denn da der an und für sich schon große Fluß noch von steilen Felsen eingeklemmt wird, so ist er selbst in der trockenen Jahreszeit nur an einigen Stellen passirbar.

Ich suchte eine Zeitlang, bald auf-, bald abwärts, nach einer Furth, da ich aber keine fand, nahm ich Waffen und Packtaschen auf den Kopf und durchkreuzte auf gut Glück den Fluß an der Stelle, die mir am tauglichsten dazu schien. Bald hatte das Pferd Grund, bald ging es schwimmend weiter, so daß manchmal nur noch unsere beiderseitigen Köpfe zu sehen waren, doch langte ich ohne weiteren Unfall am anderen Ufer an, natürlich so naß, als ein Geschöpf Gottes möglicherweise nur sein kann, setzte meinen Weg fort und langte am Abend im Hause des Herrn George C..... an, eines Engländers, der seit mehr als 20 Jahren hier ist, sich mit einer Tochter des Landes verheirathet hat und nun mit seiner liebenswürdigen Gattin und seinen Kindern ein zwar einsames, aber ruhiges und augenscheinlich glückliches Leben führt.

Sein Ingenio liegt nur etwa 3 Miles von Yuscaran entfernt; ich leistete daher seiner, schon in Dipilto an mich ergangenen Einladung, in seinem Hause zu ruhen, um so lieber Folge, als sowohl das Pferd wie ich vom dreitägigen Klettern gehörig erschöpft waren. Das arme Thier war von dem schweren Reiter und den ausgestandenen Strapazen so mitgenommen, daß es sich durch mehre Tage nicht erholen konnte.

Mit wahrem Wonnegefühl legte ich mich am Abend, nach einer Tasse stärkendem Kaffees, in einem guten Hause unter freundlichen Menschen zur Ruhe und schlief mit dem seligen Bewußtsein ein, morgen nicht gleich wieder in den Sattel klettern zu müssen.

Der Staat Honduras, dessen Grenze ich im Rio di Choluteca überschwommen, ist von den fünf Staaten Central-Amerikas nächst Nicaragua an Flächenraum der größte, an Bevölkerung der kleinste, an Mineralien der reichste, an Productenausfuhr der ärmste. Er erstreckt sich vom 13. bis 16. Grade nördlicher Breite, vom 83. bis 89. westlicher von Greenwich, vom 6. bis 12. westlicher von Washington, ist im Norden und Nordwesten von den carribischen Seen, östlich vom sogenannten Mosquito-Königreiche, südlich vom Staate Nicaragua, südwestlich von St. Salvador, nordwestlich von Guatemala begrenzt.

Die Verfassung ist mit geringen Abweichungen der von Nicaragua gleich.

Der Staat ist in sechs Departements getheilt: Gracias, St. Barba mit dem Hafen von Omoir an dem Carribien-See, Comayagua mit der Hauptstadt gleiches Namens, Yoco, nächst dem Cap Honduras, Choluteca, welches zugleich einen großen Theil des Golfes di Fonseca umfaßt, und in letzterem die wichtigen Inseln Islo de Tigre und Sacate Grande, die, sollte der Atlantic-Pacific-Kanal zu Stande kommen, eine außerordentliche Bedeutung erlangen müssen. Die Stadt Tegucigalpa liegt gleichfalls in diesem Bezirke und ist meist der Aufenthaltsort der Regierung, da die ungesunde Lage von Comayagua diese Stadt nicht recht zur Bedeutung kommen lassen will. Der sechste District endlich, Olancho, ist einer jener unter dem Namen des Mosquito-Königreiches streitig gemachten Landstriche und größtentheils, gleich Yoco und St. Barba, von den Indianerstämmen der Ikakes und Carribes bewohnt; der weiße Theil der Bevölkerung lebt meist zerstreut auf Rindvieh-Haciendas, unter denen sehr ausgedehnte Besitzungen sind. So starb während meines Aufenthalts in Yuscaran einer der reichsten Grundbesitzer, der an 24,000 – sage 24,000 – Stück Rindvieh hinterließ, und deren Weideplätze einen Flächenraum einnahmen, größer als so manches deutsche Fürstenthum.

Zur selben Zeit fand auch einer der öfter vorkommenden Raubüberfälle der Carribes statt, als deren Grund ich aber mehr jene kleinlichen Hetzereien wegen der Gebietsstreitigkeiten ansehe, als wirkliche Feindseligkeiten und Haß; denn so oft ich auch Indianer antraf, fand ich sie doch nur stets von friedfertigem, freundlichem Charakter und sanften Sitten.

XII.
Yuscaran. – Don Pedro Xatrerha. – Indianerstämme. – Gefahren eines Besuches bei ihnen. – Gewaltsame Requisition. – Tegucigalpa. – Sennora L... – General Cabannas.

Yuscaran, wo ich einen Halt von zwei Wochen machte, ist einer der bedeutendsten Bergbauplätze mit einer großen Anzahl Minen, deren viele schon seit mehren Jahrhunderten betrieben werden. In der Neuzeit ist die Ausbeute allerdings bedeutend geringer geworden, was auch hier seinen Grund in dem höchst unvollkommenen Betriebe hat, so wie in der Schwierigkeit, sich die nöthigen Maschinen und tüchtige Bergleute zu verschaffen, denn Alles, was ich über Dipilto gesagt, hat auch auf hier Bezug. Keine der Minen hat mehr als 500 bis 600 Fuß Tiefe, und doch liegen viele derselben schon lange todt, die bei gehörigem Betriebe noch sehr reiche Ausbeute geben würden. Ich habe auf meinen Touren die verschiedenartigsten Stufen gesammelt, deren reicher Gehalt gewiß die Aufmerksamkeit der Mineralogen fesseln würde, und dennoch tragen viele der Minen, aus denen ich sie gesammelt, kaum die Kosten des Betriebs.

Der Ackerbau ist von keiner großen Bedeutung und genügt kaum, die dünne Bevölkerung zu ernähren; Reis, Bohnen, ja selbst Mais muß nicht selten aus den Niederungen am Pacific herbeigeführt werden, und sogar während meines kurzen Aufenthaltes war wegen geringer Stockung im Transport für einige Zeit eine Art von Hungersnoth eingetreten.

Die weiße Bevölkerung ist auch hier verhältnißmäßig noch schwach, da das Land erst später unter spanische Botmäßigkeit kam. Cortez, auf seinem berühmten, beschwerdereichen Marsche nach Cap Gracias, berührte nur Nord-Honduras.

In den blutigen Revolutionen, die Central-Amerika bis auf unsere Tage erschüttern, hatte auch Honduras seine Rolle; in dem Kriege, den Morozan für die Föderation führte, war Tegucigalpa der Schauplatz einer heldenmüthigen Vertheidigung des Generals Cabannas, desselben, der sich auf Morozan's Rückzug von Guatemala so großen Ruhm erwarb und der heute den Präsidentenstuhl von Honduras einnimmt.

Eine traurige Epoche war die, wo Guardiolas' fanatische Verfolgung der Gegenpartei stattfand und das Land mit Blut überschwemmte. Wenige Familien existiren, die aus jener traurigen Zeit nicht den Verlust eines ihrer Glieder zu betrauern haben. In jener Zeit erwarb sich der damalige Commandant von Yuscaran, Don Pedro Xatrerha, großes Verdienst: als nämlich Guardiolas sich der Stadt bis auf einen Tagemarsch genähert, öffnete Don Pedro auf eigene Gefahr der Verantwortung die Gefängnisse und entzog so Hunderte von unglücklichen Gefangenen einem grausenvollen Tode, eine menschenfreundliche Handlung, die der wackere Mann beinahe mit dem eigenen Leben bezahlt hätte, denn Guardiolas, wüthend, daß seine Opfer ihm entgangen waren, ließ ihren Befreier verhaften, und nur seine anerkannte Bravour als Soldat entzog Don Pedro dem Tode. Derselbe lebt noch heute geehrt und geliebt auf demselben Posten, und ich genoß drei Tage, die ich in der Stadt selbst blieb, seine Gastfreundschaft, die, wie hier überall, gern gegeben und darum dankbar angenommen ward. Für mein Portefeuille fand ich auf meinen Streifereien in der Umgegend besonders reiche Ausbeute und bereue die darauf verwendete Zeit keineswegs.

Großes Verlangen trug ich danach, meine Excursionen bis in das Gebiet der Ikakes und Carribes auszudehnen, unter günstigen Umständen mich sogar länger unter ihnen aufzuhalten und vielleicht manche nicht unwichtigen Beiträge zu Nutz und Frommen der Wissenschaft zu sammeln; allein einige Berichte competenter Männer über die Eigenthümlichkeiten dieser Indianerstämme hielten mich ab, dies Wagniß allein zu unternehmen, und ein Begleiter wollte sich nicht finden.

