The Project Gutenberg EBook of Die Gruendung des Deutschen Zollvereins by Heinrich von Treitschke This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at http://www.gutenberg.org/license Title: Die Gruendung des Deutschen Zollvereins Author: Heinrich von Treitschke Release Date: October, 20 2007 [Ebook #23065] Language: German Character set encoding: US-ASCII ***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE GRUeNDUNG DES DEUTSCHEN ZOLLVEREINS*** Die Gruendung des Deutschen Zollvereins by Heinrich von Treitschke Edition 01 , (October, 20 2007) Die Gruendung des Deutschen Zollvereins Dargestellt von Heinrich v. Treitschke INHALT Die Gruendung des Deutschen Zollvereins. Vorwort 1. Maassen und das neue Preussische Zollgesetz. 2. Der Kampf gegen das preussische Zollgesetz und der erste preussische Zollvertrag. 3. Der Kampf um das preussische Zollgesetz auf den Wiener Konferenzen. 4. Die Darmstaedter Zollkonferenzen. 5. Motzs deutsche Handelspolitik. 6. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. a) _Die Stuttgarter Zollkonferenzen._ b) _Der preussisch-hessische und der bayrisch-wuerttembergische Zollverein._ c) _Der Mitteldeutsche Handelsverein._ d) _Preussens Sieg. Preussisch-Bayrischer Handelsvertrag._ 7. Der Deutsche Zollverein. a) _Kurhessens Beitritt._ b) _Beitritt des Sueddeutschen Zollvereins._ c) _Anschluss von Sachsen und Thueringen._ d) _Politische Bedeutung des Deutschen Zollvereins._ Register. DIE GRUeNDUNG DES DEUTSCHEN ZOLLVEREINS. Vorwort Ein Quellenbuch mit Urkunden, Briefen und sonstigen Aktenstuecken zur Geschichte des Deutschen Zollvereins duerfte auf allgemeines Interesse kaum rechnen und muesste bei der Laenge der Zeit, ueber die sich die Verhandlungen hinschleppten, nur ein kuemmerlicher Torso sein, der niemand gefiele. Dagegen darf die klassische Darstellung, die Heinrich v. Treitschke in seiner Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert dieser groessten Schoepfung der Friedensregierung Friedrich Wilhelms III. gewidmet hat, selbst den Wert einer Quelle beanspruchen, da sie auf einem umfassenden Studium aller in Betracht kommenden Akten und Briefwechsel beruht, von denen die wenigsten der wissenschaftlichen Forschung bisher durch den Druck zugaenglich gemacht sind. Im folgenden sind die in Betracht kommenden Kapitel der Deutschen Geschichte mit geringen Auslassungen, die vom Leser wohl nirgends als Luecken empfunden werden duerften, mit freundlich gewaehrter Erlaubnis der Verlagsbuchhandlung zu einer Einheit zusammengefasst und wirken in dieser Form fast wuchtiger als in der Verstreuung ueber drei dicke Baende, wie sie der chronologische Aufbau des alle Seiten des deutschen Lebens umspannenden Werkes mit sich bringt. Sie reden eine so eindringliche Sprache von einer jammervollen Vergangenheit deutschen Kleinlebens, dass man nur wuenschen kann, dass die Stimme des tapferen Rufers im Streit fuer nationale Einigung auch weiterhin gehoert werde, nachdem ihn selbst schon seit Jahren der kuehle Rasen deckt. _Leipzig,_ 19. Mai 1913. *Horst Kohl.* 1. Maassen und das neue Preussische Zollgesetz. In dem Sturm und Drang der grossen Reformperiode war fuer die Umgestaltung des alten preussischen Akzisewesens wenig geschehen; man hatte sich begnuegt, dem flachen Lande mehrere staedtische Steuern aufzulegen und in Altpreussen die Einfuhr fremder Fabrikwaren gegen eine Akzise von 8 1{~FRACTION SLASH~}3 Prozent des Wertes zu gestatten. Daneben bestanden in den alten Provinzen noch 67 verschiedene Tarife, nahezu 3000 Warenklassen umfassend; ausserdem die kursaechsische Generalakzise im Herzogtum Sachsen, das schwedische Zollwesen in Neuvorpommern, in den Rheinlanden endlich seit Aufhebung der napoleonischen Douanen ein schlechterdings anarchischer Zustand. Und diese unertraegliche Belaestigung des Verkehrs gewaehrte doch, da eine geordnete Grenzbewachung noch fehlte, keinen Schutz gegen das Ausland. Auch in dem chaotischen Geldwesen zeigte sich die Abhaengigkeit des verarmten Staates von den Fremden: in Posen und Pommern mussten 48, in den Provinzen links von der Elbe 71 fremde Geldsorten amtlich anerkannt und tarifiert werden. Schon laengst bemerkte der Koenig mit Besorgnis, wie schwer der gesetzliche Sinn des Volkes durch die Fortdauer des ueberlebten Prohibitivsystems geschaedigt wurde. Seit die buergerlichen Gewerbe auf dem platten Lande sich ansiedelten, nahm der Schmuggel einen ungeheuren Aufschwung. Im Jahre 1815 versteuerte jeder Materialwarenladen der alten Provinzen taeglich nur zwei Pfund Kaffee. Auch die unhaltbaren Verhaeltnisse an der Ostgrenze mahnten zu rascher Tat. Sobald Preussen, Polen und Russland im Maerz 1816 zu Warschau wegen der Ausfuehrung des Wiener Vertrages vom 3. Mai 1815 zu verhandeln begannen, stellte sich bald heraus, dass Hardenberg in Wien von dem Fuersten Czartoryski ueberlistet worden war. Die scheinbar so harmlosen Bestimmungen des Vertrags ueber die freie Durchfuhr und den freien Verkehr mit den Landeserzeugnissen aller vormals polnischen Landschaften legten dem preussischen Staate fast nur Pflichten auf, da sein Gebiet das Durchfuhrland bildete. Um der Abrede buchstaeblich zu genuegen, haette Preussen seine polnischen Provinzen von dem uebrigen Staatsgebiete durch eine Zollinie trennen muessen, waehrend Russland, dem Vertrage zuwider, seine alte Zollgrenze, die das polnische Litauen von Warschau abschied, unveraendert liess und auch Oesterreich sich keineswegs geneigt zeigte, seinen polnischen Kronlanden handelspolitische Selbstaendigkeit zuzugestehen. Die polnischen Unterhaendler sahen in dem Vertrage ein willkommenes Mittel, um durch die Ansiedlung von Handelsagenten und Kommissionaeren ihre nationale Propaganda in Preussens polnische Gebiete hineinzutragen. Sie erdreisteten sich, der Krone Preussen geradezu die unbeschraenkte Souveraenitaet ueber Danzig zu bestreiten, und stellten so uebermuetige Forderungen, dass der Koenig mit einer entschiedenen Ablehnung antwortete, als Zar Alexander nach seiner Gewohnheit versuchte, die Ansprueche der Polen durch einen zaertlichen Freundesbrief zu unterstuetzen. Der unerquickliche Verlauf dieser Verhandlungen zwang zu dem Entschlusse, die polnischen Landschaften den uebrigen Provinzen des Ostens voellig gleichzustellen. Auf der anderen Seite lehrten die Frankfurter Erfahrungen, dass ein Bundeszollgesetz ganz unmoeglich war und Preussen mithin zunaechst im eigenen Hause Ordnung schaffen musste. Im Jahre 1816 erfolgten die ersten vorbereitenden Schritte. Das Verbot der Geldausfuhr ward aufgehoben, das Salzregal in allen Provinzen gleichmaessig eingefuehrt; dann sprach die Verordnung vom 11. Juni die Aufhebung der Wasser-, Binnen- und Provinzialzoelle als Grundsatz aus und verhiess die Einfuehrung eines allgemeinen und einfachen Grenzzollsystems. Zu Anfang des folgenden Jahres war der Entwurf fuer das neue Zollgesetz beendigt. Sobald aber von den reformatorischen Absichten des Entwurfs Einiges ruchbar ward, erscholl der Notschrei der geaengstigten Produzenten weithin durch das Land. Leidenschaftliche Eingaben der Baumwoll- und Kattunfabrikanten aus Schlesien und Berlin, die doch allesamt unter der bestehenden Unordnung schwer litten, bestaetigten die alte Wahrheit, dass die Selbstsucht der Menschen der schlimmste Feind ihres eigenen Interesses ist. Der Laerm ward so bedrohlich, dass der Koenig fuer noetig hielt, zunaechst eine Spezialkommission mit der Pruefung dieser Vorstellungen zu beauftragen. Hier errang die alte friderizianische Schule noch einmal die Oberhand. Der Vorsitzende, Oberpraesident v. Heydebreck, betrachtete als hoechste Aufgabe der Handelspolitik "das Numeraire dem Lande zu konservieren"; die Mehrheit beschloss, der Krone die Wiederherstellung des Verbotsystems, wie es bis zum Jahre 1806 bestanden, anzuraten. Aber zugleich mit diesem Bericht ging auch ein geharnischtes Minderheitsgutachten ein, verfasst von Staatsrat Kunth, dem Erzieher der Gebrueder Humboldt, einem selbstbewussten Vertreter des altpreussischen Beamtenstolzes, der das gute Recht der Bureaukratie oftmals gegen die aristokratische Geringschaetzung seines Freundes Stein verteidigte. Mit den Zustaenden des Fabrikwesens aus eigener Anschauung gruendlich vertraut, lebte und webte er in den Gedanken der neuen Volkswirtschaftslehre. "Eigentum und Freiheit, darin liegt alles; es gibt nichts anderes" -- so lautete sein Kernspruch. Als das aergste Gebrechen der preussischen Industrie erschien ihm die erstaunlich mangelhafte Bildung der meisten Fabrikanten, eine schlimme Frucht des Uebergewichts der gelehrten Klassen, welche nur durch den Einfluss des auswaertigen Wettbewerbs allmaehlich beseitigt werden konnte; waren doch selbst unter den ersten Fabrikherren Berlins viele, die kaum notduerftig ihren Namen zu schreiben vermochten. Kunths Gutachten fand im Staatsrate fast ungeteilte Zustimmung; es liess sich nicht mehr verkennen, dass die Aufhebung der Handelsverbote nur die notwendige Ergaenzung der Reformen von 1808 bildete. Als das Plenum des Staatsrats am 3. Juli ueber das Zollgesetz beriet, sprachen die politischen Gegner Gneisenau und Schuckmann einmuetig fuer die Befreiung des Verkehrs. Oberpraesident Merckel und Geh. Rat Ferber, ein aus dem saechsischen Dienste heruebergekommener trefflicher Nationaloekonom, fuehrten aus, dass dem Notstande des Gewerbefleisses in Schlesien und Sachsen nur durch die Freiheit zu begegnen sei; und zuletzt stimmten von 56 Anwesenden nur drei gegen das Gesetz: Heydebreck, Ladenberg und Geh Rat Beguelin. Am 1. August genehmigte der Koenig von Karlsbad aus "das Prinzip der freien Einfuhr fuer alle Zukunft". Nun folgten neue peinliche Verhandlungen, da es anfangs unmoeglich schien, die neue Ordnung gleichzeitig in den beiden Haelften des Staatsgebiets einzufuehren. Endlich, am 26. Mai 1818, kam das Zollgesetz fuer die gesamte Monarchie zustande. Sein Verfasser war der Generaldirektor Karl Georg _Maassen_(1), ein Beamter von umfassenden Kenntnissen, mit Leib und Seele in den Geschaeften lebend, ein Mann, der hinter kindlich anspruchslosen Umgangsformen den kuehnen Mut des Reformers, eine tiefe und freie Auffassung des sozialen Lebens verbarg. Aus Cleve gebuertig, hatte er zuerst als preussischer Beamter in seiner Heimat, dann eine Zeitlang im bergischen Staatsdienste die Grossindustrie des Niederrheins, nachher bei der Potsdamer Regierung die Volkswirtschaft des Nordostens kennen und also die Theorien Adam Smiths(2), denen er von fruehauf huldigte, durch vielseitige praktische Erfahrung zu ergaenzen gelernt. So ging er auch beim Entwerfen des Zollgesetzes nicht von einer fertigen Doktrin aus, sondern von drei Gesichtspunkten der praktischen Staatskunst. Die Aufgabe war: zunaechst in der gesamten Monarchie durch Befreiung des inneren Verkehrs eine lebendige Gemeinschaft der Interessen zu begruenden, sodann dem Staate neue Einnahmequellen zu eroeffnen, endlich dem heimischen Gewerbefleiss einen maechtigen Schutz gegen die englische Uebermacht zu gewaehren und ihm doch den heilsamen Stachel des auslaendischen Wettbewerbs nicht gaenzlich zu nehmen. Wo die Wuensche der Industrie den Anspruechen der Staatskassen widersprachen, da musste das Interesse der Finanzen vorgehen; dies gebot die Bedraengnis des Staatshaushalts. Die beiden ersten Paragraphen des Gesetzes verkuendigten die Freiheit der Ein-, Aus- und Durchfuhr fuer den ganzen Umfang des Staates. Damit wurde die volle Haelfte des nichtoesterreichischen Deutschlands zu einem freien Marktgebiete vereinigt, zu einer wirtschaftlichen Gemeinschaft, welche, wenn sie die Probe bestand, sich auch ueber die andere Haelfte der Nation erweitern konnte. Denn die schroffsten Gegensaetze unseres vielgestaltigen sozialen Lebens lagen innerhalb der preussischen Grenzen. War es moeglich, Posen und das Rheinland ohne Schaedigung ihrer wirtschaftlichen Eigenart derselben wirtschaftlichen Gesetzgebung zu unterwerfen, so war schon erwiesen, dass diese Gesetze mit einigen Aenderungen auch fuer Baden und Hannover genuegen mussten. Preussen hatte sich -- so sagte Maassen oftmals -- genau die naemlichen Fragen vorzulegen wie alle die anderen deutschen Staaten, welche ernstlich nach Zolleinheit verlangten, und konnte, wegen der Mannigfaltigkeit seiner wirtschaftlichen Interessen, leichter als jene die richtige Antwort finden. Aber die Ausfuehrung des Gedankens, die Verlegung der Zoelle an die Grenzen des Staates war in Preussen schwieriger als in irgendeinem anderen Reiche; sie erschien zuerst vielen ganz unausfuehrbar. Man sollte eine Zollinie von 1073 Meilen bewachen, je eine Grenzmeile auf kaum fuenf Geviertmeilen des Staatsgebiets, und zwar unter den denkbar unguenstigsten Verhaeltnissen, da die kleinen deutschen Staaten, die mit dem preussischen Gebiete im Gemenge lagen, zumeist noch kein geordnetes Zollwesen besassen, ja sogar den Schmuggel grundsaetzlich beguenstigten. Solche Bedraengnis veranlasste die preussischen Finanzmaenner zur Aufstellung eines einfachen uebersichtlichen Tarifs, der die Waren in wenige grosse Klassen einordnete. Eine umfaengliche, verwickelte Zollrolle, wie sie in England oder Frankreich bestand, erforderte ein zahlreiches Beamtenpersonal, das in Preussen den Ertrag der Zoelle verschlungen haette. Durch denselben Grund wurde Maassen bewogen, die Erhebung der Zoelle nach dem Gewichte der Waren vorzuschlagen, waehrend in allen anderen Staaten das von der herrschenden Theorie allein gebilligte System der Wertzoelle galt. Die Abstufung der Zoelle nach dem Werte wuerde die Kosten der Zollverwaltung unverhaeltnismaessig erhoeht haben; zudem lag in der hohen Besteuerung kostbarer Waren eine starke Versuchung zum Schmuggelhandel, welche ein Staat von so schwer zu bewachenden Grenzen nicht ertragen konnte. Auch in der grossen Prinzipienfrage der Handelspolitik gab die Ruecksicht auf die Finanzen den Ausschlag. Der Staat hatte die Wahl zwischen zwei Wegen. Man konnte entweder nach Englands und Frankreichs Beispiel Prohibitivzoelle einfuehren, um diese sodann als Unterhandlungsmittel gegen die Westmaechte zu benutzen und also Zug um Zug durch Differentialzoelle zur Erleichterung des Verkehrs zu gelangen; oder man wagte sogleich in Preussen ein System maessiger Zoelle zu gruenden, in der Hoffnung, dass die Natur der Dinge die grossen Nachbarreiche dereinst in dieselbe Bahn draengen werde. Maassen fand den Mut, den letzteren Weg zu waehlen, vornehmlich, weil der zweifelhafte Ertrag aus hohen Schutzzoellen dem Beduerfnis der Staatskassen nicht genuegen konnte. Verboten wurde allein die Einfuhr von Salz und Spielkarten; die Rohstoffe blieben in der Regel abgabenfrei oder einem ganz niedrigen Zolle unterworfen. Von den Manufakturwaren sollte ein maessiger Schutzzoll erhoben werden, nicht ueber 10 Prozent, ungefaehr der ueblichen Schmuggelpraemie entsprechend. Die Kolonialwaren dagegen unterlagen einem ergiebigen Finanzzolle, bis zu 20 Prozent, da Preussen an seiner leicht zu bewachenden Seegrenze die Mittel besass, diese Produkte wirksam zu besteuern. Dies freieste und reifste staatswirtschaftliche Gesetz des Zeitraums wich von den herrschenden Vorurteilen so weit ab, dass man im Auslande anfangs ueber die gutmuetige Schwaeche der preussischen Doktrinaere spottete. Den Staatsmaennern der absoluten Monarchie faellt ein undankbares entsagungsvolles Los. Wie laut preist England heute seinen William Huskisson(3), *one of the world's great spirits*; alle gesitteten Voelker bewundern die Freihandelsreden des grossen Britten. Der Name Maassens aber ist bis zur Stunde in seinem eigenen Vaterlande nur einem engen Gelehrtenkreise vertraut. _Und doch hat die grosse Freihandelsbewegung unseres Jahrhunderts nicht in England, sondern in Preussen ihren ersten bahnbrechenden Erfolg errungen._ Das wiederhergestellte franzoesische Koenigtum hielt in dem Tarife von 1816 die strengen napoleonischen Prohibitivzoelle gegen fremde Fabrikwaren hartnaeckig fest. Die Selbstsucht der Emigranten fuegte noch schwere Zoelle auf die Erzeugnisse des Landbaues, namentlich auf Schlachtvieh und Wolle, hinzu. Auch in England war nur ein Teil des Handelsstandes fuer die Lehren der Verkehrsfreiheit gewonnen. Noch stand der Grundherr treu zu den hohen Kornzoellen, der Reeder zu Cromwells Navigationsakte(4), der Fabrikant zu dem harten Prohibitivsysteme; noch urteilte die Mehrzahl der Gebildeten wie einst Burke(5) ueber Adam Smith: solche abstrakte Theorien sind gut genug fuer das stille Katheder von Glasgow(6). Erst das kuehne Vorgehen der Berliner Staatsmaenner ermutigte die englischen Freihaendler, mit ihrer Meinung herauszuruecken. Auf das "glaenzende Beispiel, welches Preussen der Welt gegeben", berief sich die freihaendlerische Petition der Londoner City, welche Baring im Mai 1820 dem Parlamente uebergab. An Preussen dachte Huskisson, als er seinen beruehmten Satz aufstellte: "Der Handel ist nicht Zweck, er ist das Mittel, Wohlstand und Behagen unter den Voelkern zu verbreiten" und seinem Volke zurief: "Dies Land kann nicht still stehen, waehrend andere Laender vorschreiten in Bildung und Gewerbefleiss". Den freihaendlerischen Ansichten der preussischen Staatsmaenner genuegte das neue Gesetz nicht voellig. Man ahnte im Finanzministerium wohl, dass der weitaus groesste Teil des Zollertrags allein von den gangbarsten Kolonialwaren aufgebracht werden und die Staatskasse von anderen Zoellen nur geringen Vorteil ziehen wuerde. Aber man sah auch, dass jedem Steuersystem durch die Gesinnung der Steuerpflichtigen feste Schranken gezogen sind; die oeffentliche Meinung jener Tage wuerde der Regierung nie verziehen haben, wenn sie den Kaffee besteuert, den Tee frei gelassen haette. Maassen verwarf jede einseitige Beguenstigung eines Zweiges der Produktion, er rechnete auf das Ineinandergreifen von Ackerbau, Gewerbe und Handel und betrachtete die Schutzzoelle nur als einen Notbehelf, um die deutsche Industrie allmaehlich zu Kraeften kommen zu lassen. Schon bei der ersten Revision des Tarifs im Jahre 1821 tat man einen Schritt weiter im Sinne des Freihandels, vereinfachte den Tarif und setzte mehrere Zoelle herab. Waehrend das Gesetz von 1818 fuer die westlichen Provinzen einen eigenen Tarif mit etwas niedrigeren Saetzen aufgestellt hatte, fiel jetzt der Unterschied zwischen den Provinzen hinweg; die Zollrolle von 1812 bildete in Form und Einrichtung die Grundlage fuer alle spaeteren Tarife des Zollvereins. Derweil der Staatsrat diese Reform zum Abschluss brachte, erging sich die unreife nationaloekonomische Bildung der Zeit in widersprechenden Klagen. Die Massen meinten die Verteuerung des Lebensunterhalts nicht ertragen zu koennen, die Fabrikanten sahen "dem englischen Handelsdespotismus" Tuer und Tor geoeffnet und bestuermten den Thron abermals mit so verzweifelten Bittschriften, dass der Koenig, obwohl selbst mit Maassens Plaenen ganz einverstanden, doch eine nochmalige Pruefung des schon unterschriebenen Gesetzes befahl. Erst am 1. September 1818 wurde das Zollgesetz veroeffentlicht, erst zu Neujahr 1819 traten die neuen Grenzzollaemter in Taetigkeit. Am 8. Februar 1819 erschien das ergaenzende Gesetz ueber die Besteuerung des Konsums inlaendischer Erzeugnisse, wonach nur Wein, Bier, Branntwein und Tabaksblaetter einer Steuer unterlagen, die ohne unmittelbare Belaestigung der Verzehrer von den Produzenten zu erheben war. Die neue Gesetzgebung hielt im ganzen sehr gluecklich die Mitte zwischen Handelsfreiheit und Zollschutz. Nur nach einer Richtung hin wich sie auffaellig ab von den Grundsaetzen des gemaessigten Freihandels: sie belastete den Durchfuhrhandel unverhaeltnismaessig schwer. Der Zentner Transitgut zahlte im Durchschnitt einen halben Taler Zoll, auf einzelnen wichtigen Handelsstrassen noch weit mehr -- sicherlich eine sehr drueckende Last fuer ordinaere Gueter, zumal wenn sie das preussische Gebiet mehrmals beruehrten. Die naechste Veranlassung zu dieser Haerte lag in dem Beduerfnis der Finanzen. Preussen beherrschte einige der wichtigsten Handelsstrassen Mitteleuropas: die Verbindung Hollands mit dem Oberlande, die alten Absatzwege des polnischen Getreides, den Verkehr Leipzigs mit der See, mit Polen, mit Frankfurt. Man berechnete, dass die volle Haelfte der in Preussen eingehenden Waren dem Durchfuhrhandel angehoerte. Die erschoepfte Staatskasse war nicht in der Lage, diesen einzigen Vorteil, den ihr die unglueckliche langgestreckte Gestalt des Gebiets gewaehrte, aus der Hand zu geben. Ueberdies stimmten alle Kenner des Mautwesens ueberein in der fuer jene Zeit wohlbegruendeten Meinung, dass nur durch Besteuerung der Durchfuhr der finanzielle Ertrag des Grenzzollsystems gesichert werden koenne. Gab man den Transit voellig frei, so wurde dem Unterschleif Tuer und Tor geoeffnet, ein ungeheurer Schmuggelhandel von Hamburg, Frankfurt, Leipzig her geradezu herausgefordert, das ganze Gelingen der Reform in Frage gestellt. Die unbillige Hoehe der Durchfuhrzoelle aber und das zaehe Festhalten der Regierung an diesen fuer die deutschen Nachbarlande unleidlichen Saetzen erklaert sich nur aus politischen Gruenden. Der Transitzoll diente dem Berliner Kabinett als ein wirksames Unterhandlungsmittel, um die deutschen Kleinstaaten zum Anschluss an die preussische Handelspolitik zu bewegen. Von jenem Traumbilde einer gesamtdeutschen Handelspolitik, das waehrend des Wiener Kongresses den preussischen Bevollmaechtigten vorgeschwebt hatte, war man in Berlin laengst zurueckgekommen. Die Unmoeglichkeit solcher Plaene ergab sich nicht bloss aus der Nichtigkeit der Bundesverfassung, sondern auch aus den inneren Verhaeltnissen der Bundesstaaten. Hardenberg(7) wusste, dass der Wiener Hof an seinem altvaeterlichen Provinzialzollsystem nichts aendern wollte und seine nichtdeutschen Kronlaender einem Bundeszollwesen schlechterdings nicht unterordnen konnte. Aber auch das uebrige Deutschland bewahrte noch viele Truemmer aus der schmaehlichen kosmopolitischen Epoche unserer Vergangenheit. Noch war Hannover von England, Schleswig-Holstein von Daenemark abhaengig, noch stand Luxemburg in unmittelbarer geographischer Verbindung mit dem niederlaendischen Gesamtstaate. Wie war ein gesamtdeutsches Zollwesen denkbar, so lange diese Fremdherrschaft waehrte? Auch die Verfassung mehrerer Bundesstaaten bot unuebersteigliche Hindernisse. Die preussische Zollreform ruhte auf dem Gedanken des gemeinen Rechts. Wer durfte erwarten, dass der mecklenburgische Adel auf seine Zollfreiheit, der saechsische auf die mit den staendischen Privilegien fest verkettete Generalakzise verzichten wuerde, so lange die staendische Oligarchie in diesen Landen ungestoert herrschte? Wie war es moeglich, die preussischen Zoelle, welche die Einheit des Staatshaushalts voraussetzten, in Hannover einzufuehren, wo noch die Koenigliche Domaenenkasse und die staendische Steuerkasse selbstaendig nebeneinander standen? Das Zollwesen hing ueberdies eng zusammen mit der Besteuerung des inlaendischen Konsums; nur wenn die Kleinstaaten sich entschlossen, das System ihrer indirekten Steuern auf preussischen Fuss zu setzen oder doch dem preussischen Muster anzunaehern, war eine ehrliche Gegenseitigkeit, eine dauernde Zollgemeinschaft zwischen ihnen moeglich. Und liess sich solche Opferwilligkeit erwarten in jenem Augenblick, da der Rheinbund und das Raenkespiel des Wiener Kongresses den selbstsuechtigen Duenkel der Dynastien krankhaft aufgeregt und jeder Scham entwoehnt hatten? Selbst jene Staaten, denen redlicher Wille nicht fehlte, konnten gar nicht sofort auf die harten Zumutungen eingehen, welche Preussen ihnen stellen musste, um sich den Ertrag seiner Zoelle zu sichern. Man musste, so gestand Eichhorn(8) spaeterhin, sich erst orientieren in der veraenderten Lage, die nationaloekonomischen Beduerfnisse des eigenen Landes und die zur Deckung der Staatsausgaben notwendigen Opfer ueberschlagen; bevor man hierueber ins Klare gekommen, konnte man sich von einer gemeinsamen Beratung keinen Erfolg versprechen, am wenigsten von einer Beratung fuer ganz Deutschland am Bundestag. Wie die Dinge lagen, musste Preussen selbstaendig vorgehen, ohne jede schonende Ruecksicht fuer die deutschen Nachbarn. Unter den gemuetlichen Leuten herrschte die Ansicht vor, Preussen solle die Binnengrenzen gegen Deutschland offen halten und allein an den Grenzen gegen das Ausland Zoelle erheben. Der kindische Vorschlag haette, ausgefuehrt, jede Grenzbewachung unmoeglich gemacht, die finanziellen wie die volkswirtschaftlichen Zwecke der Zollreform voellig vereitelt. Selbst eine mildere Besteuerung deutscher Produkte war unausfuehrbar. Gerade die deutschen Kleinstaaten mit ihren verzwickten, mangelhaft oder gar nicht bewachten Grenzen mussten der preussischen Staatskasse als die gefaehrlichsten Gegner erscheinen. Ursprungszeugnisse, von solchen Behoerden ausgestellt, boten den genauen Rechnern der Berliner Bureaus keine genuegende Sicherheit. Jede Erleichterung, die an diesen Grenzen eintrat, ermutigte den Unterschleif, so lange nicht eine geordnete Zollverwaltung in den kleinen Nachbarstaaten bestand. Noch mehr: gewaehrte Preussen den deutschen Staaten Beguenstigungen, so griff das Ausland unfehlbar zu Retorsionen(9), und der Staat wurde allmaehlich in ein Differentialzollsystem hineingetrieben, das den Absichten seiner Staatsmaenner schnurstracks zuwiderlief. Differentialzoelle erschienen dem Finanzministerium noch weit bedenklicher als Schutzzoelle, da diese den Verkehr belasteten zugunsten der einheimischen, jene zum Vorteil der auslaendischen Produzenten. Es war nicht anders: sollte das neue Zollsystem ueberhaupt ins Leben treten, so mussten alle nichtpreussischen Waren zuvoerderst auf gleichem Fuss behandelt werden. Allerdings wurden dadurch die deutschen Nachbarn sehr hart getroffen. Sie waren gewohnt, einen schwunghaften Schmuggelhandel nach Preussen hinueber zu fuehren; jetzt trat die strenge Grenzbewachung dazwischen. Die Zollinien an den Grenzen der neuen Provinzen stoerten vielfach altgewohnten Verkehr. Das Koenigreich Sachsen litt schwer, als die preussischen Zollschranken dicht vor den Toren Leipzigs aufgerichtet wurden. Die kleinen rheinischen Lande sahen nahe vor Augen das beginnende Erstarken der preussischen Volkswirtschaft; was drueben ein Segen, ward hueben zur Last. Begreiflich genug, dass gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft Preussens die Missstimmung ueberhand nahm. Auch die Einrichtung der Gewichtszoelle war fuer die deutschen Nachbarstaaten unverhaeltnismaessig laestig, da das Ausland zumeist feinere, Deutschland groebere Waren in Preussen einzufuehren pflegte. Indes, wenn es nicht anging, den Kleinstaaten sofort Beguenstigungen zu gewaehren, so war doch die Zollreform von Haus aus darauf berechnet, die deutschen Nachbarn nach und nach in den preussischen Zollverband hineinzuziehen. "Die Unmoeglichkeit einer Vereinigung fuer den ganzen Bund erkennend, suchte Preussen durch Separatvertraege sich diesem Ziele zu naehern" -- mit diesen kurzen und erschoepfenden Worten hat Eichhorn zehn Jahre spaeter den Grundgedanken der preussischen Handelspolitik bezeichnet. Die Zerstueckelung seines Gebietes zwang den Staat, deutsche Politik zu treiben, machte ihm auf die Dauer unmoeglich, sich selbst genuegsam abzuschliessen, seine Verwaltung zu ordnen ohne Verstaendigung mit den deutschen Nachbarlanden. Ein grosser Teil der thueringischen Besitzungen Preussens, 41 Geviertmeilen, musste vorderhand aus der Zollinie ausgeschlossen bleiben. Es war eine unabweisbare Notwendigkeit, die Zollschranken mindestens so weit hinauszuschieben, dass das gesamte Staatsgebiet gleichmaessig besteuert werden konnte. In dem Zollgesetz selber (§ 5) war die Absicht erklaert, durch Handelsvertraege den wechselseitigen Verkehr zu befoerdern. Die harte Besteuerung der Durchfuhr gab diesem Winke fuehlbaren Nachdruck. Noch bestimmter sprach sich Hardenberg ueber die Absicht des Gesetzes aus, schon ehe es in Kraft trat. Als die Fabrikanten von Rheidt und anderen rheinischen Plaetzen den Staatskanzler um Beseitigung der deutschen Binnenzoelle baten, gab er die Antwort (3. Juni 1818): die Vorteile, welche aus der Vereinigung mehrerer deutscher Staaten zu einem gemeinschaftlichen Fabrik- und Handelssystem hervorgehen koennen, seien der Regierung nicht unbekannt; mit steter Ruecksicht hierauf sei der Plan des Koenigs zur Reife gediehen. "Es liegt ganz im Geiste dieses Planes, ebensowohl auswaertige Beschraenkungen des Handels zu erwidern, als Willfaehrigkeit zu vergelten und nachbarliches Anschliessen an ein gemeinsames Interesse zu befoerdern". Ebenso erklaerte er den Elberfeldern: die preussischen Zollinien sollten dazu dienen, "eine allgemeine Ausdehnung oder sonstige Vereinigung vorzubereiten". Damit wurde deutlich angekuendigt, dass der Staat, der seit langem das Schwert des alten Kaisertums fuehrte, jetzt auch die handelspolitischen Reformgedanken der Reichspolitik des sechzehnten Jahrhunderts wieder aufnahm und bereit war, der Nation nach und nach die Einheit des wirtschaftlichen Lebens zu schaffen, welche ihr im ganzen Verlaufe ihrer Geschichte immer gefehlt hatte. Er dachte dies Ziel, das sich nicht mit einem Sprunge erjagen liess, schrittweis, in bedachtsamer Annaeherung, durch Vertraege von Staat zu Staat zu erreichen. Mars und Merkur sind die Gestirne, welche in diesem Jahrhundert der Arbeit das Geschick der Staaten vornehmlich bestimmen. _Das Heerwesen und die Handelspolitik der Hohenzollern bildeten fortan die beiden Rechtstitel, auf denen Preussens Fuehrerstellung in Deutschland ruhte._ Und diese Handelspolitik war ausschliesslich das Werk der Krone und ihres Beamtentums. Sie begegnete, auch als ihre letzten Ziele sich spaeterhin voellig enthuellten, regelmaessig dem verblendeten Widerstande der Nation. Im Zeitalter der Reformation war die wirtschaftliche Einigung unseres Vaterlandes an dem Widerstande der Reichsstaedte gescheitert; im 19. Jahrhundert ward sie recht eigentlich gegen den Willen der Mehrzahl der Deutschen von neuem begonnen und vollendet. Im Kampfe gegen das preussische Zollgesetz hielten alle deutschen Parteien zusammen, Kotzebues Wochenblatt so gut wie Ludens Nemesis. Vergeblich widerlegte J. G. Hoffmann(10) in der Preussischen Staatszeitung mit ueberlegener Sachkenntnis das fast durchweg wertlose nationaloekonomische Gerede der Presse. Dieselben Schutzzoellner, die um Hilfe riefen fuer die deutsche Industrie, schalten zugleich ueber die unerschwinglichen Saetze des preussischen Tarifs, der doch jenen Schutz gewaehrte. Dieselben Liberalen, die den Bundestag als einen voellig unbrauchbaren Koerper verspotteten, forderten von dieser Behoerde eine schoepferische handelspolitische Tat. Wenn Hoffmann nachwies, dass das neue Gesetz eine Wohltat fuer Deutschland sei, so erwiderten Poelitz, Krug und andere saechsische Publizisten, kein Staat habe das Recht, seinen Nachbarn Wohltaten aufzudraengen. Alberne Jagdgeschichten wurden mit der hoechsten Bestimmtheit wiederholt und von der Unwissenheit der Leser begierig geglaubt. Da hatte ein armer Hoeker aus dem Reussischen, als er seinen Schubkarren voll Gemuese zum Leipziger Wochenmarkt fuhr, einen Taler Durchfuhrzoll an die preussische Maut zahlen muessen -- nur schade, dass Preussen von solchen Waren gar keinen Zoll erhob. Auch die Sentimentalitaet ward gegen Preussen ins Feld gefuehrt; sie findet sich ja bei den Deutschen immer ein, wenn ihnen die Gedanken ausgehen. Da war gleich am ersten Tage, als das unselige Gesetz in Kraft trat, ein Zollbeamter zu Langensalza von einem gothaischen Patrioten im Rausche heiligen Zornes erstochen worden; der Mann hatte sich aber selbst entleibt. Da hiess es wehmuetig, Koenig Friedrich Wilhelm hege wohl menschenfreundliche Absichten, aber "finanzielle Ruecksichten vergiften die besten Massregeln"; fuer die harte Notwendigkeit dieser finanziellen Ruecksichten hatte man kein Auge. Die ersehnte Einheit des deutschen Marktes -- darueber bestand unter den liberalen Patrioten kein Streit -- konnte nur gelingen, wenn die bereits vollzogene Einigung der Haelfte Deutschlands wieder zerstoert wurde. Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. II, 211 ff. -- Die Anmerkungen sind vom Herausgeber beigefuegt. ------------------ 1 Geb. 23. August 1769, gest. 2. November 1834. 2 Adam Smith, geb. 1723, gest. 1790, ist als der Begruender der neueren Nationaloekonomie zu betrachten; er vertrat die Lehre, dass es in wirtschaftlichen Dingen Aufgabe des Staates sei, das freie Spiel der wirtschaftlichen Kraefte durch Beseitigung entgegenstehender Hemmnisse zu foerdern. 3 Geb. 11. Maerz 1770, gest. am 15. September 1830 an den schweren Verletzungen, die er sich bei Eroeffnung der zwischen Liverpool und Manchester erbauten Eisenbahn dadurch zuzog, dass er beim Einsteigen unter die Raeder fiel. Im Ministerium Canning war er Staatssekretaer fuer die Kolonien. 4 Die Navigationsakte vom 9. Oktober 1651 gestattete die Einfuhr von Waren aus Afrika, Asien und Amerika nur unter englischer Flagge, die Einfuhr von europaeischen Waren nur durch englische Schiffe oder Schiffe des erzeugenden Landes. Damit wurde der hollaendische Zwischenhandel ausgeschaltet. Erst 1849 wurde die Akte aufgehoben. 5 Edmund Burke, geb. 1729, gest. 9. Juli 1797, hervorragender englischer Politiker und Staatsmann. 6 Adam Smith war von 1751 ab eine Reihe von Jahren als Professor der Logik und der Moral an der Universitaet zu Glasgow taetig. 7 Karl August, Fuerst von Hardenberg, geb. 31. Mai 1750, gest. 26. Nov. 1822, seit Juni 1810 bis an seinen Tod preussischer Staatskanzler. 8 Joh. Albrecht Friedrich Eichhorn, geb. 2. Maerz 1779, gest. 16. Januar 1856, war als Direktor der zweiten Abteilung des Ministeriums des Aeusseren besonders fuer die Entwicklung des Zollvereins taetig. Von 1840-48 kaempfte er als Kultusminister fuer die Erhaltung der kirchlichen Rechtglaeubigkeit gegen die freiheitlichen Bestrebungen der Lichtfreunde. 9 Zwangsmassregeln. 10 Joh. Gottfr. Hoffmann, geb. 19. Juli 1765, gest. 12. November 1847, hervorragender Nationaloekonom und Begruender der wissenschaftlichen Statistik. 2. Der Kampf gegen das preussische Zollgesetz und der erste preussische Zollvertrag. Alles historische Werden entspringt der bestaendigen Wechselwirkung zwischen dem bewussten Menschenwillen und den gegebenen Zustaenden. Wie die Vernunft, die in den Dingen liegt, nur durch die Willenskraft eines grossen, die Zeichen der Zeit verstehenden Mannes verwirklicht werden kann, so finden auch die Suenden und Irrtuemer der Politiker ihre Schranke an dem Charakter der Staaten, an der Macht der Ideen, die sich im Verlauf der Geschichte angesammelt haben. Schwer hatte die Krone Preussen gefehlt, als sie in Karlsbad(11) sich den lebendigen Kraeften des jungen Jahrhunderts entgegenstemmte; und doch war dieser Staat modern von Grund aus, er konnte sich der neuen Zeit nicht gaenzlich entfremden und begann eben jetzt eine Reform seines Haushalts, welche ihn befaehigte, in seiner wirtschaftlichen Entwicklung alle anderen deutschen Staaten zu ueberfluegeln. Nachgiebig bis zur Selbstvergessenheit war Hardenberg in Teplitz(12) allen Wuenschen Oesterreichs entgegengekommen, der Glaube an die unbedingte Interessengemeinschaft der beiden Grossmaechte beherrschte ihn ganz und gar; und doch war der Gegensatz der beiden Maechte in einer alten Geschichte begruendet und, so lange die Machtfrage der deutschen Zukunft ungeloest blieb, durch menschlichen Willen nicht mehr beizulegen. Fast in dem naemlichen Augenblicke, da der Berliner Hof sich gaenzlich der Fuehrung Oesterreichs zu ueberlassen schien, tat er wieder einen Schritt vorwaerts auf den Bahnen der friderizianischen Politik und begann die deutschen Nachbarlande in seine Zollgemeinschaft aufzunehmen. Es war ein winziger, nach dem Masse der Gegenwart fast laecherlicher Erfolg, aber der unscheinbare Beginn einer Staatskunst, welche die deutschen Staaten durch das Band wirtschaftlicher Interessen unloesbar an Preussen ketten und die Befreiung von Oesterreich vorbereiten sollte. Seit das preussische Zollgesetz in Kraft gesetzt und den kleinen Nachbarn zunaechst nur durch seine Haerten fuehlbar wurde, erhob sich ueberall mit erneuter Staerke der Ruf nach Aufhebung aller Binnenmauten, und es begann eine leidenschaftliche Agitation fuer die deutsche Handelseinheit, der Vorlaeufer und das Vorbild der spaeteren Kaempfe um die politische Einheit. Die ganze Nation schien einig in einem grossen Gedanken; gleichwohl gingen die Ansichten ueber die Mittel und Wege nach allen Richtungen auseinander, und das einzige, was retten konnte, der Anschluss an die schon vorhandene Einheit des preussischen Marktgebietes, ward in unseliger Verblendung so lange verschmaeht, bis schliesslich nur die bittere Not das Unvermeidliche erzwang. Gleich nach dem Frieden begann eine regelmaessige Einwanderung in das verarmte Preussen einzustroemen, etwa halb so stark als der Ueberschuss der Geburten; sie bestand ueberwiegend aus jungen Leuten der deutschen Nachbarschaft, die in dem Lande der sozialen Freiheit ihr Glueck suchten. Als nunmehr die Binnenzoelle in der Monarchie hinwegfielen, da liessen sich die Vorteile, welche der preussische Geschaeftsmann aus seinem ausgedehnten freien Markt zog, zumal an den Grenzplaetzen bald mit Haenden greifen: so siedelte ein Teil der Bingener Weinhaendler auf das preussische Ufer der Nahe ueber, da die Preise in Preussen oft dreimal hoeher standen als auf dem ueberfuellten hessischen Markte. Das Beamtentum der kleinen Hoefe war noch gewoehnt an das Zunftwesen, an die Erschwerung der Niederlassung und der Heiraten, an die tausend Quaelereien einer kleinlichen sozialen Gesetzgebung; von der Ueberlegenheit der preussischen Handelspolitik ahnte man hier noch gar nichts. Manchem wohlmeinenden Beamten in Sachsen und Thueringen erschienen die preussischen Steuergesetze als eine ueberfluessige fiskalische Haerte, weil sein eigener Staat fuer das Heerwesen nur Geringes leistete, also mit bescheidenen Einnahmen auskommen konnte. So entstand unter dem Schutze der kleinen Hoefe an den preussischen Binnengrenzen ein Krieg aller gegen alle, ein heilloser Zustand, von dem wir heute kaum noch eine Vorstellung haben. Das Volk verwilderte durch das schlechte Handwerk des Schwaerzens. In die zollfreien Packhoefe, welche ueberall dem preussischen Gebiete nahe lagen, traten alltaeglich handfeste braune Gesellen, die Jacken auf Ruecken und Schultern ganz glatt gescheuert, manch einem schaute das Messer aus dem Guertel; dann packten sie die schweren Warenballen auf, ein landesfuerstlicher Mautwaechter gab ihnen das Geleite bis zur Grenze und ein Helf Gott mit auf den boesen Weg. Der kleine Mann hoerte sich nicht satt an den wilden Abenteuern verwegener Schmuggler, die das heutige Geschlecht nur noch aus altmodischen Romanen und Jugendschriften kennt. Also gewoehnte sich unser treues Volk die Gesetze zu missachten. Jener wueste Radikalismus, der allmaehlich in den Kleinstaaten ueberhand nahm, ward von den kleinen Hoefen selber gepflegt: durch die Suenden der Demagogenjagd wie durch die Frivolitaet dieser Handelspolitik. Als die Urheber solchen Unheils galten allgemein nicht die Kleinstaaten, die den Schmuggel beguenstigten, sondern Preussen, das ihn ernsthaft verfolgte; nicht jene Hoefe, die an ihren unsauberen fiskalischen Kniffen, ihren veralteten unbrauchbaren Zollordnungen traege festhielten, sondern Preussen, das sein Steuersystem neu gestaltet und gemildert hatte. Unfaehig, die Lebensbedingungen eines grossen Staates zu verstehen, stellten die kleinen Hoefe alles Ernstes die Forderung, Preussen muesse jene reiflich erwogene, in alle Zweige des Gemeinwesens tief einschneidende Reform sofort wieder rueckgaengig machen, noch bevor sie die Probe der Erfahrung bestanden hatte -- und halb Deutschland stimmte dem toerichten Ansinnen zu. Ausserhalb der preussischen Beamtenkreise wagten in diesen ersten Jahren nur zwei namhafte Schriftsteller das Werk Maassens unbedingt zu verteidigen. Der unermuedliche Benzenberg(13) bewaehrte in seinem Buche "ueber Preussens Geldhaushalt und neues Steuersystem" wieder einmal seinen praktischen Takt. Im Verkehr mit Hardenberg hatte er gelernt, den Staatshaushalt von oben, vom Standpunkt der Regierenden zu betrachten. Er wusste, dass jede ernsthafte Kritik eines Steuersystems beginnen muss mit der Frage: welche Ausgaben dem Staate unerlaesslich seien? -- einer Frage, die von den meisten Publizisten jener Zeit gar nicht beruehrt wurde. So gelingt ihm nachzuweisen, dass Preussen seiner Zolleinkuenfte nicht entbehren koenne. Er scheut sich nicht, das Wehrgesetz und die neuen Steuergesetze als die groessten Wohltaten der juengsten Epoche Friedrich Wilhelms III. zu loben; er verlangt, dass man sie gegen jeden Widerstand aufrecht halte, fordert die Nachbarstaaten auf, der Einladung des Koenigs zu folgen und mit Preussen wegen gegenseitiger Aufhebung der Zoelle zu verhandeln. Dem Traumgebilde der Bundeszoelle geht er hart zu Leibe. Er richtet an F. List(14) (August 1819) einen offenen Brief und fragt, wie denn der Bundestag, "der keine Art von Legislation hat", eine solche Reform schaffen oder gar die Zollverwaltung leiten solle? und sei denn die Aufhebung der Binnenmauten moeglich ohne gleichmaessige Besteuerung des inneren Konsums? Die Stimme des nuechternen Mannes verhallte in dem allgemeinen Toben; war er doch laengst schon den Liberalen verdaechtig, weil er ein offenes Auge fuer die Eigenart des preussischen Staates besass. Auch einer der tuechtigsten Kaufleute Deutschlands, E. W. Arnoldi in Gotha(15), begruesste das preussische Zollgesetz schon im Januar 1819 als den ersten Keim eines Vereins aller deutschen Staaten. Nur herzhaft eingeschlagen in die dargebotene Hand: -- so sprach er sich im Allgemeinen Anzeiger aus -- Preussen stellt ja den Grundsatz der Gegenseitigkeit an die Spitze seines Gesetzes und erklaert sich bereit zu Vertraegen mit den Nachbarn. Der treffliche Mann hatte einst in Hamburg noch zu den Fuessen des alten Buesch(16) gesessen und sich dort eine freie Ansicht vom Welthandel gebildet, welche der binnenlaendischen Kleinlebigkeit der Mehrzahl seiner Standesgenossen noch ganz fremd war. Ihn wurmte die kindliche Unmuendigkeit dieser Geschaeftswelt, die so gar nichts tat, um sich das Joch einer widersinnigen Handelsgesetzgebung vom Nacken zu schuetteln. Schon seit Jahren trug er sich mit dem Gedanken eines Bundes der deutschen Fabrikanten zur Vertretung ihrer gemeinsamen Interessen. Dann stiftete er in seiner Vaterstadt unter dem Namen Innungshalle eine Handelskammer und eine rasch aufbluehende Handelsschule. Endlich fand er ein weites Gebiet fruchtbarer Taetigkeit in dem Versicherungswesen, das noch ganz in der Botmaessigkeit des Auslandes stand. Fast an allen groesseren deutschen Plaetzen unterhielt der maechtige Londoner Phoenix seine Agenturen und beutete die Deutschen durch unbillige Praemien aus, da die kleinen heimischen Versicherungsgesellschaften, die in einzelnen Staedten des Nordens bestanden, ihre Wirksamkeit auf die Vaterstadt beschraenkten. Da wendete sich Arnoldi (1819) an die Nation mit der Frage, wie lange sie noch ihr Geld in die englische Sparbuechse legen wolle, und entwarf den Plan fuer eine deutsche, das gesamte Vaterland umfassende, auf Gegenseitigkeit beruhende Feuerversicherungsbank. Zwei Jahre darauf trat diese Anstalt zu Gotha ins Leben, der erste Anfang der grossartigen Entwicklung unseres nationalen Versicherungswesens. Der allgemeine Hass gegen Englands Handelsherrschaft kam dem kuehnen Unternehmer zustatten. Ueberall im Binnenlande schalt man auf England und die Hansestaedte, die den Sueddeutschen nur als englische Kontore galten; der wieder erwachende Napoleonskultus und die franzoesischen Sympathien der Liberalen des Suedens wurden durch solche erregte Stimmungen gefoerdert. Ueber die Waffen freilich, welche den deutschen Gewerbefleiss vor einer erdrueckenden auslaendischen Mitwerbung sichern konnten, hatten die wenigsten auch nur nachgedacht. Nur soviel schien allen unzweifelhaft, dass saemtliche neu eingefuehrte Zoelle sofort wieder aufgehoben und die im Artikel 19 der Bundesakte verheissene Verkehrsfreiheit durch den Bundestag angeordnet werden muesse. Selbst jener hochherzige, geistvolle Agitator, der mit dem ganzen Ungestuem seiner Tatkraft gegen die Binnenmauten auftrat, auch Friedrich List, teilte den allgemeinen Irrtum. Wie Goerres(17) einst im Rheinischen Merkur die Idee der politischen Macht und Einheit des Vaterlandes vertrat, so verfocht List die Idee der handelspolitischen Einheit -- eine verwandte Natur, feurig, hochbegeistert, ein Meister der bewegten Rede, voll tiefer und echter Leidenschaft, leicht hingerissen zu phantastischen Verirrungen. Ein echter Reichsstaedter, war er im freiheitsstolzen Reutlingen aufgewachsen, unter ewigen Haendeln mit den wuerttembergischen Schreibern; er zaehlte zu jenen geborenen Kaempfern, denen das Schicksal immer neuen Hader sendet, auch wenn sie den Streit nicht suchen. Seine Mutter, seinen einzigen Bruder sah er ploetzlich sterben infolge der Roheit brutaler Beamten; und als er dann selber einige