Es herrscht nämlich bei allen diesen Stämmen, neben der Scheu, die sie überhaupt vor Umgang mit Fremden tragen, eine außerordentliche abergläubische Furcht vor Bezauberung und Ansteckung durch Krankheit. Allein unter ihnen krank werden, heißt seinem gewissen Tode entgegengehen. Man läßt dem fremden Kranken einige nothdürftige Lebensmittel und Wasser, worauf Alles aus seiner verderbenbringenden Nähe flüchtet und erst nach seinem Tode oder, was äußerst selten vorkommt, nach seiner Genesung zurückkehrt; stirbt er, so wird das Haus sammt Allem, was darin ist, niedergebrannt. Dasselbe geschieht ihm aber auch, jedoch bei lebendigem Leibe, wenn er nur zufällig auf die Erde spuckt, so groß ist ihre Furcht vor Bezauberung.

Es möge dies den tabackkauenden Yankees zur Lehre dienen, wenn anders einige von ihnen diese Länderstriche besuchen und, wie überall, einen magischen Kreis braungefärbten Speichels um sich ziehen sollten.

Ich selbst huldige zwar keineswegs der edlen Gewohnheit des Tabackkauens und hatte also von dieser Seite nichts zu befürchten; allein mein viermonatliches Fieber hatte mir denn doch einigen Schrecken in die Glieder gejagt, und wenngleich ich den Tod nicht scheue, wenn's einmal gestorben sein muß, so hat der Gedanke, von aller Welt verlassen gleich einem Paria zu verenden, doch zu wenig Anziehendes für mich. Sollte sich also ein anderer Reisender zur Nachholung des von mir Versäumten verlockt fühlen, so rathe ich ihm wohlmeinend, sich wenigstens mit einer zu Schutz und Krankenpflege geeigneten Begleitung zu versehen, besonders aber sich des Ausspuckens gänzlich zu enthalten.

Nachdem mir die Güte des wackern Mr. George C......, eines der angesehensten Minenbesitzer hiesiger Gegend, ein paar leidliche Maulthiere verschafft, machte ich mich in Begleitung eines Mozo nach Tegucigalpa auf den Weg. Die einzelnen Individuen vom Stamme der Ikaken, die, schon als Kinder geraubt, hier und da zerstreut als Diener leben, sind wesentlich von den Nachkommen der Aztekes und Toltekes verschieden, weniger gut gebaut, mit kleinen geschlitzten Augen, verschwollenen Augenliedern, dicken Lippen und unverhältnißmäßig großen Untertheilen des Kopfes, augenscheinlich von viel geringerer Intelligenz und Capacität als jene. Die Haare, welche die Nicaragua-Indier bis auf einen kleinen Theil über der Stirn abscheren, tragen diese Ikaken lang, auch waren dieselben nicht kraus, sondern schlicht herabhängend.

Um nach Tegucigalpa zu gelangen, hatte ich zuvörderst einen mächtigen Gebirgsstock zu erklettern, was viel leichter gesagt als gethan ist; die trockene Jahreszeit hatte ihren höchsten Gipfel erreicht, die ganze Natur schien mir bis ins innerste Mark verbrannt; die armen Maulthiere waren durch die Spärlichkeit des Futters zu wahren Skeletten herabgekommen, konnten statt der 250 bis 300 Pfund der gewöhnlichen Ladung kaum 150 Pfund tragen, und mein armes Sattelthier machte mein Mitleid so rege, daß ich es vorzog, einen großen Theil der Kletterei zu Fuß abzumachen. Auf der Höhe des Gebirges fanden wir einen Quell, kalt wie Eis, für Menschen und Vieh eine willkommene Erquickung. Meine Tortillas gab ich meinem armen verhungerten Thiere, begnügte mich mit einigen gekochten Bohnen und einem halben Dutzend Strohcigarren zum Nachtisch, worauf es wieder an ein eben so halsbrecherisches Hinabklettern ging, das uns am Abend zu einem mit grünen Ufern kokettirenden Flüßchen als geeigneten Lagerplatz brachte. Die größte Wohlthat war den armen Thieren hier unten die Befreiung von den abscheulichen Stechfliegen, die hier die Größe von einem Zoll haben und eine wahre Höllenmarter für das Vieh sind; ich vergrößerte ihr Wohlbehagen noch dadurch, daß ich ihnen meinen Salzvorrath zu lecken gab.

Aber bei all' meiner Thierfreundlichkeit blieb ich doch selbst ohne Nahrungsmittel und schickte daher Salvador, meinen zeitweiligen Sancho Pansa, auf Requisition von Eiern und Hühnern aus, während ich selbst Feuer machte; der Bursche kehrte aber mit der gewöhnlichen Redensart »No hai« (es ist nichts da) zurück. Das wurmte mich und meinen Magen gar sehr, deshalb beschloß ich, selbst eine Recognoscirung anzustellen, gürtete meine Hüften, schulterte die Büchse und schlug den Pfad nach einigen zerstreuten Indianerhütten ein, die das Dörfchen Jove bilden.

Wie gewöhnlich war auch hier Alles, wonach ich fragte, nicht vorhanden. Da führte sein Unstern mir ein halbwüchsiges Schweinchen in den Weg, und ich that, wie ich schon früher bei gleicher Gelegenheit einmal gethan, d. h. nachdem ich die anwesenden Indianer gefragt, ob einer von ihnen der Eigenthümer sei und ein »No Sennor« zum Bescheid erhalten, schnitt meine Kugel den Lebensfaden des jugendlichen Geschöpfes zugleich mit allen Einwendungen des Mannes kurz ab, eröffnete aber dagegen die Schleusen seines Jammers ob des ungeheueren Verlustes; 10 Pesos Kupfer, ungefähr 2 Thaler und gut der dreifache Werth des Schlachtopfers, stillten jedoch den Jammer und verwandelten ihn in solche Freude, daß der Mann mir ein Geschenk von einem Dutzend Eiern machte und seiner Frau befahl, mir so viele Tortillas zu backen, als mein Herz nur immer verlangen würde.

Da ging es nun an ein Kochen, Braten und Backen, das Feuer ward rundum mit Cochonnerien aller Art besteckt, Wirth und Wirthin wurden meine Gäste, aus meinem kleinen Feldkessel sendete ein köstlicher Kaffee seine aromatischen Düfte empor, und um dem Mahle den größten Reiz zu verleihen, zog ich eine Flasche Agua ardiente, zu deutsch Schnaps, aus meiner Satteltasche hervor. Ueberwältigt vom lucullischen Mahle und der Müdigkeit, sank ich dahin und schlief den Schlaf des Gerechten.

Wer wissen will, wie ich den nächsten Tag verlebt, der lese das Obige noch einmal, nur mit dem Unterschiede, daß der reichlichere Vorrath von Tortillas und Schweinefleisch neue Requisitionen unnöthig machte, und daß auf der Höhe des Gebirges der Minenort St. Antonio, zwischen todten, sterilen Sandsteinfelsen gelegen, die Oede etwas unterbrach; nachdem ich aber den zweiten Gebirgskamm überschritten, sah ich das Ziel meiner diesmaligen Reise, Tegucigalpa, in der Ferne liegen, bei welchem Anblicke mein Herr Maulesel, in der Hoffnung auf Erlösung von seinen Leiden, die Lüfte von einer mißtönigen Freudenhymne wiederhallen ließ. Noch ein mühevolles Hinabklimmen, und ich hielt meinen Einzug in besagter Stadt, deren reinlich gehaltene, gepflasterte Straßen, wohnliche Häuser und behäbig aussehende Einwohner einen sehr angenehmen Eindruck auf mich machten.

Im Hause der Schwiegermutter des Herrn C....., Sennora Donna L....., erwartete, wie überall, Menschen und Thiere die freundlichste Aufnahme; mein Gepäck traf aber erst spät am Abend ein, denn das arme verhungerte Thier war zweimal gestürzt; nebenbei hatte Salvador große Aengsten ausgestanden, daß ich mich verirrt haben könne, und war höchlich erstaunt, mich gesund und wohlbehalten beim Schmause zu finden.

Die Stadt Tegucigalpa, inmitten der Gebirge in einer schönen Thalebene am Rio di Choluteca und nicht weit von seinem Ursprunge gelegen, soll eine Bevölkerung von 25,000 bis 30,000 Einwohnern haben, woran ich jedoch billig zweifeln muß, obschon man den über einen großen Theil der Ebene zerstreuten Stadtbezirk hierbei mit einrechnet. Wenn überhaupt alle die hier gewöhnlich erfolgenden Angaben der Einwohnerzahl richtig wären, wie z. B. Granada 40,000, Leon 35,000, Matagalpa 30,000 u. s. w., so müßte Central-Amerika mindestens 10 Millionen Einwohner haben, während es thatsächlich deren kaum 2 Millionen besitzt. Meiner Berechnung nach kann die eigentliche Stadt Tegucigalpa etwa 5000 bis 6000 Einwohner haben.

Alles trägt aber hier den Charakter der Wohnlichkeit und Nettigkeit. Die Plaza ist mit hübschen Häusern umgeben, worunter mehrere zweistöckige, eine Seltenheit in diesem Lande, welche beweist, daß die Erdbeben in diesem Theile weder so häufig, noch sehr stark sind. Ein erfreuliches Zeichen waren die vielen im Bau begriffenen Häuser und die gänzliche Abwesenheit von Ruinen, jener traurigen Denkmale vergangener Bürgerkriege. Die Kathedrale ist ein großes, stattliches Gebäude mit nicht unschönen Verhältnissen, nicht ganz so imposant wie die von Leon, aber immerhin ein schönes Bauwerk und seinen Umgebungen angemessen. Sie besitzt einen überaus reichen Altar von vergoldeter Holzschnitzerei im spanischen Roccoco, einige Bilder alter spanischer Meister zweiten Ranges und mehrere neuere von geringer Bedeutung. In der Sakristei lag auf einem Tische eine neungeschwänzte Geißel; ich frug den freundlichen alten Priester, der mich herumführte, ob dies Instrument hier etwa zu frommen Bußübungen angewendet würde? »No, Sennor,« entgegnete er lächelnd und kopfschüttelnd, »es ist für die Hunde, die einst, vom Hunger getrieben, das Hostienkästchen ausgefressen haben.«

Im Hause der Sennora L.... war ein ganzes Heer allerliebster Mädchen, sammt und sonders Schwägerinnen des Herrn George C...... Ich war meist den ganzen Tag abwesend, wenn ich aber am Abende zurückkehrte, so hatten immer zwei der jungen Damen die Aufmerksamkeit, ihr Diner bis zu meiner Essenszeit zu verschieben, um mir Gesellschaft zu leisten, was mir im höchsten Grade angenehm war. Gern hätte ich mich für so viele Güte durch doppelte Liebenswürdigkeit dankbar erzeigt, allein mein vom Weltschmerz zusammengeworfenes Schicksal trieb mich unerbittlich weiter und weiter über Stein und Dorn, und verstattete mir keine Frist, meine Galanterie zur vollen Blüthe zu entfalten.

Ein freundlicher alter Herr, Don Liberato X......, stellte mich dem Präsidenten, General Cabannas, vor, einem kleinen Manne, der mir kaum bis an die Herzgrube reichte, mit einem Kopfe, der sich zum Körper wie 1 zu 6 verhält, einem Gesichte voller Narben, aber einem Paar biederer, kluger Augen, aus denen Muth und Energie blitzt, und der felsenfeste Geist eines redlichen Patrioten und tüchtigen Feldherrn.

Bei Morozan's Rückzug von Guatemala hatte der damalige Colonel Cabannas die Kathedrale mit einem Häuflein besetzt und gehalten, bis das ganze Patriotenheer sich zurückgezogen, und schlug sich dann mit 100 Mann durch ihrer 3000, wobei freilich kaum ein Viertheil seiner Tapfern mit dem Leben davonkam. Als Guardiolas im Jahre 1849 die Regierung umstürzen wollte, genügte der bloße Name Cabannas', um ein Heer auf die Beine zu bringen, und schnell, wie Spreu vom Winde, waren die Empörer auseinandergejagt.


Der Mann war mir trotz seines unschönen Aeußern wirklich lieb geworden, und ich fand den Enthusiasmus für ihn ganz begreiflich. Er bewohnt jetzt das Haus, das ehemals Morozan gehörte, ein pittoreskes, altspanisches Gebäude, dicht am Flusse gelegen, über den hier eine breite steinerne Brücke von 17 Pfeilern führt, die erste, die ich in Central-Amerika gesehen, denn die von Leon ist nie vollendet worden.


Aller Wahrscheinlichkeit nach bin ich das erste Malerexemplar, das sich in diese Himmelsstriche verirrt hat, denn es ist unglaublich, was ich von der Neugierde der Leute auszustehen hatte; bei der Arbeit umstanden sie mich so dicht, mir nur gerade ein Stück Aussicht offen lassend, daß kein Lüftchen mir Kühlung bringen konnte, hier unter der tropischen Sonne eine höchst unerquickliche Probe von Kunstliebe.

Ich sah im Hause des Präsidenten mehrere sehr schöne Opale, deren im Gebirge von ungeheuerer Menge, wenn auch nicht alle von gleichem Werthe, vorhanden sind; einen davon verehrte er mir, sowie auch einige schöne Gold- und Silbererze.

Nach alle diesen Kreuz- und Querzügen nahte sich der Monat Mai heran, und mit dessen Ende das Ende der trockenen Jahreszeit. Wie schmerzlich fühlte ich hier den durch meine Krankheit verursachten Zeitverlust, der es mir unmöglich machte, noch einen Abstecher nach Copan vorzunehmen, obschon ich mich hier bereits auf ziemlich zwei Drittel des Weges von Leon dahin befand; allein jetzt war es die höchste Zeit, den Rückmarsch nach Leon anzutreten, wollte ich anders zu Land dorthin gelangen; denn gleich nach den ersten Regengüssen, die meist auch die stärksten der ganzen Regenzeit sind, verwandelt sich das Land nördlich vom Viejo in einen wahren Sumpf.

Ich hatte mich jetzt nach und nach bis ziemlich zum 15. Breitengrade hinaufgearbeitet und sollte mich nun aus diesem kalten nördlichen Klima, wo man sich im Schatten bei 95° Fahrenheit erlaben durfte, wieder einem südlichern, wärmern, d. h. noch brühheißern, zuwenden. O welch' heitere Aussicht!

XIII.
Süßer Abschied. – Cerro di Ule. – Prachtvolles Panorama. – Heimweh. – Portillo de la Victoria. – Künstlerische Ausbeute. – Indianische Fiesta. – Große Hitze. – Ein tropisches Gewitter. – Ankunft zu rechter Zeit. – Fata morgana. – San Martin. – Choluteca. – Esteroreal. – Noch etwas über das Canalproject. – Ankunft in Leon.

Das alte Lied vom Maulthiermiethen, satteln, packen ging wieder los; diesmal aber hatte mich die Güte der Sennora L.... mit einem vorzüglichen Vorrath von Proviant aller Art versehen, worunter sich sogar ein außerordentlicher Luxusartikel befand: Brod, wirkliches ordentliches Brod! Gegen Mitte des Mai rückte ich mit dem Frühesten aus, denn ein harter, langer Tag stand mir bevor.

Der Abschied war mir weniger schmerzlich, als vielmehr sehr wonniglich, denn ich hatte ein ganzes Pelotonfeuer von Umarmungen und rosigen Lippen zu passiren – honni soit qui mal y pense! das ist hier Landessitte, und Landessitte muß man ehren! Ganz nach der Regel fing ich mit der ältesten Dame an und endigte mit der jüngsten, gleichwie man erst Tischwein trinkt und dann Cabinetswein nippt, und »als das Spiel ein Ende nahm, da fing ich wieder von vorne an« – dann aber machte ich, daß ich in den Sattel kam, sonst wäre ich wohl gar ganz kleben geblieben.

Und bergauf, bergab ging's wieder, und immer mehr bergauf, und immer pittoresker und schöner ward die Landschaft – o hätte ich den Genuß mit so manchem meiner Kunstgenossen theilen können! Zuerst ließ ich hinter mir die herrliche, luftige Palme, dann die majestätische Buche, dann die knorrige Eiche, zuletzt selbst die Kiefer, bis ich ein hohes Tafelland erreichte, wo nur noch niedrige Sträucher und endlich eine Art mir noch gänzlich unbekannter Bäume wuchsen. Zwischen Steinen und Felsgerüll schafften sich riesige Aloës von 30 bis 35 Fuß, wohl auch noch höher, Raum, jene fremdartigen Bäume aber waren mit langen Streifen hellen Mooses behangen, das in dicken Fasern bis hernieder zur Erde hing und, vom leisesten Winde lautlos hin- und hergewiegt, der ganzen Natur das Ansehen eines ehrwürdigen, nachdenklichen Greises gab.

Wie so fremd, so heimathlos fremd und einsam fühlte ich mich da plötzlich in solch' lautloser Beweglichkeit, daß mir graute wie im Reiche der Schatten, und ich ordentlich froh war, wenn der Hufschlag meines Thieres die unheimliche Stille unterbrach.

Bald hörte auch die letzte Vegetation auf und allmälig dröhnte der Tritt der Thiere hell auf der gefrorenen Erde; die seltsamsten Empfindungen regte der Contrast des fremdartigen Anblicks mit diesem eigenthümlich heimischen Schall in mir auf. Die Sonne sank tiefer und tiefer, und als sie ungefähr noch zwei Hände hoch über dem Horizonte stand, hatte ich die letzte Höhe des Cerro di Ule erreicht.