Jahre in der geisttoetenden Scheintaetigkeit der wuerttembergischen Schreibstuben verbracht hatte, da ward sein Hass gegen die Herrschaft des rheinbuendischen Beamtentums grenzenlos, und er setzte sich zum Ziele seines Lebens, den Buerger und Bauersmann zur Selbsttaetigkeit zu erwecken, ihn aufzuklaeren ueber seine naechsten Interessen, die Volkswirtschaftslehre von den Formeln des Katheders zu befreien und sie die Sprache des Volkes reden zu lassen. Schon durch die Geburt ein Deutscher schlechtweg, gleich dem Reichsritter Stein, ging er mit seinen kuehnen Entwuerfen sogleich ueber die Grenzen der schwaebischen Heimat hinaus, so dass er den verschwiegerten und verschwaegerten Wuerttembergern bald als ein wildfremder Stoerenfried verdaechtig wurde: eine neue Zeit handelspolitischer Groesse, dauerhafter als einst die Herrlichkeit der Hansa, sollte dem deutschen Vaterlande tagen. Eine seltene Kunst, die Massen zu befeuern und zu erregen, stand ihm zu Gebote, ein agitatorisches Talent, dessengleichen unsere an grossen Demagogen so arme Geschichte seither nur noch zweimal, in Robert Blum(18) und Lassalle(19) gesehen hat. Im April 1819 stiftete List mit mehreren Industriellen der Kleinstaaten, Miller aus Immenstadt, Schnell aus Nuernberg, E. Weber aus Gera den Verein deutscher Kaufleute und Fabrikanten, dem sich bald die Mehrzahl der grossen Firmen in Sued- und Mitteldeutschland anschloss, und legte rasch entschlossen seine Tuebinger Professur nieder, da die wuerttembergische Regierung das Amt eines Konsulenten des Handelsvereins als unvertraeglich mit der Beamtenwuerde betrachtete. Der neue Handelsverein richtete sogleich an den Bundestag eine Bittschrift um Ausfuehrung des Artikels 19, Beseitigung aller Binnenmauten und Erlass eines deutschen Zollgesetzes, das den Zoellen des Auslandes mit strengen Retorsionen begegnen sollte, bis sich ganz Europa ueber allgemeine Handelsfreiheit verstaendigt haette -- denn noch bekannte sich List, gleich den meisten Sueddeutschen jener Zeit, im Grundsatz zu den Lehren des Freihandels. In Frankfurt abgewiesen, bestuermte List sodann die Hoefe, die Geschaeftsmaenner und wen nicht sonst mit seinen Gesuchen, geisselte in seiner Zeitschrift dem "Organ des deutschen Handels- und Gewerbestandes", unermuedlich und unerbittlich die Gebrechen deutscher Handelspolitik. Also hat er in rastloser Arbeit mehr als irgendeiner der Zeitgenossen dazu beigetragen, dass die Ueberzeugung von der Unhaltbarkeit des Bestehenden tief in die Nation drang. Grosse verwegene Traeume, die erst das lebende Geschlecht in Erfuellung gehen sieht, regten sich in seinem stuermischen Kopfe: er dachte an eine gemeinsame Gewerbegesetzgebung, an ein deutsches Postwesen, an nationale Industrieausstellungen, er hoffte die romantischen Kaisertraeume des jungen Geschlechts durch die Arbeit der praktischen nationalen Politik zu verdraengen und sah die Zeit voraus, da eine freie Verfassung, ein deutsches Parlament aus der Handelseinheit hervorgehen wuerde. Als der Schoepfer des Zollvereins, wie er selber im Uebermass seines Selbstgefuehls sich genannt hat, kann List gleichwohl keinem Unbefangenen gelten. Ein klares Programm, einen bestimmten, durchgebildeten politischen Gedanken aufzustellen und festzuhalten, lag ueberhaupt nicht in der Weise der Patrioten jener Zeit. Nur im Innern der sueddeutschen Mittelstaaten begann die konstitutionelle Bewegung bereits feste, deutlich ausgesprochene Parteimeinungen hervorzurufen. Wer ueber den deutschen Gesamtstaat schrieb, begnuegte sich noch immer, der elenden Gegenwart ein leuchtendes Idealbild gegenueberzuhalten und dann im raschen Wechsel Einfaelle und Winke fuer den praktischen Staatsmann hinzuwerfen. Wie Goerres im Rheinischen Merkur ein ganzes Geschwader deutscher Verfassungsplaene harmlos veroeffentlichte, so eilte auch List in jaehen Spruengen von einem Plane zum andern ueber. Bald will er die deutschen Bundesmauten an eine Aktiengesellschaft verpachten; bald soll Deutschland sich anschliessen an das oesterreichische Prohibitivsystem; dann ueberfaellt ihn wieder die Ahnung, ob nicht Preussen den Weg zur Einheit zeigen werde. In seiner Eingabe an den Bundestag gestand er: "Man wird unwillkuerlich auf den Gedanken geleitet, die liberale preussische Regierung, die der Lage ihrer Laender nach vollkommene Handelsfreiheit vor allen andern wuenschen muss, hege die grosse Absicht, durch dieses Zollsystem die uebrigen Staaten Deutschlands zu veranlassen, endlich wegen einer voelligen Handelsfreiheit sich zu vergleichen. Diese Vermutung wird fast zur Gewissheit, wenn man die Erklaerung der preussischen Regierung beruecksichtigt, dass sie sich geneigt finden lasse, mit Nachbarstaaten besondere Handelsvertraege zu schliessen". Leider vermochte der Leidenschaftliche nicht an dieser einfach richtigen Erkenntnis festzuhalten. Er war ein Gegner der preussischen Handelspolitik, soweit aus seinem unsteten Treiben ueberhaupt eine vorherrschende Ansicht erkennbar wird; denn nach allen Abschweifungen lenkte er immer wieder auf jenen Weg zurueck, welchen Preussen laengst als unmoeglich erkannt hatte, auf die Idee der Bundeszoelle. Von den preussischen Zustaenden besass List nur sehr mangelhafte Kenntnis; sein Verein ward durch die Hoffnung auf baldige Wiederaufhebung des preussischen Zollgesetzes zusammengehalten und besass Korrespondenten in allen groesseren deutschen Staaten, aber, bezeichnend genug, keinen in Preussen. Nur der Zauber, der an dem Namen Deutschland haftete, erklaert das Raetsel, dass so viele wackere und einsichtige Maenner noch immer auf eine Handelspolitik des Deutschen Bundes hoffen konnten. Seinerseits hatte der Bundestag alles getan, um die Schwaermer zu enttaeuschen. Die Berichterstattung ueber Lists Bittschrift wurde dem Hannoveraner Martens(20) uebertragen, der gleich den meisten dieser "deutschen Grossbritannier" die englische Handelsherrschaft auf deutschem Boden hocherfreulich fand. Mit dem ganzen Feuereifer polizeilicher Seelenangst fragte er zunaechst, woher dieser Verein das Recht nehme, sich zum Vertreter des deutschen Handelsstandes aufzuwerfen, und ueberliess es den hohen Regierungen, auf ihre beteiligten Untertanen ein wachsames Auge zu richten. Zur Sache selbst brachte er nicht viel mehr vor als eine drastische Schilderung der ungeheueren Schwierigkeiten, welche sich, seit die deutschen Staaten souveraen geworden, der Handelseinheit entgegenstellten (24. Mai). Einige Bundesgesandte wuenschten mindestens die Einsetzung einer Kommission; aber dann haetten ja die Bittsteller waehnen koennen, dieser Schritt sei auf ihre Veranlassung geschehen! Um einer so frevelhaften Missdeutung vorzubeugen, beschloss die Bundesversammlung nur, dass man sich spaeterhin einmal mit dem Artikel 19 beschaeftigen wolle. Einige Wochen nachher (22. Juli) erinnerten die Ernestinischen Hoefe den Bundestag nochmals an den ungluecklichen Artikel; Lists Freund, E. Weber, und die Fabrikanten des Thueringer Waldes liessen ihnen keine Ruhe. Diesmal ergingen sich Baden, Wuerttemberg, beide Hessen und die Ernestiner in wohlgemeinten, aber auch sehr wohlfeilen Reden zum Preise der deutschen Verkehrsfreiheit und begeisterten die Versammlung dermassen, dass sie nunmehr wirklich beschloss, nach den Ferien, also 1820, solle eine Kommission eingesetzt werden. Das war die Hilfe, welche Deutschlands Handel in Frankfurt zu erwarten hatte. Der preussische Gesandte(21) aber fand es mit Recht unbegreiflich, dass diese Versammlung sichs zutraue, so schwierige Arbeiten auch nur in die Hand zu nehmen. Trotz solcher Erfahrungen sollten noch viele Jahre vergehen, bis die Unausfuehrbarkeit der leeren Versprechungen des Artikels 19 allgemein erkannt wurde. Mit grosser Hartnaeckigkeit hielt namentlich die badische Regierung an dem Traumbilde des Bundeszollwesens fest; ihr langgestrecktes, auf die Durchfuhr angewiesenes Land litt unter dem Jammer der Binnenmauten besonders schwer, und nicht ohne Besorgnis betrachtete Minister Berstett(22) die wachsende Erbitterung im Volke. Der beschraenkte Mann hoffte durch wirtschaftliches Gedeihen die Nation mit ihrer schimpflichen Zersplitterung zu versoehnen, ihr "einen materiellen Ersatz fuer den Verlust mancher chimaerischen, aber liebgewordenen Ideen" zu geben. Darum empfahl er auf den Karlsbader Konferenzen in einer langen Denkschrift (15. August) die Einfuehrung eines Bundes- Douanensystems, das fuer 30 Millionen Menschen freien Verkehr schaffen muesse; ueber die grosse Frage, wie es moeglich sein sollte, Hannover, Holstein, Luxemburg, Deutsch- Oesterreich einem nationalen Zollwesen einzufuegen, ging das ueberaus unklare, widerspruchsvolle Schriftstueck schweigend hinweg. Metternich(23) wurde durch diesen Antrag, welchem Oesterreich sich schlechterdings nicht fuegen konnte, unangenehm ueberrascht und versuchte sogar, die Kompetenz des Bundes in Zweifel zu ziehen. "Der Handel -- so behauptete er --, seine Ausdehnung wie seine Beschraenkung gehoert zu den ersten Befugnissen der Souveraenitaet". Zur Misshandlung der Universitaeten, von denen die Bundesakte kein Wort sagte, war der Bund nach der k. k. Doktrin unzweifelhaft befugt; aber die Verkehrsfreiheit, welche der Bundesvertrag ausdruecklich in Aussicht stellte, verstiess gegen die Souveraenitaet der Bundesstaaten. Drastischer konnte das Verhaeltnis der Hofburg zu den Lebensfragen der deutschen Nation unmoeglich bezeichnet werden. Auf das wiederholte Andraengen Badens und Wuerttembergs erklaerte sich der oesterreichische Staatsmann zuletzt doch bereit, die Zollfrage auf die Tagesordnung der bevorstehenden Wiener Konferenzen zu setzen. Er wusste wohl, was von solchen Beratungen zu erwarten sei. Unterdessen hatte auch der beste Kopf unter den badischen Finanzmaennern, Nebenius(24), seine Gedanken ueber die Bedingungen der deutschen Verkehrsfreiheit in einer geistvollen Denkschrift niedergelegt, einer Privatarbeit, welche zwar niemals, auch nicht mittelbar, auf die Entwicklung des Zollvereins irgendeinen Einfluss ausgeuebt hat, aber durch Klarheit und Bestimmtheit alles uebertraf, was damals von Privatleuten ueber deutsche Handelspolitik geschrieben wurde. Der gelehrte Verfasser der badischen Konstitution errang sich schon in jenen Jahren durch seine Schrift ueber die englische Staatswirtschaft ein wissenschaftliches Ansehen, das spaeterhin, seit dem Erscheinen seines Werkes "der oeffentliche Kredit" noch hoeher stieg; dies klassische Buch kann niemals ganz veralten, es wird, wie Ricardos(25) Werke, dem angehenden Nationaloekonomen immer unschaetzbar bleiben als eine Schule strengen methodischen Denkens. Auch seine um Neujahr 1819 verfasste handelspolitische Denkschrift verraet ueberall den sicheren Blick des gewiegten Kenners. Sie wurde im April 1819 vertraulich den badischen Landtagsmitgliedern mitgeteilt und dann im Winter den Wiener Konferenzen durch Berstett als ein beachtenswertes Privatgutachten ueberreicht. Maassen freilich, Klewiz(26) und die anderen Urheber des preussischen Zollgesetzes konnten aus den Ratschlaegen des badischen Staatsmannes nichts lernen. Fuer sie war das Richtige in seiner Denkschrift nicht neu, das Neue nicht richtig. Die Denkschrift tritt, in den behutsam schonenden Formen, welche Nebenius liebte, entschieden gegen das preussische Zollgesetz auf. Sie hebt die Uebelstaende dieses Systems scharf heraus, ohne die Lichtseiten zu erwaehnen. Sie stellt den Satz hin: "kein deutscher Staat, Oesterreich ausgenommen, vermag sein Gebiet gegen ueberwiegende fremde Konkurrenz wirksam zu schuetzen" -- eine Behauptung, welche Preussens Staatsmaenner soeben durch die Tat zu widerlegen begannen. Die Urheber des Gesetzes vom 26. Mai gingen aus von den Beduerfnissen des preussischen Staatshaushalts, Nebenius hebt an mit der Betrachtung der Leiden des deutschen Verkehrs. Darum steht jenen die finanzielle, diesem der staatswirtschaftliche Gesichtspunkt obenan. Darum wollen jene die allmaehliche Erweiterung des preussischen Zollwesens unter den Bedingungen, welche das Interesse der preussischen Finanzen vorschreibt. Nebenius hingegen fordert, ganz im Sinne der Durchschnittsmeinung der Zeit, ein System deutscher Bundeszoelle, eine vom Bundestage abhaengige Zollverwaltung. Er will mithin genau das Gegenteil der Politik, welche den wirklichen Zollverein geschaffen hat; der erste Schritt auf dem von Nebenius vorgeschlagenen Wege musste offenbar zur Aufhebung des preussischen Zollgesetzes fuehren, also gerade die Grundlage des spaeteren Zollvereins vernichten. Der handelspolitische Kampf jener Jahre bewegte sich um die eine Frage: soll das preussische Zollgesetz aufrecht bleiben oder nicht? Und in diesem Streite stand Nebenius auf der Seite der Irrenden. Will man eine Denkschrift, welche also den leitenden politischen Gedanken der preussischen Handelspolitik bekaempft, als den bahnbrechenden Vorlaeufer des Zollvereins preisen, so muss man, kraft derselben Logik, auch Grossdeutsche und Kleindeutsche fuer Gesinnungsgenossen erklaeren. Beide Parteien erstrebten bekanntlich die deutsche Einheit, nur leider auf entgegengesetzten Wegen. Der staatsmaennische Sinn des geistvollen Badeners steht keineswegs auf gleicher Hoehe mit seiner volkswirtschaftlichen Einsicht. Er hegt wohl Zweifel, ob Oesterreich dem Zollverein beitreten koenne, zu einem sicheren Schluss gelangt er dennoch nicht. Noch im Jahre 1835 hat er den Eintritt Oesterreichs fuer moeglich gehalten; dann werde der Zollverein "den schoensten aller Maerkte bilden". Die schwerwiegenden politischen Gruende, welche einen solchen Gedanken fuer Preussen unannehmbar machten, sind ihm niemals klar geworden. Ebenso wenig will er begreifen, warum Preussen als eine europaeische Macht die Selbstaendigkeit seiner Zollverwaltung unbedingt aufrecht halten musste; er verlangte eine in der Hand des Bundes zentralisierte Zollverwaltung, die Mautbeamten sollen allein dem Bunde vereidigt werden. Auch bei der Eroerterung von Nebenfragen vermag er nicht immer hinauszublicken ueber den engen Gesichtskreis seines heimischen Kleinstaates. So will er, mit wenigen Ausnahmen, die gesamte Zollerhebung allein an den Grenzen stattfinden lassen, weil, nach der Ansicht des badischen Beamtentums, diese Einrichtung dem Grenzlande Baden besonderen Vorteil bringen sollte. Maassen dagegen liess in allen groesseren preussischen Plaetzen Packhoefe und Zollstellen errichten, da ohne solche Erleichterung ein schwunghafter Speditionshandel offenbar nicht gedeihen konnte. Neben diesen Irrtuemern der Denkschrift steht freilich eine lange Reihe tief durchdachter, praktisch brauchbarer Vorschlaege, doch ist kein einziger darunter, welchen das preussische Kabinett nicht schon damals gekannt und angewendet haette. Mit grosser Klarheit entwickelt Nebenius den Satz, dass ohne Zollgemeinschaft die Freiheit des Verkehrs nicht moeglich sei. Dieser Gedanke, der uns heute trivial und selbstverstaendlich erscheint, war der Diplomatie der Kleinstaaten jener Zeit voellig neu. Den Berliner Staatsmaennern war er wohlbekannt; denn nur jenen Staaten, die sich dem preussischen Zollsystem einfuegen wollten, hatte Preussen freien Verkehr angeboten. Ebenso tief durchdacht waren die Grundzuege des Zolltarifs, welche Nebenius entwarf. Er will maessige Finanzzoelle namentlich auf die Gegenstaende allgemeinen Gebrauchs, auf die Kolonialwaren legen; die dem heimischen Gewerbefleiss notwendigen Rohstoffe gibt er frei, die Fabrikwaren schuetzt er durch Zoelle, die ungefaehr der ueblichen Schmuggelpraemie entsprechen; feindselige Schritte des Auslandes sollen mit Repressalien erwidert werden. Treffliche Gedanken, ohne Frage; aber als Nebenius schrieb, war bereits der preussische Tarif veroeffentlicht, der durchaus auf denselben Grundsaetzen beruhte. Selbstaendiges Nachdenken hatte den Sueddeutschen genau auf dieselben staatswirtschaftlichen Ideen gefuehrt, welche Eichhorn oftmals als den Eckstein des preussischen Systems bezeichnete: "Freiheit, Reziprozitaet, Ausschliessung der Prohibition." War es nicht ein seltsames Zeichen der allgemeinen Unklarheit jener Tage, dass ein so ungewoehnlicher Geist so dicht heranstreifte an die Ideen des preussischen Zollsystems und doch nicht einmal die Frage aufwarf, ob nicht der Bau der deutschen Handelseinheit auf dem festen Grunde dieses Systems aufgerichtet werden sollte? -- Nebenius stellt ferner den Grundsatz auf, dass die Verteilung der Zolleinnahmen nach der Kopfzahl der Bevoelkerung erfolgen solle. Aber als seine Denkschrift in Berlin bekannt wurde, da hatte Preussen denselben folgenschweren Gedanken schon in einem Staatsvertrage praktisch durchgesetzt. Er eroertert sodann, die Zollgemeinschaft sei unmoeglich, wenn nicht auch der innere Konsum nach gleichen Grundsaetzen besteuert werde; bis dies Ziel erreicht sei, muesse man sich mit Uebergangsabgaben behelfen. Auch diese Einsicht bestand in Berlin schon laengst; eben weil Eichhorn und Maassen die weit abweichenden Steuersysteme der Nachbarstaaten kannten, wollten sie nicht zu einer vorschnellen Einigung die Hand bieten. Sie wussten desgleichen so gut wie Nebenius, dass es genuege, einen Zollvertrag fuer einige Jahre abzuschliessen; gleich ihm hofften sie zuversichtlich, der unermessliche Segen der Verkehrsfreiheit werde die Wiederaufhebung eines einmal geschlossenen Zollvereins verhindern {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Nebenius galt in der Diplomatie allgemein als ein bedeutender Kopf und als ein hoechst unbequemer Unterhaendler. Er zaehlte zu jenen stillen Gelehrtennaturen, die unter schmuckloser Huelle ein sehr reizbares Selbstgefuehl hegen, den Widerspruch ungern, noch schwerer die Widerlegung ertragen. Weit entfernt von der lauten Prahlsucht Friedrich Lists, war er doch mitnichten gesonnen, sein Licht hinter den Scheffel zu stellen. Er gab wohl zu, kein einzelner Mann koenne als Urheber des Zollvereins gelten. Doch er ruehmte sich, seine Denkschrift habe den Gedanken eines allgemeinen Zollverbandes zum ersten Male entwickelt, sie habe, bis auf einen einzigen Irrtum, die Verfassung des spaeteren Zollvereins im voraus richtig gezeichnet. Er uebersah, dass dieser einzige Irrtum gerade die Lebensfrage der deutschen Handelspolitik betraf; er uebersah nicht minder, dass der beste Teil seiner Denkschrift lediglich als Wunsch aussprach, was Preussen durch die Tat schon vollzogen hatte. Ihm gebuehrt nur das grosse Verdienst, dass er, gleichzeitig mit den preussischen Staatsmaennern und unabhaengig von ihnen, fuer einige wichtige Fragen deutscher Handelspolitik die rechte Loesung erdachte; jedoch die entscheidende Frage: "Bundeszoelle oder Anschluss an das preussische System?" wurde in Berlin richtig, von Nebenius falsch beantwortet {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Eine klare Vorstellung von dem Handelsbunde, der anderthalb Jahrzehnte spaeter ins Leben trat, hegte im Jahre 1819 noch niemand. "Die Idee hatte sich noch gar nicht entwickelt", pflegte Eichhorn spaeterhin zu sagen. Der Aufzug des grossen Gewebes war bereits ausgespannt. Es bestand das preussische Zollsystem, es bestand der ausgesprochene Wille Preussens, dies System zu erweitern und den deutschen Nachbarn ohne Kleinsinn reichlichen Anteil an den gemeinsamen Zolleinkuenften zu gewaehren. Noch fehlte der Einschlag. Es fehlte der gute Wille der Nachbarstaaten; es fehlte hueben wie drueben ein deutlicher Begriff von den losen und lockeren buendischen Formen, welche allein einen dauernden Handelsbund zwischen eifersuechtigen souveraenen Staaten -- dies noch niemals gewagte Unternehmen -- ermoeglichen konnten. Jenen guten Willen hat nachher die Not gezeitigt. Diese Verfassungsformen des Zollvereins sind nicht von Nebenius, noch von irgendeinem Denker im voraus ersonnen worden, da die Theorie solche Aufgaben niemals loesen kann; sie sind gefunden worden auf den Wegen praktischer Politik, durch Verhandlungen und gegenseitige Zugestaendnisse zwischen den deutschen Staaten. Der badische Denker schrieb als ein unverantwortlicher Privatmann, er durfte kuehn sofort die Einheit des ganzen Vaterlandes ins Auge fassen. Er hat an diesem Ideale unverbruechlich festgehalten, und weil er so hohen Flug nahm, verfiel er auf den unmoeglichen Plan der Bundeszoelle. Preussens Staatsmaenner hatten ein koestliches Gut zu hueten: die schwer errungene und noch immer hart bedrohte handelspolitische Einheit ihres Staates. Sie mussten sich von den Schwaermern bald des zaghaften Kleinsinns, bald des selbstzufriedenen Duenkels zeihen lassen, und indem sie bedachtsam auf dem Bestehenden fortbauten, erreichten sie das hohe Ziel. -- Zur rechten Stunde fanden die Urheber des preussischen Zollgesetzes einen maechtigen diplomatischen Bundesgenossen an dem neuen Referenten fuer die deutschen Angelegenheiten, J. A. F. Eichhorn, den sein Chef Graf Bernstorff auf dem Gebiete der Handelspolitik voellig frei schalten liess. Unter den Helden der Arbeit, welche in mueden Tagen die grossen Ueberlieferungen Preussens mutig aufrecht hielten, in friedlichem Schaffen den Grund legten fuer seine neue Groesse, steht Eichhorn in vorderster Reihe. Sein ganzer Lebensgang hatte ihn vorbereitet auf die Rolle des friedlichen Baendigers der Kleinstaaterei. Im Loewensteinischen Wertheim war er aufgewachsen, an der lieblichen Ecke des Maintales und des Taubergrundes, so recht im Herzen der verkommenen Staatenwelt des alten Reichs, und sein tagelang blieb es ihm unvergesslich, wie er dort noch den Boten des Reichskammergerichts in seiner altfraenkischen Tracht die Befehle von Kaiser und Reich hatte vollstrecken sehen. Begeistert von den Taten Friedrichs, war er dann gen Norden gegangen, um dem Staate seiner Wahl zu dienen, und auch an ihm bewaehrte sich, dass Preussen die waermste Liebe bei jenen Deutschen findet, die sich dies Gefuehl erst erarbeitet haben. Er musste in Cleve den Zusammenbruch der preussischen Herrschaft, dann in Hannover 1806 die fiskalischen Kuenste einer kleinlichen Annexionspolitik mit ansehen und ward trotz alledem nicht irr an seinem Staate. Dann nahm er teil an Schills abenteuerlichem Zuge und trat zu Berlin mit Stein und Gneisenau, mit (W. v.) Humboldt, Altenstein(27), Kircheisen(28) in vertrauten Verkehr; sie alle liessen den unbekannten jungen Fremdling sofort als einen Ebenbuertigen gelten. Ein Schueler Spittlers(29), gruendlich und vielseitig gebildet, ward er als erster Syndikus der Berliner Universitaet auch persoenlich mit der gelehrten Welt naeher bekannt; mit Schleiermacher(30) verband den tief religioesen Mann eine treue Freundschaft, der grossen Theologenfamilie der Sack gehoerte er durch seine Heirat an. Die Zeiten des Befreiungskrieges verlebte er gehobenen Herzens erst als Offizier in Bluechers Stabe, dann als Mitglied von Steins Zentralverwaltung; hier fand er reiche Gelegenheit, den kleinen deutschen Regierungen bis in das Innerste der Seele zu blicken. Unerschuettert trug er die Begeisterung jener grossen Jahre hinueber in die stille Zeit des Friedens. Als er in seinem vierzigsten Jahre die wichtige Stellung im Auswaertigen Amte erhielt, da beseelte ihn die Hoffnung, eine solche Verbindung, wie sie einst unter der Zentralverwaltung nur zeitweilig, unfertig, unbeliebt bestanden hatte, auf die Dauer zu begruenden, die deutschen Staaten durch die Bande des Rechts, des Vertrauens, des Interesses fuer immer an die Krone Preussen anzuschliessen. Dies galt ihm als die Vollendung, als die Laeuterung der Traeume von 1813. Er erkannte in dem Artikel 19 der Bundesakte "die gutgemeinte Absicht der deutschen Fuersten, dass, unbeschadet ihrer Souveraenitaet, den deutschen Untertanen die Wohltat eines gemeinsamen Vaterlandes gewaehrt werden muesse", und er traute seinem Preussen die Kraft zu, die dem Bunde fehlte, diese Wohltat eines Vaterlandes den Deutschen zu spenden. Neben der schneidigen Kuehnheit, die man oft an den grossen Epochen unserer Geschichte bewundert hat, uebersieht man leicht jene kalte, zaehe, ausdauernde Geduld, welche der preussischen Staatskunst in den endlos langweiligen Haendeln deutscher Kleinstaaterei zur anderen Natur geworden war. Wohl keiner unserer Staatsmaenner hat diese altpreussische Tugend mit solcher Meisterschaft geuebt wie Eichhorn. Da watet der geistvolle Mann jahraus jahrein durch den zaehen Schlamm armseliger Verhandlungen, die schon beim Durchlesen koerperlichen Ekel erregen. Nichts schwaecht ihm die Frische des Geistes; immer bleibt ihm der Gedanke gegenwaertig, welch grosses Ziel hinter den kleinen Haendeln winkt; immer wieder rafft sich sein gebrechlicher Koerper nach schweren Krankheitsanfaellen zu rastloser Taetigkeit auf. Ueberall hat er seine Augen; wie der Arzt am Krankenbette ueberwacht er die Stimmung der kleinen Hoefe, ihre Bosheit, ihre Selbstsucht, ihre ratlose Torheit. Zuweilen hilft er sich mit einem scharfen Witz ueber die Langeweile hinaus. "Was wohl die herzoglich saechsischen Haeuser beabsichtigen? -- schreibt er einmal -- Ja, wenn sie es nur selber wuessten!" Und nach allem Jammer, den ihm die Kleinfuersten zu kosten geben, bewahrt er ihnen doch Achtung und Wohlwollen, kommt bereitwillig, mit bundesfreundlicher Gesinnung, jedem billigen Wunsche entgegen. Oftmals schlugen die schmutzigen Wellen der Demagogenverfolgung gegen seinen ehrlichen Namen an; er blieb sich selber treu, trat tapfer ein fuer seine verfolgten Freunde und behauptete sich doch im Vertrauen des Koenigs. Dann hat Fuerst Metternich viele Jahre hindurch alle seine schlechten Kuenste spielen lassen gegen den verhassten Patrioten, der in Wien als der boese Daemon Preussens galt. Zugleich schmaehte die liberale Presse auf den Servilen. Er aber trug gelassen Stein auf Stein zu dem unscheinbaren Bau deutscher Handelseinheit und duldete schweigend die Unbilden der oeffentlichen Meinung, denn jeder Versuch einer lauten Rechtfertigung waere sein sicherer Sturz gewesen. Nachher kam doch eine Zeit, da mindestens die Hoefe sein Verdienst erkannten; saemtliche Orden des Deutschen Bundes, nur kein oesterreichischer, wurden dem anspruchslosen Geheimen Rate verliehen, und die Staatsschriften der dankbaren Zollverbuendeten priesen ihn als "die Seele des preussischen Ministeriums". Die Nation aber erfuhr niemals ganz, was sie ihm schuldete. Seine Hoffnung war, das preussische Zollsystem durch Vertraege mit den deutschen Nachbarstaaten allmaehlich zu erweitern. Fuer die Formen und Grenzen dieser Erweiterung hat er nicht im Voraus einen festen Plan entworfen; er stellte sie, da er die Schwierigkeit des Unternehmens richtig wuerdigte, dem unberechenbaren Gange der Ereignisse anheim. Die Frage, ob Preussens Zollschranken dereinst am Main oder am Bodensee stehen wuerden, war im Jahre 1819 noch nicht praktisch; sie konnte den Leiter der preussisch-deutschen Politik vielleicht in seinen Traeumen, sie durfte ihn nicht bei seiner Arbeit beschaeftigen. Nur das eine war ihm sicher, dass das neue Zollsystem aufrecht bleiben, den festen Kern bilden muesse fuer die Neugestaltung des deutschen Verkehrs. Er verlangte freie Hand fuer Preussens Handelspolitik, wies von diesem Gebiete die Einmischung Oesterreichs entschieden zurueck. Aber jede Feindseligkeit gegen die Hofburg lag ihm fern; der Gedanke, den Deutschen Bund von Oesterreich abzutrennen, blieb ihm, dem Konservativen, der in den Ideen von 1813 lebte, voellig fremd. Noch als Greis hat er Radowitzs Unionsplaene als unausfuehrbare Traeume bekaempft. -- Einen widerwaertigen Uebelstand, der sofort beseitigt werden musste, bot die Lage der zahlreichen Enklaven. Die Zollinien wurden alsbald soweit vorgeschoben, dass sie die anhaltischen Herzogtuemer fast ganz und auch einen Teil der kleinen thueringischen Gebiete, die mit Preussen im Gemenge lagen, umfassten. Alle nach diesen Laendern eingefuehrten Waren unterlagen ohne weiteres den preussischen Einfuhrzoellen. Erst nachdem die neue Grenzbewachung in Kraft getreten, liess Eichhorn zu Anfang 1819 diesen Staaten die Einladung zugehen, mit dem Berliner Kabinett wegen des Zollwesens zu verhandeln. Der Koenig sei bereit, nach billiger Uebereinkunft den Landesherren der eingeschlossenen Gebiete das Einkommen zu ueberweisen, das seinen Staatskassen aus den Enklaven zufliesse. Dies kurz angebundene Verfahren, das in den Papieren des Finanzministeriums als "unser Enklavensystem" bezeichnet ward, musste allerdings die kleinen Hoefe befremden; doch die Notwendigkeit gebot, diesen Nachbarn zu zeigen, dass sie in ihrer Handelspolitik von Preussen abhaengig seien. Nur gutmuetige Schwaeche konnte das Gelingen der grossen Zollreform abhaengen lassen von der vorausgehenden Zustimmung eines Dutzends kleiner Herren, die nach deutscher Fuerstenweise allein fuer die Beredsamkeit vollendeter Tatsachen empfaenglich waren. Lediglich die Eitelkeit der Nachbarfuersten ward gekraenkt; den wirtschaftlichen Interessen der Enklaven gereichte Preussens Vorgehen offenbar zum Segen. Eine selbstaendige Handelspolitik blieb in diesen armseligen Gebietstruemmern ja doch undenkbar. Das Gedeihen ihrer Volkswirtschaft wurde sofort vernichtet, wenn Preussen sie von seinem Zollsystem ausschloss und sie mit seinen Schlagbaeumen rings umstellte; auch der Handel innerhalb der Provinz Sachsen erlitt aergerliche Stoerung, wenn alle durch das Anhaltische oder das Schwarzburgische gehenden Waren verbleit und der Kontrolle der Zollaemter unterworfen werden mussten. Ebenso wenig durfte Preussen den Verkehr der Enklaven voellig unbeaufsichtigt lassen. Was diese Laendchen selbst an Zolleinkuenften aufbrachten, bildete freilich nur den achtzigsten Teil der preussischen Zolleinnahmen; doch durch den Schmuggel konnten sie den Finanzen Preussens hochgefaehrlich werden. Durch die heilsame Ruecksichtslosigkeit der Berliner Finanzmaenner erhielten die Enklaven freien Verkehr auf dem preussischen Markte, ihre Staatskassen die Zusage eines gesicherten reichlichen Einkommens, das sie aus eigener Kraft niemals erwerben konnten. Die preussische Regierung handelte in gutem Glauben; sie war bereit, ihr eigenes Enklavensystem auch gegen preussisches Gebiet anwenden zu lassen; mehrmals erklaerte sie, wenn ein sueddeutscher Zollverein zustande komme, so muesse der enklavierte Kreis Wetzlar sich diesem Zollsystem unterwerfen. Ganz unhaltbar war vollends die von den gekraenkten Kleinfuersten oft wiederholte Anklage, Preussens Enklavensystem verletze das Voelkerrecht. Alle nach den Enklaven bestimmten Waren unterlagen von Rechts wegen den preussischen Durchfuhrzoellen; und wenn der Berliner Hof fuer gut fand, die Transitabgaben auf gewissen Strassen bis zur Hoehe der Einfuhrzoelle hinaufzuschrauben, so liess sich rechtlich dawider nichts einwenden. Indem Eichhorn die Kleinstaaten einlud zu freundnachbarlichen Vertraegen ueber die Behandlung der Enklaven, erklaerte er zugleich die Bereitwilligkeit des Koenigs, auch ueber den Anschluss nichtenklavierter Gebiete zu verhandeln. Er betonte den nationalen Charakter des Zollgesetzes, er hob hervor, dies Gesetz sei im Sinne des Artikels 19 der Bundesakte gedacht, sei bestimmt, zunaechst in einem Teile von Deutschland die Binnenmauten aufzuheben, sodann auch anderen Bundesstaaten den Anschluss zu erleichtern; der Koenig verdiene den Dank der Bundesgenossen, da er begonnen habe, den deutschen Markt von der Herrschaft des Auslandes zu befreien. An dieser nationalen Richtung hat Preussens Handelspolitik seitdem unerschuetterlich festgehalten; die in spaeteren Jahren oft auftauchenden Vorschlaege, etwa Belgien oder die Schweiz in den Zollverein aufzunehmen, wurden in Berlin stets kurzerhand zurueckgewiesen. _Nicht kosmopolitische Verkehrsfreiheit war Preussens Ziel, sondern die Handelseinheit des Vaterlandes._ Der Koenig, sagt eine von Bernstorff unterzeichnete Note an das Kollegium der Geheimen Raete zu Gotha (vom 13. Juni 1819), beabsichtige durch das Gesetz vom 26. Mai "hauptsaechlich den Handel mit ausserdeutschen Landeserzeugnissen zu besteuern und die Mitbewerbung ausserdeutscher Fabriken von Ihren Staaten und von denjenigen Laendern abzuwehren, welche sich hierin an Ihre Massregeln anschliessen wollen." Er hege "den lebhaften Wunsch, die nur zur Besteuerung ausserdeutscher Verbrauchsartikel und zum Schutze der preussischen Landesindustrie gegen die ausserdeutschen Fabriken ergriffenen Massregeln bundesverwandten deutschen Staaten, soweit es ihre Lage irgend gestattet, nicht zum Nachteil gereichen zu lassen." Hierauf raet die Note, einen thueringischen Handelsverein zu bilden, der alsdann mit Preussen in Zollverbindung treten solle; sie zeichnet also genau den Weg vor, welcher 14 Jahre spaeter zu der handelspolitischen Vereinigung Preussens und Thueringens gefuehrt hat. Im selben Sinne versicherte die Staatszeitung amtlich, "dass Preussen schon seiner Lage wegen, mehr aber noch, weil die Vereinigung des Einzelinteresses der deutschen Bundesstaaten zu einem Gesamtinteresse fuer Preussen vorzueglich wuenschenswert sei, zu dem Plane einer voelligen Handelsfreiheit zwischen den Bundesstaaten die Hand zu bieten am ehesten geneigt sei, und dass es am liebsten die Schwierigkeiten gehoben sehen werde, die sich der Ausfuehrung entgegenzustellen schienen." Und als gegen Weihnachten 1819 Abgeordnete des Listschen Vereins nach Berlin kamen, um die Regierung fuer einen deutschen Mautverband zu gewinnen, da erhielten sie von Hardenberg und drei Ministern die Versicherung: "dass die preussische Regierung, weit entfernt, durch einseitige Massregeln den Wohlstand der deutschen Nachbarstaaten untergraben zu wollen, sich freuen wuerde, wenn alle Regierungen Deutschlands ueber die Grundsaetze eines gemeinschaftlichen, die Wohlfahrt aller Teile foerdernden Handelssystems sich vereinigen koennten, wozu die preussische Regierung sehr gern die Haende bieten werde, um ihrerseits mitzuwirken, dass dem ganzen Deutschland die Wohltat eines freien, auf Gerechtigkeit gegruendeten Handels zuteil werde. Es ist ihnen aber auch nicht verhehlt worden, dass der Zustand und die Verfassung der einzelnen deutschen Staaten noch keineswegs zu gemeinsamen Anordnungen vorbereitet erscheine; wozu auch besonders gehoere, dass die gemeinsamen Anordnungen in einem gemeinsamen Sinne von allen gehalten wuerden. Die Sache scheine daher jetzt nur darauf zu fuehren, dass einzelne Staaten, welche sich durch den jetzigen Zustand beschwert glaubten, mit denjenigen Bundesmitgliedern, von denen nach ihrer Meinung die Beschwerden veranlasst werden, sich zu vereinigen suchten und dass auf diesem Wege uebereinstimmende Anordnungen von Grenze zu Grenze weitergeleitet wuerden, welche den Zweck haetten, die inneren Scheidewaende mehr und mehr wegfallen zu lassen." Damit war rund und nett der Grundgedanke einer nationalen Handelspolitik ausgesprochen, welche bei der Nichtigkeit des Bundestages die einzig moegliche war. Deutlicher als Preussen sprach, konnte eine Regierung ueber noch unfertige Entwuerfe schlechterdings nicht reden. Aber in der epidemischen Verblendung, die nunmehr ueber die oeffentliche Meinung hereinbrach, in dem donnernden Laerm der Anklagen, die auf das absolutistische Preussen herniederprasselten, wurden die offenkundigen Worte und Taten des Berliner Kabinetts voellig vergessen. Man redete sich hinein in den Wahn, dass Preussen sich selbstgefaellig von dem grossen Vaterlande absondere. Alles schalt auf den Berliner Hochmut und Partikularismus, am lautesten jene kleinen Hoefe, welche das Enklavensystem ertragen mussten. Selbst Karl August von Weimar betrachtete es als eine hoechst anmassende Zumutung, dass er seine rings von Preussen umschlossenen Aemter Allstedt und Oldisleben dem preussischen Zollsystem einfuegen sollte, und liess dem Berliner Hofe schreiben: "Eine strenge Durchfuehrung des Gesetzes vom 26. Mai scheint mit dem Geiste und den Grundsaetzen der Bundesakte so wenig in Einklang zu stehen, dass nicht zu bezweifeln steht, es werde diese Angelegenheit Gegenstand der naechsten Verhandlungen des Bundestages werden und S. K. Majestaet von Preussen als Bundesfuerst selbst geruhen, konziliatorische Antraege deshalb an den Bund gelangen zu lassen." Auf so naive Vorschlaege konnte Eichhorn sich nicht einlassen. Er durfte das Zollwesen der Provinz Sachsen nicht dem Belieben Oesterreichs und der Bundestagsmehrheit preisgeben, sondern gab sich der Hoffnung hin, die Erkenntnis des eigenen Vorteils wuerde die kleinen thueringischen Dynasten bestimmen, auf das Anerbieten Preussens einzugehen und ihre enklavierten Gebietsteile durch Vertraege dem preussischen Zollsystem anzuschliessen. In der Tat wendeten sich die kleinen Nachbarn allesamt sogleich an den Berliner Hof, aber nur, um zu fordern, dass Preussen sein Enklavensystem alsbald wieder aufhebe; wie dies moeglich sein sollte, wussten sie freilich nicht anzugeben. Besonders hart fuehlte sich der wohlmeinende Fuerst Anton Guenther von Schwarzburg-Sondershausen getroffen. Die Hauptmasse seines Reiches, die Unterherrschaft mit der Hauptstadt, ein Land von fast 30000 Einwohnern, war von preussischem Gebiet umschlossen und dem preussischen Zollwesen einverleibt; da die Krone Preussen als Rechtsnachfolgerin von Kursachsen hier ueberdies das Postregal und einige andere Hoheitsrechte ausuebte, so blieb dem Fuersten von seiner teueren Souveraenitaet allerdings wenig uebrig. Mit dringenden Bitten mussten also erst der vielgeplagte gemeinsame thueringische Gesandte General Lestocq, dann das Sondershausener Geheime Konsilium selbst den preussischen Hof bestuermen um "Zuruecknahme einer Anordnung, in welche man schwarzburg-sonderhausenscherseits sich nie zu fuegen entschlossen ist." Minister Klewiz erwiderte verbindlich, durch einen Vertrag koenne die Angelegenheit ohne Schwierigkeit geordnet werden; er gewaehrte auch dem Fuersten freundnachbarlich Freipaesse fuer die Verzehrung seines Hofhalts, aber eine Abaenderung des Gesetzes schlug er rundweg ab, da die Gefahr des Schmuggels aus den kleinen Nachbarlanden gar zu gross sei. In Sondershausen wollte man den Wink nicht verstehen. Mehrere Monate hindurch wurde die preussische Regierung immer von neuem mit der Anfrage belaestigt, ob sie nun endlich bereit sei, eine Verfuegung aufzuheben, welche so groeblich in die Rechte der Sondershausener Souveraenitaet eingreife. Der Fuerst selber richtete an den Koenig die "devoteste Bitte", ihn "durch einen neuen Beweis Allerhoechstdero allgemein verehrter und gepriesener Liberalitaet und Grossmut zum unbegrenztesten und devotesten Danke zu verpflichten." Alles war vergeblich; die untertaenige Form konnte ueber den anmassenden Inhalt der Bittschriften nicht taeuschen. Dann kam der Kanzler v. Weise selbst nach Berlin, ein wackerer alter Herr, der im Verein mit seinem Sohne, dem Geheimen Rat, das Sondershausener Laendchen patriarchalisch regierte. Auch er richtete nichts aus. Mittlerweile hatte sich Vizepraesident v. Motz(31) in Erfurt des Streites angenommen. Er kannte alle Herzensgeheimnisse der Kleinstaaterei, da sein Regierungsbezirk mit fast einem Dutzend kleiner Landesherrschaften im Gemenge lag; er war mit den beiden Weise als guter Nachbar vertraut geworden und erwarb sich jetzt um Deutschlands werdende Handelseinheit, die ihm bald noch Groesseres verdanken sollte, sein erstes Verdienst, indem er den Freunden vorstellte, wie kindisch es sei, an einer Zollhoheit festzuhalten, die doch niemals in Wirksamkeit treten konnte. Der kunstsinnige Fuerst wuenschte laengst, im freundlichen Tale der Wipper ein Sondershausener Nationaltheater zu gruenden, aber die Mittel fehlten; schloss er sich dem preussischen Zollwesen an, so war ihm aus der Not geholfen. Diese Erwaegung wirkte. Gegen Ende September erschien der alte Weise wieder in Berlin, und da er diesmal ernstlich verhandeln wollte, so ward er mit grosser Freundlichkeit aufgenommen. Maassen und Hoffmann fuehrten die Unterhandlung, unter bestaendiger Ruecksprache mit Eichhorn. Noch unbekannt mit der Nebeniusschen Denkschrift, stellte Hoffmann zuerst den Gedanken auf: das einfachste sei doch, die gemeinsamen Zolleinnahmen ohne fiskalische Kleinlichkeit nach der Volkszahl zu verteilen. Damit war jener Bevoelkerungsmassstab gefunden, der allen spaeteren Zollvertraegen Preussens zur Grundlage gedient hat. Weise ging sofort auf das guenstige Anerbieten ein, und am 25. Oktober 1819 wurde der _erste Zollanschlussvertrag_ unterzeichnet, kraft dessen der Fuerst von Sondershausen "unbeschadet seiner landesherrlichen Hoheitsrechte" seine Unterherrschaft dem preussischen Zollgesetz unterwarf und dafuer nach dem Massstabe der Bevoelkerung seinen Anteil an den Zolleinnahmen -- vorlaeufig eine Bauschsumme von 15000 Talern -- erhielt. Eine Mitwirkung bei der Zollgesetzgebung wurde dem kleinen Verbuendeten nicht zugestanden; er musste die Handelsvertraege Preussens und alle anderen Aenderungen, welche das Finanzministerium beschloss, einfach annehmen. Im uebrigen waren seine Hoheitsrechte sorgsam, fast aengstlich gewahrt; selbst die Steuervisitationen auf schwarzburgischem Gebiet sollten nur durch die fuerstlichen Beamten vollzogen werden. Im Wippertale herrschte laute Freude. Der Fuerst dankte tief geruehrt fuer dies neue Zeichen koeniglicher Hochherzigkeit; nun konnte er endlich sein beruehmtes Rauchtheater eroeffnen, wo er mit den Buergern seiner Residenz um die Wette den Musen des Dramas und der Rauchkunst huldigte. Finanziell betrachtet, war das Abkommen unzweifelhaft ein Loewenvertrag zugunsten Sondershausens; Preussen brachte um des politischen Zweckes willen ein Geldopfer, denn das wenig bemittelte Thueringer Berglaendchen verzehrte von den eintraeglichsten Zollartikeln, den Kolonialwaren, weit weniger als der Durchschnitt der oestlichen Provinzen. Um so berechtigter schien die Erwartung, dass die uebrigen Kleinen dem Beispiel Sondershausens folgen wuerden. Im Eingange des Vertrags hatte der Koenig nochmals erklaeren lassen, dass er bereit sei, aehnliche Abkommen mit anderen Bundesfuersten zu schliessen. Rudolstadt begann schon zu verhandeln. Auch mit Braunschweig, Weimar, Gotha dachte Hoffmann binnen kurzem ins Reine zu kommen, und bereits ging er mit seinen Entwuerfen ueber die Grundsaetze des Enklavensystems hinaus. Die unglueckliche zerrissene Gestalt seines Gebietes zwang den preussischen Staat, auch wenn er auf alle Eroberungsplaene verzichtete, mindestens zum handelspolitischen Ehrgeiz; er konnte sein Steuersystem kaum durchfuehren, wenn er nicht ausser den Enklaven auch noch einige nur halb umschlossene Nachbarlandschaften seinem Zollgesetze unterwarf. Da lag Anhalt-Bernburg, das auf eine kleine Strecke Weges nicht an Preussen grenzte und also gewissenhaft als Ausland behandelt wurde. Was war der Dank? Ein ungeheuerer Schmuggel, der von Monat zu Monat anwuchs und die Zolleinnahme der Provinz Sachsen zu verschlingen drohte. Schon im Oktober wurden 4023 Zentner zumeist Kolonialwaren, in die anhaltischen Harzstaedtchen bei Ballenstedt eingefuehrt, um alsbald spurlos zu verschwinden. Mindestens dies Vorland, meinte Hoffmann, muesse sogleich in die Zollinie eintreten; werde der Vertrag mit Sondershausen nur erst bekannt, dann koennten sich die kleinen Nachbarn nicht laenger mehr wider ihren eigenen Vorteil straeuben. Die Hoffnung trog. Jener Zollvertrag, der uns heute so selbstverstaendlich erscheint, sollte waehrend mehrerer Jahre der einzige bleiben. Kaum ward er ruchbar, so erscholl an allen Hoefen ein Schrei des Zornes. Fuerst Anton Guenther musste von seinen durchlauchtigen Genossen ernste Vorwuerfe hoeren, weil er das Kleinod der Souveraenitaet so wuerdelos preisgegeben; die anderen kleinen Nachbarn, die seinem Vorgange bereits folgen wollten, traten, eingeschuechtert durch die allgemeine Entruestung, von den Verhandlungen zurueck. An die Spitze der Gegner Preussens stellte sich der Herzog von Coethen. Der erklaerte im Namen der kleinen Fuersten: "freiwillig koennen und werden sie sich nicht unterwerfen, wenn sie nicht die heiligsten Pflichten gegen ihre Untertanen, gegen ihre Haeuser und gegen ihre eigene Ehre verletzen wollen"; dann forderte er getrost, Preussen solle ihm einen fuenf Stunden breiten Streifen zollfreien Gebiets bis zur saechsischen Grenze zur Verfuegung stellen, damit das Haus Anhalt freien Zugang zum Welthandel erlange. Gemuetlich lauernd und im Stillen schuerend, stand hinter den erbitterten Kleinen der treue Bundesgenosse Preussens, Oesterreich. Die Hoefe beschlossen insgeheim, auf den Wiener Konferenzen mit vereinter Kraft die Aufhebung des preussischen Zollgesetzes durchzusetzen; nur wenn der vorhandene Anfang deutscher Zolleinheit vom Erdboden verschwand, konnte der Bundestag die nationale Handelspolitik begruenden! Und an dieser Raserei partikularistischer Leidenschaft nahm die gesamte Nation ausserhalb Preussens teil. Alle die Lieder und Reden zum Preise der deutschen Einheit waren vergessen, sobald Preussen sich anschickte, den Deutschen "die Wohltat eines gemeinsamen Vaterlandes zu gewaehren". Preussens Staatsmaenner hatten gehofft, schon in dem ersten Jahre, da das neue Gesetz bestand, einige der deutschen Nachbarn fuer die Politik der praktischen deutschen Einheit zu gewinnen. Jetzt sahen sie sich in die Verteidigung zurueckgeworfen. Der siegreiche Kampf um die Behauptung, dann um die Erweiterung des Zollgebiets blieb auf Jahre hinaus die wichtigste Aufgabe der preussischen Staatskunst. Durch die friedlichen Eroberungen dieses Kampfes hat Koenig Friedrich Wilhelm gesuehnt, was in Karlsbad gefehlt war, und die Marksteine gesetzt fuer das neue Deutschland. Er war der rechte Mann fuer dies unscheinbare und doch so folgenschwere Werk deutscher Geduld. Gleichmuetig und immer bei der Sache, treu und beharrlich, von einer Rechtschaffenheit, die jedes Misstrauen entwaffnete, stets bereit, dem bekehrten Gegner mit aufrichtigem Wohlwollen entgegenzukommen -- so hat er nach und nach die Truemmer Deutschlands befreit aus den Banden eigener Torheit und auslaendischer Raenke, den Weg bereitend fuer groessere Zeiten. Die Gegenwart aber soll nicht undankbarer sein, als Friedrich der Grosse war, der von dem glanzlosen Arbeitsleben seines Vaters sagte: "Der Kraft der Eichel danken wir den Schatten des Eichbaums, der uns deckt." Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte usw. II, 607ff. ------------------ 11 Aug./Sept. 1819 tagte zu Karlsbad unter Metternichs Vorsitz ein Kongress der deutschen Minister zur Beratung gemeinsamer Massregeln gegen die demagogischen Umtriebe. Das Ergebnis waren die Karlsbader Beschluesse, die der Bundestag am 20. September einstimmig genehmigte. 12 Am 29. Juli 1819 hatte der oesterreichische Staatskanzler Metternich in Teplitz mit Friedrich Wilhelm III. eine geheime Unterredung, in welcher er den Koenig von Preussen bestimmte, auf die Einfuehrung einer Volksvertretung in modernem Sinne zu verzichten. Am 1. August unterzeichneten Hardenberg und Metternich eine Publikation ueber die "Grundsaetze, nach welchen die Hoefe von Oesterreich und Preussen in den innern Angelegenheiten des Deutschen Bundes zu verfahren entschlossen sind". 13 Joh. Friedrich Benzenberg, geb. 5. Mai 1777, gest. 8. Juni 1846; 1805 zum Professor der Physik am Lyceum zu Duesseldorf ernannt, ging er 1810 nach der Schweiz, kehrte aber nach Napoleons Sturz nach Deutschland zurueck und widmete sich schriftstellerischer Taetigkeit. 14 Friedrich List, geb. 6. August 1789, gest. durch Selbstmord 30. November 1846, Nationaloekonom, der in seinen Schriften den Gedanken vertrat, dass eine jede Nation vor allem ihre eigenen Hilfsquellen zum hoechsten Grade der Selbstaendigkeit und harmonischen Entwicklung bringen, die eingeborene Industrie durch Schutz noetigenfalls unterstuetzen und den nationalen Zweck einer dauernden Entwicklung produktiver Kraefte ueberall dem pekuniaeren Vorteil einzelner vorziehen muesse. 15 Ernst Wilh. Arnoldi, geb. 21. Mai 1778. gest. 27. Mai 1841. 16 Joh. Georg Buesch, geb. 3. Januar 1728, gest. 5. Aug. 1800, gruendete 1767 in Hamburg eine Handelsakademie. 17 Joseph v. Goerres, geb. 25. Januar 1776, gest. 29. Januar 1848, ein Publizist, der anfangs fuer die Revolution, nachmals fuer das "Deutschtum" begeistert, schliesslich im Ultramontanismus einen Halt suchte und mit Fanatismus gegen den Protestantismus kaempfte. 18 Robert Blum, geb. 10. November 1807, erschossen am 9. November 1848 in Wien, wohin er sich im Vertrauen auf seine Unverletzlichkeit als Mitglied des Frankfurter Parlaments begeben hatte, um den aufstaendischen Wienern eine Beifallsadresse der Frankfurter Parteigenossen zu ueberbringen. Als Fuehrer einer Elitekompagnie am Kampfe beteiligt, wurde er verhaftet und durch ein Kriegsgericht zum Tode verurteilt. 19 Ferd. Lassalle, geb. 11. April 1825, gest. 31. August 1864, sozialistischer Agitator, Gruender des Allg. Deutschen Arbeitervereins. 20 Georg Friedrich v. Martens, geb. 22. Februar 1756, gest. 21. Februar 1821, seit 1816 hannoev. Bundestagsgesandter. 21 Graf Aug. Fried. Ferd. v. d. Goltz, geb. 20. Juli 1765, gest. 17. Januar 1832, von 1816-1824 preussischer Bundestagsgesandter, nachher Oberhofmarschall. 22 Wilh. Ludw. Leop. Reinhard Freiherr v. Berstett, geb. 1769, gest. 6. Februar 1837, 1816 badischer Bundestagsgesandter, von 1817 bis 1831 badischer Minister des Auswaertigen. 23 Klemens Fuerst v. Metternich, geb. 15. Mai 1773, gest. 11. Juni 1859, oesterreichischer Minister seit 1809, seit Mai 1821 bis 13. Maerz 1848 Staatkanzler, Haupttraeger der Reaktion in Oesterreich und Deutschland. 24 Karl Friedrich Nebenius, geb. 29. September 1785, gest. 8. Juni 1857, Verfasser der badischen Verfassungsurkunde vom 22. August 1818 und zweimal Minister des Innern. 25 David Ricardo, geb. 19. April 1778, gest. 11. September 1823, engl. Nationaloekonom, der als Schueler von Adam Smith die Lehre vom Freihandel publizistisch vertrat. Seine Gedanken ueber das Verhaeltnis zwischen Erzeugungskosten der Waren und Verkaufspreis und ueber das Verhaeltnis zwischen Arbeitsleistung und Arbeitslohn sind von Marx und Lassalle weiter entwickelt worden. 26 Wilh. Anton v. Klewiz, geb. 1. August 1760, gest. 26. Juli 1838, von 1817-1824 preussischer Finanzminister, von 1824-1837 Oberpraesident der Provinz Sachsen. 27 Karl Freiherr von Stein zum Altenstein, geb. 7. Oktober 1770, gest. 14. Mai 1840, seit 1817 Minister fuer geistlichen Unterricht und Medizinalangelegenheiten, Reorganisator des preussischen Volks- und hoeheren Schulwesens. 28 Friedrich Leopold v. Kircheisen, geb. 24. Juni 1746, gest. 18. Maerz 1825, von 1810 ab preussischer Justizminister. 29 Ludwig Freiherr v. Spittler, geb. 10. November 1752, gest. 14. Maerz 1810, wurde 1779 als Professor der Philosophie nach Goettingen berufen, 1806 zum Minister in Wuerttemberg ernannt und zum Kurator der Universitaet Tuebingen. 30 Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher, geb. 21. November 1768, gest. 12. Februar 1834, Prediger an der Berliner Dreifaltigkeitskirche und Professor an der Universitaet. 31 Fried. Christ. Adolf v. Motz, geb. 18. November 1775, gest. 30. Juni 1830, urspruenglich im Dienste des Koenigs von Westfalen taetig, trat nach Napoleons Sturz in preussische Dienste ueber. 1817 zum Praesidenten der Erfurter Regierung ernannt, ward er 1821 provisorisch, 1824 definitiv Oberpraesident von Sachsen, 1825 Geh. Staats- und Finanzminister. 3. Der Kampf um das preussische Zollgesetz auf den Wiener Konferenzen. Als Hardenberg seine Weisungen (fuer die nach Wien berufene Ministerkonferenz) an Bernstorff(32) erteilte, schaerfte er ihm noch einmal ein, dass ein Bundeszollwesen bei dem gegenwaertigen Zustande der deutschen Staaten unmoeglich sei. Sodann wiederholte er ihm woertlich, was er gleichzeitig den Abgesandten des Listschen Handelsvereins antwortete und durch die Staatszeitung veroeffentlichen liess: "Man kann daher die Sache nur darauf zurueckfuehren, dass einzelne Staaten, welche durch den jetzigen Zustand sich beschwert glauben, mit denjenigen Bundesgliedern, woher nach ihrer Meinung die Beschwerde kommt, sich zu vereinigen suchen, und dass so uebereinstimmende Anordnungen von Grenze zu Grenze weiter geleitet werden, welche den Zweck haben, die inneren Scheidewaende mehr und mehr fallen zu lassen." So war das handelspolitische Programm der preussissschen Regierung nochmals klar und unzweideutig ausgesprochen. Indem sie an ihrem Zollgesetze festhielt, erklaerte sie sich bereit, anderen Bundesstaaten durch freie Vertraege den Zollanschluss oder Handelserleichterungen zu gewaehren; aber sie sah auch ein -- und hierin lag ihre Ueberlegenheit -- dass alle Klagen wider die Binnenmauten muessige Reden blieben, solange die deutschen Staaten sich ueber ein gemeinsames Zollgesetz nicht einigen konnten. Auf lebhaften Widerspruch war Bernstorff von vornherein gefasst; er wusste wohl, wie unfassbar diese nuechternen handelspolitischen Gedanken, die heute jedem gelaeufig sind, der grossen Mehrzahl der deutschen Hoefe noch erschienen. Der leidenschaftliche Ausbruch "gehaessiger Vorurteile", den er in Wien erleben musste, uebertraf doch seine schlimmsten Erwartungen. Die naive volkswirtschaftliche Unwissenheit der Epoche feierte auf den Konferenzen ihre Saturnalien; fast die gesamte deutsche Diplomatie lief Sturm wider das preussische Zollgesetz. Sobald auf die Fragen des Handels die Rede kam, verschob sich die Stellung der Parteien vollstaendig. Der preussische Bevollmaechtigte, der fast in allen andern Fragen die Mehrheit der Versammlung nach sich zog, stand in den handelspolitischen Beratungen ebenso vereinsamt wie in den militaerischen, er erschien wie der Stoerenfried der deutschen Einigkeit. Dieselben Hoefe, die ueberall sonst den Wirkungskreis des Bundes aengstlich zu beschraenken suchten, hofften durch einen rechtswidrigen Bundesbeschluss jene segensreiche Reform, welche dem preussischen Deutschland den freien Verkehr geschenkt hatte, wieder umzustossen. Von Mund zu Mund ging die sophistische Behauptung, das preussische Gesetz verstosse wider den Artikel 19 der Bundesakte, der nichts weiter enthielt als die Zusage, dass der Bundestag wegen des Handels und Verkehrs "in Beratung treten" solle. Preussens boeser Genius, so liessen sich selbst Wohlmeinende vernehmen, hat dies unglueckliche Gesetz geschaffen, das ihm ueberall Zutrauen und Zuneigung verscherzt; Preussen wird es dereinst noch bereuen! Und seltsam, die Angriffe der entruesteten Vorkaempfer deutscher Handelsfreiheit richteten sich ausschliesslich gegen Preussen, obgleich auch andere Bundesstaaten des gleichen Frevels schuldig waren. Bayern hatte soeben (22. Juli 1819), wie Preussen, ein neues Zollgesetz verkuendigt, aber niemand eiferte dawider. Vollends das oesterreichische Prohibitivsystem belastete nicht nur alle Waren ungleich haerter als das preussische Gesetz, es verbot sogar einzelne deutsche Erzeugnisse gaenzlich, namentlich die Franken- und Rheinweine. Keiner unter den deutschen Ministern nahm daran Anstoss. Metternich sagte kurzweg zu Berstett: "Ich betrachte Oesterreich als gar nicht in der Handelsfrage befangen", und der badische Staatsmann nahm diese Erklaerung ohne Widerspruch als selbstverstaendlich hin. Also ward gerade durch den leidenschaftlichen Eifer der Kleinen bewiesen, wie fest ihre Interessen mit Preussen verkettet waren, wie lose mit Oesterreich. Einige der kleinen Minister vertraten den Gedanken der Bundeszoelle: so Fritsch(33), dem sein Grossherzog befohlen hatte, die Verlegung aller Zollinien an die Bundesgrenze zu fordern, so Berstett, der noch immer der Meinung blieb, durch die Verkuendigung allgemeiner Verkehrsfreiheit werde der Bund am sichersten die Unzufriedenheit der Nation beschwichtigen. Andere wollten nur den Verkehr mit deutschen Produkten frei lassen, und diese so wenig wie jene wussten die Mittel zur Ausfuehrung ihres Planes anzugeben: gegen das Ausland, meinte Berstett gemuetlich, moege jeder Bundesstaat seine Zoelle nach Belieben anordnen, genug, wenn im Innern Deutschlands die Mauten hinwegfielen. Zu diesen ehrlichen Enthusiasten gesellten sich einige Bundesgenossen, die ihre unlauteren Hintergedanken kaum verbargen. Der Herzog von Coburg(34) erschien selbst in Wien, um durch sein Veto den Abschluss der Bundeskriegsverfassung zu vereiteln, falls ihm nicht unbeschraenkte Verkehrsfreiheit gewaehrt wuerde; doch da die Konferenz das Bundesmilitaergesetz nicht ins reine brachte, so ward der feine Plan zu Schanden. Noch dreister trat Marschall(35) auf. Der witterte mit dem Instinkt des Hasses, dass die neue Zollgesetzgebung, das Werk der "demagogischen Subalternen" in den Berliner Bureaus, dem preussischen Staate vielleicht dereinst die Hegemonie im Norden verschaffen koenne; durch ihre Vernichtung dachte er zugleich diesen Staat des Unheils zu demuetigen und der Schlange der Revolution das Haupt zu zertreten. Aehnliche Gesinnungen hegte der Kasseler Hof, der bereits, ohne eine Verstaendigung mit dem Nachbarstaate auch nur zu versuchen, den Zollkrieg gegen Preussen eroeffnet hatte. Durch ein Gesetz vom 17. September 1819 wurde die Ein- und Durchfuhr vieler preussischer Waren verboten oder mit schweren Zoellen belegt. Der Mehrbetrag der erhoehten Abgaben sollte verwendet werden zum Besten der hessischen Gewerbetreibenden, welche das preussische Zollgesetz an den Bettelstab gebracht habe -- ein Versprechen, das der geizige Kurfuerst(36) selbstverstaendlich niemals einloeste. In Berlin dachte man anfangs an Retorsionen. Der Koenig aber hielt sich streng an die Zusage, dass die preussischen Zoelle vornehmlich die ausserdeutschen Waren treffen sollten, und wollte feindselige Schritte gegen deutsche Staaten, wenn irgend moeglich, vermeiden. Auch ein Gutachten des Finanzministeriums gelangte zu dem Schlusse, die hessischen Retorsionen seien fuer Hessen ueberaus schaedlich, fuer Preussen ungefaehrlich, also "nur der Form wegen zu bekaempfen". Der Gesandte in Kassel sprach sich in diesem Sinne vertraulich gegen den Kurfuersten aus. Unterdessen liess Preussen die Koeln-Berliner Kunststrasse ueber Hoexter und Paderborn, mit Umgehung des hessischen Gebiets, ausbauen. Der Verkehr des Nordostens mit dem Sueden zog sich von Hanau hinweg nach Wuerzburg, die hessischen Strassen begannen zu veroeden. Der Kurfuerst musste seine Kampfzoelle wieder herabsetzen und harrte nun um so ungeduldiger auf einen Bundesbeschluss, der die Zollinien des unangreifbaren Nachbarn zerstoeren sollte. Unter den Widersachern Preussens verstand doch keiner eine so urwuechsig grobe Sprache zu fuehren wie der Herzog Ferdinand von Koethen, ein eitler, nichtiger Mensch, der im Jahre 1806 wegen erwiesener Unfaehigkeit den preussischen Kriegsdienst hatte verlassen muessen und jetzt persoenlich an die Donau eilte, um "die Mediatisierung des uralten Hauses Anhalt" abzuwenden. Die wirkliche Herrin seines Laendchens war seine Gemahlin Julia, eine geborene Graefin Brandenburg, Halbschwester des Koenigs von Preussen, eine Dame von Geist und Bildung, unermesslich stolz auf ihre fuerstliche Wuerde, den katholisierenden Lehren der romantischen Schule eifrig zugetan. Da Metternich den Wert einer solchen Bundesgenossin wohl zu wuerdigen wusste, so hatte er Adam Mueller(37) beauftragt, neben dem Leipziger Konsulate auch das Amt des oesterreichischen Geschaeftstraegers an den anhaltischen Hoefen zu bekleiden, und der gefeierte Publizist der ultramontanen Partei wurde der romantischen Herzogin bald ein unentbehrlicher Ratgeber. Mueller hasste seine preussische Heimat mit dem ganzen Ingrimm des Konvertiten. Seinem erfinderischen Kopfe entsprang der Plan zu einem grossen Gaunerstuecke kleinfuerstlicher Staatskunst, das die preussische Zollgesetzgebung von innen heraus durchloechern und mindestens fuer die Provinz Sachsen unmoeglich machen sollte. Das Koethensche Land wurde einige Stunden weit von der Elbe durchflossen, und die Elbe zaehlte zu den konventionellen Fluessen, denen der Wiener Kongress die "vollkommene Freiheit der Schiffahrt" zugesagt hatte. Welch eine glaenzende Aussicht eroeffnete sich also fuer die Machtstellung Koethens, wenn die Konferenz sich bewegen liess, die Freiheit der Elbe sofort und unbedingt von Bundes wegen einzufuehren! Dann konnte der Herzog, obgleich sein Land von preussischem Gebiete umschlossen war, eine selbstaendige europaeische Handelspolitik beginnen, er konnte die Freiheit der Elbschiffahrt missbrauchen, um im Herzen des preussischen Staates dem Schleichhandel eine grosse Freistaette zu eroeffnen, den gehassten Nachbarstaat mit geschmuggelten Waren zu ueberschwemmen und ihn vielleicht zur Aenderung seines Zollsystems zu zwingen. Begierig ging der kleine Herr auf diese freundnachbarlichen Gedanken ein; Gewissensbedenken beruehrten ihn nicht, und den Unterschied von Macht und Ohnmacht vermochte er nicht zu begreifen. Die wiederholten wohlwollenden Einladungen zum freiwilligen Anschluss an das preussische Zollsystem hatte er saemtlich schroff abgefertigt, in jenem poebelhaft schreienden Tone, der allen Schriftstuecken dieses Hofes gemein war. "Anhalt -- so erklaerte er stolz -- kann seine Rettung nur suchen in dem allgemeinen europaeischen voelkerrechtlichen Staatenverein und in den Hilfsmitteln, welche ihm seine geographische Lage an grossen Stroemen darbietet." Mehr oder minder eifrig klagten auch die meisten uebrigen Bevollmaechtigten wider die Selbstsucht des Staates, der allein dem Ideale der deutschen Handelseinheit im Wege stehe. Nur die Hansestaedte, befriedigt mit ihrer kosmopolitischen Handelsstellung, wiesen jeden Versuch gemeinsamer deutscher Handelspolitik kuehl zurueck. Auch Zentner(38) zeichnete sich wieder durch kluge Besonnenheit aus; dem gestaltlosen Traumbilde einer allgemeinen Verkehrsfreiheit, deren Bedingungen noch niemand kannte, wollte er das neue bayrische Zollgesetz nicht opfern. Metternich aber liess mit schlecht verhehlter Schadenfreude die Kleinen wider Preussen laermen. Meisterhaft verstand der Wiener Hof, die Angst vor dem preussischen Ehrgeiz, die allen Kleinstaaten in den Gliedern lag, je nach Umstaenden fuer seine Zwecke auszubeuten. Im Oktober hatte Graf Bombelles(39) auf ausdruecklichen Befehl des Kaisers Franz dem Grossherzog von Weimar(40) gedroht: wenn man die Karlsbader Beschluesse nicht ueberall streng ausfuehre, dann muessten die beiden Grossmaechte aus dem Bunde ausscheiden, und dann wuerde der Kaiser sich genoetigt sehen, seinem preussischen Alliierten "in Deutschland eine erweiterte Stellung zu verschaffen". Ebenso unbedenklich benutzte Metternich jetzt die Eifersucht der Kleinen, um Preussens Handelspolitik zu bekaempfen. Freilich durfte er nicht wagen, die Gegner seines unentbehrlichen Bundesgenossen offen zu unterstuetzen, zumal da er selber an dem oesterreichischen Zollwesen nicht das Mindeste aendern wollte. Unter der Hand jedoch ermutigte er die Ergrimmten und fluesterte ihnen zu, das preussische Zollgesetz sei das Werk einer Partei, deren Zwecke mit "treuem Bundessinn" nichts gemein haetten. Als handelspolitischen Ratgeber hatte er sich den Urheber der anhaltischen Schleichhandelsplaene, Adam Mueller, nach Wien kommen lassen. Die Nation war ueber das Problem der Zolleinheit noch ebenso wenig ins Klare gekommen wie ihre Staatsmaenner. Von dem politischen Ergebnis der Konferenzen erwartete sie, nach den Karlsbader Erfahrungen, nichts Erfreuliches; nur die Aufhebung der Binnenmauten und namentlich der preussischen Zollinien erschien allen Parteien als ein bescheidener Wunsch, der bei einigem guten Willen der Regierungen leicht erfuellt werden konnte. Eine Flugschrift "Freimuetige Worte eines Deutschen aus Anhalt" sprach mit drastischen Worten aus, was nahezu alle Nichtpreussen ueber die Berliner Handelspolitik dachten. Der offenbar wohlmeinende Verfasser fand es ehrenruehrig, dass man die von preussischem Gebiete umschlossenen Staaten als Enklaven bezeichne, und schlechthin rechtswidrig, dass Preussen von "Fremden" Steuern erhebe; das Strafurteil der oeffentlichen Meinung muesse der Sache "der Wahrheit und des Rechts" unfehlbar zum Siege verhelfen. Als Wortfuehrer der Kaufleute und Gewerbtreibenden fand sich F. List mit seinen Getreuen J. J. Schnell und E. Weber auf den Konferenzen ein und legte eine Denkschrift vor, deren hochgemutes patriotisches Pathos inmitten der engherzigen partikularistischen Interessenpolitik der Wiener Versammlung wildfremd erschien. Mit der Einheit der Nation -- so fuehrte er in beredten Worten aus -- sei die vollkommene Unabhaengigkeit der Einzelstaaten nicht vereinbar; der Bund muesse den 30 Millionen Deutschen den Segen des freien Verkehrs schaffen und also in Wahrheit ein Bund der Deutschen werden. Und was war der praktische Vorschlag, der diesen begeisterten Worten folgte? List verlangte, dass die deutschen Staaten ihre Zoelle an eine Aktiengesellschaft verpachten sollten, und machte sich anheischig, die Aktien unterzubringen; diese Gesellschaft wuerde das deutsche Bundeszollwesen begruenden und den Regierungen alle Sorge um laestige Einzelheiten abnehmen! Seltsam doch, in welche holden Selbsttaeuschungen der feurige Patriot sich einwiegte. Er behauptete, Preussen sei geneigt, sein Zollgesetz aufzugeben, obgleich man ihm soeben von Berlin aus amtlich das Gegenteil versichert hatte. Er sah sich von der Wiener Polizei argwoehnisch beobachtet und schrieb in die Heimat: "wir sind von allen Seiten mit Spionen umgeben, bei einem Spion einquartiert, von einem Spion bedient"; er wusste, dass Metternich in der Konferenz erklaert hatte, mit den Individuen, welche sich fuer die Vertreter des deutschen Handelsstandes ausgaeben, koenne man sich auf keine Verhandlungen einlassen, da der Bundestag bereits den Deutschen Handelsverein als ein gesetzwidriges und unzulaessiges Unternehmen verurteilt habe. Das alles beirrte ihn nicht in seiner ruehrenden Zuversicht. Als nun gar Adam Mueller eine Denkschrift Lists ueber deutsche Industrieausstellungen wohlwollend begutachtete und Kaiser Franz in einer Audienz dem unverwuestlichen Agitator versicherte, seine Regierung werde gern das Wohl des deutschen Vaterlandes foerdern, da waehnte er sich schon fast am Ziele: "Aller Augen sind nunmehr auf die Kaiserlich oesterreichische Regierung gerichtet. Wie wuerde sich nicht Oesterreichs edelmuetiger menschenfreundlicher Kaiser die Voelker deutscher Zunge aufs neue verbinden, wenn ihnen so grosse Wohltat von seinen Haenden kaeme!" Als auch diese Taeuschung schwand, warf er seine Hoffnungen auf die sueddeutschen Hoefe und meinte, seine Sache habe durch die Verzoegerung nur gewonnen. So klammerte sich der edle Patriot an jeden Strohhalm; nur das preussische Zollgesetz, das dereinst der Eckstein unserer wirtschaftlichen Einheit werden sollte, erschien ihm, wie der gesamten Nation, als der Quell des Verderbens. In der Konferenz eroeffnete Marschall den Kampf durch eine Denkschrift vom 8. Januar, welche den preussischen Staat mit so grobem Unglimpf ueberhaeufte, dass Bernstorff sie dem Verfasser zurueckgab. Durch die neuen Zolleinrichtungen, hiess es da, wuerden die Eigentumsrechte von Hunderttausenden angegriffen, das Eigentum und der Besitz vermindert. Dann forderte der Nassauer getrost: Aufhebung aller seit dem Jahre 1814 neu eingefuehrten Mauten und sofortige Vollziehung der Beschluesse des Wiener Kongresses ueber die Flussschiffahrt; im uebrigen volle Freiheit fuer jeden deutschen Staat, die Zoelle gegen das Ausland willkuerlich festzusetzen, wenn er nur keine Binnenmauten errichte. Dass der letztere Vorschlag einen plumpen Widerspruch enthielt, dass kein Einzelstaat sich gegen das Ausland schuetzen konnte, wenn seine deutschen Binnengrenzen unbewacht blieben -- diese handgreifliche Wahrheit war dem nassauischen Staatsmanne ganz entgangen; er sprach wie der Blinde von den Farben, da sein Laendchen gar keine Grenzzoelle besass. Dann wiederholte Berstett seine alten Klagen gegen die Binnenmauten und verteilte unter den Genossen jene gedankenreiche Denkschrift von Nebenius ueber die Bundeszoelle; bei ruhiger Pruefung mussten jedoch alle die Unmoeglichkeit einer Bundeszollverwaltung zugestehen, und der badische Minister selbst liess den Plan seines geistvollen Untergebenen fallen. Darauf neue wuetende Ausfaelle Marschalls, so grob und ungeschlacht, dass Bernstorff beim Schluss der Konferenzen dem Bundesgesandten schrieb: "es wuerde unter der Wuerde unseres hoechsten Hofes sein, diesem in keiner Hinsicht achtungswerten Manne irgendeine gegen seine Person gerichtete Empfindlichkeit zu aeussern", Goltz moege sich also dem nassauischen Kollegen gleichgueltig fern halten. Nunmehr protestierte auch Fritsch im Namen der Thueringer wider Preussens Enklavensystem und verlangte, jedem Produzenten muesse gestattet werden, seine Erzeugnisse ueberall in Deutschland frei abzusetzen, jedem Konsumenten, seinen Bedarf auf dem naechsten Wege zu beziehen. Dazwischen hinein fuhr der Koethener Herzog, dessen anmassendes Benehmen Bernstorff nicht grell genug schildern konnte, mit wiederholten geharnischten Verwahrungen. Er klagte, man lasse ihn alle Lasten des preussischen Zollwesens tragen, nicht die Vorteile, waehrend es doch lediglich an ihm lag, auf Preussens Anerbietungen einzugehen und auch der Vorteile teilhaftig zu werden. Er drohte die auswaertigen Garanten der Bundesakte anzurufen zum Schutze der "ueber allem Angriff erhabenen Sache" des uralten Hauses Anhalt. Schliesslich verweigerte er geradezu der Schlussakte seine Unterschrift, wenn ihm der Bund nicht die "freie Kommunikation mit Europa" sicherstellte: "so lange die Herzoege von Anhalt sich in einer drueckenden unfreiwilligen Zinsbarkeit gegen einen maechtigen Nachbarstaat befinden, kann fuer dieses alte Fuerstenhaus keine Bundesakte und also auch keine Schlussakte existieren." Inmitten dieses Gezaenks bewahrte Graf Bernstorff vornehme Ruhe und aufrichtigen Freimut. Er beklagte laut, dass die Bundesakte durch ihre allgemeinen Versprechungen unerfuellbare Erwartungen geweckt habe. Fest und stolz wies der preussische Minister jede ehrenruehrige Zumutung zurueck: von der Aufhebung des neuen Gesetzes koenne gar nicht die Rede sein. Zugleich wiederholte er unermuedlich in immer neuen Umschreibungen die in der Staatszeitung veroeffentlichten Gedanken. Es sei "unmoeglich, eine solche Einigung anders als durch allmaehliche Vorbereitung und die muehsamste Ausgleichung streitender Interessen bewirkt zu sehen". Nur Vertraege zwischen den Einzelstaaten koennten dem wirtschaftlichen Elend steuern. "Geschieht dieses im Sueden wie im Norden von Deutschland, und werden diese Versuche unter der Mitwirkung und Pflege des Bundes gemacht, so laesst es sich wohl denken, dass man auf diesem freilich langsamen, aber vielleicht einzig moeglichen Wege dahin gelangen werde, die jetzt bestehenden Scheidewaende aus dem Wege zu raeumen und in Beziehung auf Handel und Verkehr diejenige Einheit der Gesetzgebung und Verwaltung hervorzubringen, welche ein Verein nebeneinander bestehender freier und besonderer Staaten, wie ihn der Deutsche Bund bildet, irgend zulassen kann." Auf die Schmaehungen des Koetheners bemerkte er trocken, dass in Dresden bereits seit mehreren Monaten eine Konferenz der Elbuferstaaten tage; dort allein sei der Ort, die Frage der freien Elbschiffahrt zum Austrage zu bringen. Wahrlich, ein historischer Augenblick! Der grosse Kampf zweier Jahrhunderte, der alte unversoehnliche Gegensatz oesterreichischer und preussisch-deutscher Politik erneuerte sich in diesen unscheinbaren Haendeln, noch ohne dass die Kaempfer den tiefen Sinn des Streites begriffen {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Die ganze Zukunft deutscher Politik hing daran, dass Preussens verstaendige Redlichkeit triumphierte ueber dies Buendnis der Unklarheit und der Luege. Und Preussen siegte. Da die Gegner nur in ihrem Hasse, nicht in irgendeinem positiven Gedanken uebereinstimmten, so errang Bernstorff bereits am 10. Februar einen durchschlagenden Erfolg in dem handelspolitischen Ausschusse der Konferenz; er bewog den Ausschuss, seine Antraege auf einige "mehr vorbereitende als entscheidende, keinen kuenftigen bundesfoerderlichen Beschluessen vorgreifende Bestimmungen zu beschraenken". Der Ausschuss beantragte demnach lediglich, dass der Bundestag, dem Artikel 19 gemaess, die Befoerderung des Handels als einen der Hauptgegenstaende seiner Taetigkeit ansehen solle. Nur ueber die Freiheit des Getreidehandels, welche Preussen schon vor drei Jahren in Frankfurt befuerwortet hatte, schienen jetzt alle Teile endlich einig, und der Ausschuss schlug vor, die Frage durch schleunige Vereinbarung zu erledigen. Als diese Antraege am 4. Maerz in der Konferenz zur Verlesung kamen, da brach, sobald der Name des Bundestags erklang, einer der Anwesenden in lautes Lachen aus, und die ganze Versammlung stimmte froehlich ein. Und diese Staatsmaenner, die ihr Urteil ueber die Leistungsfaehigkeit des Bundestages so unzweideutig bekundeten, hatten sich soeben noch vermessen, das preussische Zollgesetz durch einen Bundesbeschluss aufzuheben! Die Antraege des Ausschusses wurden angenommen, und um auch den widerspenstigen Koethener zu gewinnen, fuegte man noch ein Separatprotokoll hinzu, kraft dessen die beteiligten Staaten sich verpflichteten, die Beschluesse des Wiener Kongresses ueber die Flussschiffahrt unverbruechlich zu halten, die Verhandlungen deshalb taetig zu betreiben. Ueber die Freiheit des Getreidehandels setzte man ebenfalls ein besonderes Protokoll auf, aber Metternich vereitelte schliesslich auch diesen einzigen heilsamen Plan, in dem sich alle Parteien zusammenfanden. Er schob die Entscheidung immer wieder hinaus, und als die Konferenz endlich zum Beschlusse schreiten wollte, da war Kaiser Franz, zum lebhaften Bedauern seines Ministers, bereits nach Prag abgereist. Arglos meldete Bernstorff einige Tage spaeter, die Erwiderung Sr. Majestaet sei noch immer nicht eingetroffen. Die Konferenz musste auseinandergehen, ohne das Protokoll abzuschliessen. Erst gegen Mitte Juni lief die oesterreichische Antwort beim Bundestage ein. Der gute Kaiser, der sich gegen F. List so vaeterlich ueber das Wohl des deutschen Vaterlandes geaeussert hatte, meinte jetzt trocken: das Wiener Protokoll "sei eigentlich nur bestimmt, die Veranlassung zur weiteren Entwickelung der darin ausgesprochenen Grundsaetze zu geben"; man brauche also nicht foermlich darueber abzustimmen, sondern solle nur sogleich die vorbehaltene Beratung am Bundestage beginnen. Dies geschah denn auch. In einem salbungsvollen Praesidialvortrage feierte Buol(41) die Reize des freien Getreidehandels; seine Worte waren aber so allgemein gehalten, dass selbst der harmlose Goltz sofort bemerkte, Oesterreich hege Hintergedanken. Darauf beriet der Bundestag mit gewohnter Emsigkeit weiter, und nach einem Vierteljahr (5. Oktober) beschloss er, zunaechst Nachrichten ueber den Stand der Gesetzgebung in den Einzelstaaten einzuholen. Der freie Getreidehandel verschwand in jenem geheimnisvollen Schlunde, in dessen Tiefen die ewig unvollendeten Bundesbeschluesse gebettet lagen. Das waren Oesterreichs Liebesdienste zum Besten der deutschen Verkehrsfreiheit. -- Der Verlauf der Konferenzen selbst bestaetigte durchweg, was Bernstorff vorhergesagt: dass ein Bund ohne politische Einheit keine gemeinsame Handelspolitik treiben koenne. Angesichts dieser Erfahrungen begannen einige der sueddeutschen Staatsmaenner sich doch endlich mit den Ratschlaegen Bernstorffs zu befreunden. Eingepresst zwischen den Mautlinien Frankreichs, Oesterreichs, Preussens, vermochte die Volkswirtschaft des Oberlandes kaum mehr zu atmen, zumal da noch keiner der sueddeutschen Staaten, ausser Bayern, ein geordnetes Zollwesen besass. Die Frage liess sich nicht mehr abweisen, ob man nicht zunaechst versuchen solle, diese zerstueckelten Gebiete in einem handelspolitischen Sonderbunde zu vereinigen, also genau dasselbe zu tun, was man soeben dem preussischen Staate als Bundesfriedensbruch vorgeworfen hatte. Den ersten Anstoss zu solchen Plaenen gab der wackere du Thil; noch spaeterhin pflegte der Darmstaedter Hof sich dieses Verdienstes gern zu ruehmen. Aber erst durch Berstetts ruehrige Taetigkeit gewann der Gedanke Leben. Der Badener hegte, wie du Thil, die ehrliche Hoffnung, dass aus diesem Sonderbunde "nach und nach ein Ganzes" hervorgehen werde; indes dachte er auch an Retorsionen gegen die preussischen Zoelle und gab eine kurz abweisende Antwort, als Bernstorff ihm versicherte, mit einem sueddeutschen Zollverein werde Preussen gern Handelsvertraege abschliessen. Auch Marschall liess sich auf den Plan nur ein, weil er erwartete, dass Sueddeutschland nunmehr mit vereinter Kraft den Zollkrieg gegen Preussen eroeffnen werde. Wuerttemberg endlich spielte mit Triasplaenen und hoffte, den politischen Bund des konstitutionellen "reinen Deutschlands" aus dem Handelsverein hervorgehen zu sehen -- ein Gedanke, der weder in Muenchen noch in Darmstadt Anklang fand. Bei solcher Verschiedenheit der politischen Absichten konnte Berstett nach langwierigen vertraulichen Beratungen nur einen bescheidenen Erfolg erreichen. Am 19. Mai verpflichteten sich die beiden sueddeutschen Koenigreiche, Baden, Darmstadt, Nassau und die thueringischen Staaten, noch im Laufe des Jahres Bevollmaechtigte nach Darmstadt zu senden, welche dort auf Grund einer unverbindlichen Punktation ueber die Bildung eines sueddeutschen Zollvereins verhandeln sollten. Mehr wollte der vorsichtige Zentner, der sein bayrisches Zollgesetz behueten musste, schlechterdings nicht versprechen. Immerhin war jetzt doch ein Weg betreten, der aus dem Elend der Binnenmauten vielleicht hinausfuehren konnte. Die liberale Presse begruesste dankbar die patriotische Tat ihrer Lieblinge. Der allzeit vertrauensvolle List sah das Ideal der deutschen Zolleinheit bereits nahezu verwirklicht, und als er bald darauf nach Frankfurt kam, fand er seinen Goenner Wangenheim(42) in einem Rausche des Entzueckens: so trug das reine Deutschland der gesamten Nation doch endlich die Fackel voran! Minder hoffnungsvoll, aber durchaus wohlwollend beurteilte Bernstorff den Entschluss der sueddeutschen Hoefe. Er versicherte Berstett seiner Zustimmung; denn gelang es den Mittelstaaten, ihr zerruettetes Verkehrsleben aus eigener Kraft zu ordnen, so blieb fuer die Zukunft eine Verstaendigung mit Preussen moeglich. Seinem Koenig schrieb er: trotz manchen feindseligen politischen und staatswirtschaftlichen Hintergedanken bestehe fuer Preussen kein Grund, das Unternehmen zu missbilligen, zumal da das Gelingen noch sehr fraglich scheine. Der Versuch, das preussische Zollgesetz durch ein Machtgebot des Bundes zu vernichten, war gescheitert. Doch unterdessen fuehrte der Koethener Herzog seinen Schmuggelkrieg wider die preussischen Mauten wohlgemut weiter und hemmte dadurch zugleich die Verhandlungen ueber die Elbschiffahrt. Wie oft hatten einst die Fremden gespottet ueber die *furiosa dementia*(43) der Deutschen, die sich ihre herrlichen Stroeme durch ihre Zoelle selber versperrten! Erst seit Frankreich das linke Rheinufer an sich riss, ward dies sprichwoertliche Leiden Deutschlands etwas gelindert. Im Jahre 1804 wurde statt der alten drueckenden Rheinzoelle das Rheinoktroi eingefuehrt, das im wesentlichen nur bestimmt war, die Kosten der Strombauten und der Leinpfade(44) zu decken, und diese neue Ordnung bewaehrte sich so gut, dass der Wiener Kongress sie auch fuer die anderen konventionellen Stroeme Deutschlands als Regel vorschrieb. Seitdem war die Weserschiffahrt in der Tat frei geworden: nach einem langen Streite mit Bremen liess sich Oldenburg durch die Vermittlung des Bundestages bewegen, auf den widerrechtlichen Elsflether Zoll endlich zu verzichten (August 1819). Schwieriger lagen die Verhaeltnisse zwischen den zehn Uferstaaten der Elbe. Die von W. Humboldt redigierten Artikel 108-116 der Wiener Kongressakte stellten den Grundsatz auf, dass die Schiffahrt auf den konventionellen Stroemen frei, das will sagen: niemandem verwehrt sein sollte, und verpflichteten die Uferstaaten, binnen sechs Monaten Verhandlungen einzuleiten, damit die Schiffahrtsabgaben gleichmaessig und unabaenderlich, ungefaehr dem Betrage des Rheinoktrois entsprechend, festgesetzt wuerden. Offenbar vermochten diese wohltaetigen Verheissungen nur dann ins Leben zu treten, wenn die Erhebung der Schiffahrtsabgaben, wie der Artikel 115 ausdruecklich vorschrieb, von dem Zollwesen der Uferstaaten durchaus getrennt blieb und alle Beteiligten durch eine strenge Uferpolizei verhinderten, dass die freie Schiffahrt zum Schmuggel in die Nachbarlande missbraucht wuerde. Nur unter dieser Bedingung konnte Preussen, das jene Artikel der Kongressakte als sein eigenes Werk betrachtete, seine Hand zu ihrer Ausfuehrung bieten; wie durfte man -- so fragte spaeterhin eine preussische Staatsschrift -- einem maechtigen Staate zumuten, "in seinem Herzen einen Wurm zu dulden, der seine innere Lebenswurzel annagt?" Nur wenn Anhalt, das von der Provinz Sachsen rings umschlossen war, dem preussischen Zollsysteme beitrat, konnte die verheissene Freiheit der Elbschiffahrt und der rechtmaessige Ertrag der preussischen Einfuhrzoelle zugleich gesichert werden. Seit der alte Dessauer einst die saemtlichen Landgueter seiner Ritterschaft aufgekauft, hatten sich Landbau und Forstwirtschaft in den anhaltischen Laendchen unter der sorgsamen Pflege ihrer Fuersten gluecklich entwickelt; alle seine natuerlichen Interessen verwiesen dies bluehende Gartenland, das der Industrie noch gaenzlich entbehrte, auf den freien Verkehr mit den benachbarten gewerbereichen Bezirken Preussens. Was der Vereinbarung im Wege stand, war allein der tolle Souveraenitaetsduenkel des Herzogs von Koethen und die weiter blickende Feindseligkeit seines Ratgebers Adam Mueller. Die "Anschliessungsinsinuationen" des Berliner Kabinetts wies der Herzog empoert zurueck: ob man denn nicht einsehe, so fragte er einmal, "wie schon die blosse Unnatur eines solchen Verhaeltnisses, die Unterordnung eines souveraenen Fuersten unter die Zolladministration eines benachbarten Staates, dem Bestande eines freundschaftlichen Verhaeltnisses mit der Regierung desselben durchaus unguenstig sei!" Da mit Vernunftgruenden bei diesem Hofe nichts auszurichten war, so begnuegte sich Preussen vorlaeufig, sein Enklavensystem gegen Anhalt aufrecht zu halten. Alle zu Lande nach Anhalt eingehenden Waren wurden dem preussischen Eingangszolle unterworfen. Nur den Elbschiffern erlaubte man Sicherheit zu stellen fuer die Zahlung der preussischen Abgaben und erstattete ihnen den Betrag zurueck, falls der Verbleib der eingefuehrten Waren in Anhalt nachgewiesen wurde. Schamloser Unterschleif war die Folge dieser Erleichterung. Der anhaltische Schleichhandel wuchs von Monat zu Monat, und mit Ungeduld erwarteten die preussischen Finanzmaenner die vertragsmaessige Regelung dieser leidigen Zustaende, als endlich im Juni 1819 -- viertehalb Jahre nach dem Zeitpunkt, welchen der Wiener Kongress vorgeschrieben -- die Elbschiffahrtskonferenz in Dresden eroeffnet wurde. Dort sprachen Hamburg und Oesterreich eifrig fuer die Befreiung des Flusses, die ihnen freilich nur Vorteil bringen konnte, da die Hansestadt gar keine Schiffahrtsabgaben erhob und die hohen boehmischen Elbzoelle auf der wenig befahrenen obersten Stromstrecke nur geringen Ertrag brachten. Daenemark hingegen, Mecklenburg, Anhalt zeigten sich schwierig. Am hartnaeckigsten aber verteidigte Hannover seinen Besitzstand; denn das welfische Koenigreich ueberliess die Sorge wie die Kosten fuer das Fahrwasser der Niederelbe grossmuetig dem Hamburger Senate und erhob dafuer in Brunshausen, nahe bei Stade, einige Meilen oberhalb der Muendung, seinerseits einen hohen Zoll von allen eingehenden Seeschiffen. Sein Bevollmaechtigter verwahrte sich feierlich gegen jeden Versuch, dies Kleinod der Welfenkrone anzutasten: das sei ein Seezoll, der mit der Elbschiffahrt nichts zu schaffen habe, und nimmermehr koenne die Absicht der Wiener Verheissungen dahin gehen, "die Basis alles volkstuemlichen Gluecks, den Rechtszustand zu erschuettern". Kein Zureden half; die Konferenz musste den Stader Zoll ganz aus dem Spiele lassen und nur den Stromverkehr oberhalb Hamburgs zu erleichtern suchen. Nach zweijaehrigen Verhandlungen, die den preussischen Bevollmaechtigen oft der Verzweiflung nahe brachten, kam endlich am 23. Juli 1821 die Elbschiffahrtsakte zustande, ein duerftiger Vergleich, der in Form und Inhalt die Spuren muehseliger Kaempfe verriet; immerhin wurden die bestehenden Schiffahrtsabgaben doch etwas herabgesetzt, und der Verkehr auf dem Strome begann sich bald zu heben. Die preussische Regierung behauptete waehrend dieses unleidlichen Gezaenks durchweg eine versoehnliche Haltung. Sie gab fuer den Elbverkehr ihre Durchfuhrzoelle auf, die einen so wesentlichen Bestandteil ihrer Handelspolitik bildeten, und war bereit, die Schiffahrtsabgaben noch weiter herabzusetzen als die kleinen Nachbarn zugestehen wollten; aber sie erklaerte auch von vornherein, dass sie eine Schmugglerherberge im Innern ihres Staates nicht dulden werde und darum die Elbschiffahrtsakte nur unterzeichnen koenne, wenn Anhalt sich ihrem Zollwesen anschliesse. Ihr Bevollmaechtigter fuegte warnend hinzu: das eigene Interesse der kleinen Regierungen gebiete ihnen, das Zollsystem des grossen Nachbarstaates zu unterstuetzen, "weil dadurch die zu ihren Gunsten bestehende Zerstueckelung Deutschlands in ihren nachteiligen Folgen gemildert werden wuerde". Wie flammte der kleine Koethener Herr auf, als er diese unerhoerte Aeusserung preussischen Uebermuts erfuhr und gleichzeitig Bernstorff in einem neuen Mahnschreiben an die Koethener Regierung offen aussprach: "die norddeutschen Staaten haben den Schutz fuer ihre Existenz, ihre Wohlfahrt und Selbstaendigkeit und ihre gemeinnuetzigen Anstalten von Preussen zu erwarten". Der Herzog, der gerade mit seinem koeniglichen Schwager zugleich in Karlsbad verweilte, berichtete sofort alles an Marschall. "Ich schmeichle mir, so schrieb er, dass alle Gutgesinnten auf meiner Seite stehen und nicht zugeben, dass es Preussen erlaubt wird, sich alles zu erlauben. Ob einem Kabinett, das durch einen solchen Mann repraesentiert ist, zu trauen ist, lasse ich dahingestellt." Dann fuhr er hoehnisch fort: "das Spasshafteste ist, dass der Koenig mit uns ebenso freundlich als sonst ist" -- und bat den Nassauer, auch fernerhin auf Wittgenstein(45), "der ganz im guten Geiste ist", wirken zu lassen, damit die Partei, welche das Zollgesetz halte, zu Falle komme. Im gleichen Tone antwortete Marschall: "Man hat zwar bisher aehnliche Phrasen in dem Munde deutscher Revolutionaere gehoert, nicht aber in dem eines Repraesentanten eines deutschen Koenigs. Wenn Preussen das noerdliche Deutschland und ganz Deutschland schuetzt, so schuetzt umgekehrt das noerdliche Deutschland und ganz Deutschland Preussen. Rechte und Verbindlichkeiten sind durchaus wechselseitig. Wer das Gegenteil behauptet, verletzt die erste und Hauptgrundlage des Bundes und bewegt sich ausserhalb des Bundes. Namentlich hat der maechtigste der deutschen Bundesstaaten, sowohl im Bunde als in Europa, bei jeder Gelegenheit den entgegengesetzten Grundsatz laut ausgesprochen und bei jeder Veranlassung geltend gemacht." Dieser maechtigste der Bundesstaaten trieb unterdessen sein doppeltes Spiel weiter. Metternich, der ebenfalls in Karlsbad anwesend war, hielt zwar, auf Preussens Wunsch, einige Unterredungen mit dem Herzog, angeblich, um den Streit beizulegen. Aber zur naemlichen Zeit reichte die Koethener Regierung eine Klage beim Bundestage ein und forderte die Herausgabe eines dem Koethener Kaufmann Friedheim gehoerigen Elbschiffes, das beim preussischen Zollamte Muehlberg an der Kette lag, weil der Schiffer fuer den Betrag der preussischen Zoelle keine Sicherheit stellen wollte. Nachher ergab sich -- der oesterreichische Bevollmaechtigte Muench in Dresden musste es selber dem preussischen Gesandten [Jordan] eingestehen -- dass Adam Mueller den Friedheim zu seiner Weigerung aufgestiftet hatte, um den Streit vor den Bundestag zu bringen. Da Preussen unerschuetterlich blieb, so bequemten sich die drei anhaltischen Herzoege schliesslich doch zu einem Zugestaendnis und versprachen auf der Dresdener Konferenz feierlich "zu einem Vereine mit Preussen wegen Sicherstellung seiner Landesabgaben auf moeglichst ausfuehrbare Weise die Hand zu bieten". Auf dies Fuerstenwort vertrauend, hielt Koenig Friedrich Wilhelm den Hader nunmehr fuer abgetan; er ratifizierte die Akte, liess jenes unglueckliche Koethener Schiff freigeben, also dass die Klage am Bundestage ihren Gegenstand verlor, und Bernstorff lud die anhaltischen Hoefe nochmals ein, in Berlin wegen der Bedingungen des Zollanschlusses zu verhandeln. Aber Monate vergingen, und kein anhaltischer Bevollmaechtigter erschien. Dem unaufhaltsamen Koethener war es gelungen, seine wohlmeinenden Vettern von Dessau und Bernburg(46), die ihr Wort halten wollten, wieder umzustimmen; sie hatten ihm versprechen muessen, nicht ohne ihn dem preussischen Zollsystem beizutreten, und er war inzwischen mit seinem Adam Mueller ueber einen neuen Betrug einig geworden. Da die Elbschiffahrtsakte im Maerz 1822 in Kraft treten sollte, so entschloss sich Minister Klewiz im Januar, das Enklavensystem gegen Anhalt vorlaeufig aufzuheben, was die Finanzpartei in Berlin schon laengst gefordert, Eichhorn aber, aus Wohlwollen gegen das Nachbarland, bisher verhindert hatte. Man umringte demnach die drei Herzogtuemer mit preussischen Zollstellen; der Elbverkehr dagegen ward, gemaess der Akte, freigegeben und Preussen begnuegte sich, die nach Anhalt bestimmten Schiffe einer Durchsuchung zu unterwerfen. Eben auf diese Vertragstreue Preussens hatte Adam Mueller seinen sauberen Plan berechnet. Die Durchsuchung der Elbschiffe wurde natuerlich zu leerem Scheine, sobald man anhaltischerseits unredlich verfuhr. Nun taten sich sofort mehrere grosse englische Exportfirmen mit Koethener Kaufleuten zusammen, um den Schleichhandel unter dem Schutze des Herzogs in grossem Stile zu pflegen. Das gesamte Laendchen ward ein Schwaerzerwirtshaus, ein Stelldichein fuer die Gauner und Spitzbuben des deutschen Nordens. Die grosse Mehrzahl der treuen Koethener segnete dankbar den Landesherrn, der ihnen billige Waren und reichlichen Verdienst beim schmutzigen Handel verschaffte. Wunderbar, wie sich die Verzehrungskraft dieses gluecklichen