Wen solche Naturscenen nicht zur Andacht stimmen, der, meine ich, ist überhaupt keiner Herzenserhebung zum Herrn und Schöpfer fähig! Da draußen, in weiter, unermeßlicher Ferne, lag der stille Ocean, in welchen bald die herrliche, glühende Sonne hinabtauchen sollte, wie in ein ersehntes Land der Verheißung; da lag, in grauvioletten, unendlich zarten Duft gehüllt, der schöne Golf von Fonseca mit seinem gebirgigen Archipelagus; da lag gen Süden die Ebene von Nicaragua, begränzt von der imposanten Kette von Vulkanen, deren letzter und höchster, der alte Monotombo, sein graues Haupt über die Spitze eines näher liegenden Gebirges noch erhebt, während der Viejo, als anderer riesiger Endpfeiler dieser Kette, seinen Fuß von den Wellen des unendlichen Meeres bespülen läßt; da lag die Tierra caliente von Choluteca, durchschnitten von vielen in der Abendsonne blinkenden Flüssen und Flüßchen, und weiterhin eine zweite Vulkankette, la Consequina, la Union, St. Miguel, St. Vicente, St. Salvador, Itzalko, bis sich weit, weithin nach Nordwesten Alles in grauen Nebel verlor; ringsum aber in größerer Nähe streckten starre, steile Felsgebirge die nackten Häupter aus der Tiefe empor, und hier und da brannte das Gras und erhöhte durch die leichthinziehenden weißen Rauchwolken noch den Reiz der großartigen Landschaft. Gott ist groß und die Natur der erhabenste Prophet seiner Größe!

Aber wie so häßlich störend rüttelten mich die Lamentionen meines klappernden, frierenden Mozo auf, der mich endlich einholte und mir vordemonstrirte, daß die Thiere noch weit mehr frören als er, daß sie krank werden würden, wenn sie die Nacht hier blieben, wo keine Weide, kein Wasser und nur wenig Holz sei, und dies und das, bis ich fuchswild ward und Alle zum Kuckkuk wünschte, was von hier aus wohl ziemlich ebenso weit sein mag, als das Pfefferland von Europa; er nahm sich den Wunsch zu Herzen und zog ab – nach einer der tiefer liegenden Hütten, ich aber behielt mein Poncho, meine Büchse, meinen Feldkessel und etwas Wasser, machte Feuer an, kochte mir Kaffee, wickelte mich in den Poncho und überließ mich meinen Gedanken, die schneller noch als alle elektromagnetischen Telegraphen dahinflogen in weite Ferne.

Es wurde aber wirklich recht frisch in der Nacht, und das Gefühl der Kälte war mir ganz wunderlich, denn seit Jahr und Tag hatte ich es fast verlernt; ich lief hin und her im klaren Mondschein, rieb mir die Hände und schüttelte mich, suchte mehr Wurzeln für's Feuer und lief wieder umher – und plötzlich ward mir's recht seltsam zu Muthe, ich kam mir vor wie einer jener armen Jungen am Weihnachtsmarkte meiner Vaterstadt, die auch frierend hinter ihren kleinen Verkaufstischchen mit den winzigen papiernen Pyramiden und Christbäumchen hin- und hertrippeln, und sich ebenso, wie ich jetzt, die Hände reiben; ich gedachte der heiligen Christabende meiner Jugend und es überfiel mich ein seltsames Gefühl – mit einem Worte: ich bekam das Heimweh.

Der Morgen kam und mit ihm der Mozo, und die Maulthiere, und der Kaffee und Tortillas, nota bene nicht auf einmal, sondern Eins nach dem Andern, und als nichts mehr kommen wollte, machten wir uns auf die Socken, oder richtiger, auf die Hufe unserer Maulthiere.

Der höchste Punkt meiner ganzen Tour war nun überschritten, und bald sollte ich aus der Tierra fria, wie das ganze Hochland benannt wird, in die Tierra caliente am Pacific, das heißt aus dem kalten Striche in den warmen kommen.

Zuvörderst suchte ich dem Golf von Fonseca näher zu kommen, um eine malerische Ansicht zu erlangen; die vom Cerro di Ule war zu ausgedehnt für ein Bild, und als solche war mir der Portilla (soviel wie Engpaß) de la Victoria gerühmt worden. Zunächst erreichte ich das freundliche Indianerdorf Coyolar, wo mir in einem freundlichen steinernen Hause von einem noch freundlichern Wirthe die allerfreundlichste Aufnahme ward. Der Eigenthümer war auch einer jener sich arm nennenden Besitzer von circa 20,000 Acker Landes und 6000 bis 7000 Stück Rindvieh, eine Armuth, bei der es sich indeß allenfalls leben läßt. Sehr in Erstaunen setzte mich hier die Größe des Rindviehs, das von hier durch die ganze Gegend bis Choluteca dem größten Schweizervieh nichts nachgiebt.

Der folgende Tagemarsch sollte mich bei Zeiten Nachmittags an besagten Portillo bringen, allein just am entscheidenden Punkte ließ mich, oder ließ ich den Weg im Stiche, wenn man nämlich einen einfachen Rindviehpfad so nennen kann; statt rechts wandte ich mich links, und nach dreistündigem mühe- und gefahrvollem Hinabklettern befand ich mich plötzlich auf einem stark abschüssigen Terrain, einige Hundert Fuß über einem kleinen Flusse, und gegenüber, aber hoch, hoch über mir lag der fragliche Punkt.

Zurückzugehen war so schlimm als vorwärts, ersteres aber zu zeitraubend, und so blieb mir denn nichts übrig, als, bald rutschend, bald kletternd, bald fallend, einen Pfad zum Fluß hinab zu suchen, was besonders für die armen Thiere sehr beschwerlich war, endlich aber doch trotz mehrmaligem störrischen Protestes ihrerseits ohne Hals- oder Beinbruch bewerkstelligt ward; die Passage des Flusses ergab gleichfalls ein beträchtliches Risico für die Gebeine von Menschen und Vieh von wegen des schlüpfrigen, ungleichen Terrains zwischen scharfkantigen Felsbrocken, nach dessen glücklicher Ueberwindung zu allgemeiner Erholung ein fünfstündiges Klimmen begann, bergauf durch pfadloses Gerüll, und bei einer Sonnengluth! – ohne Schatten, ohne erfrischenden Trunk, – das Wasser im Calabash (Kürbisflasche) hatte so ziemlich eine Temperatur, um Eier weich darin zu sieden.

Alles aber erreicht sein Ende, so auch das Klettern; Dank dem Umstande, daß ich glücklicherweise so ungewöhnlich starke Maulthiere erwischt hatte.

Spät gegen Abend langte ich am Portillo in einem Trupp indischer Hütten an, in deren bester ich mein Standquartier nahm, und sogleich Erkundigungen wegen des mir empfohlenen Punktes einzog. Ich erfuhr, daß ich ihn auf dem Gipfel einer südlich emporsteigenden steilen Felswand finden würde, auf welcher aber zuvörderst eine Anzahl Bäume niedergehauen werden müßten, um eine volle Fernsicht zu gewinnen. –

Hätte ich Geld geboten, um Führer und Arbeiter zu dingen, so würde ich manche Schwierigkeiten gehabt haben, deshalb griff ich zu einem andern Mittel. Ich ernannte den Mozo zu meinem Herold, und befahl ihm, laut dem Volke zu verkünden: ich sei in Gnaden gewillt, eine pompöse »Fiesta« zu geben, und jedermänniglich sei dazu geladen, der mich morgen begleiten und mir helfen wolle, Bäume umzuhauen. Ein lautes E viva! von der einige Dutzend Kehlen starken Bevölkerung war die Antwort.

Als Zeit des Aufbruches ward früh 3 Uhr festgesetzt, allein schon vor der bestimmten Zeit fanden sich dienstfertige Geister ein, und als ihre Zahl bis zwölf angewachsen war, ging die Kletterei über Stock und Stein im Mondschein los; meinen Sancho hatte ich mit einer kleinen Geldsumme versehen, um aus einem tiefer gelegenen größern Dorfe den bei einem indischen Feste unerläßlichen Vorrath von Agua ardiente zu requiriren, meiner Wirthin hatte ich ein junges Schwein abgekauft und Vollmacht ertheilt, Bohnen, Tortillas und Kaffee en masse bereit zu halten; ich war gewillt, etwas Großes loszulassen, denn heute war ja der 15. Mai, der Tag, an dem Du, mein guter Vater, das Licht der Welt erblickt!