Voelkchens mit einem Male hob, als waere ein Goldregen ueber das Land gekommen. Nicht lange, und der anhaltische Konsum von auslaendischen Waren verhielt sich zu dem preussischen wie 64 : 1000, der von baumwollenen Waren, die in Preussen hoch verzollt wurden, wie 165 : 1000, die Bevoelkerung der beiden Lande stand wie 9 : 1000. Fuer die Drogen dagegen, welche das preussische Gesetz mit einem niedrigen Zoll belegte, zeigten die Anhalter geringere Neigung; hier stellte sich das Verhaeltnis nur wie 13 : 1000. Und bei dieser uebernatuerlichen Konsumtion gingen die herzoglichen Zollbeamten dem Volke mit gutem Beispiel voran: der Zollinspektor Klickermann in Dessau bezog, wie Preussen aus den Listen seiner Elbzollaemter nachwies, in dem einen Jahre 1825 fuer seinen Hausbedarf zollfrei auf dem Strome: 53 Oxhoft Wein, 4 Oxhoft Rum, 98 Saecke und 1 Fass Kaffee, 13 Saecke Pigment und Pfeffer, insgesamt an 1000 Zentner. Mehr denn eine halbe Million Taler im Jahre wurden durch den anhaltischen Schleichhandel den preussischen Kassen vorenthalten; der Zollertrag in den Provinzen Brandenburg und Sachsen stieg nachher, als Anhalt endlich sich dem preussischen System unterworfen hatte, bald von 3,135 auf 4,128 Millionen. Der Besitz einer souveraenen Krone ohne Macht entsittlicht auf die Dauer ihren Traeger. Wie gruendlich musste das Rechtsgefuehl der kleinen Hoefe, seit sie keinen Richter mehr ueber sich anerkannten, verwuestet sein, wenn dies rechtschaffene askanische Haus, das von jeher einer wohlverdienten allgemeinen Achtung genoss und so viele seiner tapferen Soehne in die Reihen des preussischen Heeres gesendet hatte, sich jetzt unbedenklich erdreistete, die Gesetzgebung seines alten treuen Beschuetzers durch groben Unfug zu untergraben! Ein Unglueck, dass der ehrwuerdige Senior des anhaltischen Gesamthauses, der seinem Laendchen unvergessliche Leopold Friedrich Franz von Dessau vor kurzem(47) gestorben war; er wuerde den zweifachen Vertragsbruch schwerlich geduldet haben, denn Anhalt hatte sich auf dem Wiener Kongresse zur Unterdrueckung des Schleichhandels verpflichtet und nachher in Dresden feierlich eine Verstaendigung mit Preussen versprochen. Um dieser letzteren Verpflichtung scheinbar zu genuegen, sendete Herzog Ferdinand endlich im Januar 1822 seinen Hofmarschall Sternegg nach Berlin, befahl ihm, allein mit Hardenberg zu verhandeln; mit Bernstorff zu sprechen, sei unter der Wuerde des Koetheners. Der Staatskanzler aber zwang den Abgesandten kurzweg, sich an das Auswaertige Amt zu wenden, und dort stellte sich heraus, dass Sternegg durchaus keine Anerbietungen wegen des Zollanschlusses zu bringen, sondern lediglich eine Entschaedigungsforderung zu ueberreichen hatte. Der Schaden Koethens betrug, nach dem billigen Massstabe der Kopfzahl angeschlagen, etwa 40 000 Taler fuer drei Jahre. Der Herzog berechnete das Zehnfache und zeigte sich hoch erstaunt, da Preussen den Koethener Schmuggel in Gegenrechnung stellte. Nach langen, gereizten Eroerterungen rueckten die Herzoege schliesslich mit dem Vorschlage heraus: Preussen moege dem enklavierten Anhalt durch einen Gebietsaustausch auf ewige Zeiten freien Verkehr mit Sachsen verschaffen, dann seien die drei Hoefe bereit, sich versuchsweise auf einige Jahre dem preussischen Zollsystem anzuschliessen. Sofort wies Bernstorff die "unangemessene" Zumutung scharf zurueck, der Unterhaendler musste abziehen, und Anhalt blieb mit preussischen Zollinien umgeben. Aber der Schleichhandel bluehte froehlich fort, die Grenzwache Preussens war machtlos gegen den boesen Willen der herzoglichen Behoerden. Obwohl der Berliner Hof ueber Adam Muellers Raenke genau unterrichtet war, so wollte er doch schlechterdings nicht glauben, dass Fuerst Metternich das Treiben seines Generalkonsuls billige. Jahrelang ertrug der preussische Adler langmuetig die Bisse der anhaltischen Maus, immer in der Hoffnung, dass die drei Herzoege endlich noch ihr Wort einloesen wuerden. Und in diesem Streite, der alle Selbstsucht, allen Duenkel, alle Torheit der Kleinstaaterei an den Tag brachte, stand die deutsche Presse wie ein Mann zu den anhaltischen Schmugglern. Der Schmerzensschrei des freien Koetheners war das Wiegenlied der deutschen Handelseinheit, die erst nach zwei Menschenaltern auf demselben Elbstrome unter den Weherufen des freien Hamburgers ihr letztes Ziel erreichen sollte. Mit einer Verblendung ohnegleichen taeuschte sich die Bevoelkerung der kleinen Staaten, bei jeder Wendung dieses wirrenreichen Kampfes, regelmaessig ueber ihr eigenes und des Vaterlandes Wohl, um jedesmal, sobald der gefuerchtete Anschluss an Preussen endlich vollzogen war, die Notwendigkeit der Aenderung nachtraeglich dankbar anzuerkennen. Ebenso regelmaessig verdeckte der Partikularismus seine Selbstsucht hinter dem schoenen Worte der Freiheit; bald nahm er die Freiheit des Handels, bald das freie Selbstbestimmungsrecht der deutschen Stroeme, bald auch beides zugleich zum Vorwand, und jedesmal liess sich die vom Liberalismus beherrschte oeffentliche Meinung durch solche hohle Kraftworte verfuehren. Die unausrottbaren Vorurteile wider das preussische Zollgesetz wirkten zusammen mit jener gedankenlosen Gemuetlichkeit, die es unbesehen fuer unedel haelt, bei einem Kampfe zwischen Macht und Ohnmacht die Partei des Staerkeren zu ergreifen. Und dazu der juristische Formalismus unserer politischen Bildung, der gar nicht ahnte, dass im Staatenverkehre das formelle Recht nichtig ist, wenn es nicht durch die lebendige Macht getragen wird. War denn Koethen nicht ebenso souveraen wie Preussen? Wie durfte man dieser souveraenen Macht einen Zollanschluss zumuten, der ihr freilich nur Segen bringen konnte und sich aus ihrer geographischen Lage mit unabwendbarer Notwendigkeit ergab, aber ihrem freien Selbstbestimmungsrechte widersprach? Und wenn es ihr beliebte, die Freiheit der Elbe zur boshaften Schaedigung des Nachbarlandes zu gebrauchen -- in welchem Artikel der Bundesakte war dies denn verboten? Dass Anhalt sich durch die Wiener Vertraege zur Beseitigung des Schleichhandels verbunden hatte, ueberging man mit Stillschweigen. Bignon(48), der alte Anwalt der deutschen Kleinstaaten, trat ebenfalls auf den Kampfplatz mit einem offenen Briefe ueber den preussisch-anhaltischen Streit. Er beklagte schmerzlich, dass Frankreich nicht mehr wie sonst vom Niederrhein her des Richteramtes ueber Deutschland warten koenne; aber "Frankreich ist von der Natur bestimmt, immer zu herrschen, und wenn es das Szepter der Macht verloren hat, so hat es doch das Szepter der oeffentlichen Meinung bewahrt". Vor dem Szeptertraeger der oeffentlichen Meinung fand Preussen, wie billig, keine Gnade. Auf diesem Wege der Usurpationen, rief Bignon, ist das Haus der Capetinger einst schrittweis dahin gelangt, die grossen Vasallen Frankreichs zu vernichten. Treuherzig sprach der deutsche Liberale die Warnung des Bonapartisten nach. Auch die Mehrheit am Bundestage kam der Klage des Koethener Hofes, die selbst nach der Freigebung jenes Elbschiffes nicht zurueckgezogen wurde, bereitwillig entgegen. Umsonst verwahrte sich Koenig Friedrich Wilhelm, als er im Sommer 1821 durch Frankfurt kam, mit scharfen Worten wider den Vorwurf, dass er Anhalt mediatisieren wolle. Die kleinen Hoefe liessen sichs nicht ausreden: Preussen wuensche, wie Berstett sich ausdrueckte, "seine geographische Duennleibigkeit auf Kosten einiger Kleineren zu arrondieren". Der neu ernannte badische Bundesgesandte Blittersdorff(49) und die Kluegeren seiner Genossen wussten wohl, wie wenig "bei dem bekannten Charakter des Herzogs oder vielmehr der Frau Herzogin" auf ein verstaendiges Abkommen zu rechnen sei; doch sie meinten, "dies sei die Gelegenheit fuer den Bundestag, seine Dauer und Lebenskraft zu erproben". Es galt, Preussen zu demuetigen vor einem ohnmaechtigen Nachbarn; es galt, der norddeutschen Grossmacht zu beweisen, dass sie, nach Marschalls Worten, ebenso sehr durch Koethen geschuetzt werde, wie Koethen durch Preussen. Von den groesseren Bundesstaaten zeigte allein Bayern ein Verstaendnis fuer die Machtverhaeltnisse; nachdem die Muenchener Regierung soeben selber die Schwierigkeiten der Einfuehrung eines neuen Zollsystems kennen gelernt hatte, meinte sie doch, dass ein kleiner Unterschied bestehe zwischen einem Reiche und einer Enklave. Die anderen beurteilten die Frage nach den Gesichtspunkten des Zivilprozesses, und da die Rechtsfrage allerdings zweifelhaft lag, so entspann sich am Bundestage eine grimmige Fehde, die durch viele Jahre hingeschleppt, den liberalen Zeitungen immer wieder den willkommenen Anlass bot, Preussen als den Friedensbrecher Deutschlands zu brandmarken. Das also war fuer Preussen das Ergebnis der handelspolitischen Verhandlungen in Wien und Dresden. Das neue Zollgesetz war gegen den Widerstand fast aller Bundesstaaten unveraendert aufrecht geblieben, auch die Freiheit der Elbe war notduerftig sicher gestellt, und die alte Ansicht der preussischen Regierung, dass der Bund fuer den deutschen Verkehr schlechterdings nichts zu leisten vermoege, hatte sich abermals bestaetigt. Aber ebenso fest stand auch die Erkenntnis, dass Verhandlungen mit den einzelnen Staaten, bei ihrer gegenwaertigen Stimmung, vorlaeufig ganz aussichtslos waren. Welche unbelehrbare Gehaessigkeit war dem Grafen Bernstorff entgegengetreten, welche anmassende Sprache hatte er anhoeren muessen, erst in Wien, dann in Dresden! Nach so niederschlagenden Erfahrungen fasste man in Berlin den verstaendigen Entschluss, fortan keine Einladungen mehr ergehen zu lassen, sondern gelassen zu warten, bis die Not den kleinen Nachbarn die Augen oeffne. In diesem Sinne erging an saemtliche Gesandten in Deutschland die gemessene Weisung, sich streng zurueckzuhalten und auf alle handelspolitischen Anfragen lediglich zu antworten: der Koenig habe schon im Jahre 1818 sich zu Verhandlungen bereit erklaert, er hege noch immer den Wunsch, andere deutsche Staaten mit seinem Zollsysteme zu verbinden, jetzt sei es an den Nachbarn, dem guten Willen entgegenzukommen. Eichhorn begruendete diesen Entschluss mit der Erwaegung, dass die Eifersucht der Dynastien durch Einladungen erfahrungsgemaess nur gereizt wuerde: "Solche Antraege konnten zugleich als Aufforderungen zur Aenderung ihrer inneren Staatsgesetzgebung und als ihre Selbstaendigkeit gefaehrdende Anmutungen missdeutet werden." Gegen das tiefeingewurzelte Misstrauen der kleinen Hoefe wirkte nur eine Waffe: ruhiger Gleichmut, der die Natur der Dinge fuer sich wirken liess. Was verschlug es auch, wenn die Presse unablaessig ueber Preussens selbstsuechtige Sonderstellung Wehe rief? Von der oeffentlichen Meinung, die sich noch weit verblendeter zeigte als die Hoefe, hatte die Handelseinheit des Vaterlandes nichts zu erwarten; Preussens bester Bundesgenosse war die wachsende Finanznot der kleinen Staaten. Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte usw. III, 29ff. ------------------ 32 Christian Guenther Graf v. Bernstorff, geb. 3. April 1769, gest. 28. Maerz 1835, trat 1818 aus schwedischen Diensten in die preussischen ueber und wurde Minister des Auswaertigen. 1832 trat er von seinem Amte zurueck. 33 Karl Wilhelm Freiherr v. Fritsch, geb. 16. Juni 1769, gest. 16. Oktober 1851, war von 1815-1843 Grossh. Saechs. Minister. 34 Ernst III. seit 12. November 1826, Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha (gest. 29. Januar 1844). 35 Vertreter Nassaus am Bundestag. 36 Wilhelm I., gest. 27. Februar 1821. 37 Adam Mueller, geb. 30. Juni 1779, gest. 17. Januar 1829, damals oesterreichischer Generalkonsul fuer Sachsen in Leipzig. 38 Georg Friedrich Freiherr v. Zentner, geb. 27. August 1752, gest. 20. Oktober 1835, bayrischer Staats- und Justizminister. 39 Ludw. Phil. Graf v. Bombelles, geb. 1. Juli 1780, gest. 7. Juli 1843, oesterr. Diplomat, damals Gesandter in Dresden, nachmals an anderen Hoefen. 40 Karl August, geb. 3. September 1757, gest. 14. Juni 1828. 41 Joh. Rudolf Freiherr v. Buol-Schauenstein, geb. 21. November 1763, gest. 12. Februar 1834, von 1816-1823 Bundespraesidialgesandter, nachher Staatminister und Praesident der Hofkommission. 42 Karl August Freiherr v. Wangenheim, geb. 14. Maerz 1773, gest. 19. Juli 1850, von 1817-1823 wuerttembergischer Gesandter am Bundestage. 43 Den rasenden Wahnsinn. 44 Unter Leinpfaden versteht man die an schiffbaren Wasserlaeufen angelegten Wege, von denen aus Schiffe mittels einer am Maste befestigten Leine stromaufwaertsgezogen oder "getreidelt" werden (daher auch Treidelwege genannt). 45 Wilh. Ludwig Georg Graf zu Sayn-Wittgenstein, geb. 9. Oktober 1770, gest. 11. April 1851, von 1814-1819 Polizeiminister, seitdem Minister des Koeniglichen Hauses. 46 Anhalt zerfiel damals in die 3 Teile Anhalt-Dessau, Anhalt-Koethen, Anhalt-Bernburg. Herzog von A.-Dessau war damals Leopold IV. Friedrich (1817-1871), von A.-Koethen Ferdinand (1818-1830), von A.-Bernburg Alexius Friedr. Christian (1796 bis 1834). Seit 1863 war das ganze anhaltische Gebiet in die Haende Leopolds IV. vereinigt. 47 9. August 1817. 48 Louis Pierre Baron Bignon, geb. 1771, gest. 5. Januar 1841, franz. Diplomat und Publizist, zeitweilig als franzoesischer Geschaeftstraeger bzw. bevollmaechtigter Minister an deutschen Hoefen taetig, nach Belle-Alliance Minister der auswaertigen Angelegenheiten. 49 Friedrich Landolin Karl Freiherr v. Blittersdorf, geb. 10. Februar 1792, gest. 16. April 1861, war von 1821-1835 badischer Bundestagsgesandter, danach bis 1843 Minister der auswaertigen Angelegenheiten, von 1843-1848 wieder Bundestagsgesandter. 4. Die Darmstaedter Zollkonferenzen. Sehr wichtig wurde die grosse Handelskonferenz der sueddeutschen und einiger mitteldeutschen Kleinstaaten, welche, den Wiener Verabredungen gemaess, am 13. September 1820 in Darmstadt zusammentrat. Auch hier war Wangenheim die Unruhe in der Uhr. Unermuedlich kam er von Frankfurt heruebergeritten, immer zur Vermittlung bereit, gleich befreundet mit dem Schutzzoellner List und dem Freihaendler Nebenius; denn aus diesem Handelstage musste unfehlbar der politische Bund des reinen Deutschlands hervorgehen. In der Tat blieben die Darmstaedter Verhandlungen nicht ganz unfruchtbar, obgleich sich Plaene und Gegenplaene noch rastlos wie die Blasen im brodelnden Wasserkessel uebereinander draengten. Sie dienten als ein Laeuterungsprozess, der die unbrauchbaren, traumhaften Gedanken aus der deutschen Handelspolitik ausschied. Sie boten den Teilnehmern wie dem aufmerksam zuschauenden Berliner Hofe die Gelegenheit, die wirtschaftlichen Interessen der Bundesstaaten kennen zu lernen, die Bedingungen eines Handelsvereins ernstlich zu erwaegen. Aber sie lehrten auch durch ihr wiederholtes Scheitern, dass ein Zollverein ohne Preussen unmoeglich war. Von einem binnenlaendischen Wirtschaftsgebiete, dem die Kueste fehlte, konnte niemals eine lebensfaehige nationale Handelspolitik ausgehen. Kein Wunder freilich, dass die misshandelte Nation den ersten Versuch zur Beseitigung der Binnenmauten mit Jubel aufnahm. Zahlreiche Dankadressen belohnten den hochherzigen Entschluss der Hoefe. Badische Landwirte bezeugten schon im Voraus dem Minister Berstett: durch die Darmstaedter Konferenzen sei "der Grund gelegt zu einem glorreichen, einem wahrhaften Nationalinstitute". Sogar jener kluge E. W. Arnoldi in Gotha, der zuerst unter den deutschen Geschaeftsmaennern die nationale Bedeutung des preussischen Zollgesetzes erkannt hatte, liess sich jetzt durch die Zeitstroemung fortreissen und bat seinen Herzog um Anschliessung an die sueddeutschen Staaten, weil Gotha den Wettbewerb der ueberlegenen preussischen Fabriken nicht ertragen koenne. Die Wuensche und Erwartungen des Publikums gingen freilich hergebrachtermassen nach allen Himmelsrichtungen auseinander. Der badische Handelsstand verlangte den unbedingten Freihandel: mehr als 15 Kreuzer Zoll koenne der Zentner Kolonialwaren schlechterdings nicht ertragen. Andere ergingen sich in den ueblichen Ausfaellen gegen "jene stolzen Auslaender". In der bayrischen Kammer beantragte der Abgeordnete Koester eine deutsche Nationaltracht aus deutschen Stoffen; schon in der Volksschule muesse den Kindern der patriotische Abscheu vor auslaendischen Waren eingefloesst werden. Die Mannheimer Kaufleute dagegen hofften vornehmlich auf harte Zoelle wider den Frankfurter Handel: der Verein solle anderen Plaetzen die Vorteile gewaehren, welche die stolze Mainstadt ihren ungebuehrlich grossen Kapitalien verdanke; den Rheinpreussen muesse er jede Erleichterung versagen, so lange nicht der preussische Staat dem Vereine beitrete und der Mehrheit sich unterwerfe. Leider wurde die allgemeine Unklarheit nur vermehrt durch die Schriften Lists und seiner Genossen, die sich allmaehlich ganz in die Irrtuemer des starren Prohibitivsystems verloren. Miller von Immenstadt forderte in einer fuer die Darmstaedter Konferenzen bestimmten Druckschrift (Juli 1821): Verbot aller auswaertigen Waren, die wir selbst erzeugen oder durch Surrogate ersetzen koennen; mit der Schweiz und Piemont, mit Holland, Hannover, den Hansestaedten und Holstein muesse man sich zu verbinden suchen; der Koenig von Daenemark werde als treuer deutscher Bundesfuerst sicherlich geneigt sein, die Schiffe des Vereins mit seinem Danebrog zu decken. Das alles im Namen deutscher Ehre und mit dem unvermeidlichen patriotischen Pathos! Den Regierungen wurden die zudringlichen Mahnungen des Listschen Vereins, der sich auch in Darmstadt wieder durch Sendboten vertreten liess, bald sehr unbequem. Der badische Bevollmaechtigte Nebenius verbot seinem Sekretaer, mit List zu verkehren, sagte dem Agitator ins Gesicht, seine Anwesenheit sei ueberfluessig, errege schlimme Geruechte. List blieb ohne jeden Einfluss auf den Verlauf der Beratungen, und Berstett hielt fuer noetig, seinem Goenner Metternich von vornherein zu beteuern: nur das Gebot der Selbsterhaltung, "nicht die einseitigen, truegerischen, von einer kleinen Schar eigensuechtiger Fabrikanten ausgegangenen Deklamationen" haetten das Darmstaedter Unternehmen hervorgerufen. Die Kabinette selbst waren mit nichten einiger als die oeffentliche Meinung, denn die verbuendeten Staaten bildeten nur scheinbar eine geographische Einheit. Sobald man den Geschaeften ernsthaft ins Auge sah, zeigte sich, dass eine natuerliche Gemeinschaft sueddeutscher Volkswirtschaft, dem Norden gegenueber, nicht bestand. Vielmehr trat wieder einmal jene eigentuemliche Stellung des Rheinlandes hervor, das so oft schon in unserer Geschichte die heilsame Rolle des Vermittlers gespielt hat zwischen Nord und Sued. Die kleinen oberrheinischen Staaten waren dem rheinischen Tieflande durch staerkere Interessen verbunden als den bayrisch-schwaebischen Landen. Nun gar Kurhessen und Thueringen wurden nur durch eine politische Schrulle, durch den Hass gegen Preussen, in diese sueddeutsche Genossenschaft getrieben. Darum verhielt sich der Kasseler Hof von vornherein unlustig und ablehnend. Die thueringischen Staaten begannen schon 1822 Sonderberatungen in Arnstadt, doch nahmen sie gleichzeitig an den Darmstaedter Konferenzen teil und belaestigten das Berliner Kabinett mit nichtssagenden allgemeinen Anfragen -- die bare Ratlosigkeit des Nichtwollens und Nichtkoennens. Und welch ein Gegensatz der staatswirtschaftlichen Gesetze und Ansichten! In Baden verboten sich hohe Zoelle von selbst, weil das gesamte Land nur aus Grenzbezirken bestand und die benachbarte Schweiz noch kein geordnetes Mautwesen besass. Die Regierung verstand die guenstige Handelslage des Staates geschickt auszubeuten, sie begnuegte sich mit sehr niedrigen Finanzzoellen, welche einen schwunghaften Durchfuhrhandel nach Baden lockten und den Staatskassen reichen Ertrag brachten. Die Grossindustrie konnte unter diesem Systeme freilich nicht Fuss fassen; sie galt im Finanzministerium fuer ueberfluessig. Auch das Volk vermisste sie nicht, da der Freihandel wohlfeile Fabrikwaren vom Auslande brachte. Alle deutschen Nachbarn aber klagten laut; denn ein grossartiger Schmuggelhandel trieb von Baden her, namentlich auf dem Schwarzwalde, sein Unwesen, fand bei der Regierung unziemliche Nachsicht; manche haessliche Skandalfaelle, so der ungeheure Defraudationsprozess der Firma Renner, erinnerten an Koethensche Zustaende. In Darmstadt herrschte noch ein veraltetes physiokratisches System, das keine Grenzzoelle kannte und fast den gesamten Staatsaufwand aus direkten Steuern und dem Ertrage der Domaenen bestritt; der Mainzer Handelsstand, der die Douanen Napoleons noch nicht vergessen konnte, beschwor die Regierung, sich vor dieser Pest zu hueten. In Nassau ging das herzogliche Domanium mit seinen herrlichen Rebgaerten und Mineralwassern jedem anderen wirtschaftlichen Interesse vor. Daher hielt Marschall die Fabriken fuer staatsgefaehrlich, Grenzzoelle zum mindesten fuer bedenklich und fuehrte ein Akzisesystem ein, das er den Nachbarn oft als ein finanzpolitisches Meisterwerk empfahl. Der maechtige Beamtenstand befand sich wohl bei der unnatuerlichen Wohlfeilheit des Konsums auf dem engen Markte; nach den Produzenten fragte niemand. Bayern dagegen besass bereits in Franken und Schwaben die ersten Anfaenge einer aufstrebenden Grossindustrie; die bayerischen Zoelle standen im Durchschnitt etwas niedriger als die preussischen, brachten aber geringen Ertrag wegen der unverhaeltnismaessigen Kosten der Grenzbewachung. Der wuerttembergische Gewerbefleiss blieb hinter dem bayerischen noch etwas zurueck; die Stuttgarter Handelspolitik stand daher in der Mitte zwischen dem Freihandel der Rheinuferstaaten und den schutzzoellnerischen Wuenschen der bayrischen Fabrikanten. So abweichende Richtungen zu versoehnen war unmoeglich auf dem engen Raume eines sueddeutschen Verbandes. Allein ein grosses freies Marktgebiet konnte die Staaten genugsam entschaedigen fuer die unvermeidlichen Opfer und Belaestigungen, welche jeder Zollverein anfangs den Genossen auferlegt; und diesen einzig ausreichenden Ersatz gewann man nur durch den Anschluss an Preussen, der von saemtlichen Teilnehmern grundsaetzlich verworfen wurde. "Wir alle -- so gestand du Thil spaeterhin selber -- strebten ja einzig darnach Front gegen Preussen zu machen." Selbst die politische Eintracht der Verbuendeten stand auf schwachen Fuessen, wie laut auch die Liberalen den natuerlichen Bund der konstitutionellen Staaten priesen. {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Es war ein Unglueck fuer die Konferenz, dass ihr mehrere Bundesgesandte als Bevollmaechtigte angehoerten und also auch noch die Raenke und Klatschereien der Eschenheimer Gasse in das wueste Durcheinander der Beratungen hineinspielten. Du Thil hingegen betrieb die Verhandlungen, wie sein greiser Grossherzog, mit nuechternem Geschaeftsverstande und wollte von politischen Hintergedanken nichts hoeren. Marschall und nach einigem Schwanken auch Berstett blieben in dem politischen Fahrwasser der Hofburg. Das Muenchener Kabinett endlich zeigte keine feste Haltung. Waehrend Aretin(50), der erste Bevollmaechtigte, in Darmstadt wie in Frankfurt vorsichtig den Spuren Wangenheims folgte und Lerchenfeld(51) {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} den sueddeutschen Handelsverein ehrlich wuenschte, betrachtete Graf Rechberg(52) die Darmstaedter Konferenz mit Misstrauen, und der zweite Bevollmaechtigte Joerres, der ganz von Rechberg abhing, tat unter der Hand das Seinige, um die Verhandlungen zu erschweren. Mit zaehem Eigensinn hielt jeder Hof seine Forderungen fest, obschon im Grunde noch keiner eine durchgebildete handelspolitische Ueberzeugung besass; jede Nachgiebigkeit erschien wie ein Verrat an der eigenen Souveraenitaet. So fehlten alle Vorbedingungen einer Verstaendigung. Ein prunkendes Aushaengeschild fuer den Verein war rasch gefunden. Die Handelspolitik der Verbuendeten sollte auf dem "staatswirtschaftlich-finanziellen Prinzipe" ruhen -- ein schoenes Wort, dem leider jedes Kabinett einen anderen Sinn unterlegte. Der tuechtigste Staatswirt der Versammlung, Nebenius, ward auf du Thils Vorschlag beauftragt, einen Entwurf fuer die Beratungen auszuarbeiten. Voll Zuversicht ging er ans Werk; er teilte die allgemeine Ansicht der sueddeutschen Bureaukratie, dass die Beseitigung der Binnenmauten den Partikularismus kraeftigen muesse, und schrieb seinem Hofe hoffnungsvoll: durch unseren Verein "wird den Einheitspredigern das wichtigste und schlagendste Argument siegreich entrissen." Jedoch der Plan, den er am 27. November vorlegte, entsprach allein dem badischen Interesse, war fuer alle anderen Staaten unannehmbar. Er schlug ein System sehr niedriger Finanzzoelle vor, fuer den Zentner Kolonialwaren 30 Kreuzer bis 2 fl., fuer Fabrikwaren 5 bis 15 fl. -- Saetze, welche Aretin viel zu gering fand. Der Streit blieb unloesbar, da beide Teile sich auf unwiderlegliche Gruende stuetzten. Ein kleines Zollgebiet bedarf des Freihandels, weil es die Kosten scharfer Grenzbewachung nicht tragen kann; doch ebenso gewiss genuegten die badischen Zoelle nicht, um die werdende bayrische Industrie zu schuetzen. Nebenius wollte ferner alle Zoelle an den Grenzen erheben, keine Packhoefe dulden, nur die Rheinhaefen ausserhalb der Mautlinie liegen lassen. Dahinter verbarg sich die Hoffnung der Karlsruher Bureaukratie, Kehl und Mannheim zu Hauptstapelplaetzen des Vereins zu erheben. Mit Recht erhob Bayern lebhaften Widerspruch: nur bei ganz niedrigen Zoellen seien Lagerhaeuser entbehrlich; auch solle man die Hoffnung auf Frankfurts Beitritt festhalten und nicht den natuerlichen Mittelpunkt des oberrheinischen Speditionshandels zugunsten kleinerer Plaetze benachteiligen. In demselben Geiste badischer Engherzigkeit war der weitere Antrag, dass den Grenzstaaten gestattet werde, von allen Waren, welche der Verein zollfrei einlasse, Zoelle fuer ihre eigne Rechnung zu erheben. Sofort widersprachen alle rueckwaerts liegenden Staaten. Auch bei der Verteilung der allgemeinen Zolleinnahmen vergass Nebenius den Vorteil Badens nicht, das allerdings unter den Bundesgenossen die reichsten Zolleinkuenfte besass. Er verlangte als Massstab: die Kopfzahl und die Laenge der Grenzen, welche jeder Staat zu bewachen habe. Ebenso dreist bestand Bayern auf seinem Interesse: man muesse einen Durchschnitt suchen aus der Kopfzahl und dem Umfange des Gebiets -- weil Bayern duenner bevoelkert war als die Nachbarlande. Die gesetzgebende Gewalt wollte Nebenius einer Konferenz von Bevollmaechtigten anvertrauen, die alljaehrlich zusammenzutreten und mit einfacher Mehrheit zu beschliessen haette. Der Muenchener Hof aber war nicht geneigt, sich den kleinen Mitverbuendeten also zu unterwerfen; Aretin trug das Selbstgefuehl der Macht ruecksichtslos zur Schau und forderte fuer jede halbe Million eine Stimme -- das wollte sagen: die Stimmenmehrheit fuer Bayern allein -- was wieder von du Thil und den anderen Kleinen als "ein allzu naiver Versuch" zurueckgewiesen wurde. Die Zollverwaltung endlich sollte von einem gemeinsamen Beamtentum gefuehrt, durch eine permanente Kommission beaufsichtigt werden. Seltsamerweise erregte diese Zentralverwaltung zunaechst geringen Anstoss. Die schwaebische Bureaukratie sprach sogar lebhaft dafuer. Dem allmaechtigen Stande der wuerttembergischen Schreiber blieb der Verein unheimlich, der so viele Schreiberstellen aufzuheben drohte. Indes wenn sich das Unheil nicht abwenden liess, so erschien die Zentralverwaltung als das geringere Uebel; sie musste doch aus jedem Staate eine zahlreiche Beamtenschar anstellen. Behielten dagegen die Staaten ihre selbstaendige Zollverwaltung, so hatte Wuerttemberg nur zwei Grenzmeilen am Bodensee zu ueberwachen, und die ganze Herrlichkeit der koeniglichen Mautverwaltung brach zusammen! Die Verhandlung ueber jene Streitfragen ward bald gereizt und gehaessig. Nebenius sprach in seinen Berichten mit sehr ungerechter Bitterkeit ueber die Gegner, die doch vielfach wohlbegruendeten Einspruch erhoben. Zudem vertrat noch jeder Staat seine eigentuemlichen Wuensche. Reuss und Weimar wollten das Geleitsgeld fuer ihre imaginaeren Harnischreiter nicht ohne Entschaedigung aufgeben. Der Kurfuerst von Hessen weigerte sich, seine Transitzoelle dem Vereine zu ueberlassen, forderte zum mindesten ein Praezipuum(53) fuer den starken Konsum franzoesischer Weine, worauf man mit der kecken Luege antwortete, im Oberland werde davon mehr getrunken als in Kurhessen. Baden wollte nicht beitreten, wenn nicht sogleich ein Handelsvertrag mit der Schweiz abgeschlossen wuerde. Derweil also die Meinungen ziellos durcheinander wogten, hofften mehrere der Kabinette, einmal selbst der bayrische Hof, auf Preussens Zutritt! Wiederholt besprach man in Darmstadt die Aufnahme der preussischen Rheinlande; dem kreisenden Berge dieses Sonderbunds zu Lieb sollte Preussen die schwer erkaempfte handelspolitische Einheit seines Gebiets wieder zerreissen! {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Nachdem man sechs Monate auf die bayrischen Instruktionen gewartet, erklaerte endlich (Juli 1821) der bayrische Bevollmaechtigte, sein Hof verlange, dass das bestehende bayrische Zollgesetz dem Vereine zur Grundlage diene. So begann der trostlose Streit von neuem. Darauf, nach anderthalb Jahren, bot sich eine Gelegenheit, die Lebenskraft des Vereines zu erproben. Frankreich erliess am 23.-April 1822 ein neues Douanengesetz, das die Interessen der oberdeutschen Staaten offenbar feindlich verletzte, die wichtigsten Gegenstaende der Einfuhr aus Sueddeutschland, Schlachtvieh und Wolle mit unerschwinglichen Zoellen belegte. Der Schlag traf fast alle sueddeutschen Lande gleichmaessig; sollte nicht mindestens gegen diesen Angriff gemeinsame Abwehr moeglich sein? Man verhandelte und verhandelte. Baden verbot (17.-Mai) die Weineinfuhr auf seiner Westgrenze; Wuerttemberg schloss sich diesen Retorsionen an; mit Bayern war keine Verstaendigung zu erzielen. In seiner Not wendete sich Berstett an Metternich, bat die Hofburg um ihre guten Dienste in den Tuilerien. Nach fast zwei Monaten (12.-August) erwiderte der Oesterreicher: "es ist kaum zu erwaehnen noetig, wie sehr bereit wir sind", den deutschen Bundesstaaten jede Gefaelligkeit zu erweisen; aber das franzoesische Gesetz ist das Ergebnis der nationalen Meinung und eines "national-oekonomischen Systems, das faktisch das Lieblingssystem unserer Zeit geworden ist." Das war die Hilfe, welche Deutschlands Volkswirtschaft von Oesterreich zu erwarten hatte! Zuletzt riefen die unsicheren, vereinzelten Retorsionen der sueddeutschen Hoefe nur einen neuen gehaessigen Zank zwischen Bayern und Baden hervor; denn da die bayrische Pfalz keine Mauten besass, so musste Baden, um die franzoesischen Weine wirksam zu treffen, auch die Weineinfuhr vom bayrischen Ueberrhein verbieten, was wieder bayrische Klagen veranlasste -- und so weiter ins Unendliche. Gegen den Herbst 1822 schienen die Verhandlungen wieder vorwaerts zu ruecken. Bayern, ermutigt durch einen draengenden Beschluss seines Landtags, legte sich kraeftig ins Zeug; der rastlose Wangenheim brachte einen Vermittlungsantrag ein, zugunsten der bayrischen Vorschlaege. Aber noch immer ward man nicht Handels einig, man zerrte herueber und hinueber. Da verlor die darmstaedtische Regierung die Geduld; sie hatte ihrem Landtage baldige Regelung des Zollwesens versprochen und erklaerte jetzt (Februar 1823): wenn man nicht endlich sich vergleiche, so werde Darmstadt fuer sein eignes Haus sorgen. Die preussische Regierung sah diesen wohlgemeinten aber aussichtslosen Verhandlungen gelassen zu, da sie sich mit jedem Jahre mehr von der Lebenskraft ihres eigenen Zollgesetzes ueberzeugte, und liess sich in ihrer kuehlen Geringschaetzung nicht stoeren, als die landesueblichen Kraftreden wider Preussens Zollsystem auch auf der Darmstaedter Konferenz erklangen. Eine Denkschrift des Auswaertigen Amtes bemerkte darueber spaeterhin trocken: "Man waehlte in Darmstadt Preussen zum Stichblatt, weil man dadurch die oeffentliche Meinung gewann und seine eigenen Plaene leichter durchsetzen konnte." Metternich hingegen, der den Darmstaedter Plaenen keinen fruchtbaren Gedanken entgegenzustellen wusste, ward der Sorgen nicht ledig. Schon vor Eroeffnung der Konferenzen ermahnte er Berstett, mindestens den Einfluss der Subalternen und der Landstaende fern zu halten. Zugleich musste Marschall gegen den Karlsruher Hof den Verdacht aeussern, ob vielleicht Nebenius selber zu den verkappten Demagogen gehoere. Der badische Minister versuchte seinen Goenner zu beschwichtigen und gab an Nebenius gemessene Weisung, sich vor allen politischen Nebengedanken zu hueten: "Auch aus dem Einfachsten wird Gift gesogen. Ruecksichten, die mehr gefuehlt als bezeichnet werden koennen, verbieten, den Landtagen irgendwelche Einwirkung zu gestatten." Gleichwohl blieb Metternich argwoehnisch, und sein Marschall gestand ihm wehmuetig: da der Kaufmann mit seinem beweglichen Kapitale leider nicht einem, sondern allen deutschen Staaten angehoere, so koenne die Handelssache von den Revolutionaeren allerdings leicht fuer ihre Einheitstraeume ausgebeutet werden. Selbst der unverkennbare Misserfolg der Konferenzen beruhigte die Leiter der deutschen hohen Polizei nicht: dieser Verschwoerer Wangenheim war ueberall, selbst das badische Land sollte er zu Pferde durchstreift haben, um sich mit den liberalen Abgeordneten zu besprechen. {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Am 3. Juli 1823 erklaerte schliesslich du Thil den Austritt seines Grossherzogs aus der Darmstaedter Konferenz, weil Hessen ausserstande sei, die Ordnung seines Zollwesens noch laenger zu verschieben. Nassau folgte dem Beispiele. Darauf weigerte sich Bayern, ohne Darmstadt weiter zu verhandeln; unter lebhaften gegenseitigen Anklagen ging der Kongress auseinander, nach drei Jahren unerquicklichen Streites. Er scheiterte an der Unmoeglichkeit, abweichende Interessen in engem Rahmen zusammenzuhalten. Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte usw. III, 302 ff. ------------------ 50 Adam Freiherr v. Aretin, geb. 24. August 1769, gest. 16. August 1822, war seit 1817 bayrischer Bundesgesandter. 51 Maximilian v. Lerchenfeld, geb. 16. November 1778, gest. 14. Oktober 1843, war von 1817-1825 bayrischer Finanzminister. 52 Aloys Graf v. Rechberg und Rothenloewen, geb. 18. September 1766, gest. 10. Maerz 1849, war bayrischer Minister des Auswaertigen. 53 Eine besondere Verguetung. 5. Motzs deutsche Handelspolitik. In das achte Jahr hinein hatte Minister Klewiz sein schweres Amt ertragen, mit unwandelbarer Geduld die grosse Steuerreform aufrecht gehalten wider zahllose Angriffe von innen und von aussen. Aber das Defizit vermochte er nicht zu beseitigen, trotz allen neu angeordneten Ersparnissen; denn er begnuegte sich mit einer bescheidenen Stellung, die es ihm unmoeglich machte, den Staatshaushalt vollstaendig zu uebersehen. Er trug vor der Welt die Verantwortung fuer das gesamte Finanzwesen; und gleichwohl verfuegte Ladenberg(54) mit seiner Generalkontrolle selbstaendig ueber alle Ausgaben und einen Teil der Einnahmen des Staates. Und dazu noch die unabhaengige Staatsschuldenverwaltung, bei deren Einsetzung Klewiz nicht einmal befragt wurde. Da der Streit der Departements einen vollstaendigen Etat gar nicht mehr zustande kommen liess, so musste der Minister schon 1824 die fuer jedes dritte Jahr versprochene Bekanntmachung des Budgets unterlassen. Muede der ewigen Reibungen und doch zu schuechtern, um fuer sich selber die gebuehrende Macht zu fordern, erklaerte er im Dezember 1824 dem Koenige, unter den bestehenden Ressortverhaeltnissen vermoege er das Gleichgewicht der Finanzen nicht herzustellen, und erbat sich nachher die Oberpraesidentenstelle in seiner saechsischen Heimat. Der Koenig liess darauf (12. Dezember) den vier Praesidenten Schoen, Vincke, Motz und Schoenberg den Entwurf des neuen Etats zusenden mit der Anfrage: welche Bedenken sie dawider haetten und welche besonderen Befugnisse sie fuer den kuenftigen Finanzminister noch verlangten, damit er das Gleichgewicht wieder herstellen koenne. Jeder der vier sollte antworten, als ob er selber zur Uebernahme des Finanzministeriums bestimmt sei; keiner durfte von der Befragung der anderen etwas erfahren {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Nur Motz traf in seiner Antwort mit sicherer Hand den eigentlichen Sitz des Uebels, den Dualismus der Finanzverwaltung. Er forderte fuer den Minister kurz und gut Sitz und Stimme in der Generalkontrolle, so dass auch die Ausgabeetats nicht ohne seine Genehmigung zustande kommen koennten; sodann ganz freie Hand bei der Auswahl seiner Raete, endlich Zentralisation des Kassenwesens. In zwei weiteren Denkschriften {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} verlangte er ferner die Aufstellung voellig zuverlaessiger Etats und erklaerte sich entschieden gegen die Wiedereinfuehrung der Provinzialministerien. Denn neben solchen Unterministern sei ein maechtiger Finanzminister unmoeglich; dieser muesse unmittelbar an der Verwaltung teilnehmen, um "unverbesserliche Missgriffe, Einseitigkeit und Indolenz" zu verhueten: "er kann nicht darauf beschraenkt bleiben, durch Etats und Verwaltungsnormen nur die Zukunft nach seinen Ansichten zu regeln; auch kann es ihm nicht helfen, die Vergangenheit nach toten Zahlen zu meistern". -- Die Entscheidung konnte nicht zweifelhaft sein {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Der Koenig entschied sich fuer Motz. Er ahnte in jenem Augenblicke selber nicht, wie segensreich dieser Entschluss auf den Gang der deutschen Geschichte einwirken sollte. Motz stand in seinem 50. Jahre, als er am 1. Juli 1825 sein Amt uebernahm, der einzige Staatsmann in einem Kabinett von Geschaeftsmaennern(55). Auch dieser Kurhesse war einst, wie Eichhorn, durch den Glanz der friderizianischen Zeiten aus seiner kleinstaatlichen Heimat in den preussischen Staatsdienst hinuebergefuehrt worden. Eine ungleich glaenzendere und doch nicht minder gediegene Natur als der stille gelehrte Maassen, tatkraeftig, wagelustig, voll kecken Selbstvertrauens, das sich oft in beissenden Sarkasmen aeusserte, hatte der ruestige Naturalist in einer wechselreichen praktischen Laufbahn alle Buecherweisheit verachten gelernt und doch verstanden, die lebendigen Ideen der Zeit sich anzueignen {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Das waren seine frohesten Tage gewesen, da er als junger Landrat auf dem Eichsfelde bald zu Pferd bald mit der Jagdflinte auf der Schulter seinen Kreis durchstreifte und die Bauern auf ihren Hoefen besuchte, selten mit Befehlen eingreifend, immer bereit, dem geringen Manne zu zeigen, wie man sich selber helfen koenne, denn "Selbsttaetigkeit entspricht dem energischen Charakter des preussischen Volkes." Dort gewoehnte er sich den Bauernstand als den Kern der Nation zu schaetzen: "lieber die drueckendsten Luxusauflagen, lieber wie Pitt alle Elemente besteuern, als den Schweiss des Landmanns belasten." Der Friede von Tilsit zwang ihn, in die Dienste des verhassten Koenigreichs Westfalen zu treten; er leitete das Steuerwesen im Harzdepartement, erschien zweimal als Deputierter bei dem Gaukelspiele des Kasseler Landtages und beobachtete voll froher Ahnungen, wie unterdessen der preussische Staat die Gedanken echter deutscher Freiheit in sich aufnahm. Kaum kam die Kunde von der Leipziger Schlacht, so rief er seine Eichsfelder wieder unter die alten Fahnen und war sodann in Halle und Fulda bei der Organisation der wiedereroberten Provinzen taetig. Als Praesident in Erfurt half er nachher, jenen Zollvertrag mit Sondershausen abschliessen, der so vielen anderen zum Vorbilde dienen sollte. Hier in Thueringen trat ihm die ganze Hilflosigkeit der deutschen Kleinstaaterei vor Augen. Grenzenlos war seine Verachtung gegen die kleinen Hoefe. Er kannte ihre Gesinnung genugsam aus den Schicksalen seiner eigenen Familie, die unter dem Geize des hessischen Kurfuersten schwer zu leiden hatte, und lernte sie noch richtiger schaetzen, als der Koenig ihn einmal nach Kassel sendete, um die ehelichen Zwistigkeiten im hessischen Hause -- natuerlich ohne Erfolg -- zu beschwichtigen. Ein stolzer Preusse von Grund aus, freimuetig, selbstaendig in allem, wollte er das Lob Oesterreichs, das in den Beamtenkreisen gesungen wurde, niemals gelten lassen: pfui ueber diese faule, unwissende, unredliche k. k. Verwaltung. Ausser Canning(56) war Motz der einzige Staatsmann dieser Epoche, der die Hohlheit Metternichs voellig durchschaute. Waehrend fast alle anderen preussischen Staatsmaenner ein stilles Zagen nicht ueberwinden konnten, blieb diesem frischen Geiste die frohe Zuversicht des Jahres 1813 ungeschwaecht. "Ein guter Krieg wird uns wohl tun, sagte er oft. Aber es muss ein Volkskrieg sein, und dann werden wir Kraefte entwickeln, ueber die man staunen wird." Motz wollte die Stein-Hardenbergischen Reformen bis in die letzten Konsequenzen vollendet sehen: eine neue Landgemeindeordnung sollte ergaenzend neben die Staedteordnung treten, die Abloesung der Grundlasten vollstaendig ausgefuehrt, auch die Ausgleichung der Grundsteuer vollzogen werden -- um der Gerechtigkeit willen, selbst wenn der Staat dabei Verluste erlitte {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Waehrend seiner angestrengten Verwaltungstaetigkeit in Erfurt und nachher als Oberpraesident in Magdeburg entstanden die Denkschriften ueber die Abrundung des preussischen Staatsgebietes, ueber den Anschluss der kleinen Kontingente an das preussische Heer, ueber die Reform der Verwaltung. Diese rasch hingeworfenen Arbeiten zeigen schon sein ganzes Wesen: weiten, scharfen Blick, vorurteilsfreien, hochherzigen Patriotismus, aber auch einen Zug von genialem Leichtsinn, der notwendig zu seinem Bilde gehoert. Ohne solche Lust am kecken Wagen und Plaeneschmieden haette er schwerlich die Kraft gefunden, in einer Epoche der Ermattung und Entsagung den Neubau des deutschen Staates vorzubereiten. Die ihm naeher standen, empfingen den Eindruck, dass hier eine gross angelegte Natur, ein gedankenreicher, unruhiger, ueberaus produktiver Kopf in allzu engem Wirkungskreise sich aufzureiben drohte. Der Mann bedurfte einer grossen Taetigkeit, wenn die Ideen, die in seinem Geiste gaerten, sich abklaeren, wenn sein starker Ehrgeiz und seine frohe Willenskraft sich frei entfalten sollten. Um das Defizit zu beseitigen, hatte der Koenig den neuen Minister berufen. Die glueckliche Loesung dieser naechsten Aufgabe bildete zugleich die Vorbedingung fuer das Gelingen der handelspolitischen Plaene, welche Motz seit jenem Sondershausener Vertrage nicht mehr aus den Augen verloren hatte; nur wenn das Gleichgewicht des Staatshaushalts gesichert war, konnte die Krone Zollvertraege von zweifelhaftem finanziellem Erfolge wagen. In den Kreisen des hohen Beamtentums wurde die Lage der Finanzen allgemein sehr unguenstig beurteilt. Hatte man vor sechs Jahren schlechterdings nicht glauben wollen, dass in Preussen ein Defizit bestehen koenne, so hielt man jetzt den Zustand fuer ganz verzweifelt, weil man die Ergiebigkeit der neuen Steuern nicht genau kannte. Motz teilte diese duestere Ansicht nicht. Er war ueberzeugt, das vielbeklagte Defizit sei laengst nicht mehr vorhanden, wenn nur erst Einheit, Uebersicht, Ordnung in das Finanzwesen komme; "aber, sagte er spaeter zu seiner Tochter, ich huetete mich wohl, Ueberschuesse zu versprechen, man haette mich fuer wahnsinnig gehalten." -- Einen minder mutigen Mann haette die Lage des Marktes wohl erschrecken koennen. Zur selben Zeit, da Motz ins Amt trat, brach ueber England eine furchtbare Handelskrisis herein, eine der schwersten Erschuetterungen, welche die Handelsgeschichte kennt. Die Eroeffnung des suedamerikanischen Marktes hatte eine fieberische Spekulation erweckt, welcher nun der natuerliche Rueckschlag folgte: in fuenf Vierteljahren stuerzten mehr als 70 Banken und an 3600 Geschaeftshaeuser zusammen. Auch Deutschland blieb von dem Unheil nicht verschont, wie bescheiden auch sein Anteil am Weltverkehr noch war: die grosse Firma Reichenbach in Leipzig und einige der ersten Haeuser Berlins gingen zugrunde. Doch was bedeutete diese Bedraengnis des Geldmarkts neben der namenlosen Not des deutschen Landbaues, die wie alle landwirtschaftlichen Krisen ungleich langsamer ueberwunden wurde? Die Hungerjahre waren kaum ueberstanden, da fielen die Preise aller landwirtschaftlichen Erzeugnisse schnell und anhaltend. Die Zollgesetze des Auslandes und der elende Zustand der Strassen hemmten die Abfuhr der ueberreichen Ernten; selbst die technischen Fortschritte, welche die deutsche Landwirtschaft ihren Lehrern Thaer und Schwerz verdankte, wirkten fuer jetzt nachteilig, da die Konsumtion dem gesteigerten Angebot so rasch nicht zu folgen vermochte. Der Wert der Grundstuecke sank in manchen Landesteilen tiefer als einst zur Zeit des Krieges. Nur die Schaefereien behaupteten sich noch; Deutschland allein fuehrte nach England ueber zweimal soviel Wolle aus als alle uebrigen Laender zusammen. Aber auch dieser Vorteil drohte zu schwinden, seit die Fremden von uns zu lernen begannen, deutsche Hirten und Schafe in Russland, Schweden, Frankreich, Australien