Wie ich mit meinen kupferfarbigen Gefährten die Wand hinaufkam, wie die Machetas, deren Anzahl sich nach und nach verdoppelt, lustig zu arbeiten begannen, die Stämmchen rechts und links krachten und fielen, und wie sich, da eben die Sonne hervorlugte, neugierig das frevle Treiben der Menschlein zu beschauen, vor meinen vor Entzücken trunkenen Blicken ein wahres Prachtstück aus der großen Gemäldegallerie der Natur entrollte, das erlaßt mir, Euch zu schildern. Landschaften lassen sich nicht beschreiben; denkt Euch aber Robert Kummer's Bild: der Fernblick vom Gipfel des Montenegrinergebirges nach dem See von Scutary hinab, ins Tropische übersetzt, und Ihr habt einen schwachen Begriff des wundervollen Landschaftmotives, das ich glücklicher Sterblicher am Abend des fleißig benutzten Tages mit gutem Gewissen als mein Eigenthum in der Malermappe davontrug.

Genug, der Abend war da, meine Gäste gleichfalls, der Schnaps und anderweite Festrequisiten dito; ein freier Platz vor dem Hause, zur höchstgewölbten Festhalle bestimmt, war reingefegt – »und die Schmauserei ging los, und der Spaß war himmlisch groß!« u. s. w.

Messer, Gabel, Löffel, Teller, Gläser, Tische, Stühle, Servietten und all' dergleichen Ueberflüssigkeiten waren freilich nicht vorhanden. Die Tortillas, kleine runde Maiskuchen (welche hier die Stelle der Teller und Servietten vertreten und vor diesen noch den großen Vortheil haben, selbst verzehrt werden zu können), mit Bohnen und Fleisch bedeckt, hielt Jeder vor sich auf den Knieen, statt des Stuhles auf den eigenen Fersen kauernd. Für den Kaffee hatte Jeder seinen eigenen Gualqual oder Hykaro mitgebracht, Flaschenkürbisse, deren erstere einer flachen Trinkschale, letztere unten abgerundeten Bechern gleichen; ich aber saß inmitten der vielen, auf meine Veranlassung wackelnden Mäuler auf meinem Feldstuhle, und kam mir wie recht was Großes vor, selbst tüchtig mitschmausend, denn der lange Fasttag hatte meinen Appetit in ungewöhnlicher Weise rege gemacht, wobei ein Hofstaat von Muchachas (indische Mädchen) mir die Ehre erwiesen, mich immer wieder mit neuem Stoff an Fleisch und Bohnen zu versehen, welches erstere mein Sancho Pansa mit mehr Schnelligkeit als Grazie zerlegte, und dabei sich selbst nicht vergaß, ganz wie weiland sein europäischer Ahnherr.

Die Muchachos (junge Burschen) hatten ringsum an den Bäumen lange Kienspäne befestigt, deren Feuer weithin ein rothes Licht verbreitete; es hätte ein allerliebstes Bild abgegeben, wenn Hunger und Müdigkeit nicht so heftig gegen das Malen protestirten.

Nachdem die Arbeit des Essens vorüber, fingen die Guitarren an zu klimpern. Der mühsam herbeigeschaffte Schnaps stand in weitbauchigen Korbflaschen da, Kaffee brodelte im Kessel und der Majordomo des Festes hatte aus eigenem Antriebe eine mächtige Battea (hölzerne Waschschüssel von 4 Fuß im Durchmesser) voll Chicha brauen lassen, ein Getränk von Ananas, Wasser und Zucker, das eben so angenehm schmeckt als kühlend ist; daneben noch ein ansehnlicher Vorrath von Pinolia, d. i. geröstetes Maismehl, Cacao, Zucker und Wasser, das gleichfalls eine wesentliche und gar nicht unangenehm schmeckende Erfrischung bildet; endlich Zuckerrohr a discretion – kurz, es war ein Leben wie im Schlaraffenlande!

Diesmal war mir's nicht möglich, wie in Totogalpa, mich vom Tanze abzudrücken, denn das wäre als große Beleidigung aufgenommen worden. Zum Glück führte man zuerst den sogenannten spanischen Tanz auf, der ziemlich einfach in seinen Bewegungen ist und darin besteht, daß die tanzenden Paare in einer langen Reihe, je zwei und zwei mit dem Gesichte gegen einander gekehrt, stehen, einigemale die Runde machen, dann changiren, wodurch sie gegen ein neues Paar zu stehen kommen, und so weiter bis ans Ende der Reihe, wo sie sich wenden und wieder zurücktanzen. Das war mir leicht, denn ich hatte ja etwas dem Aehnliches schon in New-York gelernt und verübt, auf Kosten der Fußzehen einiger tanzenden jungen Damen. So nahm ich denn die ganz niedliche Muchacha, die man mir als Partnerin präsentirte, bei der Hand und entledigte mich meiner Obliegenheiten mit möglichstem Anstand und ohne weiteren Unfall; dann aber ließ ich meinen Hammock etwas weiter hinauf am Berge an Bäumen aufbinden und zog mich in meine inneren Gemächer zurück.

Einen allerliebsten Anblick hatte ich von oben hinab auf den Tanzplatz, da sowohl am Berghange als das ganze Thal herauf eine Menge rothe Kienfackeln schimmerten, denn der Ruf der Fiesta, die der Sennor estrangero gab, hatte im Laufe des Tages weithin verbreitet und von nah und fern Gäste herbeigelockt, deren Fackeln wie Leuchtkäfer durch die Nacht schimmerten.

Auffällig war mir die ungewöhnliche Menge von Kröpfen, deren ich in solchem Umfange selbst in Central-Amerika noch nicht gesehen und von denen manche wie ein Kürbis von leidlicher Größe ihren Eigenthümern am Halse baumelten. Ich griff voll Schrecken selbst mehrmals an meine eigene Gurgelgegend, um mich zu vergewissern, ob sich nicht auch da im Laufe des Tages ein solches Gewächs eingefunden hätte.

Wie lange das Fest dauerte, weiß ich nicht, denn nach so anstrengendem Tagewerke schlief ich natürlich hart und fest, nur erinnere ich mich, daß noch eine geraume Zeit Guitarrengeklimper und Jauchzen sich in meine Träume mischten und am andern Morgen Sancho kaum aus dem Schlafe zu rütteln war, was Zeugniß gab, wie fleißig er in der Nacht Beine und Gurgel in Bewegung gesetzt; von agua ardiente und allen anderen Festgenüssen war aber auch nicht ein Atom mehr vorhanden.

Mein nächstes Ziel waren nun die Minen von St. Martin, in kurzer Entfernung vom Golf von Fonseca gelegen, die man mir als die reichsten rühmte. Gegenwärtig werden dieselben vom Capitain M.... H. B. M. N. und Herrn R......., der eine der vielen Schwägerinnen des Herrn George C.... geheirathet, betrieben.

Es war wieder die alte Strapaze, durch steile, kahle Felsenthäler ohne Schatten hinab, wozu noch die liebe Sonne ihre Strahlen in allzu freigebiger Hitze spendete und die Atmosphäre auch nicht vom leisesten Lufthauche gekühlt ward. Der berühmte russische Reisende Krusenstern, wenn ich nicht irre, berichtet von einem südsibirischen See, in welchem eine Fischart existirt, die nur aus Gräten und Haut und dazwischen einer öligen Substanz statt des Fleisches bestünde. Mir war zu Muthe, als sei ich solch' ein armer Fisch und all' mein Fleisch sei geschmolzen wie Butter von der Sonne. Diese übergroße Hitze hatte ihren Grund darin, daß man in diesen Tagen den ersten Regen erwartete, wo immer die Hitze den höchsten Grad erreicht, und in der That begannen sich auch schon mächtige Wolkenmassen am fernen Horizont zusammenzuballen.

Am Nachmittag war ich endlich hinab in die Ebene gelangt, das Gewitter aber war heraufgezogen. Da der Boden eben war, ließ ich meinen Macho ausgreifen, was er nur konnte, um St. Martin möglichst noch vor Ausbruch des Gewitters zu erreichen. Zwei Reiter, die wir überholten, riefen mir zu, nicht so zu eilen, wir hätten noch Zeit; besser ist besser! dachte ich aber, winkte dem Mozo und trottirte frisch weiter. Es dauerte auch gar nicht lange, so schlugen schon einzelne mächtige Tropfen mit dem Knalle einer Peitsche auf die harttrockene Erde nieder, während weiße Staubwolken, emporgewirbelt vom daherbrausenden Sturme, grell gegen den rabenschwarzen Horizont abstachen, hie und da ein zischender Blitz durch die Luft züngelte und dumpfer Donner das Herannahen des Unwetters verkündete.