verwendet wurden. Am haertesten litt das unglueckliche Altpreussen; waehrend der Kriegsjahre war mehr als die Haelfte seines Viehstandes draufgegangen, jetzt stand in einzelnen Gegenden der Tagelohn auf 3 bis 4 Sgr., in anderen wurde der Scheffel Roggen fuer 5 Sgr. ausgeboten. Schoens Schwager, Oberst Bruenneck, suchte den Nachbarn zu helfen durch die Einfuehrung der Schafzucht und anderer technischer Verbesserungen; doch nur wenige waren imstande, sich auf neue Unternehmungen einzulassen. Auf die flehentliche Bitte der Staende gewaehrte der Koenig "dieser alten Kernprovinz" abermals ausserordentliche Unterstuetzungen: Chausseen wurden gebaut, grosse Getreideankaeufe fuer die Armee angeordnet, auch Magazine angelegt, welche den Preis des Scheffels Roggen auf der Hoehe von 1 Taler halten sollten. Dann erlangte Schoen(57) noch eine neue Bewilligung von 3 Millionen Taler zur Rettung verschuldeter Grundbesitzer. Als guter Patriot wollte er vornehmlich die alten, mit der Geschichte des Landes verwachsenen Geschlechter im Besitze ihrer Stammgueter erhalten. Dieselbe Meinung vertrat sein Freund Staegemann(58) im koeniglichen Kabinett; der war, obwohl ein Anhaenger der neuen Volkswirtschaftslehre, doch von jeher der Ansicht gewesen, dass durch den Untergang der alten Grundbesitzer der Staat selber zugrunde gehe: "es scheint mir ganz simpel, weil ein anderer Staat daraus wird". Aber die bewilligte Summe reichte nicht von fern aus, obwohl sie fast den sechszehnten Teil der gesamten Staatseinnahmen ausmachte; zudem musste die grosse Kreditanstalt der Provinz, die "Landschaft", der die bedraengten Grundherren allesamt verschuldet waren, um jeden Preis vor dem Bankrott bewahrt werden, wenn man nicht das ganze Land dem Verderben preisgeben wollte. Daher befahl der Koenig auf Schoens Vorschlag (1824), die Unterstuetzungsgelder zwar zunaechst zur Rettung der alten Grundherrengeschlechter zu verwenden; wenn es aber ganz unmoeglich sei, eine Familie im Besitze zu erhalten, dann solle sie mit einer notduerftigen Pension abgefunden und ihr Stammgut durch die Landschaft unter den Hammer gebracht werden. Mit dieser fast unbeschraenkten Vollmacht schritt Schoen ans Werk. Das Schicksal des altpreussischen Adels lag in seiner Hand. Abermals, und noch stuermischer, als vor Jahren bei der Verteilung der ersten Kriegsentschaedigungsgelder, draengte sich alles um die Gunst des Beherrschers der Provinz. Er tat sein Bestes, viele wackere Maenner vom Landadel verdankten allein seiner Fuersorge die Erhaltung ihres Besitzes; wo er aber die Lage fuer hoffnungslos hielt, da liess er die Landschaft unerbittlich zur Subhastation schreiten. So geschah es, dass unter der Mitwirkung dieser wohlwollenden Regierung die Grafen Schlieben, die Grafen Goltz und viele andere angesehene Adelsgeschlechter von Haus und Hof verjagt wurden -- die meisten schuldlos, denn der letzte Grund ihrer Not lag doch in den patriotischen Opfern der Kriegszeit. Hunderte von Landguetern wurden versteigert, einmal ihrer 218 fast zu gleicher Zeit; das unmaessige Angebot drueckte die Preise so tief herab, dass die Landschaft selber nur durch Zuschuesse des Staates sich behaupten konnte. In manchen Teilen der Provinz wechselte die volle Haelfte der grossen Gueter ihren Besitzer {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Mit diesen traurigen Wirren hatte der Finanzminister unmittelbar nichts zu schaffen, aber an dem Ertrage der Abgaben lernte er die Not der Landwirtschaft nur zu gruendlich kennen, obwohl der Koenig bei allen seinen Unterstuetzungen streng den Grundsatz einhielt, dass auch dem Beduerftigsten niemals ein Nachlass an den Staatssteuern bewilligt werden duerfe. Um die Schwierigkeiten zu bemeistern, wollte Motz zunaechst die Lage des Staatshaushalts genau uebersehen und erneuerte daher seine alte Forderung, dass der Finanzminister in der Generalkontrolle Sitz und Stimme haben muesse. Der Koenig suchte nach seiner Gewohnheit zu vermitteln, weil er den verdienten alten Ladenberg nicht kraenken mochte, und ordnete an, der Finanzminister solle im Falle der Meinungsverschiedenheit durch einen seiner Raete muendlich mit dem Praesidenten der Generalkontrolle unterhandeln. Mit einer solchen Halbheit konnte sich Motz nicht zufrieden geben; denn zwischen den beiden koordinierten Behoerden hatte sich laengst ein tragikomischer Wettstreit des Amtseifers entsponnen, wie er nur in der preussischen Bureaukratie moeglich ist. Die Generalkontrolle suchte ihre Lebenskraft zu erweisen, indem sie den Etats zahllose laecherliche Monita zusetzte, zum Domaenenetat allein 91, zum Forstetat 146, und die Kalkulatoren des Finanzministeriums erwiderten natuerlich mit gleicher Muenze. Das Gezaenk war so unertraeglich, dass Motz sich entschloss, den Koenig um seine Entlassung zu bitten, wenn ihm seine berechtigte Forderung nicht gewaehrt wuerde. "Ich kann mich nicht dazu verstehen -- schrieb er an Lottum -- die Rolle zu uebernehmen, welche Herr v. Klewiz viele Jahre zum Nachteil der Finanzen des Staates ertragen hat." Ein solches Abschiedsgesuch galt nach den Grundsaetzen des alten Absolutismus als strafbarer Trotz, und Motz selber hielt fuer noetig, die Versicherung hinzuzufuegen: "ich wuerde der Gnade des Koenigs mich selbst unwuerdig erkennen, wenn ich, in Eitelkeit und Torheit befangen, mich auf anderem Wege in meiner Dienststelle zu konservieren bemueht sein wollte." Seit Stein im Fruehjahr 1807 aus aehnlichem Anlass ungnaedig entlassen worden, hatte kein Minister mehr gewagt, in diesem Tone zu reden; selbst Hardenberg hatte nur einmal, als er auf die Zustimmung des Koenigs sicher rechnen konnte, leise mit einem Abgang gedroht. Friedrich Wilhelm brauchte auch volle vier Monate, bis er dem neuen Minister sein selbstbewusstes Auftreten ganz verzieh. Dann aber hatte er sich durch Lottums Vortraege von der Unhaltbarkeit des bestehenden Dualismus gruendlich ueberzeugt, und da er seine bureaukratischen Hartkoepfe kannte, so ging er nunmehr sogleich weit ueber die Vorschlaege des Finanzministers selber hinaus. Am 8. April 1826 ueberraschte er diesen durch die willkommene Mitteilung: er denke die Generalkontrolle ganz aufzuheben, ihre Geschaefte dem Finanzministerium zu uebertragen. Am 29. Mai wurde dieser Befehl vollzogen, und Ladenberg musste sich wehmuetig mit dem Praesidium der Oberrechnungskammer begnuegen. Motz aber war jetzt endlich Herr der Lage, und die anderen Minister empfanden bald, dass er sich berechtigt hielt, alle Gebiete der Verwaltung scharf zu ueberwachen. Der langsame Altenstein mochte wohl Grund haben, sich ueber die Anmassung des Finanzministers zu beschweren, denn umstaendliche Bedachtsamkeit reizte den stuermischen Mann leicht; doch ueber seine Kargheit konnte niemand klagen. Den Anforderungen der Kunst und Wissenschaft entsprach er, nach dem Masse der vorhandenen Mittel, sehr freigebig; als Kamptz(59) ihn wegen der hohen Kosten der Revision des Landrechts befragte, erwiderte er nachdruecklich: fuer ein solches Werk muss in Preussen immer Rat geschafft werden. In jedem Zweige des Finanzwesens spuerte man die ruestigen Haende des neuen Leiters. Durch eine gruendliche Reform der Kassenverwaltung verschaffte er sich einen genauen Ueberblick ueber alle Bestaende. Das Steuerwesen liess er in den Haenden Maassens, des Urhebers der neuen Zollgesetzgebung. Die beiden galten in der Beamtenwelt als Nebenbuhler, aber sie wurden Freunde. Maassen fuegte sich gern der raschen Entschlossenheit des juengeren Vorgesetzten, und dieser wusste wohl, was er der Umsicht und Sachkenntnis des Generalsteuerdirektors verdankte. "Alles mit Maassen", sagte er laechelnd, wenn ihn der besonnene Freund von einem uebereilten Wagnis zurueckgehalten hatte. Unter Maassen arbeitete der geistreiche Ludwig Kuehne(60), Motzs alter Freund von Erfurt her, der Schrecken aller Traegen und Mittelmaessigen; wie wusste er seine Leute in Atem zu halten, wenn er ihnen zurief: "Dummheit ist eine Gottesgabe, aber sie zu missbrauchen ist schaendlich!" In den Provinzen war das Steuerwesen bisher von den Regierungen verwaltet worden; der Koenig hatte indes bald eingesehen, wie wenig das langsame Kollegialsystem sich fuer diesen Zweig der Verwaltung eignet, und daher (1822) zunaechst in den beiden westlichen Provinzen das gesamte Steuerwesen einem Provinzialsteuerdirektor unterstellt. Diese Einrichtung bewaehrte sich vollstaendig und wurde durch Motz auch in den uebrigen Provinzen eingefuehrt. Die neuen Behoerden mussten nach Landesbrauch anfangs oft mit der Eifersucht der Regierungen kaempfen, auch das Volk empfing sie mit Argwohn, denn der Name der Zoellner hatte einen boesen Klang, in den alten Provinzen dachte man noch mit Schrecken an die Regiedirektoren des grossen Koenigs. Doch bald lernte man die Puenktlichkeit und schlagfertige Raschheit der Steuerbehoerden schaetzen; am Rhein wurde der Steuerdirektor v. Schuetz sogar ein volksbeliebter Mann. Jede tiefgreifende Steuerreform bedarf der Zeit, um ihren Wert zu erproben. Jetzt hatte die Geschaeftswelt sich nach und nach an die neuen Abgaben gewoehnt, die Beamten Uebung und Sicherheit erlangt in den ungewohnten Formen. Auch der Schmuggel begann nachzulassen. Etwa um das Jahr l827 konnte die Reform als abgeschlossen und in den Volksgewohnheiten festgewurzelt gelten. Zu ihrer Ergaenzung unternahm Motz die Neugestaltung der Domaenenverwaltung, die unter dem Drucke der grossen landwirtschaftlichen Krisis ganz in Verwirrung geraten war. Der Minister selbst und der neue Direktor des Domaenenwesens, Kessler, bereisten persoenlich saemtliche Domaenen und Forsten der Monarchie, ueberall jubelnd empfangen von der Jaegerei und den Paechtern, die es kaum fassen konnten, dass die Herren in Berlin sich endlich einmal ihrer Not annahmen. Dann ueberwies Motz, um mit dem alten Jammer aufzuraeumen, alle Rueckstaende einer besonderen Verwaltung und schloss fuer das gesamte Domanium neue, billigere Pachtvertraege, welche streng eingehalten wurden, aber hunderte von Paechtern vor dem Untergange bewahrten. Mit der Veraeusserung der Domaenen verfuhr er sehr vorsichtig; nur in Westpreussen und Posen liess er zahlreiche Vorwerke an deutsche Kolonisten veraeussern, "um einen selbstaendigen und der Regierung anhaenglichen Bauernstand zu bilden". Das Beste blieb doch, dass man nun endlich wusste, woran man war. Nach kaum drei Jahren, am 30. Mai 1828, konnte Motz dem Monarchen berichten, dass statt des gefuerchteten Defizits ein reiner Ueberschuss von 4,4 Millionen erzielt worden sei, der sich nach Eingang der Rueckstaende auf 7,8 Millionen steigern muesse; 3,245 Millionen waren bereits bar an den Staatsschatz abgefuehrt, 1,172 Millionen zu ausserordentlichen Ausgaben verwendet. Dankbar gestand er zu, ohne die grossen unter seinem Vorgaenger vollzogenen Reformen wuerde er nicht imstande sein, dem Koenig so erfreuliche Ergebnisse vorzulegen; aber er durfte sich sagen, nur er habe vermocht, die Ernte dieser Saaten einzuheimsen, und er fuehlte sich bereits so sicher, dass er eine maessige Verminderung der Klassensteuer vorzuschlagen wagte: die Steuerpflichtigkeit sollte fortan zwei Jahre spaeter als bisher, erst mit dem sechzehnten Lebensjahre beginnen. Auch fernerhin, so schloss der von L. Kuehne entworfene Bericht, werden die Grundsaetze der Finanzverwaltung bleiben: "Sparsamkeit und Ordnung in den gewoehnlichen Ausgaben; Bereithaltung der Kraefte, welche der Friede gewaehrt hat, fuer die Zeit des ersten Krieges; Aufrechterhaltung des Kredits durch Puenktlichkeit; Verwendung eines Teiles der Ueberschuesse als werbendes Kapital fuer die Zukunft fuer den Gewerbefleiss." Seitdem war Motz der Achtung des Koenigs sicher. Bei Hofe betrachtete man ihn als einen Emporkoemmling, da sein altes hessisches Adelsgeschlecht im preussischen Dienste neu war. Die Partei Wittgensteins [des Polizeiministers] witterte bald den Liberalismus des Ministers heraus; Lottum aber und die anderen Anhaenger der unbedingten Sparsamkeit tadelten seinen Leichtsinn, weil er mit den steigenden Einnahmen auch das knappe Ausgabenbudget allmaehlich um etwa 900000 Taler erhoehte. Wagten sich solche Vorwuerfe aus dem Dunkel heraus, dann rechtfertigte er sich stets freimuetig vor dem Koenige selbst, denn ohne das Vertrauen des Monarchen koenne der Finanzminister als Aufseher der gesamten inneren Verwaltung nicht bestehen {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} In den letzten Jahren hatte Preussens Handelspolitik auch den kleinen Nachbarn gegenueber nur wenig Erfolge errungen. Die von preussischem Gebiete umschlossenen Kleinstaaten waren durch das wueste Geschrei, das sich an den Hoefen und in der Presse wider das Zollgesetz erhob, gruendlich eingeschuechtert. Der Fuerst von Rudolstadt getraute sich erst nach drei Jahren (1822) dem verstaendigen Beispiele seines Sondershausener Vetters zu folgen und mit seiner Unterherrschaft dem preussischen Zollsystem beizutreten. Im naechsten Jahre wurden auch zwei weimarische Aemter sowie das obere Herzogtum Bernburg in die Zollgemeinschaft aufgenommen, und alle Beteiligten befanden sich wohl bei dem freien Verkehr. Aber auf den so oft verheissenen Beitritt der gesamten anhaltischen Lande wartete man in Berlin noch immer vergeblich. Der Koethener Herzog fuehrte den Schmuggelkrieg gegen seinen koeniglichen Schwager wohlgemut fort, ermutigt durch die Einfluesterungen seines Adam Mueller und durch das endlose Gezaenk am Bundestage. Als Mueller es gar zu frech trieb, musste sich Hatzfeldt(61) in Wien beschweren. Metternich gab dem Geschaeftstraeger sofort einen scharfen Verweis wegen eines Benehmens, das "den bekanntlich zwischen Oesterreich und Preussen bestehenden so innigen und freundschaftlichen Verhaeltnissen" durchaus widerspreche, und teilte dies Schreiben dem preussischen Hofe verbindlich mit. Muellers geheime Weisungen lauteten aber wahrscheinlich anders; er liess sich in seinem Treiben keineswegs stoeren und fand in der jesuitischen Umgebung der Herzogin treue Bundesgenossen. Die Wortbruechigkeit des kleinen Nachbarn musste den Berliner Hof um so tiefer verstimmen, da mittlerweile (1824) die hohenzollernschen Fuerstentuemer mit Wuerttemberg einen Zollvertrag schlossen, genau nach dem Vorbilde der preussischen Enklavenvertraege. So schlugen die Kleinstaaten sich selber ins Angesicht. Dieselben verstaendigen handelspolitischen Grundsaetze, welche Wangenheim in Frankfurt der preussischen Regierung als eine Verletzung des Voelkerrechts vorgeworfen hatte, wurden nun in Schwaben eingefuehrt, und dieselbe liberale Presse, die das preussische Enklavensystem mit Schmaehungen ueberhaeufte, fand die Anwendung dieses Systems in Wuerttemberg hocherfreulich. Sobald Motz sich in seinem neuen Amte zurecht gefunden hatte, erklaerte er dem auswaertigen Amte: Preussens Langmut gegen den unredlichen kleinen Nachbarhof werde zur Schwaeche, man muesse endlich die ganze Strenge des Zollgesetzes wider ihn anwenden (Januar 1826). Gleich nachher baten Dessau und Bernburg um die Aufnahme einiger Aemter in die Zollgemeinschaft und empfingen, auf Motzs Betrieb, die Antwort: mit solchem Stueckwerk sei nichts getan; wollten die Herzoege mit ihren gesamten Gebieten beitreten, so wuerde man sie willkommen heissen. Nach einiger Zoegerung erschienen nunmehr zwei anhaltische Unterhaendler in Berlin, und mit dem bernburgischen, v. Salmuth, einem geistreichen, witzigen Manne, der das moenchische Unwesen des Koethener Hofes gruendlich verachtete, wurde Motz bald handelseins. Noch im Laufe des Sommers erklaerte der Herzog von Bernburg die Unterwerfung seines gesamten Landes unter das preussische Zollgesetz. Acht volle Jahre hatte es also gewaehrt seit der Verkuendigung dieses Gesetzes, bis zum erstenmal ein ganzer deutscher Kleinstaat beitrat. Der dessauische Bevollmaechtigte aber brach die Verhandlungen ab; denn unterdessen war Adam Mueller von Koethen nach Dessau hinuebergekommen, angeblich, um in der Mulde zu baden, in Wahrheit, um den Anschluss an Preussen zu hintertreiben. In einem herzbrechenden Klageschreiben sprach Herzog Leopold von Dessau, der mit einer Nichte des Koenigs verheiratet war, dem Oheim sein Bedauern aus: schon vor Jahren habe er dem Koethener Vetter versprochen, nicht ohne ihn beizutreten. Das preussische Ministerium verlange, "dass die enklavierten Staaten fremde Gesetze und Verwaltungsformen unweigerlich annehmen muessen. Dies aber, Allergnaedigster Koenig, ich wage es vertrauensvoll auszusprechen, wollen Allerhoechstdieselben nicht. Preussens maechtiger und gerechter Monarch, der im zweiten Artikel der Bundesakte Souveraenitaet und Unabhaengigkeit garantierte, wird nie gestatten, dass die Minister durch strenges Festhalten am Buchstaben des Bundesvertrages den Geist, der sichtbar in demselben waltet, ertoeten, dass aus dem ersteren ein Rechtstitel fuer faktischen Zwang entlehnt werde. Wenn ich so das kleine, auf mich gekommene Erbe meiner Ahnen, das, erhoert Gott meine und meiner vielgeliebten Gemahlin Gebete, der Urenkel eines Koenigs aus meiner Hand erhalten wird, vor E. K. Maj. Herzen und Allerhoechstihren mir und meiner Gemahlin bewiesenen vaeterlichen Gesinnungen zu verteidigen wage, so fehlt es mir dazu nicht an einem naeheren Anlass" -- worauf denn eine lange Klage ueber die dem anhaltischen Lande angedrohte "Polizeilinie" folgte. Der Koenig aber zeigte sich sehr aufgebracht ueber die Zweizuengigkeit seines Neffen. Er erinnerte ihn daran, dass Preussen die Dresdener Elbschiffahrtsakte erst unterzeichnet habe, nachdem die Askanier ihren Beitritt zum preussischen Zollsystem foermlich versprochen haetten; er forderte ihn auf, dem Beispiel Bernburgs zu folgen, und schloss: "Auch kann ich nicht glauben, dass das in Dresden von saemtlichen Herzoegen von Anhalt gegebene Versprechen einer Einigung durch irgendeine von ihnen spaeterhin gegebene Zusage an Verbindlichkeit zu verlieren vermoechte." Ein zweites Schreiben des Dessauers, das sich abermals auf die hartnaeckige Weigerung des Koethener Vetters berief, blieb unbeantwortet. Der Koenig befahl nunmehr, dem Froschmaeusekrieg ein Ende zu machen und das anhaltische Land mit der gefuerchteten "Polizeilinie" zu umgeben, aber zugleich die beiden Herzoege nochmals zu Unterhandlungen einzuladen. Im Maerz 1827 wurde die Elbe oberhalb und unterhalb Anhalts gesperrt, von den eingehenden Schiffen die vorlaeufige Zahlung der preussischen Zoelle gefordert unter Vorbehalt der Rueckverguetung, falls die Waren wirklich in Anhalt verblieben. Sofort sendete der Koethener Herzog einen Leutnant mit einem Ultimatum nach Berlin; sei es, dass er einen hoeheren militaerischen Wuerdentraeger nicht in seinem Vermoegen hatte, oder dass er Preussen verhoehnen wollte. Der tapfere Leutnant forderte drohend die Zuruecknahme der Massregeln binnen acht Tagen, sonst werde Koethen zu ernsteren Mitteln greifen. Natuerlich erhielt er keine Antwort; Eichhorn und Heinrich v. Buelow(62), Humboldts geistreicher Schwiegersohn, der in diesen laecherlichen Haendeln sein diplomatisches Talent zuerst bewaehrte, setzten nur einige scharfe Bemerkungen an den Rand des Koethener Ultimatums. Nun brachte Koethen *cette affaire ennuyante*, wie Bernstorff zu seufzen pflegte, nochmals an den Bundestag. Wieder verteidigte die gesamte Presse den unschuldigen Kleinstaat, den hochherzigen Beschuetzer der Schwaerzer und der Schwarzen; wieder trat in der Eschenheimer Gasse(63) ein Ausschuss zusammen unter dem Vorsitz des k. k. Gesandten. Wieder ward ein Bericht zugunsten Koethens erstattet, und wieder musste der preussische Gesandte(64) eine scharfe Erwiderung verlesen. Nagler sagte geradezu, seine Regierung sei durch den Kommissionsbericht in der Ueberzeugung von ihrem Rechte unerschuetterlich befestigt worden. Bernstorff aber erklaerte: "Dazu haben sich grosse Staaten mit den kleinen nicht in einen Verein zusammengetan, damit diese nur ihre, bei vernuenftigem Gebrauch unantastbare Souveraenitaet nach Willkuer und jeder ueberspannten Einbildung ausueben duerfen." Oesterreich zeigte bei alledem eine sehr zweideutige Haltung. Adam Mueller wurde zwar auf laengere Zeit beurlaubt, doch im uebrigen tat die Hofburg gar nichts zur Unterstuetzung Preussens; ihr Gesandter Graf Trauttmansdorff beschwerte sich sogar ueber die angeordneten Zwangsmassregeln. Die kleinen Hoefe ergriff ein jaeher Schrecken, da sie so unsanft an die natuerlichen Schranken ihrer Souveraenitaet erinnert wurden. In einem verzweifelten Briefe fragte Grossherzog Georg von Strelitz seinen koeniglichen Schwager, ob er denn wirklich den Bestand des Deutschen Bundes gefaehrden wolle. Friedrich Wilhelm aber liess sich nicht beirren. Er sendete dem Schwager (Juli 1827) eine Denkschrift, welche nochmals die ganze Nichtswuerdigkeit der anhaltischen Schleichhandelspolitik darstellte, und sagte: daraus moege er lernen, "dass das Interesse meiner Untertanen die getroffenen Massregeln gebieterisch erheischte, dass ich dazu vollkommen berechtigt war, und daher weder die Aussprueche der Bundesversammlung noch das Urteil des Publikums in und ausser Deutschland, sondern nur die Nachgiebigkeit der anhaltischen Fuersten eine Aenderung hervorbringen koennen." Dann hob er mit seinem geraden Verstande noch einmal den Kern des Streites heraus: "E. K. Hoheit wird ausserdem einleuchten, dass, wenn sich die Interessen eines Staates von 30 bis 40 000 Einwohnern mit denen von 12 Millionen in Konflikt befinden, es in der Natur der Verhaeltnisse liegt, dass der erstere nachgebe, sobald ihm eine vollstaendige Entschaedigung geboten wird. Sollte der Bund die aus einer uebel verstandenen Souveraenitaet hergeleiteten Anmassungen kleiner Staaten gegen maechtigere nicht in die gehoerigen Schranken zurueckweisen, so wuerde fuer diese das Bundesverhaeltnis bald unertraeglich werden und der Bund, wie E. K. H. bemerken, allerdings in Gefahr schweben." Mittlerweile begannen die beiden bedraengten Kleinfuersten doch zu merken, dass sie den ungleichen Kampf nicht durchfuehren konnten. Sie beschlossen, ihr verpfaendetes Wort endlich einzuloesen, und erklaerten sich zu Unterhandlungen bereit. Am 17. Juli 1828, nach neunjaehrigen Schmuggelfreuden, _traten Dessau und Koethen dem preussischen Zollsystem bei_. Beide Landesherren bedauerten in gefuehlvollen Manifesten, ihre geliebten Untertanen so schwer belasten zu muessen; der Koethener berief sich auf "unabwendbare Umstaende", der aufrichtigere Dessauer -- mit jener zynischen Gemuetlichkeit, die dem deutschen Kleinfuersten nicht verargt wird -- auf "die Interessen seines Kammerhaushalts". Alle diese Enklavenvertraege gewaehrten den kleinen Hoefen einen nach der Volkszahl abgemessenen Anteil am Ertrage der preussischen Ein- und Ausfuhrzoelle, ausserdem noch allerhand Ehrenrechte -- das Landeswappen neben dem preussischen fuer die Zollaemter und was der Eitelkeiten mehr war -- aber durchaus keinen Anteil an der Zollgesetzgebung. Nur Dessau und Koethen behielten sich das Recht des Widerspruchs vor, falls die Grundsaetze und Grundlagen des Zollgesetzes veraendert wuerden -- ein Satz, der gluecklicherweise gar nichts bedeutete. Ebenso harmlos war die Klausel, wonach Dessau und Bernburg nur fuer sechs Jahre beitreten sollten. Motz und Eichhorn wussten wohl, wie wenig an einen Wiederaustritt zu denken sei; so goennte man den Kleinen das erhebende Bewusstsein, dass sie sich nicht fuer ewige Zeiten unterworfen haetten. In der Tat begann in den anhaltischen Laendern der ehrliche Erwerb wieder zu gedeihen, und bald fuehlte jedermann, die natuerliche Ordnung der Dinge sei hergestellt. Noch waehrend diese anhaltischen Haendel schwebten, eroeffnete sich fuer Preussen ploetzlich die Aussicht, auch groessere deutsche Staaten in seine Zollgemeinschaft aufzunehmen. Gewitzigt durch die niederschlagenden Erfahrungen der Wiener Konferenzen, hatte der Berliner Hof waehrend der letzten Jahre gelassen abgewartet, ob die Not der Finanzen einen der Mittelstaaten bewegen wuerde, sich freiwillig dem preussischen Zollsystem anzuschliessen. Eine solche Politik gewaehrte zugleich den Vorteil, dass Preussen verschont blieb vor den unzaehligen Zollvereinsplaenen, welche gleich Nebelgestalten, rasch gebildet und rasch zerfliessend, an den kleinen Hoefen auftauchten und oftmals auch an die preussischen Gesandten herantraten. Leichtfertiges Plaeneschmieden war von jeher das Vorrecht der Ohnmacht. Ein Staat, der eine grosse nationale Idee vertrat, durfte auf die Mueckenseigerei nassauischer und meiningischer Staatsdilettanten sich nicht einlassen. Ein einziger von Preussen uebereilt abgeschlossener Zollvertrag, der die Probe nicht bestand und sich wieder aufloeste, haette die Hoefe wie die Nation vollends abgeschreckt und die preussische Handelspolitik auf Jahre hinaus gelaehmt. Nur wenn ein Mittelstaat, Duenkel und Misstrauen ueberwindend, selber in Berlin positive Anerbietungen stellte, dann allein liess sich glauben, dass er durch gewichtige Interessen bestimmt werde und ein dauerhafter Bund moeglich sei. Aus dem Raenkespiel Adam Muellers erfuhr man ueberdies, welche Kraefte an den kleinen Hoefen ihr Wesen trieben und beschloss daher, alle Verhandlungen ueber Zollsachen nur in Berlin zu fuehren. Nur in Berlin fanden sich die kundigen Fachmaenner, deren, und das reiche statistische Material, dessen man zur Loesung so vieler verwickelten Einzelfragen bedurfte. Nur hier war man leidlich gesichert gegen die Umtriebe der Hofburg, wie gegen die Vorurteile der kleinen Dynastien. Der Aufenthalt in einem ernsten Gemeinwesen uebt immer einen wohltaetig ernuechternden Einfluss, und selbst in jener stillen Zeit bewaehrte Preussen diese erziehende Kraft. In den Gesandtschaftsberichten laesst sich deutlich verfolgen, wie die kleinen Diplomaten stets mit misstrauischem Zagen den verrufenen Berliner Boden betraten und schon nach wenigen Monaten ein unbefangenes, ja wohlwollendes Urteil ueber die preussischen Dinge sich bildeten. Graf Bernstorff blieb mit den Gesandten der Mittelstaaten immer auf gutem Fusse, selbst wenn das Verhaeltnis zu den Kabinetten sich truebte. Sodann lernte man aus dem ungluecklichen Verlaufe der Darmstaedter Zollkonferenzen, dass Zollverhandlungen mit mehreren Staaten zugleich, bei der grossen Verschiedenheit der Interessen, keinen Erfolg versprechen. Seitdem stand in Berlin der Entschluss fest, immer nur mit einem einzelnen Staate ueber Zollfragen zu verhandeln, mit mehreren nur dann, wenn diese sich bereits zu einer handelspolitischen Einheit verbunden haetten. Diese streng eingehaltene Regel erlitt eine einzige Ausnahme. Die kleinen thueringischen Lande konnten vereinzelt weder eine Zollgrenze bewachen, noch als Traeger eines handelspolitischen Interesses gelten. Darum hatte das Berliner Kabinett schon im Jahre 1819 dem Gothaer Hofe die Bildung eines thueringischen Vereins empfohlen -- ein Vorschlag, dessen Berechtigung selbst auf den Darmstaedter Konferenzen von dem sachkundigen badischen Bevollmaechtigten anerkannt wurde. Allen anderen Staaten gegenueber blieb der Grundsatz der Einzelverhandlungen aufrecht. Ueber die handelspolitischen Plaene der Mittelstaaten war der Berliner Hof sehr genau unterrichtet; denn an mehreren der kleinen Hoefe bestand eine einflussreiche preussische Partei, in Muenchen und Stuttgart mindestens ein tiefer Groll gegen Oesterreich, der unseren Geschaeftsmaennern zustatten kam. Dazu der landesuebliche Nationalhass des Nachbars gegen den Nachbar; wie liess sich ein Geheimnis bewahren, wenn heute ein darmstaedtischer, morgen ein badischer Minister sich gedrungen fuehlte, seine gerechte Entruestung ueber Bayerns oder Wuerttembergs anmassende Vorschlaege in den schweigsamen Busen des wohlwollenden preussischen Gesandten aus zuschuetten? Der Karlsruher Posten diente als die beste Warte, um den Wandel der kleinen Gestirne zu beobachten. Die Teilnahme Preussens an dem geplanten sueddeutschen Zollverein befuerwortete in Berlin niemand, weil man ihn fuer hoffnungslos hielt. Dagegen wurde wiederholt und ernstlich die Frage erwogen: unter welchen Bedingungen Preussen mit groesseren Nachbarstaaten einen Zollbund abschliessen koenne? Klewiz beantwortete sie in einem Gutachten vom 27. Juni 1822 dahin: Nur unter drei Bedingungen koennen wir die Nachbarstaaten in unseren Verband aufnehmen. Wir muessen fordern: "Annahme unserer Branntweinsteuer und einer angemessenen Biersteuer", nur dann wird der Verkehr aller Schranken ledig. Ferner "ein sehr ueberwiegendes Vorrecht fuer Preussen bei Bestimmung der Ein-, Aus- und Durchgangsabgaben". Endlich "die Douanenlinie in jenen Laendern muss ganz von uns abhaengen", da die bisherige Zollverwaltung der Nachbarstaaten keine Buergschaft gibt fuer die gewissenhafte Ausfuehrung der Gesetze. Begreiflich genug, dass ein preussischer Minister fuer seinen Staat eine solche handelspolitische Hegemonie wuenschte. Bald aber erkannte man in Berlin, wie wenig die Mittelstaaten gesonnen waren, eine "fremde" Verwaltung in ihren Laendern zu ertragen, und stimmte daher seine Ansprueche herab. Im Jahre 1824 verhandelten die drei Ministerien des Auswaertigen, des Handels und der Finanzen nochmals ueber die Frage, "wie sich Preussen bei den Zollvereinsunternehmungen zu verhalten habe." Geh Rat Sotzmann, der Sohn des bekannten Geographen, eines der ersten Talente der Finanzverwaltung, und H. v. Buelow fassten das Ergebnis der Beratung in einer grossen Denkschrift zusammen, welche schon mehrere Hauptgrundsaetze der spaeteren Zollvereinsverfassung aufstellte. Sie erklaerten: der Anschluss an Preussen koenne auf zwei Wegen erfolgen -- entweder durch vollstaendige Unterwerfung, wie sie in Bernburg geschehen sei, oder durch eine freiere Verbindung. Einem groesseren Staate duerfe nur die letztere zugemutet werden; doch muesse er jedenfalls seine Zoelle und Konsumtionssteuern den preussischen gleichstellen. Der Unterschied von "Zollanschluss" und "Zollverein" war also schon damals den preussischen Staatsmaennern gelaeufig, wenngleich sie die modernen Schulausdruecke noch nicht gebrauchen. Da der Beitritt etwa von Kurhessen "nur soviel Zuwachs bringt als ein einziger unserer Regierungsbezirke ausmacht", so kann der Berliner Hof die Entwicklung seines Zollwesens von der Zustimmung eines solchen Bundesgenossen nicht unbedingt abhaengig machen. Daher soll Preussen sich nur auf eine Reihe von Jahren binden, um bei Ablauf der Frist ueber Aenderungen und Zusaetze sich von neuem zu vereinbaren. Man verzichtet mithin auf jedes Vorrecht, erkennt die volle Gleichberechtigung des kleinen Bundesgenossen an und behaelt sich nur das Recht der Kuendigung vor, als unentbehrliches Gegengewicht. Jeder der beiden Staaten ernennt seine Zollbeamten selbst, doch werden sie beiden Regierungen verpflichtet. Der Plan, die Grenzbewachung allein in Preussens Haende zu legen, war mithin aufgegeben. Nur noch ein kleiner Schritt weiter, und man musste erkennen, dass auch die doppelte Vereidigung der Zollbeamten dem Duenkel der kleinen Hoefe unertraeglich sei, bloss eine gegenseitige Kontrolle der Zollverwaltung sich erlangen lasse. Preussen hatte sein letztes Wort noch nicht gesprochen; die Denkschrift verhehlte nicht, dass der Berliner Hof gefasst sein muesse auf noch groessere Zugestaendnisse. "Wird nur der Zweck erreicht -- die wirkliche Einfuehrung des preussischen Zoll- und Konsumtionssteuersystems und die Verfolgung der Kontraventionen --, so kann man ueber Formalitaeten, die durch oeffentliche Unterordnung der jenseitigen Souveraenitaetsrechte anstoessig werden duerften, leichter hinweggehen." Zum Schluss wird ein wichtiger Gedanke entwickelt, den das preussische Kabinett fortan getreulich festhielt und weiter verfolgte: Sollte Kurhessen nur gegenseitige Eingangsbeguenstigungen wuenschen, so waere dies fuer Preussen, wegen unserer hoeheren Zoelle, nicht bloss kostspieliger, sondern auch gefaehrlicher; die voellige Verschmelzung der beiden Zollsysteme bleibt in jeder Hinsicht vorzuziehen. -- In der Tat, nicht die Hoehe der Binnenzoelle laehmte den deutschen Handel, sondern das Dasein der Binnenmauten selber; jede Reform, die nicht an diese Wurzel des Uebels die Axt legte, blieb ein Missgriff. Leider hatten diese verstaendigen Grundsaetze fuer den Augenblick gar keine Wirkung; denn die Verfasser der Denkschrift hielten sich noch buchstaeblich an das Programm von 18l9. Sie wollten in gerader Linie "von Grenze zu Grenze" vorgehen, von dem naechsten Nachbar zu dem entfernteren. Was schien auch einfacher als der Plan, zunaechst die angrenzenden Staaten zu gewinnen, die im unmittelbaren Bereich der preussischen Macht lagen, und dann erst zu versuchen, ob das geeinte Norddeutschland vielleicht mit dem Sueden sich verstaendigen koenne? Und doch war dieser gerade Weg ganz ungangbar. Die Denkschrift selber gesteht, dass der allen Neuerungen abgeneigte Dresdner Hof sich, schon wegen der Leipziger Messen, dem preussischen Zollwesen fernhalten werde. Hannover, als ein Brueckenkopf Englands, wird gar nicht erwaehnt, ebensowenig das daenische Holstein. Thueringen "ist auf Preussen angewiesen", muss sich aber, wie in einem besonderen Promemoria ausgefuehrt wird, zuvoerderst zu einem Verein zusammentun, der dem preussischen Zollsystem als "Vorland und Deckwerk" dienen soll. Darmstadt "grenzt nicht an uns", selbst sein Oberhessen kann nur in Betracht kommen, wenn Kurhessen gleichzeitig beitritt. -- Nach alledem blieb als naechstes erhebliches Ziel nur der Beitritt von Kurhessen samt Waldeck, und sogar dies war unerreichbar, denn der hessische Kurfuerst zeigte, nachdem er es eine kurze Zeit mit einem verstaendigen Zollsystem versucht hatte, dem grossen Nachbarstaate bald wieder die alte Gehaessigkeit. Solange in Berlin diese Ansichten vorherrschten, die offenbar mit dem alten unseligen Gedanken der Mainlinie zusammenhingen, liess sich eine Erweiterung des Zollsystems ueber die kleinen Enklaven hinaus nicht absehen. Erst durch Motz wurde der Bannkreis dieser norddeutschen Ideen durchbrochen. Hierin und in der Beseitigung des Defizits, die eine Handelspolitik grossen Stils erst ermoeglichte, liegt sein bleibendes Verdienst. Er zuerst unter den preussischen Staatsmaennern verfiel auf die Frage: ob nicht in dem wunderlichen Durcheinander unserer Kleinstaaterei der Umweg vielleicht rascher zum Ziele fuehre als die gerade Linie? ob man nicht die Nachbarn, die nicht zu ueberzeugen waren, vielmehr umgehen und umklammern muesse? Der kuehne Spieler kam mit seinen Bauern auf dem Brette nicht vorwaerts und liess darum die Springer vorgehen. Er fasste sich das Herz, sobald eine guenstige Stunde kam, ueber Kurhessen und die anderen unmittelbaren Nachbarn hinweg den sueddeutschen Staaten die Hand zu reichen. In einer Zeit, da die amtliche deutsche Welt den ewigen Bund zwischen Oesterreich und Preussen fuer ein unverbruechliches Gesetz ansah, ging er geradeswegs auf das Ziel los, das gesamte Deutschland mit Ausschluss Oesterreichs durch das unzertrennliche Band wirtschaftlicher Interessen unter der Fuehrung Preussens fuer immer zu vereinigen und also die Befreiung von der Herrschaft des Hauses Lothringen vorzubereiten. Sobald dieser Entschluss feststand, war das Eis gebrochen. Der steile Weg war betreten, der die Handelspolitik Preussens rasch von Erfolg zu Erfolg fuehren sollte. Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte usw. III, 453 ff., 477 ff. ------------------ 54 Philipp v. Ladenberg, geb. 15. August 1769, gest. 11. Februar 1847, seit 1817 Direktor der Generalkontrolle der Staatsausgaben, seit 1823 Chefpraesident der Oberrechnungskammer. 55 S. o. S. 42 Anm. 1. 56 George Canning, geb. 11. April 1770, gest. 8. August 1827, britischer Staatsmann, Vorkaempfer fuer liberale Handelspolitik und Gegner der von der heiligen Allianz vertretenen Legitimitaetsanschauungen. 57 Heinrich Theodor v. Schoen, geb. 20. Januar 1773, gest. 23. Juli 1856, seit 1816 Oberpraesident von Westpreussen, von 1824 bis 1842 Oberpraesident der gesamten Provinz Preussen, seit 1840 gleichzeitig Staatsminister. 58 Friedr. Aug. v. Staegemann, geb. 7. November 1763, gest. 17. Dezember 1840, im Ministerium Stein bis Dezember 1806 vortragender Rat, seit 1809 Geh. Staatsrat im Finanzministerium und Mitarbeiter Hardenbergs, 1817 in den Staatsrat berufen. 59 Karl Friedr. Heinrich v. Kamptz, geb. 16. September 1769, gest. 3. November 1849, seit 1824 Direktor im Justizministerium, von 1832-1838 Justizminister, beruechtigt und verhasst wegen seines Eifers bei Aufspuerung demagogischer Umtriebe. 60 Ludwig Samuel Kuehne, geb. 15. Februar 1786, gest. 3. April 1864, seit 1819 Hilfsarbeiter im Finanzministerium, seit 1820 Geh. Finanz-, bzw. Oberfinanzrat. Die Uebernahme des Finanzministeriums lehnte Kuehne wiederholt ab. 61 Franz Ludwig Graf v. Hatzfeldt, geb. 23. November 1756, gest. 3. Februar 1827, war seit 1822 preussischer Gesandter in Wien. 62 Heinrich Freiherr v. Buelow, geb. 16. September 1792, gest. 6. Februar 1846, war bis 1827 im Ministerium des Auswaertigen hauptsaechlich in den Handelssachen taetig, 1827 wurde er preussischer Gesandter in London, 1842 Minister der auswaertigen Angelegenheiten. 63 In der Eschenheimer Gasse zu Frankfurt a. M. befand sich das Taxissche Palais, in dem die Bundesversammlung tagte. 64 Karl Ferd. Friedrich v. Nagler, geb. 1770, gest. 13. Juni 1846, der schoepferische Organisator des preussischen Postwesens, war von 1824-1835 preussischer Gesandter am Bundestag. 6. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. a) _Die Stuttgarter Zollkonferenzen._ Als die Darmstaedter Konferenzen im Sterben lagen, gaben die kleinen thueringischen Staaten die Erklaerung ab: wenn man in Darmstadt sich nicht vereinige, so saehen sie sich genoetigt, einen bereits verabredeten bedingten Vertrag auszufuehren und "einen in sich geschlossenen Handelsstaat" zu bilden -- "eine Selbsthilfe, welche das Bild der Zwietracht, das Deutschlands Staaten darstellen, zur hoechsten Vollendung zu bringen gemacht waere." Und wahrlich, der Sueden bot einen jammervollen Anblick nach dem Abbruch der Darmstaedter Verhandlungen. Jedes Kabinett ging trotzig und verstimmt seines eigenen Weges. Die darmstaedtische Regierung versuchte noch einmal (Februar 1824), die oberrheinischen Hoefe zur Annahme gleichfoermiger Zollgesetze zu bewegen; da dies misslang, gab sie ihrem Lande eine selbstaendige Zollordnung, welche, dem Volke verhasst, kaum 80000 Gulden jaehrlich einbrachte. Der kluge du Thil hatte diesen armseligen Ertrag vorhergesehen, er wollte sich aber fuer kuenftige Zollvertraege ein Unterhandlungsmittel sichern. Auch Wuerttemberg fuehrte im selben Jahre ein neues Zollgesetz ein, das dem bayrischen nahe stand. Das Schmuggelgeschaeft in Frankfurt und in Baden bluehte wie nie zuvor. Toerichte Retorsionen belaestigten den Verkehr. Als Wuerttemberg mit der Schweiz ueber einen Handelsvertrag verhandelte, sendete Baden sofort einen Bevollmaechtigten nach Zuerich, um den Fortgang des Geschaeftes argwoehnisch zu beobachten. In der Schweiz herrschte dasselbe Elend germanischer Zersplitterung; konkordierende und nicht konkordierende Kantone fanden des Haders kein Ende, die Verhandlungen rueckten kaum von der Stelle. Nur der Stuttgarter Hof gab in diesem Zeitraum allgemeiner Zerfahrenheit die Triastraeume und Zollvereinsplaene nicht auf. Der wuerttembergische Gesandte in Muenchen, Freiherr von Schmitz-Grollenburg, ein ruehriger Liberaler, gleich seinem Goenner Wangenheim begeistert fuer den Bund der Mindermaechtigen, liess nicht ab, das bayrische Kabinett um Wiederaufnahme der Verhandlungen zu bitten. Eine geraume Zeit hindurch fand er keinen Anklang; sein Freund Lerchenfeld konnte nicht aufkommen gegen Rechberg, der rundweg aussprach, eine gemeinschaftliche Zollgrenze sei entwuerdigend fuer die rueckwaertsliegenden Staaten. Auch bestand im altbayrischen Volke wenig Neigung mehr fuer die Zollvereinsplaene; die oeffentliche Meinung verlor das Vertrauen zu den immerdar vergeblichen Unterhandlungen. Immerhin hatten die Darmstaedter Beratungen die Lage etwas geklaert. Sueddeutschland zerfiel in zwei Gruppen. Die beiden Koenigreiche auf der einen, die Rheinuferstaaten auf der anderen Seite, waren sich der Gemeinschaft ihrer Interessen bewusst geworden. Eben diese Sonderung zweier Gruppen fuehrte dann zu neuen Einigungsversuchen. Baden schloss mit Darmstadt (10. September 1824) einen Vertrag, der den eigenen Produkten der beiden Staaten einige Erleichterung gewaehrte, und sendete sodann seinen Nebenius zu gleichem Zwecke nach Wuerttemberg. Der badische Bevollmaechtigte ward in Stuttgart sehr unfreundlich aufgenommen und wochenlang hingehalten, da der wuerttembergische Unterhaendler stets zur unpassenden Stunde unwohl wurde. Gekraenkt und verstimmt dachte er schon heimzureisen; da erfuhr er endlich, dass Wuerttemberg inzwischen schon eine neue geheime Verhandlung mit Bayern begonnen habe. Die Nachricht von dem badisch-hessischen Vertrage hatte den Muenchener Hof mit schwerer Sorge erfuellt. Man fuerchtete die Fuehrerschaft im Sueden zu verlieren und geriet in Unruhe wegen der Rheinpfalz; diese unzufriedene Provinz forderte dringend, fast drohend eine Verstaendigung mit den Rheinuferstaaten, die fuer ihr Handelsinteresse weit wichtiger seien als die altbayrischen Lande. Ueberdies hatte Blittersdorff den unsterblichen Artikel 19 und die Handelssache soeben am Bundestage wieder zur Sprache gebracht; und obwohl dies nur ein Zeichen der Ratlosigkeit war, so wollte doch Bayern jede Einmischung des Bundes abschneiden. So geschah es, dass Schmitz-Grollenburgs Antraege jetzt in Muenchen einer guenstigeren Stimmung begegneten. Koenig Max Joseph(65) gestattete, dass der wuerttembergische Geheimrat Herzog nach Muenchen kam. Waehrend man Nebenius in Stuttgart mit leeren Ausfluechten vertroestete, ward an der Isar ueber einen sueddeutschen Zollverein verhandelt. Schon am 4. Oktober 1824 kam dort ein vorlaeufiger Vertrag zustande; im folgenden Monat traten die Bevollmaechtigten der beiden Koenigreiche in Stuttgart zusammen, um die Vereinbarung endgueltig festzustellen. Gewitzigt durch den ziellosen Meinungswirrwar der Darmstaedter Konferenzen, zogen Bayern und Wuerttemberg diesmal vor, zunaechst unter sich ins reine zu kommen, dann erst die kleinen Nachbarn zum Beitritt aufzufordern. Ein richtiger Gedanke, sicherlich, doch die Heimlichkeit des Verfahrens verletzte die oberrheinischen Hoefe. In Karlsruhe wie in Darmstadt prahlte man gern: wir koennen Bayerns entbehren, Bayern nicht unser, da wir seine Verbindung mit der Rheinpfalz beherrschen. Um so bitterer empfand man das rasche Vorgehen des Muenchener Hofes. Um "den Praetensionen der koeniglichen Hoefe" entgegenzutreten, eilte Berstett nach Frankfurt, besprach sich dort mit Marschall. Gleich darauf (19. November 1824) hielten Berstett, Nebenius, du Thil und Hoffmann in Heidelberg eine geheime Zusammenkunft, welche der badische Minister selber in einem vertrauten Briefe "ein Gegengift" gegen die bayrisch-wuerttembergischen Umtriebe nannte. Das hier vereinbarte Protokoll, dem nachher auch Marschall beitrat, wurde bedeutungsvoll fuer die Geschichte der deutschen Handelspolitik; denn hier spielte der Partikularismus seinen hoechsten Trumpf aus, er stellte seine letzte und schwerste Bedingung auf. Die verbuendeten Staaten verpflichteten sich, in fester Gemeinschaft vorzugehen und vornehmlich bei dem Verlangen zu beharren, dass jeder Staat seine Zollverwaltung selbstaendig fuehre; nur unter dieser Bedingung sei ein Zollverein moeglich. Baden, das doch in Wien und in Darmstadt selber eine Zentralverwaltung vorgeschlagen hatte, hielt jetzt die entgegengesetzte Forderung am hartnaeckigsten fest. Die beiden Koenigreiche hatten ihr Misstrauen gegen die allzu nachsichtige badische Zollverwaltung oft und in verletzender Form ausgesprochen. Der Karlsruher Hof fuehlte sich dadurch tief gekraenkt und -- er fuerchtete die Anwesenheit bayrischer Zollbeamten in seinem bedrohten pfaelzischen Gebiete. Wir wollen, schrieb Berstett an du Thil, schlechterdings keinen *status in statu*(66), kein Funktionieren fremder Beamten in unserem Gebiete; und jener antwortete: auch keine Verpflichtung der Zollbehoerden fuer die Gemeinschaft, denn sonst koennte der Grossherzogliche Zolldirektor dem Minister sich widersetzen! Ebenso nachdruecklich erklaerte Nebenius: "Die Frage ist ganz einfach diese, ob die Untertanen der einzelnen Staaten in einem unmittelbaren Verhaeltnis zu der Gemeinschaft stehen sollen"; hege man kein Vertrauen zu der redlichen Verwaltung der Bundesgenossen, dann sei ein Zollverein ueberhaupt undenkbar. Es war einfach die Gesinnung des eifersuechtigen Partikularismus, die hier nackt heraustrat. Aber dieser Partikularismus blieb die Lebensluft des deutschen Bundesrechts. Der badisch-darmstaedtische Vorschlag ergab sich folgerecht aus dem Wesen eines Staatenbundes. Eine Zentralverwaltung fuer das Zollwesen liess sich nur denken auf dem Boden eines Bundesstaates, eines Reiches. Indessen hatten die beiden Koenigreiche ihren Entwurf festgestellt und die oberrheinischen Kabinette zu Verhandlungen ueber das Beschlossene eingeladen. Im Februar 1825 begannen die Stuttgarter Konferenzen -- eine