Vorwärts jagten die keuchenden Thiere, als wüßten sie besser wie Menschen was da kommen würde, und die Bagage auf dem Lastthiere rasselte, als ob Alles in zehn Millionen Stücken gehen sollte, bis ich endlich, Gott sei Dank! die ersten Häuser von St. Martin erreichte, in deren ersten einem Mr. R...... eben unter seiner Veranda stand; dessen »Good day Sir, glad to see you, expected you since two days!« ward dabei von einem furchtbaren Donnerschlage unterbrochen, zugleich war's, als ob alle Schleusen des Himmels geöffnet würden, und hernieder strömte die Wasserfluth, als wollte es alles Fleisch, das nicht in der Hitze verschmort, vollends ersäufen. Mr. R....... war hoch erfreut mich unter seinem Dache zu sehen, ich aber sicherlich noch viel mehr, denn in solchem Wetter war es wahrlich kein Spaß, auf offener Haide zu sein. Schlag auf Schlag sauste hernieder und dazu brüllte der Donner in einer Weise, gegen die alle Proben tropischer Gewitter, die ich nur je erlebt, als ein wahres Erbsengerolle erschienen.

Es waren zwei Gewitter, eins von der Küste, das andere vom Gebirge herziehend, die sich gegenseitig bekämpften; letzteres schien das schwächere, denn nach kurzem Kampfe ward es von seinem Gegner in die Schluchten zurückgedrängt, der noch lange Zeit ein dumpfes Knurren hören ließ, wie ein Bulldogge nach der Beißerei, sich dann endlich auch zur Ruhe begab und der erfrischten Natur noch einen schönen Abend zu genießen verstattete.

Am andern Morgen sah die ganze Landschaft aus wie eine Fata morgana; die graue Pergamentfarbe vom vorigen Tage war wie durch einen Zauberschwamm weggewaschen und liebliches, sanftes Grün erlabte ringsum das Auge. So etwas war mir noch in meinem Leben nicht vorgekommen: dem Boden, der noch gestern für ewige Zeiten der Vegetation erstorben schien, waren über Nacht zwei Zoll lange Grashalme entsprossen, und Blätter von beträchtlicher Größe hatten sich in Zeit von kaum zwölf Stunden vollkommen entwickelt.

Ich machte mit Herrn R....... einen Spaziergang durch seine Werke, die wohl ergiebiger sein mögen als die von Dipilto und Yuscaran, deren Betrieb sich aber in nichts von jenen unterscheidet.

Von einem Burschen, der des Weges daher kam, hörten wir, daß die beiden Reiter, die ich am Tage vorher überholt, vom Blitze getroffen worden waren, der eine nebst dem Pferde getödtet, der andere schwer beschädigt. Wie froh war ich, ihren Worten kein Gehör gegeben zu haben! Mit dem vielen Metallgeräthe, das ich an mir trug, Büchse, Pistolen, Schwert u. s. w., hätte ich, gleich einem alten Ritter in der Rüstung, einen ganz herrlichen Blitzableiter abgegeben!

Die Minen von St. Martin rechtfertigen ihren Ruf allerdings in hohem Grade; ich sammelte hier die reichsten Stufen; allein wie alle Bergwerksbesitzer klagte auch Mr. R. sehr über Mangel an hinreichenden und sachverständigen Arbeitern und die daraus erwachsende Unmöglichkeit eines ausgedehnteren Betriebes. Eine Compagnie, die während einiger Jahre 5000 bis 10,000 Dollars für Einführung des verbesserten Bergbaues verausgaben könnte, würde ohne allen Zweifel sehr brillante Geschäfte machen.

Ein Ruhetag, ein Abschied und weiter ging's dann, denn von jetzt an stellten sich jeden Nachmittag Gewitter ein, weshalb ich nur kurze Tagemärsche zurücklegen konnte. Die erste Nacht kam ich bis Choluteca, 3 bis 4 Miles von den Ufern des Golfs von Fonseca gelegen, am Flusse gleiches Namens, der hier in der Ebene ziemlich eine halbe (englische) Meile breit, aber nicht sehr tief ist und sich leicht zu Pferde passiren läßt. Der Ort selbst ist traurig und todt und bietet jetzt keinerlei Vortheil, als in seiner Umgebung gutes Acker- und Weideland, auf dem schönes Rindvieh graset. Einwohner mögen höchstens 2000 da sein. Am Abend warf ich vom Thurme der kleinen Kirche noch einen letzten Blick auf den schönen, lieblichen Golf und die wilden, zackigen Gebirge, die mich so weidlich in Schweiß gebracht hatten. Ich schlief im Hause des Mayor, eines jovialen Kauzes, mit dem ich ein Glas trefflichen Burgunders leerte, das ich hier wahrlich nicht zu finden erwartet hätte.

Am andern Morgen, als ich mich eben in den Sattel schwingen wollte, kaufte ein Indianer in seinem Laden 1 Vara (etwa 2 Ellen) Baumwollenstoff; der würdige Magistrat machte mich darauf aufmerksam und meinte lachend, wenn ich ein Buch über Central-Amerika schreiben wollte, möchte ich ja nicht vergessen, Choluteca als bedeutenden Handelsplatz mit anzuführen. Je nun, was nicht ist, könnte wohl noch werden, wenn erst die große Welthandelsbahn rings um den Erdball Central-Amerika durchschneidet und dessen reichen Bodenschatz der Mühe des Ausbeutens werth macht.

Von Choluteca aus geht der Weg durch fettes, herrliches Weideland, meist flach und nur an den ersten zwei Tagen hier und da von niedrigen Hügeln unterbrochen. In vielen der kleinen Flüßchen, die bis dahin trocken gelegen, fing schon an Wasser zu rieseln, und trotzdem nur erst wenig Regen gefallen, mußten sich die armen Thiere doch an einigen sumpfigen Stellen schon arg quälen.

Der erste bedeutendere Fluß, über den ich kam, war der Rio negro, welcher in den Estero real fällt. Von da an ist das Land so eben wie ein Tisch. Den Estero real überschritt ich am andern Morgen ungefähr 10 Meilen höher, als Mr. Belcher, der englische Ingenieur, mit seinem Schiff gekommen war. Selbst da noch hat der Fluß 200 bis 250 Fuß Breite; das Wasser war jetzt freilich noch spärlich, kaum 3 Fuß tief, allein die Ufer sind sehr hoch und von sehr starken, gerad nach dem Wasser sich absenkenden Wurzeln, gleich einem festen Pfahlwerke, geschützt, so daß die Natur die Anlegung und Vertiefung eines schiffbaren Kanals zum großen Theil selbst vorgearbeitet hat.

Nachdem ich das fragliche Terrain in mannichfachen Richtungen durchstreift und untersucht, steht auch bei mir die Ueberzeugung fest, daß der Atlantic-Pacific-Ship-Kanal entweder an dieser Stelle nach dem Golf von Fonseca zu führen, oder überhaupt in eine ganz andere Richtung zu verlegen ist. Erlaubt es meine Zeit, so werde ich späterhin eine genauere technische Erörterung dieser Frage versuchen.

Das Ende dieses Gebirgsausfluges ist kurz beschrieben. Ich zog am Fuße des Viejo hin, bis zu einem Engpaß zwischen diesem Vulkane und dem Teliva, und stieg von da endlich in die Ebene von Leon hinab, wo ich gegen Ende Mai anlangte, mit leichtem Herzen, noch viel leichterem Beutel, als ich es verlassen, und mit schauderhaft zerfetzter Garderobe, übrigens aber mich einer so trefflichen Gesundheit erfreuend, wie seit lange nicht, fett wie ein Bär im Herbste und geistig im besten Humor. Meinen Mozo hatte ich die letzte Tagereise zu Fuß machen lassen, denn auf sein Maulthier hatte ich einen starken Hirsch und ein halbes Dutzend Pavon real geladen, ein herrlicher Vogel, bedeutend größer als der Truthahn, von schönem Gefieder und noch köstlicherem Geschmack, deren der Viejo und die Ufer des Estero real in ungeheuerer Menge beherbergen, und welches Wildpret ich zum Geschenk für meine Freunde bestimmte, die mich nach fast dreimonatlicher Abwesenheit mit alter Herzlichkeit willkommen hießen.

XIV.
Glücklicher Zufall. – Abschied von Leon. – Ein Jahr Unterschied. – Stars and Stripes! – Verändertes Aussehen von St. Juan di Nicaragua. – Abschied von Central-Amerika. – Allgemeine Bemerkungen und Warnungen für Auswanderer.

Am Bord des Steamers Illinois auf der Höhe von Cuba, Juli, 1852.

So war denn, für jetzt wenigstens, die mir gestellte Aufgabe in Central-Amerika erledigt, da manche unvermuthete Zwischenfälle die von Squier und mir projectirte Exploration der noch unbekannten Striche desselben auf eine entferntere Zeit zu verschieben nöthig machen. Meine Bestimmung rief mich wieder nach New-York zurück, aber in meiner jetzigen Lage war eine Reise von mehr als 3000 Miles ein Kunststückchen, über dessen Lösung ich mir wohl vergebens hätte den Kopf zerbrechen können, wenn nicht der liebe Gott und mein sehr geehrter Freund und Gönner, Mr. Kerr, Gesandter der Vereinigten Staaten in Central-Amerika, mir eine gute Gelegenheit geboten hätten, dies zu bewerkstelligen, und Letzterm zugleich einen Dienst zu erweisen: zwei wichtige ratificirte Traktate waren nach Washington zu überbringen, welche Mission Mr. Kerr mir anvertraute.