klaeglichere Wiederholung der Darmstaedter Verhandlungen, von Haus aus verdorben durch Groll und Misstrauen. Dass Nassau keinen redlichen Willen mitbrachte, errieten die preussischen Diplomaten sofort; was liess sich auch von diesem Bevollmaechtigten, dem hartkoepfigen Partikularisten Roentgen(67) erwarten? Die Darmstaedtische Regierung begann schon seit langem zu bezweifeln, ob ein sueddeutscher Verein ihrem Staate nuetzlich sei. Wein und Getreide, fuer jetzt fast die einzigen wichtigen Ausfuhrartikel des Laendchens, fanden ihren Absatz im Norden; und auch wenn der Verein zustande kam, blieb Darmstadt nach wie vor ein Grenzland, ueberall von Mauten umstellt. Kurhessen hielt sich den Konferenzen fern. Auch der badische Bevollmaechtigte Nebenius kam aus unlustig hoffnungsloser Stimmung nicht heraus, und erschwerte die Verhandlungen durch seine Reizbarkeit. Der bayrisch-wuerttembergische Entwurf nahm das bayrische Zollgesetz zur Grundlage, gewaehrte den beiden Koenigreichen eine ueberwiegende Stimmenzahl und verteilte die Einnahmen nach der Kopfzahl der Bevoelkerung. Hier erhob sich ein Streit, der wieder ein scharfes Licht warf auf die Gesinnung der kleinen Hoefe. Sollte die Bevoelkerung berechnet werden nach einer neuen Zaehlung oder auf Grund der provisorischen Bundesmatrikel? Die Matrikel diente zum Massstab fuer die militaerischen Leistungen der Bundesstaaten; als man sie zusammen stellte, ergab sich in vielen Kleinstaaten eine betruebende Entvoelkerung, eine ueberraschend niedrige Kopfzahl. Jetzt, da die Zolleinnahmen nach der Staerke der Bevoelkerung verteilt werden sollte, beteuerten die kleinen Gesandten wie aus einem Munde: die Matrikel genuege laengst nicht mehr, die Zahl der Einwohner sei inzwischen zur Freude aller Wohlmeinenden wunderbar schnell gewachsen! Den wichtigsten Streitpunkt bildete doch die Frage nach den Formen der Verwaltung. Die koeniglichen Hoefe verlangten durchaus eine gemeinschaftliche Zentralverwaltung; sie trauten den Beamten der kleineren Staaten nicht. Dem wuerttembergischen Finanzminister schien die getrennte Verwaltung schon darum unzulaessig, weil dann nur sehr geringe Zolleinnahmen unmittelbar in seine Kassen fliessen wuerden; wer buergte dafuer, dass die Bundesgenossen ihre Ueberschuesse puenktlich herauszahlten? Gereizt durch solches Misstrauen, hielten die Minister der Rheinuferstaaten abermals eine Zusammenkunft in Mainz (Ende Maerz 1825) und beschlossen, fest auf dem Heidelberger Protokoll zu bestehen. Triumphierend erzaehlte Marschall an Berstett, wie ueberlegen sein Herzog(68) den Kronprinzen von Bayern(69) bei einem Besuche in Bieberich abgefertigt habe. "Niemals, hatte der stolze Nassauer in heiligem Zorne gerufen, niemals werde ich mir von Euch in meinem Lande Gesetze vorschreiben lassen. Meine 300000 Untertanen sind mir gerade so lieb, wie Euch Eure drei Millionen. Ich brauche Euch nicht!" -- worauf der Bayer den Austausch freundnachbarlicher Gefuehle abschloss mit der Beteuerung: "Wir brauchen Euch auch nicht!" Zugleich setzte der Karlsruher Hof seinen ergebenen Landtag in Bewegung; der geistreiche allezeit partikularistische Staatsrechtslehrer Karl Salomon Zachariae(70) kaempfte auf der Rednerbuehne wider die Anmassung der koeniglichen Hoefe: "wer ist wohl Herr in seinem Hause, wenn er die Herrschaft mit anderen teilt?" Da gaben Bayern und Wuerttemberg endlich nach. Doch alsbald erhob sich ein neuer Zwist: um den Tarif -- ein Streit, der bei dem grundtiefen Gegensatz der Meinungen zum Bruche fuehren musste. Baden gab als hoechsten Zoll fuer Kolonialwaren 11/2 Gulden zu und hielt dies fuer ein grosses Zugestaendnis, waehrend Bayern fuer Kaffee 15 Gulden forderte; Wollenwaren dachte Bayern mit 60 Gulden zu belasten, Baden bewilligte nur 8 Gulden als hoechsten Satz fuer Fabrikate. Vergeblich beschwor Miller von Immenstadt den Karlsruher Hof um Nachgiebigkeit; das Prohibitivsystem herrsche in der weiten Welt, auch Huskisson koenne mit seinen freihaendlerischen Traeumen nicht durchdringen. Berstett blieb fest: "Bayern, schrieb er an Marschall, verlangt, dass wir ohne Ersatz alle Vorteile unserer geographischen Lage mit ihm teilen. Der Koenig von Wuerttemberg stimmt den bayrischen Anspruechen zu, um sich die Gewogenheit einer gewissen Partei zu erhalten". Im August 1825 erklaerte Baden seinen Austritt und verkuendigte zugleich ein neues Zollgesetz, dessen niedrige Saetze allgemeine Freude im Lande erregten. Nassau trat ebenfalls zurueck. Auch diesmal spielten politische Bedenken mit; eine Reise des Koenigs von Wuerttemberg nach Paris erweckte die Besorgnis, ob der Bund der Mindermaechtigen vielleicht mit franzoesischer Hilfe ins Leben treten solle. Nebenius versicherte spaeterhin, ihm habe in Stuttgart immer der Gedanke an Deutschlands kuenftige Handelseinheit vorgeschwebt; hohe Schutzzoelle im Sueden haetten die spaetere Vereinigung mit dem Norden erschweren muessen. Und sicherlich, wenn unter dem Schutze der bayrischen Zoelle eine jugendliche Industrie in Oberdeutschland emporwuchs, so blieb dem frueher entwickelten preussischen Gewerbefleiss wenig Hoffnung, den sueddeutschen Markt fuer sich zu erobern; der preussische Staat verlor mithin den einzigen Vorteil, den ihm ein allgemeiner Zollverein, zur Entschaedigung fuer schwere finanzielle Opfer, versprach. Gleichwohl ist unverkennbar, dass auch der geistreiche badische Staatswirt sich nicht frei hielt von jener allgemeinen schwarzsichtigen Verstimmung, welche die truebseligen Stuttgarter Konferenzen beherrschte. Von hohen Schutzzoellen war ja gar nicht die Rede. Die von Bayern vorgeschlagenen Zoelle fuer Fabrikate standen erheblich unter den Saetzen des preussischen Tarifs; die Gefahr, welche Nebenius fuerchtete, lag zum mindesten noch in der Ferne. Im naechsten Winter hat Bayern noch einmal versucht, den Verein ohne Baden und Nassau in Gang zu bringen. Freiherr v. Zu Rhein verhandelte in Stuttgart und Darmstadt. Aber die Darmstaedter Regierung erwiderte, sie koenne ohne Kurhessen nicht beitreten. Da der Kasseler Hof sich weigerte, so war auch dieser letzte Versuch gescheitert. So hoffnungslos war die Lage, als Koenig Ludwig den Thron bestieg. Groll und Erbitterung ueberall. Selbst der bescheidene Handelsvertrag zwischen Baden und Darmstadt war schon nach Jahresfrist wieder erloschen, weil die Behoerden mit den Ursprungszeugnissen freundnachbarlichen Missbrauch trieben. Nach dem bayrischen Thronwechsel schoepfte Koenig Wilhelm von Wuerttemberg wieder frischen Mut. Er richtete im Dezember 1826 einen Brief an seinen erlauchten Nachbarn, schlug ihm vor, die abgebrochenen Verhandlungen wieder aufzunehmen und zunaechst einen bayrisch-wuerttembergischen Verein zu stiften. Koenig Ludwig ging darauf ein. Da die beiden Staaten schon in Darmstadt und Stuttgart zusammengehalten hatten und ihre Zollgesetze nur geringe Unterschiede aufwiesen, so nahmen die im folgenden Monat zu Muenchen begonnenen Verhandlungen guenstigen, wenngleich sehr langsamen Fortgang. Am 12. April 1827 wurde ein Praeliminarvertrag unterzeichnet. Man beschloss, "die angrenzenden Staaten" zum Beitritt aufzufordern und ihnen zugleich die politische Bedeutung dieses rein deutschen Bundes ans Herz zu legen. Der werdende Verein war nicht geradezu gegen Preussen gerichtet; er wurde in Berlin mit gelassener Ruhe angesehen. Freilich ging aus dem Wortlaut jener Verabredung wie aus dem ganzen Verhalten der Bundesgenossen unzweifelhaft hervor, dass an Preussens Beitritt nicht entfernt gedacht wurde. Man hoffte Macht gegen Macht mit Preussen ueber Handelserleichterung zu verhandeln und wollte im Notfall selbst Retorsionen gegen die preussischen Zoelle anwenden. Der Verein sollte den Kern des "reinen Deutschlands" bilden, "ein immer engeres gegenseitiges Anschliessen in allen politischen Beziehungen zur unmittelbaren heilsamen Folge haben", wie das bayrische Kabinett nach Stuttgart schrieb. Indes die angrenzenden Staaten hatten laengst verlernt, auf einen sueddeutschen Verein zu hoffen, und sie fuerchteten Bayerns Fuehrung. Am 15. Mai 1827 besprachen sich Berstett und du Thil nochmals in Heidelberg; gleich darauf sendeten die drei oberrheinischen Hoefe ablehnende Antworten nach Muenchen. Berstett erwiderte schroff, Baden wolle nicht eine kuenstliche Industrie durch Schutzzoelle grossziehen. Der Nassauer Hof liess in Stuttgart seine Verwunderung aussprechen, wie nur Wuerttemberg ein solches "Merkantilsystem" annehmen und einem groesseren Hofe sich unterwerfen koenne. Hessen-Darmstadt aber, ausserstande, sein drueckendes und doch unergiebiges Mautwesen laenger zu halten, verfeindet mit Kurhessen, voll Misstrauens gegen die sueddeutschen Nachbarn, richtete endlich bestimmte Antraege nach Berlin. Dergestalt haben jene Muenchener Verhandlungen die entscheidende Wendung in der Geschichte deutscher Handelspolitik herbeigefuehrt -- einen heilsamen Umschwung, den weder Koenig Ludwig noch Koenig Wilhelm beabsichtigte. b) _Der preussisch-hessische und der bayrisch-wuerttembergische Zollverein._ Minister du Thil, der jetzt die Finanzen und die auswaertigen Angelegenheiten seines Grossherzogtums zugleich leitete, befand sich, wie er selbst erzaehlt, in verzweifelter Stimmung. Die Finanznot stieg, das Volk murrte. Die armen Leineweber auf dem Vogelsberge bei Alsfeld hatten durch die spanische Revolution ihren Markt verloren, das Hinterland um Biedenkopf fand, eingepresst zwischen preussische Gebiete, keinen Absatz mehr fuer seine Teppiche und Wollwaren, der Mainzer Handelsstand konnte die Last der nahen preussischen Zollstellen kaum mehr ertragen. Im Landtage verlangten einzelne Stimmen, wie schon vor Jahren der Abgeordnete Perrot, eine Verstaendigung mit Preussen, andere befuerworteten den sueddeutschen Verein. Nur darin war man einig, dass der Staat in seiner vereinsamten Stellung nicht bleiben koenne; die Kammer sprach die Erwartung aus, dass irgendein Zollverein zustande komme, und gab der Regierung freie Hand. Grossen Eindruck machte auf den Minister eine von dem Fabrikanten Bayer im Vogelsberge eingereichte, vom Pfarrer Frank verfasste gruendliche Denkschrift, die ueberzeugend nachwies, dass der Warenzug des Landes ueberwiegend durch Preussen gehe. Darum lehnte du Thil die bayrische Einladung ab, obgleich Lerchenfeld zweimal von Frankfurt herueberkam und Koenig Ludwig persoenlich im Bade Brueckenau den hessischen Staatsrat Hofmann zu ueberreden suchte. Immer klarer ward ihm die Erkenntnis, dass nur der Beitritt zum preussischen Zollsystem noch retten koenne. Es war ein kuehner Entschluss fuer den Minister eines Mittelstaates; denn im Grunde waren doch alle bisherigen sueddeutschen Zollverhandlungen zur Abwehr gegen das preussische Zollwesen unternommen worden, und seit dem Koethener Streite stand an saemtlichen Hoefen die Meinung fest, dass durch eine Verstaendigung mit Preussen die souveraene Wuerde schimpflich preisgegeben werde. Indes der mutige Minister war gewoehnt, die Stimmungen des Tages gering zu schaetzen, er pflegte in den Landtagsverhandlungen seine selbstaendige Gesinnung oft sehr scharf und nicht ohne verletzende Ironie auszusprechen. Aber wuerde Preussen auf den unerwarteten Antrag eingehen? Schon im Sommer 1825 hatte der Darmstaedter Hof einmal in Berlin angefragt, ob Preussen geneigt sei, einen Zollverein mit beiden Hessen abzuschliessen, und sofort eine zustimmende Antwort erhalten. Nachher war Preussen aber wieder zurueckgetreten, weil Kurhessen sich dem Plane versagte, und damals in Berlin noch die Meinung herrschte, die Erweiterung des Zollsystems duerfe nur "von Grenze zu Grenze", von dem naeheren Nachbarn zu dem entfernteren vorschreiten. Aus dieser Meinung erklaerte es sich auch, dass ein halbes Jahr darauf eine zweite, sehr unbestimmt gehaltene Anfrage aus Darmstadt dahin beantwortet wurde: Verhandlungen mit Darmstadt allein verspraechen keinen Erfolg, weil das Grossherzogtum nicht an Preussen angrenze. Von den freieren und kuehneren Ansichten, welche Motz sich inzwischen gebildet hatte, ahnte du Thil nichts. Er fuehlte sich des Erfolges so wenig sicher, dass er nicht einmal seinen greisen Grossherzog(71) zu unterrichten wagte, sondern zunaechst bei Bernstorff, mit dem er von den Wiener Konferenzen her befreundet war, vertraulich anfragte. Bernstorff aber kannte die Plaene des Finanzministers ebensowenig wie der Hesse, da er seit Jahren die Handelssachen an Eichhorn zu ueberlassen pflegte, und gab eine zaghafte Antwort: finanziellen Gewinn verspreche der Vertrag fuer Preussen nicht, und auf eine unbedingte Unterwerfung des Grossherzogtums werde Koenig Friedrich Wilhelm selbst nicht eingehen wollen. Erst als du Thil erwiderte, an eine Mediatisierung seines Grossherzogs denke er auch keineswegs, sendete Bernstorff einen zweiten, ermutigenden Brief. Nunmehr weihte der hessische Minister seinen Grossherzog in das Geheimnis ein und stellte bei dem preussischen Gesandten v. Maltzan, der trotz wiederholter Andeutungen nicht aus seiner Zurueckhaltung herausgegangen war, am 10. August 1827 die foermliche Anfrage, ob man in Berlin geneigt sei, einen geheimen Bevollmaechtigten seines Hofes zu empfangen. Die Frage lautete noch immer unbestimmt genug, du Thil sprach nur von gegenseitigen Handelserleichterungen. Und selbst wenn der bedraengte Darmstaedter Hof, wie zu erwarten stand, weiter ging und zu einem wirklichen Zollverein die Hand bot, welchen Vorteil gewaehrte ein solcher Bund den Finanzen und der Volkswirtschaft Preussens? Der kleine Staat besass kein zusammenhaengendes Gebiet, grenzte nur auf drei Stellen, auf wenige Meilen, an preussisches Land. Eben jetzt hoffte man in Berlin, die Vertraege mit den Enklaven endlich zum Abschluss zu bringen; gelang dies, so war ein klarer Gewinn erreicht, die Laenge der Zollgrenzen verminderte sich von 1073 auf 992 Meilen. Trat Darmstadt hinzu, so waren wieder 1108 Grenzmeilen zu bewachen, waehrend das freie Marktgebiet sich nur um 152 Geviertmeilen vergroesserte. Eine sehr betraechtliche Vermehrung des Absatzes preussischer Fabrikware stand nicht in Aussicht, da Darmstadt nicht zu den stark konsumierenden Laendern zaehlte. Nur die bergisch-maerkische Industrie durfte auf Erweiterung ihres Verkehrs rechnen. Im Mosellande dagegen fuerchtete man die Konkurrenz der rheinhessischen Weine. Den Staatskassen drohte geradezu Verlust, wenn die Zolleinkuenfte nach der Kopfzahl verteilt wurden. Das kleine Nachbarland verzehrte weit weniger Kolonialwaren, hatte bisher eine zehnmal niedrigere Zolleinnahme bezogen als Preussen: Darmstadt kaum 21/2 Sgr., Preussen 24 Sgr. auf den Kopf der Bevoelkerung. Motz war gerade auf einer Dienstreise abwesend, als die Nachrichten aus Hessen einliefen. Maassen aber, der ihn vertrat, durfte als schlichter Amtsverweser nur wiederholen, was schon zweimal vom Finanzministerium erklaert worden war: er wies die Verhandlungen ueber Handelserleichterungen nicht ab, hielt jedoch einen Zollverein fuer unmoeglich, da Hessen allzu sehr zerstueckelt sei und ein so weit abweichendes Steuersystem besitze. Im Auswaertigen Amte dachte man mutiger. Eichhorn fand es hochbedenklich, einen deutschen Bundesgenossen zurueckzuweisen, der in ernster Verlegenheit sich an Preussen wende; er riet aus politischen Gruenden dringend, auf du Thils Wuensche einzugehen; nur solle nicht bloss ein Handelsvertrag, sondern eine dauernde Verbindung geschlossen werden. Zugleich schrieb Otterstedt(72) aus Karlsruhe: dass Koenig Ludwig bei seinem Zollverein politische Nebenplaene verfolge, sei offenkundig; jetzt gelte es, Preussens Ansehen zu wahren. Er verbuergte sich fuer du Thils Ehrlichkeit, mahnte aber, das strengste Geheimnis bei den Verhandlungen zu bewahren, damit nicht Oesterreich und Bayern vereint in Darmstadt entgegenarbeiteten. Unterdessen war Motz heimgekehrt, und sofort trat er mit den Plaenen heraus, die ihm waehrend der letzten Jahre aufgestiegen waren. Der kuehne Mann erklaerte sich bereit, jetzt den unvorteilhaften Vertrag mit Darmstadt zu schliessen, weil er hoffte, dass dies Beispiel die mitteldeutschen Nachbarn nachziehen werde; auf die niederdeutschen Staaten war ja doch nicht zu rechnen. Es ist sehr wichtig, schrieb er dem Minister des Auswaertigen, beide Hessen und alle saechsischen Regierungen, auch das Koenigreich, in unser Steuersystem aufzunehmen. "Ich bin auch nicht besorgt, dass diese einen anderen Steuerverband waehlen werden, weil ihr Finanzinteresse nur in einer Verbindung mit uns bedeutend gewinnen und sie drueckender Finanzsorgen entheben wird. Ich hoffe und wuensche, dass Hessen-Darmstadt, dessen Finanzverlegenheit bekannt ist und welches hier die richtige Medizin findet, damit den Anfang machen, und die anderen genannten Regierungen dann bald nachfolgen werden." Waehrend also die Berliner Behoerden unter sich berieten, setzten Bayern und Wuerttemberg alle Hebel ein, um den Kurfuersten von Hessen fuer ihren werdenden Verein zu gewinnen. Drangen sie durch, so schien die Verbindung Darmstadts mit Preussen kaum raetlich. Daher sendete du Thil den Prinzen August Wittgenstein nach Kassel, angeblich, wie er Maltzan sagte, um den Kurfuersten zu warnen vielleicht auch, um fuer alle Faelle gedeckt zu bleiben. Am Kasseler Hofe ueberwog der Widerwille gegen den konstitutionellen Sueden und die Furcht vor jeder Schmaelerung der Souveraenitaet; Bayerns Bemuehungen scheiterten. Nun erst war das Feld frei. Der Koenig erlaubte den Beginn der Verhandlungen und am 6. Januar 1828 erschien Staatsrat Hofmann in Berlin, derselbe, der einst bei der Begruendung der hessischen Verfassung so wirksam mitgeholfen hatte, ein sachkundiger Geschaeftsmann, von starkem Ehrgeiz, keineswegs unempfindlich fuer die Vorteile, welche beim Abschluss wichtiger Vertraege dem Unterhaendler zuzufallen pflegen. Der gewandte Mann hatte verstanden, zugleich mit den Liberalen ein gutes Einvernehmen zu unterhalten und sich im Vertrauen seines Fuersten zu behaupten; mit Wangenheim in Freundschaft zu leben, ohne den Grossmaechten verdaechtig zu werden. Die handelspolitische Verstaendigung mit Preussen war ihm seit Jahren ein gelaeufiger Gedanke. In der diplomatischen Welt stritt man sich, ob Hofmann in Privatangelegenheiten eines hessischen Prinzen reise, oder den Verkauf der Kreuznacher Saline in Berlin vermitteln solle. So durch die Hintertuer, wie der Dieb in der Nacht, ist diese folgenreiche Entscheidung in unsere Geschichte eingetreten. Das Geheimnis war nur zu noetig. In Darmstadt wuenschten zwar Minister Grolman(73) und Prinz Emil aufrichtig die Verstaendigung mit Preussen; doch die oesterreichische Partei arbeitete in der Stille, ein voreiliges Wort konnte alles verderben. Der hessische Bevollmaechtigte beantragte nur die gegenseitige Herabsetzung einer langen Reihe von Zoellen auf ein Zehntel der bisherigen Saetze; als unerlaessliche Bedingung stellte er den Kernsatz jenes Heidelberger Protokolls auf: selbstaendige Zollverwaltung fuer Darmstadt. Alsbald trat ihm Motz entgegen mit dem Bedenken: Zollerleichterungen seien unfruchtbar, weitlaeufig, gefaehrlich; Preussen muesse die vollstaendige Annahme seines Zollgesetzes verlangen. Unter solchen Umstaenden mussten die Verhandlungen entweder scheitern oder zu einem Kompromisse fuehren: zur Bildung eines Zollvereins auf Grund des preussischen Zollgesetzes, aber mit selbstaendiger Zollverwaltung fuer beide Teile. Ueberraschend schnell, in wenigen Tagen wurde die Loesung gefunden, wonach die sueddeutschen Kabinette in jahrelangen Verhandlungen getrachtet hatten. Am 11. Januar 1828 fand die erste foermliche Konferenz im Finanzministerium statt, und hier wurde bereits von allen Seiten anerkannt, dass nur eine vollstaendige Vereinigung moeglich sei: Darmstadt trat in das preussische Zollsystem ein; Preussen, laengst bereit "ueber Formalitaeten leicht hinwegzugehen", gewaehrte dem Verbuendeten gleiches Stimmrecht bei Abaenderungen der Zollgesetze und eine selbstaendige Zollverwaltung, die aber streng nach preussischem Muster eingerichtet werden sollte. Mit diesem Entschlusse war alles Wesentliche entschieden. Die naechste Konferenz vom 17. Januar behandelte nur noch Detailfragen. Am 24. Januar berichtete Eichhorn dem Koenige: der Vertrag verspreche allein fuer Hessen finanzielle und volkswirtschaftliche Vorteile, fuer Preussen dagegen einen grossen politischen Gewinn, da die kleinen Staaten auf diesem Wege dauernd an uns gefesselt werden. Am 3. Februar genehmigte der Koenig den Abschluss der Verhandlungen; in seiner streng rechtlichen Gesinnung fuegte er ausdruecklich die Bedingung hinzu: "die deutschen Nachbarstaaten, besonders Baden, duerfen dadurch nicht in ihrem Interesse getraenkt werden." So kam denn am 14. Februar 1828 jener denkwuerdige Vertrag zustande, der in Wahrheit die Verfassung des deutschen Zollvereins feststellte. Er verhaelt sich zu den spaeteren Zollvereinsvertraegen genau so, wie die Verfassung des Norddeutschen Bundes zu der heutigen Reichsverfassung sich verhaelt. Durch den Zutritt anderer, groesserer Mittelstaaten haben sich spaeterhin die zentrifugalen Kraefte des Zollvereins erheblich verstaerkt; einzelne Bestimmungen des Vertrags wurden im foederalistischen Sinne abgeschwaecht; doch die Fundamente des preussisch-hessischen Vertrags blieben unerschuettert. Darmstadt nahm die preussischen Zoelle an und gab ueberdies die vertrauliche Zusage, dass auch die wichtigsten preussischen Konsumtionssteuern eingefuehrt werden sollten. Der Kreis Wetzlar tritt unter die darmstaedtischen, das hessische Hinterland unter die westfaelischen Zollbehoerden. Preussen ernennt einen Rat bei der Zolldirektion in Darmstadt, Hessen desgleichen bei der Steuerdirektion zu Koeln. Beide Staaten beaufsichtigen wechselseitig ihre Hauptzollaemter durch Kontrolleure; eine Konferenz von Bevollmaechtigten verteilt alljaehrlich die gemeinschaftlichen Einnahmen nach Verhaeltnis der Kopfzahl. Dergestalt war die Rechtsgleichheit der Verbuendeten, die souveraene Wuerde des darmstaedtischen Reiches, mit peinlicher Sorgfalt gewahrt. Die milde Kontrolle aenderte wenig an der Selbstaendigkeit der hessischen Zollverwaltung; der Verein beruhte im Grunde nur auf gegenseitigem Vertrauen. Nach den bisherigen Leistungen kleinstaatlicher Zollverwaltung konnten die preussischen Geschaeftsmaenner einen solchen Vertrag nicht ohne ernste Bedenken unterschreiben. Die hessische Regierung aber hat das gute Zutrauen gerechtfertigt, sie liess das neue Zollwesen unter der einsichtigen Leitung des Finanzrats Biersack fest und redlich durchfuehren. Diese deutsche Treue, diese ehrenhafte Erfuellung der eingegangenen Verbindlichkeiten bildet ueberhaupt das beste Verdienst, das die Mittelstaaten um den Zollverein sich erworben haben; der Abschluss der Vertraege selbst war nicht eine freie patriotische Tat der kleinen Hoefe, sondern ein Ergebnis der bitteren Not. Ebenso streng wurde die Gleichberechtigung der Verbuendeten in Sachen der Zollgesetzgebung aufrecht erhalten. Der Artikel 4 lautete urspruenglich: Abaenderungen der Zollgesetze sollen nur in "gegenseitigem Einvernehmen" erfolgen, "und es sollen alle diese Veraenderungen im Grossherzogtum Hessen im Namen S. K. H. des Grossherzogs verkuendigt werden." Diese Fassung erregte in Darmstadt schmerzliches Aufsehen. Prinz Emil selbst eilte zu Maltzan, stellte ihm vor: "der Grossherzog weiss, dass man in Berlin selbst nicht wuenscht, dass die grossherzogliche Regierung in den Augen des uebrigen Deutschlands erniedrigt werde." Eichhorn, der laengst verlernt hatte, sich ueber die Weltanschauung deutscher Kleinfuersten zu verwundern, ging auf die Bitte ein; er strich jene erniedrigenden Worte, ersetzte sie nachtraeglich durch die Wendung: "und sollen von jeder der beiden Regierungen ihrerseits verkuendigt werden". Damit war das europaeische Gleichgewicht zwischen Preussen und Darmstadt wieder hergestellt. So bereitwillig die preussischen Staatsmaenner in diesen laecherlichen Formfragen nachgaben, ebenso schwer fiel ihnen der Entschluss, den Inhalt des Artikels 4 selbst anzunehmen. Wann hatte denn jemals eine Grossmacht ihre Zollgesetzgebung dem guten Willen eines Staates vom dritten Range unterworfen? Es war vorauszusehen, dass dieser darmstaedtische Vertrag allen spaeteren Zollvereinsvertraegen ebenso zum Vorbilde dienen wuerde, wie der Sondershausener Vertrag das Muster gewesen war fuer alle nachfolgenden Enklavenvertraege. In jenem Augenblick freilich standen die kleinen Kabinette den Ideen des Freihandels sogar noch naeher als Preussen. Doch konnte dem Scharfblick Motzs und Maassens nicht entgehen, dass diese Parteistellung in einer nahen Zukunft sich gaenzlich verschieben wuerde, sobald in Oberdeutschland eine junge Grossindustrie entstand. Der preussischen Zollgesetzgebung drohte vielleicht Stillstand und Verkuemmerung, wenn die Mittelstaaten ein Veto erhielten. Alle diese staatswirtschaftlichen Bedenken mussten verstummen vor den glaenzenden Aussichten, welche sich der nationalen Politik Preussens eroeffneten. Darmstadt -- so berichtete Eichhorn dem Koenige -- empfaengt durch den Vertrag erst die Moeglichkeit eines haltbaren Zollsystems. Preussen gewinnt die wichtige Position in Mainz, verhindert den sueddeutschen Sonderbund, in den Norden hinein vorzudringen, und darf mit Sicherheit darauf rechnen, dass Hessens Beispiel Nachfolge finden, eine grosse handelspolitische Vereinigung entstehen wird. Nochmals wird sodann dem Koenig versichert, dass jede Feindseligkeit gegen deutsche Staaten vermieden werden solle. "Die Vereinigung ist von Ew. Maj. Behoerden weder gesucht, noch weniger durch verfuehrerische Lockungen veranlasst worden; man hat nur Antraege und Vorschlaege, welche von der grossherzoglichen Regierung ausgingen, entgegengenommen." Der neue Zollverein sollte bis zum 31. Dezember 1834 dauern und dann, sofern keine Kuendigung erfolge, auf weitere sechs Jahre verlaengert werden. Das Recht der Kuendigung blieb {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} die einzige Waffe, um Preussen sicherzustellen gegen den Missbrauch des gleichen Stimmrechts. Handelsvertraege schloss Preussen allein -- denn der Zusatz "unter Mitwirkung und Zustimmung Darmstadts" war praktisch wertlos. In allem uebrigen bestand vollstaendige Gleichheit der Rechte. Auch um diesen Vertrag hat sich ein zielloser Prioritaetsstreit erhoben. Der partikularistische Neid will die Tatsache nicht zugeben, dass die Verfassung des Zollvereins in Berlin ersonnen wurde. Man behauptet, der preussisch-hessische Verein sei lediglich dem bayrisch-wuerttembergischen Verein nachgebildet worden, welcher einige Wochen vorher, am 18. Januar 1828, zustande kam und ebenfalls das gleiche Stimmrecht, die selbstaendige Zollverwaltung der Bundesgenossen anerkannte. Ein Blick auf die Tages- und Jahreszahlen genuegt, um dies Maerchen zu widerlegen. Der Fundamentalsatz der Zollvereinsverfassung, die Paritaet und Unabhaengigkeit der Bundesgenossen, wurde in der Konferenz vom 11. Januar zwischen Preussen und Darmstadt vereinbart, acht Tage bevor der bayrisch-wuerttembergische Vertrag abgeschlossen wurde -- in einem Augenblick, da man zu Berlin den Gang der Muenchener Verhandlungen noch nicht naeher kannte. Die neueste aus Muenchen eingelaufene Nachricht sagte nur: noch bleibe zweifelhaft, ob der sueddeutsche Verein gemeinsame oder getrennte Zollverwaltung haben solle, das letztere sei allerdings wahrscheinlicher. Der Gedanke lag eben in der Luft, er ergab sich mit Notwendigkeit aus den fruchtlosen Zollverhandlungen der juengsten Jahre, er wurde von den norddeutschen und von den sueddeutschen Zollverbuendeten gleichzeitig angenommen, ohne dass sie voneinander wussten. Im Grunde ist der ganze Streit muessig. Der Entschluss, von dem die Zukunft deutscher Handelspolitik abhing, konnte nur in Berlin gefasst werden. Ob Bayern und Wuerttemberg einander die Paritaet zugestanden, war gleichgueltig. Doch ob die norddeutsche Grossmacht die unerhoerte Selbstverleugnung finden wuerde, mit einem Staate dritten Ranges sich bescheiden auf eine Linie zu stellen -- an dieser Frage hing alles. Sobald Preussen diesen Entschluss fasste, war dem Souveraenitaetsduenkel der kleinen Hoefe der letzte Vorwand genommen und die Bahn gebrochen fuer Deutschlands Handelseinheit. Dem gewissenhaften Notizensammler soll unvergessen bleiben, dass Bayern und Wuerttemberg den "ersten" Zollverein in Deutschland gruendeten, ihre Verhandlungen etwas frueher beendigten als Preussen und Darmstadt. Fuer den Historiker hat die Tatsache geringen Wert. Denn der sueddeutsche Verein erwies sich als ein verfehlter Versuch und ging bald zugrunde; der preussisch-hessische Verein bewaehrte sich und wuchs. Aus diesem, nicht aus jenem, ist der grosse deutsche Zollverein hervorgegangen. Eichhorn fuehlte, dass die Dinge endlich in Fluss kamen. Voll froher Zuversicht richtete er im Maerz an die Gesandtschaften in Deutschland eine eingehende Instruktion. Er schildert darin den Gang der preussischen Handelspolitik, das System des bewussten, berechneten Abwartens, das so gute Fruechte getragen habe. Er zeigte sodann, wie mit dem Darmstaedter Vertrage die entscheidende Wendung eingetreten sei: diese Verhandlungen waren besonders darum nuetzlich, weil sie "die Moeglichkeit eines gemeinschaftlichen Zollsystems fuer Staaten, die geographisch unabhaengig sind, erwiesen. An die Stelle eines dunklen Gefuehls, welches frueherhin eine Vereinigung in einer unbestimmten Richtung suchte, ist eine klare Erkenntnis getreten." Man sieht heute in der Aufnahme der staatswirtschaftlichen Grundsaetze eines anderen Staates nicht mehr eine Verleugnung der Souveranitaet. Nichtsdestoweniger soll die Diplomatie nach wie vor eine ruhig zuwartende Haltung behaupten. Ebenso zuversichtlich schrieb Eichhorn an Motz: Unsere Handelspolitik hat sich bewaehrt und wird noch groessere Erfolge erringen, wenn wir die Anfragen anderer Staaten geduldig abwarten. Der bayrisch-wuerttembergische Verein ist lose und wird noch lockerer werden, wenn er wider Erwarten neue Bundesgenossen finden sollte. In der Tat erwies sich in Hessen wie einst in den Enklaven sehr rasch der Segen der preussischen Gesetze. Im ersten Augenblick war die Stimmung im Lande noch geteilt. Das Starkenburger Land sah den gewohnten kleinen Verkehr mit dem Frankfurter Markte mannigfach belaestigt, und in der Kammer klagten nach deutschem Brauche einzelne Patrioten beweglich ueber den "Loewenvertrag", welchen Preussens Schlauheit der hessischen Unschuld auferlegte. Der Handelsstand in Mainz und Offenbach dagegen sprach der Regierung seinen Dank aus, und bald regte sich ueberall im Lande ein neues Leben. Vor kurzem noch hatte man in Berlin geplant, eine Messe in Koeln zu errichten, die dem Mainzer und Frankfurter Verkehr das Gegengewicht halten sollte: jetzt entstand in Offenbach ein schwunghafter Messverkehr, der namentlich im Ledergeschaefte das reiche Frankfurt zu ueberfluegeln begann. Die beiden Verbuendeten bauten eine grosse Strasse von Paderborn ueber Biedenkopf nach Giessen und weiter suedwaerts, so dass ein fast zollfreier Strassenzug den Neckar mit der Ostsee verband. Nach zwei Jahren war die handelspolitische Opposition in den Kammern fast voellig verstummt. Graf Lehrbach, der den Minister wegen Landesverrats verklagen wollte, stand vereinsamt; der Abgeordnete Schenk aber dankte der Regierung und schloss gemuetlich: Das einzige Mittel gegen den Wunsch nach politischer Einheit ist die Zolleinigung! Mit Selbstgefuehl verwies Hofmann auf die guenstigen Rechnungsabschluesse und sagte "mit voller Zuversicht dieser auf gegenseitige Vorteile gegruendeten Verbuendung Bestand und Dauer voraus: so werden Sie hoffentlich bald dasjenige verwirklicht sehen, was noch vor wenigen Jahren zwar Gegenstand Ihrer angelegentlichsten Wuensche war, aber nach so vielen vergeblichen Verhandlungen kaum in dem Reiche der Moeglichkeit zu liegen schien." Auch in Preussen hielten die Klagen der Geschaeftswelt, die sich anfangs laut genug erhoben, nicht lange vor. Unterdessen hatte der Koenig sein gesamtes thueringisches Gebiet in die Zollinie aufgenommen; die Lage der ernestinischen Fuerstentuemer ward fast unertraeglich. Es schien undenkbar, dass Kurhessen und Thueringen, also von allen Seiten umklammert, ihren toerichten Widerstand fortsetzen sollten. Und doch sollte das Undenkbare geschehen. Auf das erste Geruecht hin versuchten allerdings einige Kleinstaaten, sich den Verbuendeten zu naehern -- lediglich in der Absicht, den Inhalt des Vertrages, der noch streng geheim gehalten wurde, zu erfahren. Praesident Krafft in Meiningen schrieb an Hofmann, bat um Aufklaerung, deutete gewichtig an, dass Meiningen vielleicht dem hessischen Beispiel folgen werde, wenn man nur die Machtstellung dieses Reiches nach Gebuehr wuerdige: "Die Lage des Landes Meiningen laesst seinen Wert den geographischen Umfang desselben ueberschreiten, indem mehrere der frequentesten Landstrassen die Handelsplaetze an den Kuesten der Nordsee mit einem bedeutenden Teile des suedlichen Deutschlands, der Schweiz und Italiens verbinden, und Preussen, Bayern und Kurhessen zu seinen wichtigeren Grenznachbarn gehoeren." Die Meininger Welthandelsstrassen boten unleugbar auf der Landkarte einen sehr stattlichen Anblick; gebaut waren sie freilich noch nicht, auch besass das Laendchen durchaus nicht die Mittel, sie jemals zu bauen. Motz, dem die Naturgeschichte des deutschen Kleinstaats einen unerschoepflichen Quell der Ergoetzung bot, sendete das Meininger Schreiben an Hofmann zurueck und versicherte, die geographische Bedeutung des Herzogtums sei ihm ganz neu; dann schloss er wehmuetig: "es ist betruebt, wenn solche ueberspannte Diener dazu beitragen, dass dem Souveraenitaetsduenkel ihrer Fuersten auch noch ein Strassenduenkel hinzugefuegt wird." Der Vorfall blieb dem klugen Manne unvergessen; der Meininger Strassenduenkel sollte zur rechten Stunde noch eine Rolle spielen in der deutschen Geschichte. Noch durchsichtiger war ein diplomatisches Kunststueck der freien Stadt Frankfurt. Der alte Rothschild erschien bei Otterstedt, um verbindlich anzufragen, ob nicht auch Frankfurt mit Preussen einen aehnlichen Vertrag schliessen koenne. Nun wusste alle Welt, dass die Handelspolitik dieser Republik lediglich in einer systematischen Pflege des Schmuggels bestand. Der Fuehler hatte also nur den Zweck, den Senat ueber die Bedingungen des preussisch-hessischen Vertrages zu unterrichten, damit die Frankfurter Schmuggler sich darauf einrichten konnten. Selbstverstaendlich wurde der diplomatische Boersenfuerst mit einigen allgemeinen Redensarten heimgeschickt. Unter den deutschen Hoefen war nur einer, der den preussisch-hessischen Verein mit Freude begruesste: der badische Hof. Allein durch Preussens Beistand konnte Grossherzog Ludwig hoffen, seine Pfalz gegen Bayern zu behaupten; daher schrieb er an Blittersdorff: "ich freue mich, einen Einfluss vermehrt zu sehen, dem ich, besonders im gegenwaertigen Augenblick, soviel verdanke". Zugleich hoffte man in Karlsruhe die Absichten der badischen Handelspolitik nunmehr in Sueddeutschland durchzusetzen, denn seit Darmstadt zu Preussen uebergetreten, bildete Baden allein die fuer Bayern unentbehrliche Verbindung zwischen Franken und der Pfalz. Alle anderen Hoefe vernahmen die erste unsichere Kunde aus Berlin mit unbeschreiblichem Schrecken; die Nachricht fiel wie eine Bombe in die diplomatische Welt. Selbst Blittersdorff, der doch die entgegengesetzten Ansichten seines Souveraens kannte, enthielt sich nicht zu jammern ueber "dies Unglueck, diesen neuen Beweis preussischer Selbstsucht": es sei ja klar, Preussen wolle nur den hessischen Markt fuer seine Fabrikate ausbeuten, und glaube selber nicht an die Dauer der Verbindung. Was der Heisssporn also herauspolterte, war nur der Widerhall der erregten Reden der oesterreichischen Partei am Bundestage. Muench(74) und Langenau(75) versicherten entruestet: jetzt endlich sei Preussens masslose Herrschsucht entlarvt. Vor kurzem noch hatten sie auf den preussischen Hochmut gescholten, der jede Verstaendigung mit den Nachbarn abweise. Am lautesten laermte Marschall ueber diesen "Unterwerfungsvertrag", den er ebensowenig gelesen hatte wie die anderen aus der oesterreichischen Sippe. Er traf sogleich Anstalten zur Beguenstigung des Schmuggels in Bieberich und den anderen Rheinhaefen. Der Gedanke, dass Nassau jetzt wie Anhalt zur preussischen Enklave werden solle, war seinem Nationalstolze schrecklich. Dann liess er durch die getreue Oberpostamtszeitung die Luege verbreiten, Preussen habe auch Nassau zum Beitritt eingeladen, sei aber stolz zurueckgewiesen worden. Der untertaenige Landtag stimmte der Ansicht des Ministers zu, als dieser erklaerte: eine Erhoehung der Staatseinnahmen sei ueberfluessig; fuer Nassaus europaeische Politik wie fuer seine Volkswirtschaft koenne der Anschluss an Preussen nur gefaehrlich werden. Dass Muench und Langenau nicht ohne geheime Weisungen handelten, liess sich leicht erraten. Zum Ueberfluss sprach Fuerst Metternich selbst seine Bestuerzung in sauersuessen Worten aus. Der preussische Gesandte teilte dem oesterreichischen Staatskanzler eine Denkschrift mit, die sich ausfuehrlich ueber Preussens bisherige Handelspolitik verbreitete. Darauf erwiderte der Fuerst: "Der Darmstaedter Vertrag hat grosses Aufsehen erregt, wie ja alles in Deutschland missdeutet wird. Doch ist uns lieb, dass Preussen sich so offen ausspricht; mit der Denkschrift bin ich im wesentlichen einverstanden. Bayern hat uns kuerzlich aufgefordert, den preussisch-hessischen Vertrag zu hintertreiben. Wir lehnten ab, da solche Vertraege eine Konsequenz der Souveraenitaet sind. Ich kann aber nicht verhehlen, dass, sobald dergleichen Verbindungen aufhoeren, bloss aus dem administrativen Gesichtspunkt betrachtet zu werden und ihnen eine politische Tendenz zugrunde gelegt wird, die Grundgesetze des Bundes ihnen entgegenstehen." Darauf empfahl er dem preussischen Hofe abermals, wie einst auf dem Aachener Kongress, die Vorzuege der k. k. Provinzialmauten: wenn man in Preussen Provinzialzoelle einfuehrte, so wuerde man der laestigen Zollvertraege nicht beduerfen! Mit Entzuecken vernahm Motz diese Orakelsprueche und schrieb an Eichhorn: "Von den Finanzansichten des Fuersten v. Metternich werden wir wohl keinen Gebrauch machen koennen. Dagegen wollen wir nicht bestreiten, dass es in vieler Beziehung fuer uns ohne Nachteil sein wird, wenn er fuer Oesterreich bei seinen erleuchteten Ansichten beharrt." Zudem wusste Eichhorn, wie eifrig der k. k. Gesandte in Darmstadt der Ratifikation des Vertrages entgegengewirkt hatte; noch im Februar war Otterstedt von Karlsruhe hinuebergeeilt, um dem oesterreichischen Einfluss die Wage zu halten. Auch jenes deutsche Kabinett, das damals dem Berliner Hofe am naechsten stand, auch Hannover, ueberraschte durch auffaellige Ungezogenheit. Der Koenig wollte nicht, dass das befreundete Nachbarland aus dem neuen Verein Besorgnis schoepfe. Er befahl daher eine Ausnahme zu machen von der Regel, wonach Preussen sich aller handelspolitischen Anerbietungen enthalten sollte, und liess in Hannover einige neue Strassenzuege und bedeutende Zollerleichterungen vorschlagen, da nach den Grundsaetzen der hannoverschen Politik ein wirklicher Zollverein doch nicht zu erwarten stand. Aber diese Eroeffnungen blieben unerwidert. Das war mehr als Verstimmung; das deutete auf feindselige Plaene, die im Dunkeln sich vorbereiteten. Die oeffentliche Meinung zeigte sich, wie immer in der Geschichte des Zollvereins, noch verblendeter als die Kabinette, und die Hofburg verstand, trotz ihres Hasses gegen den Liberalismus, den liberalen Unverstand vortrefflich auszubeuten. In Frankfurt arbeitete unter Muenchs Augen eine k. k. Korrespondenzenfabrik: mit merkwuerdiger Uebereinstimmung erzaehlten der Nuernbergische Korrespondent, die Elberfelder Zeitung, das Frankfurter Journal von unseligen Darmstaedter Industriellen, die Haus und Hof verliessen, um den preussischen Zoellen zu entgehen. Die Augsburger Allgemeine Zeitung liess sich aus Darmstadt schreiben: man muss heute einundzwanzigmal preussisch reden, ehe man einmal hessisch reden darf; das unglueckliche Land traegt zweifache Lasten, die neuen Mauten und die alten, da ja fuer Wein und Tabak Ausgleichungsabgaben erhoben werden. Auch unabhaengige Blaetter, wie der Altonaer Merkur und die Neue Mainzer Zeitung, erzaehlten die Fabel vom Fuchs, der im Stalle zum Pferde sagte: tritt mich nicht, ich will dich auch nicht treten! Die preussische Regierung konnte sich in den Kuensten des literarischen Minenkriegs niemals mit Oesterreich messen; sie begnuegte sich, den oesterreichischen Tendenzluegen lehrhafte Berichtigungen in der Staatszeitung entgegenzustellen; das unglueckliche Blatt krankte aber an der Erbsuende aller offizioesen Blaetter, der Trockenheit. Auf allgemeine Zustimmung konnte in diesem Lande der Kritik kein Schritt der Regierung rechnen. Nicht bloss unter den Industriellen zitterten viele vor der drohenden Vermehrung der Konkurrenz. Auch eine Schule innerhalb des Beamtentums, Schoen mit seinen ostpreussischen Freunden, schalt auf diese Bummler in Berlin, die daheim nicht Ruhe faenden und auswaerts unnuetze Haendel anzettelten. Am gefaehrlichsten unter allen Kraeften des Widerstandes erschien vorderhand die feindselige Haltung des Muenchener Hofes. Im Oktober 1827 waren in Muenchen die Verhandlungen zwischen den beiden sueddeutschen Koenigskronen wieder aufgenommen worden. Schmitz-Grollenburg(76) und Armansperg(77) betrieben beide das Geschaeft mit feurigem Eifer. So kam am 18. Januar 1828 jener erste deutsche Zollverein zustande. Es erfuellte sich, was in Berlin so oft vorausgesagt worden: Tarif und Verwaltungsordnung des neuen Vereins kamen den Grundsaetzen der preussischen Zollgesetzgebung sehr nahe, weil sich den sueddeutschen Kronen dieselben Fragen aufdraengten, welche Preussen schon durch das Gesetz von 1818 geloest hatte. Die Zoelle auf Fabrikwaren standen niedriger als in Preussen, die auf Kolonialwaren etwas hoeher: vom Kaffee erhob Preussen 6 Tlr. 20 Sgr. fuer den Zentner, Bayern-Wuerttemberg 15 Gulden fuer den um etwa 9 Prozent schwereren bayrischen Zentner. Im uebrigen fast dieselben Regeln wie im preussisch-hessischen Verein: getrennte Zollverwaltung unter gegenseitiger Kontrolle, Verteilung der Einkuenfte nach der Kopfzahl, Grenzzoelle und Packhoefe. Indes die verstaendige Verfassung konnte den Grundschaden dieses Bundes nicht heilen: er war zu klein und darum, wie Eichhorn voraussagte, nicht lebensfaehig. Wohl stiegen die Zolleinnahmen Wuerttembergs im ersten Jahre um 220000 Gulden; der kleinere Bundesgenosse zog selbstverstaendlich den groesseren Vorteil aus der Erweiterung des Marktgebiets. Doch betrugen die Zolleinnahmen nur 91/2 Sgr. auf den Kopf der Bevoelkerung, waehrend Preussen das Zweiundeinhalbfache, 24 Sgr., einnahm. Die Kosten der Zollverwaltung verschlangen mindestens 44 Prozent der Einkuenfte; in Bayern war der Rohertrag fuer das Rechnungsjahr 1828-1829: 2,842 Millionen Gulden, der Reinertrag nur 1,582 Millionen Gulden. Die geringen Zoelle genuegten nicht, die heimische Industrie wirksam zu schuetzen, und doch blieb jede Erhoehung unmoeglich, wenn nicht der gesamte Reingewinn den Staatskassen verloren gehen sollte. Am klaeglichsten befand sich die bayrische Pfalz. Die entlegene Provinz sollte vor der Hand ausserhalb der Mautlinien bleiben und ihre eigenen Erzeugnisse zollfrei in das Vereinsland einfuehren, was denn sofort franzoesische, badische, rheinpreussische, hessische Fabrikanten zu grossartigem Schmuggel veranlasste. Gewichtige Stimmen in der Pfalz forderten laut den Anschluss an Preussen; einer der ersten Industriellen der Provinz, Geh Rat. Camuzzi, schrieb in diesem Sinne an die Allgemeine Zeitung, ward aber von der Firma Cotta abgewiesen. Koenig Ludwig wollte die Gebrechen des Vereins lange nicht bemerken. Wie war er stolz auf seiner Haende Werk, den ersten deutschen Zollverein; wie schwelgte er in erhabenen Traeumen von historischer Unsterblichkeit. Er wollte fortleben im Munde spaeter Geschlechter als der Vollender der *fossa Carolina*, jenes Kanales zwischen der Nordsee und dem Schwarzen Meer, den Karl der Grosse ersonnen, doch nicht ausgefuehrt hatte, und beschaeftigte sich auch mit grossen Eisenbahnplaenen, seit Franz Baader(78) im Nymphenburger Park einen Dampfwagen fahren liess. "Jetzt sind die Zollsysteme der beiden Grossmaechte nicht mehr furchtbar" -- hiess es bei Hofe. Schon war ein Unterhaendler nach Zuerich gesendet, um die Schweiz zum Eintritt in den sueddeutschen Verein oder doch zu einem Handelsvertrage zu bewegen. Niemals hatte Bayerns Gestirn glaenzender geleuchtet als im Januar 1828; niemals zuvor hatte der Koenig eine so stolze Sprache gegen den Bundestag gefuehrt. "Die antisozialen, antifoederalistischen Tendenzen der bayrischen Politik" traten, wie Blittersdorff klagte, dem Praesidialgesandten schroff entgegen. Sofort nach der Unterzeichnung des sueddeutschen Zollvertrages ging Freiherr v. Zu Rhein nach Darmstadt, um das Grossherzogtum zum Beitritt einzuladen und ihm die Paritaet, welche ihm die beiden Koenigreiche bisher verweigert hatten, bedingungslos zuzugestehen. War Hessen gewonnen, so musste das widerhaarige Baden auf Gnade oder Ungnade sich ergeben. Mitten in diese holden Traeume fiel niederschmetternd die Kunde von dem preussisch-hessischen Vertrag. Durch diesen Verein, das sprang in die Augen, verlor der sueddeutsche Verein sofort Sinn und Bedeutung. Koenig Ludwig sah seine teuersten Hoffnungen zerstoert, blieb mehrere Wochen hindurch voellig fassungslos. "Nunmehr hab' ich alle Schritte getan, um meine armen Untertanen zu retten!" sagte er verzweifelnd zu Schmitz-Grollenburg. In groben Schimpfworten entlud sich sein Groll; er schalt laut auf den Verraeter Hofmann, erzaehlte an offener Tafel, Preussen habe den Prinzen Emil von Hessen mit 400000 Gulden bestochen. In seinem Zorne vergass er auch wieder seinen "teutschen" Stolz. Solange diese kleinen Hoefe noch europaeische Politik treiben durften, waren auch patriotische Fuersten nicht vor argen Verirrungen sicher. Wie Ludwig einst als Kronprinz, trotz seines Abscheus gegen Napoleon, mehrmals untertaenige Briefe an den Schoepfer der bayrischen Koenigskrone gerichtet und sogar die Hoffnung ausgesprochen hatte, sein Sohn Max werde dereinst dem Koenig von Rom(79) seine Anhaenglichkeit widmen, so hatte er neuerdings um Sponheims willen die Hilfe Russlands angerufen und wendete sich jetzt wieder an das gehasste Frankreich. Den Winter ueber hatte der Herzog von Dalberg(80) in Muenchen sein Wesen getrieben; nun fanden seine Einfluesterungen Gehoer. Koenig Ludwig warnte den franzoesischen Hof vor dem Ehrgeiz Preussens, das bereits in Sueddeutschland sich festzusetzen suche. Im selben Sinne bearbeitete Lerchenfeld zu Frankfurt den alten Reinhard(81). Alsbald befahl Minister La Ferronays dem Geschaeftstraeger in Muenchen ruehrige Wachsamkeit gegen die von Preussen her drohende Gefahr; er stellte zugleich einige Handelserleichterungen in Aussicht zugunsten der *troisieme Allemagne*.