Meine Sachen waren bald gepackt, mein alter Schimmel hatte sich in der Zwischenzeit auf guter Weide von den Entbehrungen der trockenen Jahreszeit recht wacker wieder erholt und ward mir von seinem jetzigen Besitzer freundlichst zu diesem letzten Ritt geliehen; das Maulthier eines neuen Sancho Pansa trug mein ziemlich umfängliches Gepäck, und nach kurzem, herzlichem Abschiede von Land und Leuten befand ich mich bald in Gesellschaft meines gütigen Arztes und Gastfreundes Dr. L., den ebenfalls Geschäfte nach den Vereinigten Staaten riefen, auf dem Wege nach Granada. Während wir durch die klare tropische Mondnacht dahintrabten, sandten uns noch die Glocken der ehrwürdigen Kathedrale, das morgende Frohnleichnamsfest einläutend, den letzten Scheidegruß nach, und in dem leisen Wellengemurmel, mit dem der stille Ocean einstimmte, verklang der Schlußaccord meines Lebens in den Tropen.


Nach scharfem zweiundzwanzigstündigen Ritt (für 110 Miles) langten wir in Granada an, wo Dr. S., einer meiner früheren Bekannten, sofort einen seiner kleinen Schooner segelfertig machen ließ; bald waren wir mit meinen Skizzen und Sammlungen an Bord, und eine günstige Brise trieb uns in 36 Stunden über den See. In St. Carlos war uns der Duanendirector, der sich lachend meines Champagnerschusses vom vorigen Jahre erinnerte, behilflich, schnell ein Boot für den Fluß fertig zu machen, und nach abermals 36 Stunden waren wir in St. Juan.


Daß meine vor einem Jahre ausgesprochenen Prophezeiungen in Bezug auf den St. Juan River und den Platz gleiches Namens so schnell in Erfüllung gehen würden, hätte ich wahrlich nicht gedacht. Die Veränderung war fast wunderbar; da, wo noch vor'm Jahre (ich passirte die Stelle am selben Tage und fast zur selben Stunde) die Ruinen von Castillo Viejo einsam im Walde vergraben lagen, flatterten jetzt lustig die Stars and Stripes (Sterne und Streifen, die Flagge der Vereinigten Staaten) über einem entstehenden Wohnplatz; die alte Festung und die sie beschattenden Bäume waren verschwunden, ein großes Hotel und eine Anzahl hölzerner Wohnhäuser lugten wundersam neugierig hinüber in die jungfräulichen Wälder; über den Rapids lag ein kleiner Steamer, unterhalb noch einer, am Serapique River wieder einer, und zwei kleine Schlepp-Steamer gingen eben letztern Fluß hinauf, um Ladungen von Kaffee aus Costa Rica zu holen. Das kleine Dampfboot, das voriges Jahr, kurz vor meiner Ankunft, an dem Machucha-Rapids gestrandet war, hing zwar immer noch an derselben Stelle, seiner völligen Zertrümmerung entgegenharrend, aber eine Menge Treibholz war an dasselbe angeschwemmt, und hatte schon angefangen, eine kleine Insel zu bilden, auf der Büsche lustig grünten. In St. Juan hatte der größte Theil der Schilfhütten hübschen hölzernen Wohnhäusern Platz gemacht, was dem pittoresken Aussehen zwar Abbruch that, das Leben aber denn doch bedeutend angenehmer machte. Manche der alten Bekannten waren noch da und freuten sich meines Wiedersehens, und wie in Leon die Glocken der Kathedrale, so ward mir hier beim frohen Mahle im Klange der Gläser das Abschiedsgeläute von Central-Amerika.


Die große Bedeutung, welche diese Länderstriche gewiß binnen Kurzem für den Welthandel erhalten müssen, versprechen ihnen eine reiche, gedeihliche Zukunft, werden aber auch viele Ansiedler aus europäischen Ländern hierherlocken, zumal Deutsche, und zu ihrem Nutz und Frommen sei es mir hier noch verstattet, einige auf eigene Erlebnisse und Anschauungen gegründete allgemeine Bemerkungen anzuschließen.


Wer es irgend vermag, der vermeide hier, zumal im Innern, das Alleinreisen, das tausend Beschwerlichkeiten und Verlegenheiten bereitet, und versorge sich mit einem Mozo, einem Packthiere und wo möglich mit einem Hammock, sowie auch mit Lebensmitteln, denn nicht nur, daß man alle Sorge für Satteln, Packen und Füttern des Pferdes übernehmen muß, bieten selbst viele der sogenannten Gasthäuser, außer einer Bettstelle mit roher Ochsenhaut überzogen, nur höchst spärliche Mahlzeiten, ja jenseits Leon hören sie sogar ganz auf. Besonders lästig dabei ist die Verpflegung des Pferdes, da das nöthige Futter meist schwierig aufzutreiben ist, und man, selbst bis zum Tode ermattet, das müde Thier oft noch eine Stunde weit nach dem Protero bringen muß.

Was die Preise der Lebensmittel anlangt, so sind diese durchgängig billig, ausgenommen wenn eben ein starker Durchzug nach Californien die große Heerstraße etwas theuer macht, und nur aus dem Umstande, daß Herr Thiele, derselbe, welcher so heftig gegen Fröbel's Berichte auftrat, nie weiter als nach dem Hafen von St. Juan di Nicaragua gekommen, wohin allerdings die Lebensmittel theils von Granada, theils von Bluefield, über 30 Meilen die Küste entlang, gebracht werden müssen, lassen sich dessen übertriebene Preisangaben der Lebensmittel erklären, wie z. B. ein Ei 1 Media (etwa 2 Silbergroschen), ein Pfund Rindfleisch 1 Real, u. s. w. Ich kann versichern, daß ich selbst an Plätzen, wie Massaya und Managua, wo nach den Landesbegriffen höchst luxuriöse Gasthäuser sind, sogar in Begleitung eines Dieners nie mehr als 1 Dollar für Nachtessen (bestehend aus gebratenem Huhn, Fisch, Eiern, Käse und Chocolade), Nachtlager und Frühstück, incl. des Futters für zwei Pferde, bezahlt habe. Auch die schädlichen Einflüsse des Klimas werden diejenigen nicht zu befürchten haben, welche sich meine Erfahrungen in dieser Beziehung zu Herzen nehmen und dergleichen Extravaganzen vermeiden, wie ich sie mir unvorsichtigerweise zu Schulden kommen ließ.

Die Hauptschwierigkeiten, welche sich, meines Erachtens, dem Einwanderer entgegenstellen, sind: Erstens die wenig consolidirte Stellung, welche der Fremde hier noch einnimmt, theils infolge der politischen Zerrüttungen des Landes, theils infolge der Kurzsichtigkeit der Einwohner, deren ganzes Bestreben nur dahin gerichtet ist, vollauf Bananen und Tortillas essen zu können, und welche sich gewissermaßen fürchten, zu einer angestrengtern Thätigkeit genöthigt zu werden, sobald kräftige, arbeitsame Einwanderer ihnen als Concurrenten gegenüberstehen. Aus diesem Grunde allein werden sie, statt, wie in der Union, durch eine zweckmäßige Gesetzgebung dem neuen Ankömmlinge Erleichterungen zu verschaffen, und durch günstige Bedingungen fleißige Hände herbeizuziehen, welche sich bemühen, dieser in jeder Beziehung fast unerschöpflichen Natur einen stärkern Tribut aufzuerlegen, als ihre jetzigen Gebieter es thun, im Gegentheil noch durch allerhand Einschränkungen und Schwierigkeiten dem Ansiedler sein saures Geschäft noch saurer zu machen sich bestreben.

Die oben erwähnten politischen Zerrüttungen leisten natürlich dieser, theils indolenten, theils böswilligen Opposition der kurzsichtigen Landesbevölkerung noch bedeutenden Vorschub, und so lange es nicht einer ebenso verständigen, humanen, wie energischen Regierung gelingt, eine stabilere Ordnung einzuführen und kräftig aufrecht zu erhalten, dürfte es auch einer fremden Colonisation kaum möglich werden, mit glücklichem Erfolge gegen alle jene Hemmnisse anzukämpfen.