(82) Da Koenig Ludwig schon nach wenigen Monaten von seinen leidenschaftlichen Verirrungen zurueckkam, so wurden diese haesslichen Zettelungen mit dem Auslande nachher ganz in Abrede gestellt. Der Hergang ist gleichwohl verbuergt durch die uebereinstimmenden Zeugnisse von Freund und Feind. Nicht allein der preussische Gesandte Kuester berichtete darueber ausfuehrlich seinem Hofe; der badische Gesandte Fahnenberg meldete ganz dasselbe nach Karlsruhe. Der oesterreichische Gesandte Graf Spiegel warf dem bayrischen Minister des Auswaertigen die Anklage ins Gesicht, dass er Frankreich in die deutsche Handelspolitik hineinzuziehen suche. Ueber Lerchenfelds Verhalten berichtete Blittersdorff, der ja selber sehr geneigt war, jedes Mittel zu gebrauchen zur Vernichtung des preussisch-hessischen Vereins. Die Schwenkung der bayrischen Politik nach Frankreich hinueber war bald eine der gesamten diplomatischen Welt bekannte Tatsache. Koenig Ludwig ueberliess sich eine Zeitlang blindlings dem stuermischen Unwillen der verletzten Eitelkeit. Sein Kabinettsrat Grandauer uebte schlechten Einfluss; auch Freiherr v. d. Tann traeumte bayrische Grossmachtstraeume. Nur der alte welterfahrene Minister Zentner sah die Dinge ruhiger an. Selbst Koenig Wilhelm von Wuerttemberg blieb nuechtern und gleichmuetig. Sein Geschaeftsverstand war doch staerker als sein Groll gegen Preussen; auch mochten ihm die bitteren Erfahrungen der Tage von Verona noch unvergessen sein. In einem Gespraeche mit du Thil verbarg er zwar seine Enttaeuschung nicht, gestand aber zu: "frueher oder spaeter werden wir noch gezwungen sein, Euerem Beispiele zu folgen". Im selben Sinne erklaerte sein Minister Beroldingen dem preussischen Gesandten, "dass Wuerttemberg in die deutsch-patriotischen Gesinnungen der preussischen Regierung niemals auch nur den geringsten Zweifel gesetzt hat und die bestehenden besonderen Vereine zugleich als Mittel betrachtet, zu dereinstiger Erreichung des gemeinschaftlichen Zweckes in einer allgemeinen Ausdehnung den Weg zu bahnen." Wie der preussische Staat alles, was er fuer die Macht und Einheit unseres Vaterlandes tat, erkaempfen musste gegen den Widerstand des Auslandes, so ward auch der preussisch-hessische Bund sofort von den Raenken der fremden Maechte umsponnen. Im Verein mit Frankreich versuchte Holland Unfrieden zu saeen zwischen Sued und Nord. Der Minister Verstolck van Soelen machte den wuerttembergischen Geschaeftstraeger aufmerksam auf die Gefahren, welche der deutschen Handelsfreiheit und der Unabhaengigkeit der Kleinstaaten drohten. Der Wuerttemberger, ein verstaendiger Mann, der seinem preussischen Kollegen, dem Grafen Truchsess-Waldburg, alles mitteilte, antwortete treffend: die Zoelle der fremden Maechte, und nicht zuletzt Hollands, zwingen uns Deutsche, uns zu einigen und neue Handelswege zu suchen -- worauf Verstolck heilig versicherte: die Herabsetzung der niederlaendischen Zoelle stehe nahe bevor; fuer jetzt aber duerfe man nur an den Widerstand gegen den gemeinsamen Feind, gegen Preussen denken. Eichhorn, der die hollaendischen Kaufherren aus den endlosen Rheinschiffahrtsverhandlungen genugsam kannte, schrieb an den Rand der Depesche: Die Niederlande verfolgen gar keinen positiven Zweck, sie wollen nur die weitere Einigung Deutschlands in Zollsachen verhindern. In der Tat lud der niederlaendische Geschaeftstraeger Mollerus den Muenchener Hof ein, fuer den sueddeutschen Verein einen Handelsvertrag mit Holland abzuschliessen, und beteuerte zugleich die gute Absicht seines Hofes, sich mit den oberlaendischen Staaten ueber Preussen hinweg wegen der Rheinzoelle zu verstaendigen. Bestimmte, greifbare Vorschlaege uebergab er nicht; die Absicht war lediglich, Bayern und Wuerttemberg von Preussen fernzuhalten. Auch England bezeigte seine Unzufriedenheit. Der Praesident des Handelsamts, Charles Grant, beschwerte sich bei dem preussischen Gesandten Buelow heftig ueber die hohen Zoelle des preussisch-hessischen Vereins und erhielt die kuehle Antwort: der Verein habe an den preussischen Zoellen gar nichts geaendert; doch wisse jedermann, dass Preussen freieren handelspolitischen Grundsaetzen huldige als England. Mit diesen Raenken des Auslandes, die bald einen sehr bedrohlichen Charakter annahmen, verkettete sich der unselige Sponheimer Handel. Koenig Ludwig war, da er sich allerdings auf Oesterreichs unerfuellte Versprechungen berufen konnte, von seinem Rechte auf den Heimfall der Pfalz tief ueberzeugt und fuehlte sich schwer beleidigt, als Preussen seinen Anspruechen entgegentrat. Der preussische Gesandte merkte dem Koenig bald an, dass er etwas auf dem Herzen habe. Da trafen sich die beiden eines Tages auf der Strasse. Der Koenig trat auf den Diplomaten zu, ging eine Strecke Weges mit ihm und schuettete seinen Zorn aus: "Ich kann nicht genug sagen, wie tief es mich geschmerzt, dass gerade Preussen in der badischen Sache sich voran und mir gegenuebergestellt hat. Anders kann ich das Memoire nicht bezeichnen, womit Preussen, ohne mich zu hoeren, die Initiative gegen mich bei den uebrigen Hoefen ergriffen hat. Bernstorff denkt immer noch an das alte Bayern; es ist aber heute ein neues Bayern, ein neuer Koenig. Preussen hat nie einen groesseren Enthusiasten gehabt als mich. Um so mehr hat mich's gekraenkt, dass man sich aus meiner Freundschaft gar nichts macht. Will man mich denn nur zum Gegner haben?" Der Koenig ereiferte sich, erhob die Stimme, die Voruebergehenden blieben stehen und horchten auf. Der Gesandte konnte sich dem schwerhoerigen Fuersten nicht verstaendlich machen, geriet in peinliche Verlegenheit, gab seinem Hofe den Rat, man moege den Erzuernten beschwichtigen. Augenblicklich liess sich wenig tun, da Koenig Friedrich Wilhelm das gute Recht Badens schlechterdings nicht preisgeben wollte. Fuer die Zukunft war noch nichts verloren. Der heissbluetige Wittelsbacher blieb auch als Gegner offen und ehrlich; sobald sein Zorn verrauchte, konnte man vielleicht wieder anknuepfen, da ihm Deutschlands Handelseinheit wirklich am Herzen lag. Vorderhand freilich wirkte der Muenchener Hof dem preussisch-hessischen Verein offen entgegen; er versuchte, durch unentgeltlichen Vorspann und aehnliche kleine Mittel den Verkehr von Giessen und Vilbel auf die Linie Hersfeld-Fulda hinueberzulocken, verlangte von dem Hause Thurn und Taxis, dass die Frankfurt-Aschaffenburger Post ueber Hanau, nicht mehr durch das darmstaedtische Gebiet gefuehrt werde usw. Der entscheidende Kampf entspann sich am Kasseler Hofe; noch einmal wurde die kurhessische Handelspolitik verhaengnisvoll fuer das ganze Deutschland. Der Grossherzog von Hessen hatte die Berliner Verhandlungen nur gutgeheissen in der bestimmten Erwartung, dass der Kasseler Vetter seinem Beispiel folgen wuerde. Deshalb blieb der preussisch-hessische Vertrag bis zum Mai geheim; denn niemals haette der Stolz des Kasseler Despoten sich entschlossen, einem bereits veroeffentlichen Vertrage nachtraeglich beizutreten und also vor der Welt zuzugestehen, dass das minder maechtige Darmstadt ihm vorangegangen sei. Hofmann ging noch im Februar, auf der Rueckreise von Berlin, nach Kassel und meinte die Lage ziemlich guenstig zu finden. Freiherr v. Meysenbug und andere hohe Beamte, mit denen er vertraulich sprach, gaben ihm bereitwillig zu, dass Kurhessen nach Darmstadts Beitritt nicht mehr zoegern duerfe: nur der Anschluss an Preussen koenne die zerruettete Volkswirtschaft retten. Gleichwohl war Hofmann im Irrtum; schon nach 24 Stunden musste er unverrichteter Sache abziehen. "An diesem Hofe, schrieb du Thil, sind rationelle Berechnungen nicht statthaft." Hinter und ueber den Beamten trieb die Reichenbach [Die Geliebte des Kurfuersten.] ihr Wesen, die noch immer auf eine oesterreichische Fuerstenkrone hoffte. Auf solchem Boden war den armseligen Kuensten der kleinen Hoefe die Staette bereitet. Ein Heerlager von amtlichen und geheimen Unterhaendlern stroemte im Fruehjahr 1828 zu Kassel zusammen, um den Kurfuersten von Preussen fernzuhalten. Aus Bayern erschienen die Geheimen Raete Oberkamp und Siebein, der erstere wohlgeschult in dem Raenkespiel der Eschenheimer Gasse; auch seinen Freund v. d. Tann schickte Koenig Ludwig hinueber. Fuer Wuerttemberg arbeitete der alte Agitator Miller von Immenstadt, jetzt wuerttembergischer Steuerrat. Aus Sachsen kam Freiherr v. Luetzerode, aus Hannover Kammerrat Lueder, auch Koburg und Meiningen sendeten Unterhaendler. Dann erschien "zum allgemeinen Schrecken" Praesident v. Porbeck aus Arnsberg, um dem Berliner Kabinett ueber das verworrene Treiben zu berichten. Die Darmstaedter Regierung erneuerte im Maerz ihren Versuch und sendete den Prinzen Wittgenstein, um dem Kurfuersten mitzuteilen: Preussen habe eingewilligt, dass der Zutritt Kurhessens zu dem Vertrage vorbehalten bleibe und Darmstadt den Antrag stelle; der Grossherzog erlaube sich daher anzufragen, ob der Kurfuerst die Absendung eines Bevollmaechtigten genehmige. Am 12. Maerz sprach der Kurfuerst dem Prinzen seinen verbindlichen Dank aus. Doch schon nach drei Tagen schlug der Wind um. Sei es, dass Wittgenstein allzu zuversichtlich aufgetreten war, sei es, dass Oberkamp und die Reichenbach dem Kurfuersten die Schmach einer Unterwerfung unter Preussens Befehle geschildert hatten -- genug, am 15. Maerz liess der Finanzminister Schminke ein Schreiben an du Thil abgehen, in jener Tonart, die nur in Kassel oder Koethen moeglich war: "S. K. Hoheit koennen nicht ohne grosse Empfindlichkeit wahrnehmen, dass in einem Allerhoechstdemselben und Allerhoechstdero Kurstaate durchaus fremden Vertrage von seiten des grossherzoglichen Hofes Stipulationen in Beziehung auf das Kurfuerstentum eingegangen sind und eine Initiative ergriffen worden ist, welche das Kurhaus in Ansehung des grossherzoglichen Hauses sich nicht einmal gestattet hat. Allerhoechstdieselben sind nicht davon ueberzeugt, dass es dem Interesse des Kurstaats entsprechend sei, einer solchen Uebereinkunft das bisherige System aufzuopfern." Die groebsten Wendungen hatte der Kurfuerst eigenhaendig in das Schreiben hineingebracht. Bei einer neuen Audienz donnerte er Wittgenstein an: "Ich bin Chef des hessischen Hauses; Anmassungen, wie der Grossherzog sie sich erlaubt hat, werde ich nicht dulden; ich kann die Bitte des Grossherzogs nicht gewaehren." Auch Wittgensteins Sendung war gescheitert. Eichhorn ahnte, dass die sueddeutschen Kronen die Haende im Spiele gehabt, empfahl dem Bundestagsgesandten Nagler und allen Gesandten im Oberlande scharfe Aufmerksamkeit auf die Handelspolitik der kleinen Hoefe. Zwei Tendenzen, schrieb er, wirken uns in Kassel entgegen. Der bayrisch-wuerttembergische Verein sucht Kurhessen fuer sich zu gewinnen; er krankt an verkehrten politischen Nebengedanken und ruht auf dem falschen Grundsatze, dass die Binnenstaaten von den Kuestenlaendern sich unabhaengig machen sollen; "mit jeder Ausdehnung verliert das System selbst an innerem Halt und Zusammenhang". Gefaehrlicher scheint der von einigen thueringischen Staaten gehegte Plan, unter Kurhessens Fuehrung einen hessisch-thueringischen Zollverein zu bilden, der nach Belieben mit Preussen oder mit dem Sueden verhandeln koennte -- eine Traeumerei, "so einladend fuer den Stolz des Kurfuersten, dass er kaum widerstehen wird." Nach Wittgensteins Abreise meinten die bayrisch-wuerttembergischen Unterhaendler ihr Spiel gewonnen. Bayern versprach dem Kurfuersten, seine bisherigen Zolleinnahmen zu verbuergen, wenn er dem sueddeutschen Verein beitrete. Der Kurfuerst, als ein geriebener Handelsmann, holte sofort eine alte Schuldforderung an das fuerstliche Haus Oettingen hervor, welche einst Napoleon fuer Bayern eingezogen hatte; auch diese Sache zu bereinigen war Bayern erboetig. Schon bereiste Oberkamp mit einem kurhessischen Finanzbeamten die bayrischen Grenzen, um diesem die Einrichtung der Mauten zu zeigen. Da griff eine gewandtere Hand ein und betrog die sueddeutschen Hoefe um den Sieg. Dass Oesterreich die Erweiterung des preussisch-hessischen Vereins ungern sah, war allbekannt. Wenn der oesterreichische Geschaeftstraeger in Kassel dem Prinzen Wittgenstein zuvorkommend seine Instruktionen zeigte und dort zu lesen stand, er solle seinen preussischen Kollegen ueberall getreulich unterstuetzen, so wusste man in Berlin laengst, was von solchen k. k. Scherzen zu halten sei. Aber auch der Zollverein der konstitutionellen Suedstaaten erschien zu Wien hoch gefaehrlich. Sobald das diplomatische Getriebe in Kassel begann, wurde Freiherr v. Hruby, einer der eifrigsten und gefaehrlichsten Feinde Preussens, so recht ein Vertreter des alten ferdinandeischen Hochmuts, von Karlsruhe abberufen, in Hannover und Kassel als Gesandter beglaubigt. Ihm gelang es, den Kurfuersten zu ueberzeugen, dass auch der Anschluss an Bayern die kurhessische Nationalehre gefaehrde; "die bayrischen Mautritter", wie der Kurfuerst hoehnte, empfingen im Mai abschlaegige Antwort. Und bald erfuellte sich, was ein feiner Kenner der hessischen Dinge dem preussischen Gesandten Haenlein vorausgesagt hatte: "Kurhessen wird seine ergiebigen Transitzoelle zu behalten suchen und am liebsten gar nichts an dem Bestehenden aendern. Nur wenn keine Verstaendigung mit der Kurfuerstin zustande kommt, wird unser Staat, welcher bekanntlich nur aus einer Person besteht, sich aus Aerger vielleicht auf die Seite der Gegner Preussens schlagen." Dahin war es wirklich gekommen, dass die Zukunft der deutschen Handelspolitik zunaechst von dem ehelichen Frieden des kurhessischen Hauses abhing. Um den Kurfuersten mit seiner Gemahlin zu versoehnen und dann den besaenftigten Despoten fuer den Zollverein zu gewinnen, sendete Koenig Friedrich Wilhelm den General Natzmer(83) nach Kassel. Motz gab dem Unterhaendler eine Weisung mit, deren friderizianischer Ton von der matten Diplomatensprache jener Zeit gar seltsam abstach. Es war, als haette der tapfere Hesse schon das Jahr 1866 vorausgesehen. Er bemerkt zunaechst, die Verbindung mit Preussen liege im eigenen Interesse Kurhessens; mit 600000 Koepfen koenne man kein eigenes Zollsystem bilden. Der Anschluss an den finanziell unfruchtbaren bayrisch-wuerttembergischen Verein sei fuer Hessen unnatuerlich. Dagegen bringt der Anschluss an Preussen: eine bedeutende Einnahme von 20-24 Sgr. auf den Kopf; sodann einen grossen Markt von 13 Millionen Einwohnern -- denn nicht Verbote, sondern die Freiheit eines grossen inneren Marktes foerdern die Industrie, wie Preussens Beispiel zeigt -- endlich den Besitz der grossen Handelsstrassen. Schliesst Kurhessen sich nicht an, so muss Preussen eine Strasse durch Hannover suchen und den Bremer Verkehr nach Sueddeutschland von Minden aus zum Rhein leiten. Manche Hoefe, und namentlich Minister Marschall in Wiesbaden, behaupten zwar, ein Zollverein sei eine Verletzung der Souveraenitaet. Aber der Grossherzog von Hessen ist souveraen geblieben, der Vertrag gewaehrt beiden Teilen gleiche Rechte. "In die neueren Ideen von Souveraenitaet ist ueberhaupt viel Schwindel gekommen. Ich frage besonders: ist Kurhessen souveraener in einem auf gleiche Souveraenitaet basierten Vertrage mit seinem maechtigsten unmittelbaren Nachbarn, oder ist es souveraener ohne solche Verbindung, in einer unfreundlichen Stellung diesem maechtigsten unmittelbaren Nachbarn gegenueber? Es gibt Verhaeltnisse, moegen sie auch noch in der Zukunft liegen, in welchem Preussen ein feindlich gesinnter Nachbar nuetzlicher sein kann als ein durch feste Vertraege verbundener." Die furchtbare Offenheit dieser Sprache war nicht geeignet, den Kurfuersten zu gewinnen. Natzmer wurde mit ungeschliffener Grobheit heimgeschickt, und auch Leopold Kuehne, der zur Unterstuetzung des Generals nach Kassel und nebenbei nach Braunschweig ging, richtete an beiden Orten nichts aus. In solcher Laune, tobend gegen seine Gemahlin wie gegen alles, was den preussischen Namen trug, war der hessische Despot bereit, den Weisungen Oesterreichs blindlings zu folgen. Die Hofburg wollte nicht bloss die Erweiterung des preussischen Zollsystems verhindern, sie dachte, das System selber zu zerstoeren, den muehsam errungenen ersten Anfang deutscher Handelseinheit zu vernichten; und gerade bei den norddeutschen Hoefen, welche durch alle ihre natuerlichen Interessen auf Preussen angewiesen waren, fand diese Absicht Anklang. Der dynastische Hass des saechsischen Hofes, der Welfenstolz Hannovers, der Grimm des Kurfuersten gegen seinen koeniglichen Schwager, die Grossmannssucht des Nassauer Herzogs, die gedankenlose Aengstlichkeit der kleinsten Hoefe -- alle niedertraechtigen und alle schwaechlichen Elemente des norddeutschen Kleinfuerstentums vereinigten sich in tiefster Stille zum Kampfe gegen Preussen. Gestuetzt auf Oesterreich, beguenstigt durch den Handelsneid Englands, Frankreichs und Hollands, kam der Mitteldeutsche Handelsverein zustande -- eine der boesartigsten und unnatuerlichsten Verschwoerungen gegen das Vaterland -- gleich dem Rheinbunde ein Zeugnis, wessen das deutsche Kleinfuerstentum faehig war. c) _Der Mitteldeutsche Handelsverein._ Nirgends erweckte der preussisch-hessische Vertrag schwerere Besorgnisse als am Dresdner Hofe. Wie hatte man sich dort so behaglich eingelebt in den alten Privilegienwust, wie war es so suess, am Bundestage ueber die deutsche Handelseinheit und die Bundeszoelle salbungsvoll zu reden -- in der frohen Erwartung, dass gar nichts zustande komme, dass man jedes ernsten Entschlusses, jeder heilsamen Reform allezeit ueberhoben bleibe! Jetzt erstanden ploetzlich dicht an Sachsens Grenzen zwei Zollverbaende. Wie nun, wenn die augenblickliche Verstimmung des Koenigs von Bayern verflog, wenn die beiden Vereine, die in ihren handelspolitischen Grundsaetzen einander so nahe standen, sich zu einem verschmolzen: wenn sie auch Thueringen gewannen, und also dem Leipziger Handel der Weg zur See ringsum durch Zollstellen versperrt wurde? Lauter und lauter erklangen die Klagen der Fabrikanten des Erzgebirges; zweimal im Jahre 1828 liefen Petitionen ein, die den Koenig beschworen: der Anschluss an Preussen, oder auch an den sueddeutschen Verein, irgendein Entschluss, der aus der vereinsamten Stellung hinausfuehre, sei unvermeidlich. Der Minister Graf Einsiedel(84), der als Eisenwerksbesitzer der Grossindustrie naeher stand, begann irre zu werden an dem alten System. Einer der tuechtigsten juengeren Beamten, Wietersheim(85), schilderte in einer beredten Denkschrift den Notstand der Industrie, die Unterlassungssuenden der Regierung. Koenig Anton aber hielt, wie sein Minister Manteuffel(86), einen Handelsbund mit Preussen fuer unmoeglich. Eben in jenen Jahren stand ein alter Lieblingsgedanke der albertinischen Politik in voller Bluete. Vor kurzem erst, nach dem Aussterben des Hauses Gotha, hatte der Koenig von Sachsen den Schiedsrichter und vaeterlichen Vermittler gespielt zwischen den ernestinischen Vettern. Man hoffte in Dresden, eine dauernde Hegemonie ueber die thueringischen Lande zu erlangen. Um so schmerzlicher empfand man die Gefahr, dass Thueringen dem preussischen oder dem sueddeutschen Verein sich anschliessen koennte. Aus solchen Berechnungen entsprang der Plan, einen Gegenzollverein zu bilden, der, ohne selbst ein positives handelspolitisches Ziel zu verfolgen, nur als ein Keil zwischen die beiden Zollvereine hineindringen, ihre Verbindung hindern sollte. Es galt, die ersten Anfaenge der Handelseinheit zu zerstoeren, den schmachvollen Zustand deutscher Zerrissenheit zu verewigen. Die Traeger dieser Politik waren zwei Gebrueder Carlowitz, aus einem der ehrenwertesten Haeuser des obersaechsischen Adels. Der Aeltere(87), koeniglich saechsischer Minister, war bis zum vorigen Jahre noch Bundestagsgesandter gewesen und stand in der Eschenheimer Gasse in lebhaftem Andenken als ein wohlmeinender Geschaeftsmann der alten Schule, ein pedantischer Vertreter der bekannten kursaechsischen Formelseligkeit. Der Juengere(88), jetzt Minister in Gotha, persoenlich ebenfalls sehr achtungswert, hatte alle die unausrottbaren Vorurteile des kursaechsischen Adels mit aus der Heimat hinuebergenommen. Vergeblich stellten ihm gothaische Beamte vor, ihr Laendchen sei auf Preussen angewiesen; der verstaendige Kammerrat Braun rief ihm zu: "Sie handeln als koeniglich saechsischer, nicht als herzoglich saechsischer Staatsmann." Er blieb dabei, "ein neutraler Verein" sei notwendig, "eine achtunggebietende Masse zwischen den beiden Zollvereinen stark genug, um beiden Bedingungen zu diktieren". Der Herzog von Gotha ward fuer die Plaene seines saechsischen Ratgebers leicht gewonnen. Er stand mit dem Berliner Hofe auf schlechtem Fusse, weil er sein entlegenes Saarland Lichtenberg gegen ein Stueck des preussischen Thueringens auszutauschen wuenschte und Koenig Friedrich Wilhelm diese Zumutung noch immer beharrlich abwies. In ihren Mitteln war die Koburgische Handelspolitik wenig waehlerisch. Aller drei Wochen ging von Koburg eine Sendung neu gepraegter unterwertiger Muenzen nach Lichtenberg; von dort ueberfluteten die unter duenner Silberhuelle roetlich schimmernden Koburger Sechser das benachbarte sueddeutsche Guldenland, und diese gewerbsmaessige Falschmuenzerei waehrte jahrelang fort trotz den Beschwerden der Nachbarn. Auch am Weimarischen Hofe herrschte augenblicklich eine gegen Preussen leidenschaftlich eingenommene Partei, an ihrer Spitze der gescheite Minister Schweitzer(89). So wurde denn ein hochgefaehrliches Unternehmen gegen Deutschlands Handelseinheit in aller Stille eingefaedelt, harmlos, gemuetlich wie eine Carlowitzsche Familienangelegenheit. In den letzten Tagen des Maerz 1828 trafen sich der Herzog von Gotha, die beiden Carlowitze und Schweitzer auf dem Carlowitzschen Familiengute Oberschoena -- sie alle noch ohne eine klare Vorstellung von den schweren Folgen ihres Beginnens. Wir Deutschen sind Gott sei Dank durch unabweisbare Interessen, durch alle Lebensgewohnheiten aufeinander angewiesen; jeder Versuch offener Feindseligkeit von Deutschen gegen Deutsche erscheint als eine Suende wider die Natur und bietet darum neben der Entruestung auch der Lachlust ein breites Ziel. In denselben Tagen, da in Oberschoena der Zollkrieg gegen Preussen beschlossen wurde, verhandelte in Berlin der Weimarische Bevollmaechtigte Thon wegen freundnachbarlicher Aufhebung der Geleitsgelder. Mochte man den preussischen Staat bis in der Hoelle tiefste Gruende verwuenschen, entbehren konnte man ihn nicht. Die in Oberschoena abgeschlossene Punktation besagte: Es soll ein Handelsverein geschlossen werden zwischen Sachsen, Kurhessen und Thueringen. Die Teilnehmer "werden sich bemuehen, den Beitritt der uebrigen zwischen der preussischen und bayrischen Zollinie gelegenen Lande zu erlangen." Sie verpflichten sich, "einseitig keinem auswaertigen Zollsystem beizutreten, noch, ohne Zustimmung des Vereins, mit einem Staate, in welchem ein solches System besteht, einen Handels- oder Zollvertrag zu schliessen." Sie wollen ihre gegenseitigen Untertanen auf gleichem Fuss behandeln und (Artikel 7) die Transitabgaben im Verkehr zwischen den Vereinsstaaten nicht ueber das Mass der saechsischen Transitzoelle erhoehen. Sechs Monate nach der Konstituierung des Vereins soll ueber gemeinsame Handelsvertraege und Retorsionen beraten werden. Es war ein *pactum de paciscendo*, ein Vertrag ohne positiven Inhalt, eine Verpflichtung, vorlaeufig nichts zu tun, den bestehenden Zustand nur nach gemeinsamer Abrede zu veraendern. Von einer Zollgemeinschaft zwischen den Vereinsstaaten, von irgendwelchen ernsten Reformen war gar nicht die Rede. Gleichwohl konnte der "neutrale" Verein dem preussischen Zollsystem verderblich werden; er suchte der Handelspolitik Preussens ihre schaerfste Angriffswaffe, die Durchfuhrzoelle, aus der Hand zu winden. Wenn es gelang, alle zwischen den preussischen Provinzen eingeklammerten Laender, insbesondere die Kuestenstaaten, fuer den Verein zu gewinnen, so nahm die gesamte Einfuhr von der See nach dem innern Deutschland ihren Weg durch die Vereinslande, da die saechsischen Transitzoelle weit niedriger standen als die preussischen. Schritt man darauf zu den verabredeten "Retorsionen", wurde die Durchfuhr von Bayern nach Preussen und von einer preussischen Provinz zur anderen mit hohen Zoellen belastet, dann war Preussen einer reichen Einnahmequelle und seines wirksamsten Unterhandlungsmittels zugleich beraubt; nicht bloss die Erweiterung des preussischen Zollsystems wurde verhindert, der Bestand des Systems selber ward in Frage gestellt. Unter der Maske der Neutralitaet beschloss man den Zollkrieg. Um nur Preussen zu schaedigen, verpflichtete sich die saechsische Regierung, ihre eigenen Fabriken in wehrlosem Zustande zu lassen, die Industrie des Erzgebirges der englischen Konkurrenz voellig preiszugeben. Wahrhaftig, nicht patriotische Gesinnung war es, was die kleinen Staaten unseres Nordens endlich in den preussisch- deutschen Zollverein fuehrte; kein Mittel, auch das verwerflichste nicht, blieb unversucht, das preussische Zollsystem zu sprengen; erst nachdem alle Angriffe gescheitert waren, unterwarf man sich notgedrungen der deutschen Handelseinheit. Die Oberschoenaer Punktation wurde dem saechsischen Bundestagsgesandten Bernhard von Lindenau(90) zugesendet; dort in der Eschenheimer Gasse sollten dem "saechsischen Antizollverein", wie man in Berlin sagte, neue Anhaenger geworben werden. Eine edle, hochsinnige Gelehrtennatur, ehrlich liberal und begeistert fuer Deutschlands Groesse, hatte Lindenau bis vor kurzem im gothaischen Ministerium mit Einsicht gewirkt. Er wuenschte aufrichtig die deutsche Handelseinheit und gestand seinem Darmstaedter Amtsgenossen in Frankfurt: waere Kurhessen dem preussischen Verein beigetreten, so haette ich auch fuer den Beitritt Sachsens und Thueringens gestimmt. Nun Kurhessen sich weigerte, hoffte er sein Ziel auf anderem Wege zu erreichen: durch einen Bund der norddeutschen Lande, welcher den preussischen Staat zur Milderung seines Zollsystems zwingen sollte. Auch er krankte an dem Erbfehler der kleinen Diplomatie, er ueberschaetzte die Macht seines Staates und sah nicht, dass die preussische Regierung den Versuch, ihr Gesetze vorzuschreiben, als offene Feindseligkeit betrachten und sich zur Wehre setzen musste. Also hat der treffliche Mann seinen lauteren Idealismus, seine lebhafte ruhelose Taetigkeit eingesetzt fuer Plaene, die der dynastischen Scheelsucht entsprangen, und zwei Jahre lang an einem Verein gearbeitet, welchen Stein veraechtlich als einen Afterbund verdammte. Selbst die Sippschaft hoechst unzweideutiger politischer Charaktere, welche sich sofort des Oberschoenaer Planes bemaechtigte, oeffnete dem saechsischen Staatsmanne nicht die Augen. Muench und Langenau, Marschall und Rothschild, alle Stuetzen der oesterreichischen Partei warben fuer den Handelsverein. Mehrmals in der Woche kam der Herzog von Nassau zu Langenau hinueber, um neue Bundesgenossen zu gewinnen. Dergestalt war wieder einmal eines jener anmutigen Raenkespiele eingeleitet, welche von Zeit zu Zeit die trostlose Langeweile der Bundestagsgeschaefte wohltaetig unterbrachen. Dass Oesterreich alle Faeden der Verschwoerung in seiner Hand hielt, war bald am Bundestage offenkundig. Mit gewohnter Treuherzigkeit stellte die Hofburg jede Parteinahme in Abrede. Der k. k. Hofrat v. Kress, der Leiter der oesterreichischen Handelssachen, beteuerte dem preussischen Geschaeftstraeger feierlich: mit keinem Worte habe Osterreich den Anschluss Darmstadts zu verhindern gesucht; er selber habe die Korrespondenz gefuehrt und nach Darmstadt geschrieben, sein Hof werde sich freuen, wenn Hessen bei dem preussischen Buendnis seinen Vorteil finde. Nach den Enthuellungen, die man in Berlin vom Darmstaedter Hofe selbst erhalten, konnten solche Beteuerungen nur Heiterkeit erregen. Wie Oesterreich zu dem neuen Gegenzollverein stand, das erhellte, wenn anders die Frankfurter Gesandtschaftsberichte noch einer Bestaetigung bedurften, aus einem Briefe Lindenaus, der in Berlin bekannt wurde. "Ich verhandle mit Holstein und den Niederlanden, schrieb der saechsische Diplomat an den Bundestagsgesandten Leonhardi(91), sowie wir nicht minder der Unterstuetzung des gemeinnuetzigen, vielversprechenden Unternehmens von seiten der oesterreichischen Regierung, welche dessen Foerderung wuenscht, versichert sein koennen." Auch die anderen auslaendischen Feinde der preussischen Handelspolitik liehen dem Verein ihren Beistand. Graf Reinhard versicherte die Vereinsmitglieder der warmen Unterstuetzung des Pariser Kabinetts. Um die Niederlande zu gewinnen, ging Lindenau im Herbst selber nach Bruessel und stellte dort vor -- er, der Vertreter des Elbuferstaates Sachsen: -- es sei notwendig, den Rhein und Main wieder zu beleben, die durch den Elb- und Weserhandel so schwere Einbusse erlitten haetten, und den rheinischen Kolonialwarenhandel Hollands wieder zu der Hoehe zu erheben, die er im achtzehnten Jahrhundert behauptet. Selber mit seiner deutschen Provinz beizutreten, lag freilich nicht in Hollands Absicht; doch warben seine Diplomaten in Frankfurt eifrig fuer den Verein. Entscheidend wurde die Haltung von England-Hannover. Noch war man in London gewohnt, mit dreister Sicherheit auf Deutschlands Zwietracht zu rechnen; jede Regung selbstaendigen Willens in der deutschen Handelspolitik galt den Briten als ein Schlag ins eigene Angesicht. Welch' eine koestliche Aussicht, wenn jetzt durch den Gegenzollverein nicht nur die machtlose Anarchie des deutschen Zollwesens verewigt, sondern auch den englischen Waren gegen maessige Transitzoelle der Weg bis ins Herz von Deutschland eroeffnet wurde; von dort mochten sie dann durch die Schmuggler nach Preussen und Bayern hinuebergeschafft werden. Mit Feuereifer ging der Gesandte am Bundestage, Addington, auf Lindenaus Ideen ein. Umsonst warnte der nuechterne Milbanke, Geschaeftstraeger bei der Stadt Frankfurt: der Verein entbehre jedes positiven Zwecks, koenne und werde nicht dauern, der deutsche Handel beduerfe schlechterdings einer Reform. Addingtons Meinung drang in London durch; allzu verlockend war der Gedanke, den offenen hannoverschen Markt, der bisher den englischen Fabriken so unschaetzbar gewesen, bis an den Main zu erweitern. Die englische Schaluppe Hannover folgte wie immer ihrem Schiffe. Graf Muenster(92) schalt hinterruecks den preussischen Zollverein "eine preussische Reunionskammer", musste sich von dem preussischen Gesandten Buelow "sein wenig gerades Benehmen" vorwerfen lassen. Zugleich bat, wie Buelow von dem Minister Fitzgerald selbst erfuhr, der saechsische Gesandte in London um durchgreifende Massregeln gegen das preussische Zollsystem, das dem englischen Handel und der Unabhaengigkeit der deutschen Staaten gleich verderblich sei. So trat denn Hannover dem Verein bei; das Industrieland Sachsen unterwarf sich dem englischen Handelsinteresse. Freiherr v. Grote(93), ein faehiger hannoverscher Beamter, Preussens geschworener Feind, wurde neben Lindenau die Seele des Bundes. Auch Bremen trat hinzu. Der treffliche Smidt(94) hatte sich allzu tief eingelebt in die Traeume Wangenheims, der auch jetzt wieder aus seinem Koburger Stilleben heraus gegen Preussen arbeitete; er konnte ein krankhaftes Misstrauen gegen den norddeutschen Grossstaat nicht ueberwinden, und jetzt, da die reindeutschen Sonderbundsplaene sogar von Oesterreich insgeheim unterstuetzt wurden, gab er sich ihnen unvorsichtiger hin als sonst seine Art war. Er wuenschte, wie er am Bundestage mehrmals aussprach, deutsche Konsulate und eine deutsche Flagge. Doch solange Deutschland noch nicht ein nationales Handelsgebiet bildete, war das lockere hannoversche Zollwesen fuer den bremischen Freihandel bequemer als das strenge preussische System. Die von dem "neutralen" Verein versprochene Erleichterung des Transitverkehrs konnte auf den ersten Blick einen hanseatischen Staatsmann allerdings bestechen. Aber auch nur auf den ersten Blick. Voreingenommen gegen Preussens Zollsystem, bemerkte Smidt nicht, dass die Teilnahme an dem neuen Handelsbunde der ueberlieferten hanseatischen Handelspolitik schnurstracks widersprach; der Verein war in Wahrheit nicht neutral, sondern durchaus parteiisch, antipreussisch. Smidt dachte so hoch von dem Werte dieser totgeborenen Vereinigung, dass er ihrem Urheber, dem Sachsen Carlowitz, das bremische Ehrenbuergerrecht verschaffte -- eine seltene Auszeichnung, welche seit dem Freiherrn vom Stein kein deutscher Staatsmann mehr erlangt hatte. Ruhiger urteilte der Hamburger Senat; er lehnte jede Mitwirkung ab, weil Hamburgs Freihafen den Interessen des gesamten deutschen Verkehrs zu dienen habe. Die Frankfurter grossen Firmen dagegen begruessten mit Jubel die in Aussicht gestellte Erleichterung des Durchfuhrhandels, die den landesueblichen Schmuggel maechtig foerdern musste; auch waren die Patrizier der stolzen Republik laengst gewoehnt, den untertaenigen Schweif des k. k. Bundesgesandten zu bilden. Buergermeister Thomas und Senator Guaita zusamt dem oesterreichischen Anhang setzten den Beitritt durch, gegen den heftigen Widerspruch einer preussischen Partei. Territorialen Zusammenhang konnte der Verein nur durch Kurhessen erlangen; daher wurden dort die staerksten Hebel eingesetzt. Der juengere Carlowitz selbst erschien im April zu Kassel, bald darauf kam Lindenau. Beide, unterstuetzt durch Hruby, stellten dem Kurfuersten vor, was er am liebsten hoerte: der neutrale Verein verlange gar keine Aenderung in den bestehenden Gesetzen Kurhessens; man betrachte dies Land als den Kern des Bundes, koenne der Sachkenntnis des Kurfuersten nicht entbehren, darum sollten die Beratungen ueber das Grundgesetz unter seinen Augen, in Kassel erfolgen. Den Ausschlag gab jedoch die staatsmaennische Absicht, dem Schwager in Berlin einen derben Possen zu spielen. Durch Kurhessens Beitritt wurde Badens Ablehnung mehr als aufgewogen. Lindenau schrieb an Berstett: er hoffe auf die Mitwirkung des Karlsruher Hofes um so sicherer, da durch den Verein "weder die Selbstaendigkeit der eigenen Landesverwaltung, noch auch deren finanzielle Verhaeltnisse die mindeste Stoerung erleiden, sondern nur die unveraenderte Aufrechterhaltung des *status quo*(95) versichert und bezweckt wird." Der Antrag ward abgelehnt. Mit Bayern verfeindet, von sueddeutschen und preussischen Vereinslanden rings umschlossen, hatte Baden von dem neutralen Verein nichts zu hoffen, von Preussens Zorn alles zu fuerchten. Bei allen anderen kleinen Hoefen fanden Lindenaus Werbungen guenstiges Gehoer. Einige aengstliche thueringische Kabinette wurden gewonnen durch die vertrauliche Versicherung, Preussen sei mit der Gruendung des Vereins einverstanden, eine plumpe Erfindung, die doch Eingang fand, weil die preussische Diplomatie sich wie bisher ruhig zurueckhielt. Selbst Herzog Karl von Braunschweig ging diesmal Hand in Hand mit dem gehassten juengeren Welfenhause; eine Weisung Metternichs bewog ihn, beizutreten. Also waren im Laufe des Sommers die saemtlichen zwischen den beiden Haelften der preussischen Monarchie eingepressten Kleinstaaten angeworben fuer den Neutralitaetsbund, der sich den Namen "Mitteldeutscher Handelsverein" beilegte. Nach jahrelangen vergeblichen Unterhandlungen sah Deutschland ploetzlich in einem Jahre drei handelspolitische Vereine auftauchen. Nur Baden und die niederdeutschen Kleinstaaten oestlich der Elbe blieben noch isoliert. Triumphierend verkuendete ein Artikel der Frankfurter Oberpostamtszeitung, der aus Lindenaus Feder stammte, am 25. Juni: Sachsen, Hannover, Kurhessen, Nassau, Frankfurt sind die Schoepfer des neuen Vereins, der den Artikel 19 der Bundesakte zur Wahrheit macht und, statt neue Zollinien zu schaffen, vielmehr die Handelsfreiheit auf sein Banner schreibt. "Dass Ware gegen Ware vertauscht, Freiheit mit Freiheit, Gleiches mit Gleichem erwidert werde, das ist Forderung des natuerlichen Rechts, bei dessen Verkennung und Verweigerung es dem Verein wohl nicht an Mitteln fehlen duerfte, das, was recht und billig ist, mit feierlicher Kraft geltend zu machen, da er helfen und hemmen, Vorteil und Nachteil zu gewaehren vermag." Ein Gebiet von sechs Millionen Seelen gehoert ihm, die ganze weite Nordseekueste, die groessten Stapel- und Handelsplaetze Deutschlands; die Elbe, den Rhein, den Main, die Weser von allen Zoellen zu befreien, liegt allein in seiner Hand! Wohl mochte man prahlen! Eine so krankhaft unnatuerliche Missbildung war dem Partikularismus noch nie zuvor gelungen. In einem weiten Widerhaken reichte das Vereinsgebiet von Bremen nach Fulda, dann westwaerts zum Rhein, gen Osten bis zur schlesischen Grenze, von dem englischen Markt Hannover bis zu dem gewerbereichen Sachsen, ueber einen bunten Laenderhaufen, welchen, Preussen gegenueber, nur ein gemeinsames Interesse zusammenhielt: Angst und Neid. Eben jene norddeutschen Kleinstaaten, welche bisher den handelspolitischen Anstrengungen Preussens und Bayern-Wuerttembergs einen traegen ablehnenden Widerstand entgegengestellt, redeten ploetzlich von deutscher Handelsfreiheit. Indes sie den Artikel 19 der Bundesakte im Munde fuehrten, verschworen sie sich, die bestehende Zersplitterung aufrecht zu halten und den preussischen Durchfuhrhandel zu vernichten. Und hinter diesem Bunde standen schirmend Oesterreich, England, Holland, Frankreich! Wenn man in Berlin noch der Belehrung bedurft haette ueber die feindselige Gesinnung des Mitteldeutschen Vereins, so musste die hinterhaltige Sprache der verbuendeten Kabinette jeden Zweifel zerstoeren. In tiefster Stille, ohne die geringste Mitteilung an die preussische Gesandtschaft, hatte der Dresdner Hof sein Werk begonnen. Als am preussischen Hofe einiges ruchbar wurde, schrieb Graf Einsiedel dem Gesandten v. Watzdorf in Berlin, versicherte heilig, Baden sei nicht zum Beitritt aufgefordert worden. Doch leider hatte der Karlsruher Hof jenes Einladungsschreiben Lindenaus an Berstett dem Berliner Kabinett sogleich mitgeteilt. Der Abteilungschef im Auswaertigen Amte bemerkte an den Rand der saechsischen Depesche: "Das Gegenteil steht in unseren Akten. Graf Bernstorff wird Herrn v. Watzdorf eines Besseren belehren." Nicht minder verdaechtig erschien, dass der hannoversche Gesandte in Dresden, v. Reden, ploetzlich ohne jede Veranlassung ein Schreiben an Bernstorff richtete, um inbruenstig zu beteuern, Hannover hege durchaus keine feindseligen Absichten gegen Preussen, missbillige entschieden jenes gehaessige Programm der Oberpostamtszeitung. Warum solche unerbetene Entschuldigung, wenn man sich nicht schuldig fuehlte? Spaeterhin, in einer Denkschrift vom Jahre 1832, nannte Metternich selbst den Mitteldeutschen Handelsverein "versuchsweise zum Schutze gegen das preussische Zollsystem geschaffen". Und abermals zeigte die oeffentliche Meinung ihre alte unbelehrbare Verblendung. In Arnstadt rottete sich das Volk zusammen vor dem Hause des Erbprinzen; die Leute drohten auszuwandern, wenn der Fuerst nicht fest zu dem Mitteldeutschen Verein stehe. Das saechsische Oppositionsblatt "die Biene" verteidigte warm die hochherzige Absicht der saechsischen Krone, die Unabhaengigkeit "unseres Vaterlandes" zu retten; das Erzgebirge muesse ja unfehlbar zugrunde gehen, wenn die preussischen Zoelle die Getreideeinfuhr aus Boehmen verhinderten -- diese preussischen Zoelle, die den Getreideverkehr fast gar nicht belasteten! Weithin erklang der Jubelruf der Liberalen ueber die schmachvolle Niederlage des preussischen Absolutismus: Preussens Herrschsucht ist gedemuetigt, das Gleichgewicht der Maechte in Deutschland wieder hergestellt! Selbst in Bayern und Wuerttemberg, deren eigenes Zollsystem doch durch den Mitteldeutschen Verein bedroht wurde, verteidigte die Presse den neuen Handelsbund. Der bayrische Hesperus donnerte gegen Darmstadt, das einen industriellen Selbstmord begangen, den Schwaben und Bayern "einen Teil des Segens edler Fuersten" geraubt habe. Die Neckarzeitung begruesste den Verein als ein Zeugnis der Bundestreue, als einen letzten Versuch, die Verheissungen der Bundesakte ins Leben zu fuehren. Sogar innerhalb der bayrischen Regierung fand sich eine Partei bereit, die saechsisch-englischen Entwuerfe zu unterstuetzen; Lerchenfeld und Oberkamp, die gesamte Bundestagsgesandtschaft Koenig Ludwigs, blieben mit Lindenau in vertrautem Verkehr. Nur wenige verstanden den festen patriotischen Stolz des Freiherrn vom Stein, der voll Verachtung auf die Vasallen der englischen Handelspolitik niederschaute und an Gagern schrieb: "es ist den erbaermlichen, neidischen, antinationalen Absichten unserer kleinen Kabinette angemessen, sich an das Ausland zu schliessen, sich lieber von Fremden peitschen zu lassen, als dem allgemeinen Nationalinteresse die Befriedigung kleinlichen Neides aufzuopfern." Am 21. Mai 1828 hatten die Verbuendeten zu Frankfurt einen Praeliminarvertrag geschlossen. Am 22. August, nachdem unterdessen der Verein vollzaehlig geworden, versammelten sich die Bevollmaechtigten in Kassel, und schon am 24. September kam der endgueltige Vertrag zustande. Solche Schnelligkeit der Beratung stach von den Gewohnheiten der Staatsmaenner des Bundestags auffaellig ab; sie bewies deutlich, dass man Gefahr im Verzuge glaubte und mehr einen diplomatischen Schachzug als ein dauerhaftes Werk beabsichtige. Der Vertrag, in Dresden entworfen, sprach die feindselige, aggressive Richtung gegen Preussen noch weit offener aus als die Oberschoenaer Punktation. Der Verein ist bestimmt, den freien Verkehr im Sinne des Artikels 19 der Bundesakte zu befoerdern und "die Vorteile, welche in dieser Hinsicht dem einzelnen Staate durch seine geographische Lage und sonst gewaehrt sind, auf das Ganze zu uebertragen, auch daneben sich jene Vorteile zu erhalten und sicher zu stellen." Die Verbuendeten verpflichten sich, bis zum 31. Dezember 1834 -- d. h. bis zu dem Zeitpunkte, wo der preussisch-hessische Vertrag ablief -- keinem auswaertigen Zollverein einseitig beizutreten. Die Strassen sollen in gutem Stande erhalten, neue Strassenzuege verabredet werden. Die bestehenden Durchfuhrzoelle auf Waren, welche fuer einen Vereinsstaat bestimmt sind, duerfen nicht erhoeht werden; dagegen steht dem Verein wie jedem Vereinsstaate frei, Waren, die aus dem Auslande in das Ausland gehen, mit hoeheren Transitgebuehren zu belasten. England-Hannover war es, das diesen unzweideutigen Artikel 7 durchgesetzt hatte. Es lag darin die Drohung, den Handel zwischen den beiden Haelften der preussischen Monarchie zu zerstoeren, und zugleich eine systematische Beguenstigung der englischen Einfuhr. Denn da auf Hannovers ausdrueckliches Verlangen jedem Vereinsstaate die Befugnis eingeraeumt wurde, Handelsvertraege mit dem Auslande zu schliessen, so eroeffnete sich den englischen Waren ueber Bremen und Hannover ein fast zollfreier Weg nach den Binnenstaaten, welche, wie Sachsen, Thueringen, Nassau, Frankfurt, noch kein geordnetes Grenzzollsystem besassen. Noch deutlicher sprach der neunte Artikel, der jedem Vereinsstaate das Recht zu einseitigen Retorsionen vorbehielt; Kurhessen hatte diese Bestimmung gefordert, und der Kurfuerst verstand unter Retorsionen jede gehaessige Gewalttat wider die Nachbarn. Die einzige wesentliche Wohltat, welche der Verein dem Handel brachte, war die Erleichterung des Transits, und sie ward