Ebenso kann man endlich auch noch als den schlimmsten Feind, den der europäische Einwanderer, und vor Allem der Deutsche, zu begegnen hat, ihn selbst und seine Landsleute bezeichnen. Auswandern ist an und für sich selbst keine Kleinigkeit, das nehme sich Jeder zu Herzen, der seine Heimath verläßt, er möge sich wenden, wohin er wolle, zumal aber hierher. Dazu kommt aber noch, daß in Deutschland der Unterthan fast in Bezug auf jede staatliche und communliche Einrichtung fortwährend unter Leitung zahlreicher Regierungsbehörden steht, die, so lästig und einengend sie ihm auf der einen Seite auch erscheinen mag, auf der andern Seite aber auch ebenso viele Anlehnungspunkte und Bequemlichkeiten bietet. Im neuen Lande fällt dies nun plötzlich weg, der Auswanderer hüpft wie ein Springteufelchen aus der Dose, alle die Institutionen, Verordnungen und Gesetze, an welche er gewöhnt ist und zu denen er bei jeder vorkommenden Gelegenheit seine Zuflucht nahm, fehlen ihm nun hier plötzlich. Unwissend und ohne Erfahrung, wie eine neue Gesellschaft in einem neuen Lande zu bilden sei, und statt sein Bestes für das Gemeinwohl, auf dem ja das Wohl des Einzelnen mit beruht, zu thun, verharrt der Einwanderer, bei aller körperlichen Uebermühung und einer Menge unnützer Anstrengungen, geistig in einer gewissen Trägheit, und überläßt aus alter Gewohnheit die Organisation des Ganzen denjenigen, welche Selbstaufopferung oder Ehrgeiz genug besitzen, es zu übernehmen, oder auch von Sonderinteressen dazu getrieben werden. Sind nun alle jene getroffenen Anordnungen nicht nach Wunsch, oder entspricht der neue Zustand nicht vollkommen dem Bilde, welches sich der Ansiedler zuvor davon entworfen, so bricht er, statt den Grund in sich selbst zu suchen und sein Möglichstes zur Abhilfe des Uebels beizutragen, in maßloses Schimpfen über das elende Land und die Schurken aus, die ihn ins Verderben gelockt. Dies sind meines Erachtens die Ursachen, warum so viele Pläne von deutschen Colonien, in der Union sowohl als anderwärts, gescheitert sind, dies und die unglückliche Theorienreiterei, welche schon daheim einen vollständigen Plan ausarbeitet, bis auf die Gartenbeete womöglich, ob sie Zwiebeln oder Spargel tragen sollen, gleichviel, ob der Plan ausführbar ist oder nicht.

Haben sich diese Betrachtungen schon in der Union als richtig und begründet erwiesen, wo doch so Manches zur Erleichterung des Einwanderns gethan wird, so wird dies hier um so mehr der Fall sein, wo dem Fremdlinge im Gegentheil eine Menge Erschwernisse in den Weg kommen, und so sehe ich denn auch in dem neuerlichen Versuche der Gründung einer deutschen Colonie in Central-Amerika, so aufrichtig ich demselben auch den besten Erfolg wünsche, kein sonderliches Heil erblühen. Ich setze voraus, daß die Principien dieser Gesellschaft liberaler und praktischer sein werden, als die des Mainzer Schutzvereins in Texas; es kann dieselbe auch schon aus andern Gründen wohl nicht so ganz scheitern wie jene Colonie; dennoch kann ich kaum glauben, daß eine größere Anzahl von Leuten so viel Thatkraft und Resignation besitzt, die namenlosen Mühseligkeiten einer Ansiedelung hier im Lande gemeinsam zu bewältigen, nur um ihren Kindern ein besseres Loos zu bereiten, als sie selbst dabei erwartet. Solche Gesinnung gehört aber unbedingt dazu, soll der Ansiedler frohen Muthes über das Ungemach hinwegkommen, das überall sein Beginnen begleitet. Geschieht dies jedoch und kommt die junge Colonie nur erst glücklich über die Kinderjahre hinaus, so wird ganz gewiß diese herrliche, üppige Natur dem gut angewandten, redlichen Fleiße einen reichen Lohn nicht versagen.


Druckfehler-Verzeichniß.

Seite 7 Zeile 9 v. u. lies: Müller statt Moore.
" 25 " 12 v. o. " Schusse st. Schlusse.
" 28 " 4 " " von meinen st. von meiner.
" 90 " 4 " " erhoben st. erhob.
" 105 " 10 v. u. " junger st. ganzer.
" 112 " 8 " " Giuseppe st. Giuseppa.
" 133 " 7 " " Becher st. Beche.
" 137 " 6 v. o. " Protero st. pastura.
" 141 " 12 " " Granadiner st. Leoneser.
" 141 " 15 " " Leoneser st. Granadiner.
" 150 " 4 " " Chamorro st. Chamorra.
" 152 " 7 v. u. " Heeren st. Herren.
" 157 " 6 " " Chichigalpa st. Chidrigalpa.
" 196 " 11 v. o. " Holftern st. Halftern.

Druck von Ferber & Seydel in Leipzig.

Hinweise zur Transkription

Das Buch ist ursprünglich in Fraktur gesetzt. Fremdsprachige Abschnitte, die abweichend in Antiqua gesetzt wurden, sind in der Transkription durch Kursiv-Schrift markiert, ausgenommen römische Zahlen.

Sofern in den Kapitelüberschriften Punkte fehlten, wurden diese ergänzt.

Der Text des Originalbuches wurde generell beibehalten, einschließlich uneinheitlicher und ungebräuchlicher Schreibweisen, mit folgenden Ausnahmen:

Geändert wurden

entsprechend dem bucheigenen "Druckfehler-Verzeichniß" von Seite 264,

Seite 7: "Moore's" geändert in "Müller's"
(Nach Freund Müller's Aussagen gleicht der)

Seite 25: "Schluße" geändert in "Schusse"
(aber so im Schusse war, daß ich mich nicht)

Seite 28: "meiner" geändert in "meinen"
(ich fand nichts als einen Brief von meinen Lieben)

Seite 90: "erhob" geändert in "erhoben"
(Jeder brachte schweigend und erhoben sein Glas)

Seite 105: "ganzer" geändert in "junger"
(süßer junger Mais die Thiere erquickte)

Seite 112: "Giuseppa" geändert in "Giuseppe"
(blieb er für mich nur Signor Giuseppe)

Seite 133: "Beche" geändert in "Becher"
(Zwei Becher gewürzter)

Seite 137: "pastura" geändert in "Protero"
(sich das seinige selbst im Protero (Weideplatz) suchen mußte)

Seite 141: "Leoneser" geändert in "Granadiner"
(scheint mir die Granadiner Partei insofern im Rechte)

Seite 141: "Granadiner" geändert in "Leoneser"
(während die Leoneser eine Art von Sonderbündelei im Schilde führen)

Seite 150: "Chamarro" geändert in "Chamorro"
(an den commandirenden General Don Fruto Chamorro verwies)

Seite 152: "Herren" geändert in "Heeren"
(mit den Heeren der kriegführenden Mächte von Central-Amerika)

Seite 157: "Chidrigalpa" geändert in "Chichigalpa"
(zurück, bis Chichigalpa, und war erst dort)

Seite 196: "Halftern" geändert in "Holftern"
(zwei an Stelle der Holftern)

und zusätzlich,

Seite XV: "Chinaudega" geändert in "Chinandega"
(Gefecht von Chinandega)

Seite 8: "mittlen" geändert in "mittlern"
(einige Bilder mittlern Formats)

Seite 38: "Platz, ist" geändert in "Platz ist"
(der Platz ist darin nach der Natur geschildert)

Seite 72: "Inseeten" geändert in "Insecten"
(und von Insecten eine wahre Fülle vorhanden ist)

Seite 94: "Begräbniß. –" geändert in "Begräbniß."
(Fleiß der Indianer. – Massaga. – Indisches Begräbniß.)

Seite 106: "Halsstarrigket" geändert in "Halsstarrigkeit"
(indianische Halsstarrigkeit gegen alle und jede Verbesserung)

Seite 109: "errreichte" geändert in "erreichte"
(Fünf Miles von Massaga erreichte ich)

Seite 126: "zur" geändert in "zu"
(Selbsthülfe zu rechter Zeit.)

Seite 133: "Chocolode" geändert in "Chocolade"
(gewürzter Chocolade mußte ich also)

Seite 143: "Chinaudega" geändert in "Chinandega"
(Gefecht von Chinandega)

Seite 156: "zuverlässiigen" geändert in "zuverlässigen"
(die neuesten zuverlässigen Nachrichten)

Seite 158: "Lopez, sogar" geändert in "Lopez sogar"
(jetzt leugnete General Lopez sogar dessen Existenz)

Seite 159: "Mißhelligkeitrn" geändert in "Mißhelligkeiten"
(dieser steten Erneuerung der Mißhelligkeiten)

Seite 237: "Cerro die Ule" geändert in "Cerro di Ule"
(die vom Cerro di Ule war zu ausgedehnt für ein Bild)






End of Project Gutenberg's Wanderbilder aus Central-Amerika, by Wilhelm Heine

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WANDERBILDER AUS CENTRAL-AMERIKA ***

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