erkauft durch schwere Schaedigung der heimischen, vornehmlich der erzgebirgischen Industrie. Im uebrigen dauerten alle bestehenden Akzisen und Zoelle fort; nur Warenverbote zwischen den Vereinsstaaten waren unstatthaft, auch sollten die gewoehnlichen Erzeugnisse des Landbaues nicht verzollt werden. Der Kern des Vertrages blieb die Absicht, auf sechs Jahre hinaus die Erweiterung des preussischen Zollsystems zu verhindern und inzwischen vielleicht durch Ableitung des Durchfuhrhandels dem Zollwesen Preussens die Wurzeln abzugraben. Eine von Marschall und Roentgen verfasste nassauische Denkschrift ueber das Verhaeltnis des Vereins zu Preussen und Bayern gibt ueber diese freundnachbarlichen Absichten sicheren Aufschluss. Sie schildert beweglich, wie Darmstadt sich "an ein nicht aus seiner Autonomie hervorgegangenes System" angeschlossen habe. Allerdings wurden dabei "die aeusseren Formen der Selbstaendigkeit gewahrt", aber das Grossherzogtum "hat sich waehrend der Dauer des Vertrages jeder materiellen Autonomie begeben, kann nur noch eine grossmuetige Beruecksichtigung seiner Wuensche in billigen Anspruch nehmen und ist deshalb seiner endlichen Mediatisierung um einen bedeutenden Schritt naeher gerueckt." Solcher Schwaeche gegenueber sind die Verbuendeten entschlossen, "keine willenlose Hingebung zu zeigen, keine nicht aus dem eigenen Beduerfnis hervorgegangene Handelsgesetzgebung" anzunehmen. "Das Wesentliche des Kasseler Vertrages liegt in der Vereinigung selbst, in dem fuer sechs Jahre begruendeten *non plus ultra*(96). Das Wesentliche liegt ferner in dem durch diese sechsjaehrige engere Verbindung begruendeten Ablehnungsmotive von Ansinnungen mancher Art, denen, wenn sie von uebermaechtiger Seite ausgehen, der Einzelne und Schwaechere nicht viel mehr als die Bitte um Schonung entgegenzusetzen hat." Das Wesentliche liegt endlich in der Aussicht, zu einer Verbindung mit anderen Staaten "mit Ehren gelangen zu koennen". Bayern und Preussen haben dasselbe, ja ein groesseres Beduerfnis nach einer Annaeherung an die Vereinsstaaten als diese selbst; daher muss der Verein die Verbindungsstrassen zwischen Bayern und Preussen fest in der Hand halten, ihre freie Benutzung nur kraft gemeinsamen Beschlusses bewilligen. So wird er eine gesetzliche Ordnung mit verhaeltnismaessig gleichen Rechten fuer ganz Deutschland begruenden. Die Denkschrift schliesst mit der pathetischen Frage: "Kann man denn aus irgendeinem Grunde auch nur vermuten, dass Preussen die fieberhaften Traeume, in welchen eine uebermuetige Partei das ganze noerdliche Deutschland nur als eine mit Unrecht noch laenger vorenthaltene Beute des preussischen Adlers erscheinen lassen moechte, irgend teilen oder beguenstigen werde?" Naiver liess sich die Seelenangst der Kleinen nicht aussprechen. Nicht irgendein positiver Gedanke, sondern allein die Furcht vor Preussens und Bayerns Uebermacht, der ohnmaechtige Wunsch, ein *tertium aliquid*(97) zu bilden, wie der alte Gagern(98) sagte, hatte den Mitteldeutschen Verein geschaffen. Aber je ratloser man sich fuehlte, um so lauter ward gelaermt; "es war ein Gegacker, schreibt du Thil, als sei ein grosses Werk vollendet worden". Zahllose Orden belohnten alle Teilnehmer der Kasseler Beratung, bis zum Kanzlisten herab. Selbst die einzige Waffe, die man gegen Preussen schwingen konnte, erwies sich als unwirksam; den preussischen Durchfuhrhandel zu laehmen war unmoeglich, solange die Handelsstrassen, welche das preussische Gebiet umgehen sollten, noch nicht gebaut waren. Mannigfache Entwuerfe wurden zu Kassel besprochen; man traeumte von neuen Handelswegen dicht neben Darmstadts Grenzen, von einem langen Strassenzuge aus Sachsen ueber Altenburg und Gotha nach Kurhessen, der den Verkehr hinwegleiten sollte von der grossen preussischen Chaussee ueber Koesen und Eckartsberge. Aber wer sollte die Strasse bauen? Die verarmten kleinen ernestinischen Staaten besassen nicht die Mittel, die groesseren Bundesgenossen wollten kein Geld vorschiessen. Zudem stiess man ueberall auf preussisches Gebiet; wie sollte die Erfurter Gegend umgangen werden, wo Preussen bereits eine gute Chaussee gebaut hatte? Unablaessig arbeitete die Diplomatie der Bundesgenossen, um Bayern und Wuerttemberg von Preussen fernzuhalten; der hannoversche Gesandte Stralenheim in Stuttgart ward nicht muede, den Koenig Wilhelm vor Preussens Fallstricken zu warnen. Beharrlich wiederholte der Dresdner Hof, der die Fuehrung des Vereins behielt, er sei bereit, Antraege und Vorschlaege zur Ausbildung des Bundes entgegenzunehmen. Niemand wusste einen moeglichen Vorschlag. Schon vor der Kasseler Zusammenkunft gestand Lindenau einem Frankfurter Amtsgenossen: "die Mehrzahl der Teilnehmer betrachtet den Verein als ein Ruhekissen, sie ist froh, dass alles beim alten bleibt." Nun klagten die Thueringer ueber Sachsens hegemonischen Ehrgeiz, Frankfurt ueber die erdrueckenden kurhessischen Mauten. Der Kurfuerst, um seinen Holzmagazinen hoehere Preise zu schaffen, verbot den altgewohnten Holzhandel, der aus den hannoverschen Waldgebirgen nach Hessen hinuebergefuehrt ward. Die Unmoeglichkeit, mit einem solchen Fuersten freundnachbarlich auszukommen, lag vor Augen. Fast ein Jahr waehrten die Verhandlungen zwischen den beiden hessischen Haeusern wegen der Erleichterung einiger Enklaven; da erklaerte der Kurfuerst: die gegenseitige Verpflichtung, die Durchfuhrzoelle auf gewissen Strassen nicht zu erhoehen, solle allein fuer Darmstadt, nicht fuer Kurhessen gelten! Seine Weisungen an die Unterhaendler fand Maltzan "ausgezeichnet durch naive Unwissenheit und despotischen Ton, der Feder eines Rabener(99) wuerdig". Immer schaerfer trat der tiefe Gegensatz der handelspolitischen Anschauungen innerhalb des Vereins hervor. Die Kaufherren von Frankfurt und Bremen forderten unbeschraenkten Freihandel, Hannover die Beguenstigung der englischen Waren. Andere Staaten traeumten von neuen Zolllinien; wieder andere hofften, die Milderung des preussischen Zollsystems und dann den Eintritt in dies System zu erzwingen. Kein einziger Kopf an allen diesen kleinen Hoefen, der einen klaren Gedanken mit Ausdauer verfolgte; Karl August von Weimar war im Juni 1828 gestorben. Bald sonderten sich die Kuestenlande und die Binnenstaaten in zwei Gruppen. Thueringen und Sachsen schlossen einen Separatvertrag, desgleichen Hannover und Oldenburg. Sie versprachen ihre gegenseitigen Untertanen im Handelsverkehr auf gleichem Fusse zu behandeln usw. -- geringfuegige Erleichterungen, die in Preussen gar nicht noetig waren, da das freiere preussische Zollgesetz zwischen In- und Auslaendern nicht unterschied. Die einfache in Berlin laengst feststehende Erkenntnis, dass nur die Beseitigung der Binnenmauten dem deutschen Handel aufhelfen koenne, war diesen Kabinetten noch nicht aufgegangen. Die gedankenlose Traegheit der oesterreichischen Staatsmaenner fuehlte sich befriedigt von dem Erfolge des Augenblicks. Dem preussischen Zollsystem war ein Riegel vorgeschoben, der einige Jahre halten mochte; eine positive Ausbildung des Handelsvereins wuenschte man in Wien nicht, da jeder Bund im Bunde gefaehrlich schien. Selbstgefaellig sagte Muench-Bellinghausen zu Blittersdorff: "wie klug hat Oesterreich gehandelt, die Kollisionen zu vermeiden, denen Preussen nicht entgehen wird!" Der weiterblickende Badener aber schrieb: Ich war erstaunt ueber solche Verblendung. Als ob ein Stillstand im Voelkerleben moeglich sei! Als ob der preussisch-hessische Verein sich jemals wieder aufloesen wuerde! Oesterreich allein hat all dies Unheil verschuldet, hat nichts getan, um den Artikel 19 der Bundesakte auszufuehren und uns also den Preussen in die Haende geliefert. d) _Preussens Sieg. Preussisch-Bayrischer Handelsvertrag._ Nunmehr nahm Preussen den Handschuh auf. Der Berliner Hof hatte den ersten Verhandlungen der mitteldeutschen Staaten mit der gewohnten ruhigen Zurueckhaltung zugesehen. Ein saechsisch-thueringischer Verein war unschaedlich; erst durch Hannovers Zutritt gewann der Verein eine gefaehrliche Ausdehnung. Man wollte in Berlin nicht glauben, dass dies nahe befreundete Kabinett, dem Preussen soeben jene neuen Strassenzuege und Handelserleichterungen angeboten hatte, einem gegen Preussen gerichteten Bunde sich anschliessen werde. Da trat Hannover zu den Verbuendeten ueber, waehrend Bernstorff noch eine freundliche Antwort auf sein Anerbieten erwartete. Sofort verschwand jeder Zweifel ueber den Charakter des Vereins. Motz in seiner feurig kuehnen Weise forderte sogleich, dass man die Gegner als Gegner behandle, und erklaerte: "Sollte dieser Verein zustande kommen, so ist Preussen in der Lage, sein Zollsystem fuer abgeschlossen zu halten, und keineswegs in der Lage, diesen neutralen Verein seiner Absicht gemaess unter imponierenden Bedingungen aufzunehmen." Obgleich bisher nur duerftige Nachrichten ueber die Plaene des Vereins eingelaufen waren, so erriet der Finanzminister doch auf den ersten Blick, dass die Zerstoerung des preussischen Durchfuhrhandels in der Absicht der Verbuendeten liege. Deshalb, fuhr er fort, muss der Transit fortan mehr als bisher im Lande gehalten, der Strassenbau ruestig gefoerdert, namentlich die Chaussierung der wichtigen Strasse von Magdeburg nach Zeitz rasch vollendet werden. Die nach Hannover gerichteten Anerbietungen sind als nicht geschehen zu betrachten. Noch entschiedener spricht er in einem Schreiben an Bernstorff: "Es ist gewiss ein bemerkenswertes Zeichen der Zeit, dass in der Mitte und vorzugsweise im Norden Deutschlands, im Schosse des Deutschen Bundes und dennoch unter der Fahne Oesterreichs, fuer den ostensibeln Zweck einer angeblichen Vervollkommnung der Verhaeltnisse dieses Bundes eine Koalition sich bildet, welche Preussen von ihren Plaenen und Beratungen ausschliesst und auf alle Weise zu erkennen gibt, nicht nur, dass sie eine Ausfuehrung und Erweiterung allgemeiner Bundesmaximen auch ohne Preussens Teilnahme fuer moeglich haelt, sondern auch, dass Preussen eben als stoerendes Prinzip jener Ausfuehrung und Erweiterung zu betrachten, und deshalb die Aufstellung einer foermlichen Oppositionsmasse gegen dasselbe anraetlich sei". Darum duerfen wir den Verein nicht ignorieren; wir muessen unser gerechtes Befremden aussprechen und den Entschluss, "jeder uns auf irgendeine Art kompromittierenden weiteren Entwicklung dieses sonderbaren Systems auf angemessene Weise entgegenzutreten". Ueber Oesterreichs Absichten war der entschlossene Mann laengst im klaren. Er wusste, dass die k. k. Verpflegungsbeamten in Mainz, um den Preussisch-Hessischen Verein zu schaedigen, die vertragsmaessige Steuerfreiheit der oesterreichischen Garnison groeblich missbrauchten, fuer Tabak, Zucker, Bier massenhaft Steuerfreischeine ausgaben, mehr, als ganz Rheinhessen verzehren konnte. Er forderte, der Gesandte in Wien solle rund heraus erklaeren: wir lassen uns nicht taeuschen durch das Blendwerk, das mit dem Artikel 19 getrieben wird, wir lassen uns weder imponieren, noch uns missbrauchen. Am 8. November schrieb er dem Minister des Auswaertigen geradezu: "Ob und inwieweit ueberhaupt auf wahre freundschaftliche Verhaeltnisse von Oesterreich gegen uns zu rechnen sei, vermag ich nicht zu beurteilen. Soviel scheint mir aber sicher zu sein, dass Oesterreich dem uebereilt organisierten Deutschen Bunde den Charakter des ehemaligen deutschen Fuerstenbundes beizulegen und darin die Rolle Friedrichs des Grossen zu uebernehmen denkt." Oesterreichs Haltung gegen uns in dem Koethener Zollstreit war entschieden feindselig, ohne Oesterreichs Beistand waere der Mitteldeutsche Verein nie zustande gekommen. Ein Blick auf diese Aktenstuecke genuegt, um das Raetsel zu loesen, warum das Berliner Kabinett ueber die geheime Geschichte seiner Handelspolitik beharrlich geschwiegen, auch die windigsten Prahlereien der zahlreichen geistigen und leiblichen Vaeter des Zollvereins gelassen ertragen hat. Das Buendnis der Ostmaechte war nach wie vor der leitende Gedanke der auswaertigen Politik des Koenigs. Brach man mit Oesterreich, so wurde der Deutsche Bund unhaltbar und auch der werdende Zollverein selber in Frage gestellt. Fuer Preussens Diplomatie ergab sich mithin die Aufgabe, durch ruhige feste Haltung den Wiener Hof dahin zu bringen, dass er der preussischen Handelspolitik nicht geradezu widerstrebte. Preussen raeumte der Hofburg die Fuehrerstelle ein in dem Schattenspiele des Bundestages und verlangte fuer sich die Leitung der wirklichen Geschaefte deutscher Staatskunst. Dies blieb der einzig moegliche Weg nationaler Politik, solange man weder den Willen noch die Macht besass, die kriegerische Aktion der friderizianischen Tage zu erneuern. Den deutschen Dualismus zu beseitigen, kam dem Koenig nicht zu Sinn; die Absicht war nur, dem preussischen Staate im Bereiche der deutschen Politik ein Gebiet selbstaendigen, ungestoerten Wirkens zu erobern. Ein solches System setzte behutsame Vorsicht und unverbruechliche Verschwiegenheit voraus; es fiel dahin, sobald die Welt erfuhr, wie planmaessig Preussens Handelspolitik arbeitete und wie deutlich die besten Koepfe des Kabinetts den Grundsatz der Interessen erkannten, der die beiden grossen Bundesmaechte trennte. Das Auswaertige Amt ging nicht sofort auf die kampflustige Gesinnung des Finanzministers ein. Der Koenig verlangte ruhige, sorgfaeltige Pruefung, damit nicht durch vorschnelles Urteil deutschen Bundesstaaten Unrecht geschehe. Sobald naehere Nachrichten einliefen, stimmte Eichhorn der Ansicht Motzs bei und erliess eine Instruktion an saemtliche Gesandten in Deutschland, welche ausfuehrlich darstellte, wie unberechtigt und hoffnungslos das Unternehmen der Mitteldeutschen sei: die Verbuendeten moegen sich die Frage vorlegen, was ein Verein von sechs Millionen Einwohnern, der fast nur Binnenlaender umfasst, bei einem Konflikt mit uns gewinnen duerfte, "ob der innere Verkehr nicht ertoetet statt belebt und der Handel mit dem Auslande nicht beschraenkt statt ausgebreitet werden wuerde". Ausserdem erhielt die Wiener Gesandtschaft die Weisung, sich zu beschweren ueber die feindselige Haltung der oesterreichischen Diplomaten und dem Staatskanzler die auf Metternichs Demagogenfurcht berechnete Frage ans Herz zu legen: "Sind es nicht hauptsaechlich die Absonderungen und Trennungen, welche im Handel und Verkehr stattfinden, wodurch eine Stimmung des Missbehagens, der Unzufriedenheit und der Sehnsucht nach einer Veraenderung unterhalten wird?" Der Gesandte in London ward befehligt, entschieden auszusprechen, dass an Verhandlungen mit Hannover vorerst nicht mehr zu denken sei: "wir muessen offen gestehen, dass unser Vertrauen auf hannoverscher Seite schlecht erwidert worden ist". Jordan in Dresden sollte sein Befremden ueber die misstrauische Heimlichkeit der saechsischen Politik kundgeben; Grote in Hamburg dem Senate "die Anerkennung seines weisen und angemessenen Betragens aussprechen und dabei erklaeren, man hoffe, dass er bei demselben auch verharren werde". Zugleich erging an die Regierungen der Grenzbezirke der Befehl, die handelspolitischen Massregeln der Verbuendeten, die sich noch immer in raetselhaftes Dunkel huellten, scharf zu beobachten. Hier zeigte sich die ganze Unnatur des Mitteldeutschen Vereins. Das Vereinsgebiet lag im Bereiche der preussischen Macht, war ueberall von eingesprengten preussischen Gebietsstuecken unterbrochen, durch tausend Bande des nachbarlichen Verkehrs an Preussen gekettet. Eine Schar von preussischen Postbeamten, Flossinspektoren, Schiffahrtsaufsehern lebte in Feindesland, gab sichere Nachricht ueber alles, was auf den Fluessen und Strassen der Verbuendeten vorging. Die Staatszeitung und Buchholzs Neue Monatsschrift begannen den Federkrieg gegen den Handelsverein "Eine Souveraenitaet, die sich durch blosse Opposition geltend machen will -- rief Buchholz warnend --, steht im Widerspruch mit sich selbst und kann nur Niederlagen erfahren." Auch durch Retorsionen wollte Motz den Gegnern zu Leibe gehen; er dachte den saechsischen Fabrikanten den Messrabatt zu entziehen und in Magdeburg eine Messe zu errichten. Hier aber widersprach der Koenig; er wollte sein Wort halten, auch jetzt noch jede Feindseligkeit gegen deutsche Bundesstaaten unterlassen, und liess den kampflustigen Finanzminister an die Ruecksichten erinnern, die man dem Deutschen Bunde schulde. Die offene Sprache der preussischen Diplomatie erweckte allerdings Angst und Reue an einigen der kleinsten Hoefe. Der Fuerst von Sondershausen, dessen Unterherrschaft unter dem Schutze des preussischen Zollsystems aufbluehte, war mit seiner Oberherrschaft dem Handelsverein beigetreten und liess durch sein Geheimes Konsilium das Berliner Kabinett bitten, "diese abgedrungene Massregel nicht uebel zu deuten". Darauf erwiderte das Auswaertige Amt: man hoffe, "dass ein pp. Konsilium keinen Augenblick darueber im Zweifel sein werde, was in der Wahl zwischen der Festhaltung an dem bisher bestehenden Verhaeltnis mit Preussen und zwischen der Teilnahme an einer neuen Verbindung zu tun oder zu lassen sei". Nun bat der Fuerst in einem eigenhaendigen Briefe den Koenig um Verzeihung und flehte, ihn "mit allergnaedigster Nachsicht zu beurteilen und der unschaetzbaren hohen Gnade nicht fuer unwert zu halten". Auch der Herzog von Gotha schrieb an Wittgenstein (16. Dezember): er erfahre "zu seiner groessten Verwunderung", dass Preussen mit dem Handelsvereine nicht einverstanden sei; nimmermehr sei ihm in den Sinn gekommen, den preussischen Hof, dessen Gunst so wertvoll, zu verletzen. Gegen die groesseren Staaten des Vereins war mit so sanften Mitteln nichts auszurichten. Motz behielt doch Recht, da er an Bernstorff schrieb: "Ich bin der Meinung, dass andere Ruecksichten, welche nicht durch die bestehenden Vertraege geboten werden, gegen die betreffenden, uns in finanzieller Hinsicht nur feindlich gegenueberstehenden Bundesstaaten wohl aus den Augen gesetzt werden koennen, indem der preussische Staat die Macht und die Kraft hat, seinen hohen und hoechsten Interessen die der Bundesstaaten unterzuordnen, und nach den seit 13 Jahren gemachten Erfahrungen die Liebe fuer uns in den Bundesstaaten erst dann zu gewinnen sein duerfte, wenn sie mit Furcht und Beachtung der bestehenden Verhaeltnisse vereinigt bleibt." Der feurige Mann war entschlossen, den Handelsverein zu sprengen: gegen offenbare Feindseligkeit reiche die Politik des Zuwartens nicht mehr aus. "Wir werden es noch dahin bringen, rief er zuversichtlich, dass einzelne Mitglieder des Mitteldeutschen Vereins dringend um Aufnahme in den preussischen Verein bitten werden!" Er hatte noch im Januar bezweifelt, ob eine Verbindung mit dem soweit abgelegenen Bayrisch-Wuerttembergischen Verein raetlich sei; jetzt fasste er den gluecklichen Gedanken, ueber den Handelsverein hinweg den sueddeutschen Koenigskronen die Hand zu reichen und dergestalt durch einen Bund des Nordens mit dem Sueden den mitteldeutschen Sonderbund zu zerstoeren. Zum Heil fuer Deutschland erwachten um dieselbe Zeit aehnliche Wuensche in Muenchen und Stuttgart. Wie laut auch Koenig Ludwig im ersten Zorne wider Preussens und Darmstadts Verraeterei gescholten hatte, auf die Dauer konnte er sich doch nicht verbergen, dass seine eigenen kuehnen Plaene gescheitert waren. Nachdem Kurhessen zu den Mitteldeutschen uebergetreten, war an eine Vergroesserung des Sueddeutschen Vereins nicht mehr zu denken; der rein deutsche Bund unter Wittelsbachs Fahnen blieb ein Traum. Ebensowenig konnte der Verein in seiner vereinsamten Stellung verharren. Auch trat, wie Metternich vorhergesehen, die alte Abneigung zwischen den beiden Koenigen bald wieder hervor. Die Hoffnung auf einen Handelsverein mit der Schweiz ward zunichte an der Zwietracht der Eidgenossen. So blieb den oberdeutschen Koenigen nur die Wahl, entweder mit Preussen oder mit dem saechsisch-englischen Verein eine Verbindung zu suchen. Hinter Sachsen und Hannover aber stand Oesterreich; dies allein genuegte, um den Koenig von Wuerttemberg gegen die mitteldeutschen Verbuendeten einzunehmen. Sein neuer Finanzminister, Freiherr Karl Varnbueler(100), derselbe, der einst in den Vorderreihen der Altrechtler gestanden, bewaehrte sich als ausgezeichneter Geschaeftsmann und riet dringend zur Verstaendigung mit Preussen. Welchen nennenswerten handelspolitischen Vorteil, ausser der Herabsetzung der Durchfuhrzoelle, hatten die Mitteldeutschen zu bieten? Wie sollte der patriotische Koenig von Bayern sich einlassen in jene unsauberen Zettelungen mit Frankreich, England, Holland, welche der Mitteldeutsche Verein mit unbeschaemter Stirn betrieb? In der ersten Aufwallung des Zornes hatte Koenig Ludwig wohl einen Schritt nach Frankreich hinueber getan; ein Buendnis mit dem Auslande einzugehen, den deutschen Verkehr dem englischen Handelsinteresse zu unterwerfen, lag dem bei all seiner Wunderlichkeit grunddeutschen Monarchen ebenso fern wie seinem vertrauten Minister Armansperg. Sobald man in Muenchen kaltbluetig ueberlegte, erschien doch selbst Preussens Verhalten in dem Sponheimer Handel erklaerlich. Die Berliner Regierung war ja durch europaeische Vertraege verpflichtet, Badens Recht zu schuetzen; sie verfuhr, wie Koenig Ludwig selbst zugeben musste, mit rueckhaltloser Offenheit; ihr Gesandter suchte durch versoehnliche Sprache den erzuernten Fuersten zu beschwichtigen. Preussen schlug jetzt vor, Bayern und Baden sollten beiderseits auf ihr Sponheimer Erbrecht verzichten, damit der leidige Handel fuer immer aus der Welt geschafft wuerde. Koenig Ludwig straeubte sich lange, doch fing er an zu begreifen, dass dies der einzige Weg sei, um sich mit Anstand aus dem verlorenen Spiele zurueckzuziehen. Gegen den Spaetsommer 1828 begannen der Minister und sein koeniglicher Freund bereits die Frage zu erwaegen, ob nicht eine Annaeherung an den Preussisch-Hessischen Verein unvermeidlich sei. Dass die oeffentliche Meinung in Bayern dieser Annaeherung entschieden widerstrebte, war fuer die Freunde eher ein Stachel als ein Hemmnis. Voll hochfliegender Begeisterung, empfaenglich fuer alles Ausserordentliche, liebten beide die Welt durch unerwartete Entschluesse zu ueberraschen. Um so schwerer fiel ihnen, die Demuetigung ihres Ehrgeizes, den Schiffbruch ihrer reindeutschen Plaene zu verwinden. Aber sie vermochten es ueber sich, das Opfer zu bringen. Unabweisbar draengten diese trocknen Geschaeftsverhandlungen den naeher Beteiligten die Einsicht auf, dass die Deutschen doch zueinander gehoerten, nur durch Misstrauen, durch Unkenntnis und durch die Selbstsucht, die immer der schlimmste Feind des eigenen Vorteils ist, einander verfeindet wurden. Ganz unerwartet fand sich ein Helfer, der die beginnende Umstimmung am Muenchener Hofe zu foerdern und fuer Deutschlands grosse Sache zu verwerten verstand. Der Buchhaendler Freiherr v. Cotta(101) war als grosser Geschaeftsmann mit Personen und Zustaenden des deutschen Nordens naeher vertraut als das schwaebisch-bayrische Beamtentum, und blickte, wie er schon in dem wuerttembergischen Verfassungskampfe bewiesen hatte, auch in der Handelssache ueber die landlaeufigen sueddeutschen Vorurteile weit hinaus. Unternehmend und beweglich, befreundet mit Nebenius und anderen namhaften Volkswirten in allen Teilen Deutschlands, erkannte er laengst, dass der sueddeutsche Verkehr ohne Preussens freundnachbarlichen Beistand niemals gesunden koenne, und obgleich ihm viel daran lag, die Gunst Metternichs fuer seine Allgemeine Zeitung nicht zu verlieren, so fasste er doch den tapferen Entschluss, als Vermittler aufzutreten. Er besprach sich insgeheim mit Armansperg, reiste dann im September 1828 nach Berlin zu dem grossen Naturforschertage, der also auch fuer unsere Politik bedeutsam werden sollte. Cotta wurde durch Humboldt bei Witzleben(102) und Motz eingefuehrt, sprach dort den Gedanken aus, ob nicht eine Verstaendigung zwischen Bayern und Preussen moeglich sei, und fand den guenstigsten Empfang. Eine ueberraschende Verwandtschaft der Anschauungen stellte sich heraus. Motz bekannte, dass er sich laengst mit aehnlichen Absichten getragen habe; im Grunde seien es ja doch nur Missverstaendnisse, welche bisher zwischen den beiden Staaten gestanden. Cotta kehrte heim und schrieb am 20. Oktober aus Muenchen: er habe des Ministers "gnaedige Eroeffnungen" den Monarchen in Muenchen und Stuttgart mitgeteilt; beide seien von der Notwendigkeit des Planes ueberzeugt und haetten bereits die Einladung, dem Mitteldeutschen Verein beizutreten, zurueckgewiesen. Nunmehr zog Motz das Auswaertige Amt in das Geheimnis und erklaerte: "Jetzt ist es wuenschenswert, einen Handelsverein mit Bayern, Wuerttemberg und Baden zu bilden": der Sueden muss fuer eigene Rechnung unsere Zollgrundsaetze annehmen, namentlich unsere hoeheren Tarifsaetze auf auslaendische Waren, also auch auf die Waren des Mitteldeutschen Vereins. Solange dieser Verein die vollstaendige Verschmelzung mit dem Sueden hindert, muessen Preussen-Hessen und Bayern-Wuerttemberg mindestens ihre eigenen Produkte und Fabrikate gegenseitig vom Zolle befreien. Im November eilte der Unterhaendler wieder nach Berlin, diesmal mit einer foermlichen Beglaubigung versehen, und wurde von dem Koenige aufs freundlichste aufgenommen. Die Berliner erzaehlten sich mit untertaenigem Erstaunen, der einfache Buchhaendler sei zur Tafel gezogen worden. Motz gab ihm nach laengeren Verhandlungen die Punktation des Vertrags mit auf den Weg. Triumphierend meldete Cotta am 17. Dezember aus Muenchen: "Alles, was ich mitbrachte, war hier hoechst erfreulich und willkommen", bei Koenig Ludwig wie bei dem Minister Armansperg. "Beide sind von den grossartigen Ideen ergriffen, die einer Verbindung Preussens mit Bayern und Wuerttemberg nach den von Hochdenselben entwickelten Grundsaetzen als Leitstern vorgehen und zur Richtschnur dienen. Ich sehe schon im Geiste Ihre herrliche Idee in kurzer Frist realisiert". Und am 20. Dezember nochmals: Wird auch Baden gewonnen, "so waere der Grundstein im Sueden Deutschlands zu dem Gebaeude gelegt, das Ihr verehrter Koenig und Sie zum Wohle und Gedeihen Deutschlands im Auge haben". Motz erwiderte: er hoffe "ein Werk zu begruenden, an welchem nicht nur wir und unsere Zeitgenossen, sondern auch unsere Nachkommen Freude haben werden". Der Mitteldeutsche Verein muesse offen bekaempft werden, "denn was wir gemeinschaftlich suchen, ein soviel moeglich allgemeiner Markt in Deutschland, wird fuer Bayern, Wuerttemberg und Preussen durch die Grundsaetze dieses neutralen Vereins nicht nur befoerdert, sondern viele diesem Verlangen entgegenstehende Hindernisse nur noch mehr stabiliert". Gleichzeitig schrieb er an den Kronprinzen von Preussen, der sich gerade am Muenchener Hofe aufhielt, enthuellte ihm das Geheimnis der Mission Cottas, bat dringend um Unterstuetzung: der Vertrag sei politisch und volkswirtschaftlich hochwichtig, wenngleich die Zolleinnahmen wohl zunaechst einige Einbussen erleiden wuerden. Der Prinz, der dem geistreichen Minister laengst wohl wollte, nahm sich denn auch der Verhandlungen eifrig an. Am 9. Januar 1829 konnte Cotta aus Stuttgart berichten, dass auch Koenig Wilhelm die Hauptgrundsaetze der preussischen Punktation gebilligt habe, und gegen Ende des Monats erschien der Unermuedliche zum drittenmal in Berlin. Der preussische Minister verlor zuweilen fast die Geduld bei allen den aengstlichen Vorbehalten, welche der sueddeutsche Unterhaendler stellen musste, und klagte bitterlich ueber diesen "Hoekerkram". Gegen die vollstaendige Zollbefreiung der eigenen Produkte erhob Bayern Bedenken; man fuerchtete in Muenchen die ueberlegene rheinische Industrie. Auch mit seinem Vorschlage, dass die bayrische Pfalz sofort dem preussischen Zollverein beitreten solle, drang Motz nicht durch; der Stolz der bayrischen Krone widerstrebte, auch der Muenchener Landtag haette der unerlaesslichen Abaenderung des pfaelzischen Steuerwesens niemals zugestimmt. Noch weniger war auf Badens Beitritt zu hoffen. Der kleine Staat wollte die guenstige Gelegenheit benutzen, um seinen Laenderbestand fuer alle Zukunft sicherzustellen; er forderte, dass vor den Zollverhandlungen der Sponheimer Streit beigelegt werde. Da Koenig Ludwig darauf nicht einging, so erkannte das Berliner Kabinett im Laufe des Winters selbst, dass man nicht wohl tue, die Verhandlungen noch mehr zu verwickeln, und liess Baden vorlaeufig aus dem Spiele. Am 6. Maerz 1829 begannen endlich die amtlichen Verhandlungen in Berlin. Die sueddeutschen Kronen waren durch ihre Gesandten Luxburg und Blomberg vertreten, den Ausschlag gab Cotta, der von beiden Koenigen Vollmacht hatte. Fuer Preussen erschienen Eichhorn und Schoenberg, dazu Motz, Maassen und Finanzrat Windhorn. Auch Hofmann kam aus Darmstadt herueber. Die ersten Kraefte der Regierung waren aufgeboten; es galt, die Bruecke ueber den Main zu schlagen. Am 27. Mai 1829 wurde der Vertrag unterzeichnet. Preussen- Hessen und Bayern-Wuerttemberg versprachen einander bis zum Jahre 1841 Zollfreiheit fuer alle inlaendischen Erzeugnisse der Natur, des Gewerbefleisses und der Kunst; nur fuer eine Reihe wichtiger Fabrikwaren sollte, auf Bayerns Andringen, zunaechst bloss eine Zollerleichterung um 25 Prozent eintreten, bis allmaehlich die voellige Befreiung erfolgen koenne. Beide Teile verpflichteten sich, ihre Zollsysteme mehr und mehr in Uebereinstimmung zu bringen; alljaehrlich sollten Bevollmaechtigte zusammentreten "zur Befestigung und Erweiterung dieses Vertrags". Auch ein Zollkartell wurde fuer die Zukunft verabredet. Der Vertrag trug in allem den Charakter eines Provisoriums; er begruendete die engste Form handelspolitischer Vereinigung, die sich erreichen liess, so lange die Laender der Verbuendeten nicht in festem geographischen Zusammenhange standen. Alle Beteiligten fuehlten, dass sie erst im Beginn einer Zeit gemeinsamer handelspolitischer Aktion standen; sie verpflichteten sich zu Protokoll, Handelsvertraege mit solchen Laendern, die an mehrere Vereinsstaaten zugleich angrenzten, also vornehmlich mit Baden, nur im gemeinsamen Einverstaendnis abzuschliessen. Unbeirrt durch die Peinlichkeit der Einzelverhandlungen hielt Motz seinen Blick fest auf die grossen Verhaeltnisse des Vaterlandes gerichtet; er wusste, dass er seinem Staate die Bahn zu einer stolzen Zukunft geoeffnet hatte. Im Juni sprach er sich gegen den Koenig ueber die politische Bedeutung der geschlossenen Vertraege offen aus. Seine Denkschrift wirft zuerst einen Rueckblick auf die vollendete Unfaehigkeit des Bundestags, der niemals in foermliche Beratung ueber die Handelseinheit getreten sei; selbst waehrend der Not von 1817 habe man in Frankfurt nur genau soviel getan, "um den foederativen Nachbar, im buchstaeblichen Sinne des Wortes, nicht verhungern zu lassen. Wie konnte dies auch anders sein, da dem Deutschen Bunde ein grosser Staat an der Spitze steht, der das ihm eigentuemliche, seit 50 Jahren schon bestehende, seinem privaten Interesse bis daher vermeintlich zusagende, mit den Interessen der uebrigen Staaten des Deutschen Bundes aber nicht vereinbarliche Zoll- und Prohibitivsystem aufzugeben nicht gewillt ist; da andere Bundesmitglieder die Handelsinteressen ihrer Hauptstaaten denen ihrer Bundeslande unterzuordnen nicht gemeint sind, vielmehr letztere, natur- und sachgemaess, an die ersteren festgeknuepft haben; und da wieder andere den Gegenstand mehr nur aus fiskalischem wie aus staatswirtschaftlichem Gesichtspunkte betrachtet wissen wollen? Der Deutsche Bund gab damit ein Beispiel, wie die allgemeine Staatengeschichte bis dahin noch keines aufzuweisen hat"; es entstand ein Handelskrieg aller gegen alle, "der weit schlimmer war, als ein innerer Krieg der Waffen nur je haette sein koennen". Dann erinnert Motz an die patriotischen Bestrebungen des deutschen Handelsstandes, an die persoenlichen Bemuehungen der Souveraene von Bayern und Wuerttemberg. Als gleichzeitig der Bayrisch-Wuerttembergische und der Preussisch-Hessische Verein sich bildeten, lag die Moeglichkeit zweier grossen Zollvereine fuer ganz Deutschland vor. Da erhob sich unter Oesterreichs Fuehrung der neutrale Verein, der den *status quo*, d. h. das Unertraegliche aufrecht erhalten will; er zwang uns, sogleich weiter zu gehen und das grosse Handelssystem zu begruenden. Dies System, faehrt die Denkschrift fort, bietet erstens kommerzielle Vorteile. Die Verbindung umschliesst schon jetzt 20 Millionen Einwohner, behauptet also den dritten Platz unter den europaeischen Staaten, da Oesterreich kein einiges Machtgebiet bildet; sie wird auf 25 Millionen steigen, sobald der Mitteldeutsche Verein wahrnimmt, "dass er ganz und gar einen eitlen Zweck verfolgt", und die sued- und mitteldeutschen Staaten nebst Mecklenburg uns beitreten; sie wird auf 27 Millionen steigen, wenn auch die anderen Staaten (soweit sie nicht Nebenlande sind), also Hannover, Braunschweig, Oldenburg und die Hansestaedte eintreten. Der innere Verkehr ist wichtiger als der auswaertige Handel, jener schlaegt dreimal, dieser einmal im Jahre das Kapital um. Manche deutsche Staaten erhalten durch das Handelssystem einen zwanzig- bis zweihundertmal groesseren Markt fuer ihre Produkte. Dazu kommen zweitens die finanziellen Vorteile. Der Satz: "je billiger die Abgabe, desto groesser der Ertrag", wird sich auch diesmal bewaehren, wenngleich vielleicht die erste Uebergangszeit einige Ausfaelle bringen mag. Wichtiger ist drittens der politische Gewinn. "Wenn es staatswissenschaftliche Wahrheit ist, dass Zoelle nur die Folge politischer Trennung verschiedener Staaten sind, so muss es auch Wahrheit sein, dass Einigung dieser Staaten zu einem Zoll- und Handelsverbande zugleich auch Einigung zu einem und demselben politischen System mit sich fuehrt." Nun wird in grossen Zuegen die friderizianische Politik den Wittelsbachern gegenueber geschildert: wie Friedrich den ersten Nichtoesterreicher, Karl VII., auf den Kaiserthron erhoben, dann durch den bayrischen Erbfolgekrieg und den Fuerstenbund Bayern dreimal vom Untergange gerettet habe. Preussen hat bisher von alledem noch keine Frucht geerntet. Bayerns feindselige Haltung zur Zeit des Rheinbundes und der Ansbach-Baireuther Haendel erklaert sich nur aus "der totalen Verwirrung und Verirrung der Staatenpolitik" jener revolutionaeren Tage. Heute aber kann Preussen kein Misstrauen mehr einfloessen, sondern muss wuenschen, "mit allen den Staaten, die nur von wahrhaft deutschem Interesse geleitet und Preussen mit offenem Vertrauen ergeben sind, nicht aber etwa den Besitz deutscher Provinzen bloss als Vehikel fuer Foerderung der Interessen ihrer groesseren auswaertigen, Deutschlands Interessen fremden Staatenkoerper zu benutzen streben, in jeder Beziehung, politisch und kommerziell, sich recht innig und recht enge zu verbinden". Moeglich bleibt doch der fuer jetzt allerdings "nicht leicht gedenkbare" Fall, dass entweder ein allgemeiner Krieg ausbraeche, oder "dass der Deutsche Bund in seiner jetzigen Gestalt sich einmal aufloeste und mit Ausschluss aller heterogenen Teile sich neu gestaltete"; dann wuerde unser Handelssystem ungeheuer wichtig werden. Viertens bringt uns das Handelssystem eine militaerische Verstaerkung um 92000 Mann. Bayerns Zutritt entschied die Kriege von 1805 und 1806 zu Napoleons Gunsten, desgleichen der Rheinbund den Krieg von 1809. Gegen Frankreich koennen wir unser Rheinland nur decken, wenn wir der bayrischen Pfalz sicher sind; Oesterreich aber wird durch den Handelsbund in einem weiten Bogen umfasst, kann von Schlesien und Altbayern her zugleich bedroht werden. Die Denkschrift schliesst: "In dieser, auf gleichem Interesse und natuerlicher Grundlage ruhenden und sich notwendig in der Mitte von Deutschland erweiternden Verbindung wird erst wieder ein in Wahrheit verbuendetes, von innen und von aussen festes und freies Deutschland unter dem Schutz und Schirm von Preussen bestehen. Moege nur das noch Fehlende weiter ergaenzt und das schon Erworbene mit umsichtiger Sorgfalt noch weiter ausgebildet und festgehalten werden!" So der preussische Finanzminister, ein Jahr vor der Julirevolution, zwei Jahre bevor Paul Pfizer(103) den Briefwechsel zweier Deutschen erscheinen liess! Unter allen Aeusserungen deutscher Staatsmaenner aus jener Zeit ist keine, die so entschieden mit der Politik des friedlichen Dualismus bricht, die so rund heraussagt: los von Oesterreich! Und welche Sicherheit des Blicks in allem und jedem! Der Mann wusste schon 1829 bis auf einen geringfuegigen Irrtum ganz genau, in welcher Reihenfolge bis zum Jahre 1866 die deutschen Staaten dem Zollverein beigetreten sind. In einem Rundschreiben an ihre Gesandten sprach die preussische Regierung offen aus: der Vertrag mit Bayern stelle eine noch engere Vereinigung und die allmaehliche Verwirklichung der deutschen Handelseinheit in Aussicht. Noch blieben am bayrischen Hofe tausend Bedenken zu ueberwinden. Koenig Ludwig, gewoehnt an unbedingte Selbstherrschaft, zuernte heftig, weil seine Unterhaendler in einigen Punkten ihre Instruktionen ueberschritten hatten; er konnte das alte sueddeutsche Misstrauen gegen die preussischen Kniffe nicht ueberwinden, maekelte an jedem Worte, fuerchtete ueberall doppelte Auslegung. Auch der beruehmte Streit ueber das *Alternat*(104), der in jenen Tagen die Mussestunden der Bundestagsgesandten wuerdig ausfuellte, wirkte stoerend. Die koeniglichen Hoefe wollten den grossherzoglichen wohl die Gleichberechtigung beim Vortritt, doch nicht bei den Unterschriften zugestehen; nach vielem Herzeleid behalf man sich endlich, fertigte nur zwei Haupturkunden aus, die eine fuer Preussen-Hessen, die andere fuer Bayern-Wuerttemberg gemeinsam. Dazu die begreifliche Furcht des Muenchener Hofes vor der Kleinmeisterei seines Landtags. Cotta bat instaendig: "nicht zu vergessen, dass wir selbst Vorurteilen froehnen muessen, um die hoeheren grossen Zwecke zu erreichen, besonders den Verein". In gleichem Sinne schrieb Armansperg an Motz: "das gewiss segensreiche Werk, welches durch den Handelsvertrag nunmehr in das Leben treten wird, verdankt Deutschland groesstenteils der Grossartigkeit Ihrer Ideen und der taetigen Sorgfalt, womit Ew. Exzellenz die Unterhandlungen leiteten und jede Einseitigkeit zu entfernen strebten. Wenn dem Geiste Ew. Exzellenz manches, wonach unsere Wuensche zielen, kleinlich erscheinen wird, so moegen Sie in Erwaegung ziehen, dass in den Hallen der Staende manch Kleinliches hauset und nicht immer durch die Waffe der Vernunft bekaempft und besiegt werden kann" -- worauf dann im Interesse der oberpfaelzischen Hammerwerke gebeten ward, die groben Eisenwaren unter die Ausnahmeartikel zu stellen. Im Laufe des Sommers hat Cotta selbst in Brueckenau und Friedrichshafen die letzten Bedenken der beiden sueddeutschen Koenige beschwichtigt; sie ratifizierten, ueberhaeuften den gewandten Unterhaendler mit Gunst. Koenig Wilhelm zeigte sich ebenso unbefangen wie sein Minister Varnbueler; von den alten caesarischen Traeumen war keine Rede mehr. Dann schickte Preussen zwei seiner besten Finanzmaenner, Sotzmann und Pochhammer, nach Muenchen, um die neuen Zolleinrichtungen einfuehren zu helfen. Die bayrischen Beamten erstaunten, soviel Geduld und Schonung bei den verrufenen Preussen zu finden; in gemeinsamer ernsthafter Arbeit trat man einander naeher. Nun der schwere Entschluss gefasst war, segelte Koenig Ludwig sogleich mit rastlosem Ungestuem in dem neuen Fahrwasser dahin. Er pries in ueberschwenglichen Worten die Redlichkeit, die Maessigung, die Groesse der Ansichten des Berliner Kabinetts, versicherte dem Bildhauer Rauch, wie stolz er sei, mit dem Staate Friedrichs Hand in Hand zu gehen, wie rechtschaffen und weise Koenig Friedrich Wilhelm sich gehalten habe. Die oeffentliche Meinung im Sueden nahm den Vertrag voll Misstrauens auf; eine Deputation, die dem Koenige den Dank der guten Stadt Noerdlingen aussprach, blieb eine vereinzelte Erscheinung. In den hoeheren Kreisen des bayrischen Beamtentums fuehlte man doch, dass endlich nach langen Irrfahrten fester Ankergrund gefunden sei. Der Bundestagsgesandte Lerchenfeld erhielt strenge Weisung, sich der mitteldeutschen Zettelungen zu enthalten, und wirkte fortan zu Frankfurt und Kassel redlich mit seinen preussischen Genossen zusammen. Die freieren Koepfe ahnten von vornherein, dass dies gesunde naturgemaesse Buendnis zwischen den beiden groessten deutschen Staaten weiter fuehren musste. Schon bei den Berliner Verhandlungen hatte Hofmann die Frage aufgeworfen, ob nicht Preussens westliche Provinzen mit dem Sueden sogleich einen wirklichen Zollverein bilden sollten. In dieser unreifen Form war der Gedanke fuer Preussen unannehmbar. Sobald man den Vertrag ausfuehrte, zeigte sich jedoch rasch, dass man nicht auf halbem Wege stehen bleiben konnte. Die bayrische Rheinpfalz erhielt bayrische Mauten, da man sich in Muenchen nicht hatte entschliessen koennen, sie dem preussischen Zollsystem einzufuegen. Das Ergebnis war trostlos: die Provinz brachte im Jahre 1830 nur 165000 Gulden an Zoellen auf, waehrend die Grenzbewachung 248000 Gulden verschlang. Der Landrat der Pfalz bat und klagte; der Zustand konnte nicht dauern. Schon im Februar 1830 fragte der unermuedliche Cotta bei Hofmann vertraulich an, wie man denn bei vollstaendiger Zollgemeinschaft mit den preussischen Behoerden auskomme. Hofmann antwortete mit einem warmen Lobe fuer die preussischen Beamten, die sich zwar anfangs sehr misstrauisch zeigten, nachher aber, sobald sie die Zuverlaessigkeit der hessischen Verwaltung kennen lernten, ganz umgaenglich wurden. Das Ausland und seine Gesellen, die Mitteldeutschen, sahen mit wachsendem Schrecken, wie Preussens Handelspolitik binnen Jahresfrist einen zweiten grossen Erfolg errang. Vergeblich hatte das saechsische Kabinett noch waehrend der Berliner Verhandlungen den Muenchener Hof fuer den mitteldeutschen Bund geworben; vergeblich war der Nassauer Roentgen, jener alte vielgeschaeftige Feind Preussens, nach Stuttgart gereist, um dort vorzustellen: Motz, der ruchlos ehrgeizige Kraftmensch, wolle Preussen durch die Entfesselung der industriellen Kraefte zur leitenden deutschen Macht erheben. In Berlin selbst arbeiteten einige Agenten des mitteldeutschen Vereins, so der Frankfurter Senator Guaita. Oesterreich sendete den Hofrat Eichhof nach Muenchen, um Bayern durch das Angebot einiger geringfuegigen Handelserleichterungen von Preussen hinwegzulocken und zugleich den Koenig Ludwig zu erinnern, wie feindselig Preussen in der Sponheimer Sache gehandelt habe. Muench in Frankfurt versuchte wieder einmal, den Darmstaedter Hof gegen Hofmann, "dies Werkzeug Preussens", einzunehmen. Die Diplomatie Englands, Frankreichs, Hollands -- voran Lord Erskine und Graf Rumigny in Muenchen -- ward nicht muede, vor Preussen zu warnen. Von allen fremden Maechten zeigte sich wieder nur Russland als ein treuer Freund Preussens; Anstett in Frankfurt sprach offen und nachdruecklich fuer die Berliner Handelspolitik. Nach und nach begann doch die vollendete Tatsache ihren Zauber zu ueben. Wie lange sollte man noch die Klagen der misshandelten Nation ertragen? Wie lange noch sich abquaelen an allezeit vergeblichen Sonderbuenden, waehrend Preussen jede handelspolitische Verhandlung regelmaessig erfolgreich hinausfuehrte? Selbst Blittersdorff, der rastlose Parteigaenger Oesterreichs, gab nunmehr die Sache Habsburgs fast verloren. Wenn Preussen, so schrieb er, alle deutschen Staaten unter seinem Handelssystem vereinigt, dann ist Oesterreich faktisch aus dem Deutschen Bunde hinausgedraengt! Der Verkehr wird dadurch nicht zentralisiert, sondern, bei der grossen Anzahl unserer kleinen Mittelpunkte, ueberall gleichmaessig belebt werden. Die Gefahren fuer die Souveraenitaet sind geringer in einem grossen Zollverein, als wenn man versucht, der Zeit in den Weg zu treten. -- Die preussisch-bayrischen Verhandlungen blieben ein Schlag ins Wasser, solange der Verkehr zwischen den beiden Staaten den willkuerlichen "Retorsionen" des mitteldeutschen Vereins unterlag. Die neue Strasse von Westfalen durch das darmstaedtische Gebiet verband nur die westlichen Provinzen Preussens mit den Laendern der sueddeutschen Bundesgenossen und fuehrte ueberdies in der Frankfurter Gegend einige Stunden lang durch mitteldeutsches Vereinsland. Sollte der preussisch-bayrische Bund Lebenskraft gewinnen, so war eine zollfreie Strasse zwischen den Hauptmassen der beiden verbuendeten Zollvereine unentbehrlich. Da erinnerte sich Motz zur guten Stunde an den Strassenduenkel des Meininger Reiches und an jenen untertaenigen Entschuldigungsbrief des Gothaer Herzogs. Wie nun, wenn Preussen dem Meininger Lande die Mittel bot, jene Welthandelsstrasse zwischen Italien und der Nordsee wirklich zu bauen? Der Wunsch, den Verkehr im Lande zu halten, blieb ja der hoechste Gedanke, dessen die Handelspolitik der Kleinstaaten jener Tage faehig war. Wie oft sind die Staatsmaenner der Ernestiner nach Muenchen oder Berlin geeilt, um durch dringende Bitten den Bau einer Umgehungsstrasse zu verhindern; wie jammerte Frankfurt, da im Fruehjahr 1829 ein Spediteur Waren aus der Schweiz nach Leipzig ueber Nuernberg sendete und billigere Fracht berechnete als seine Frankfurter Konkurrenten. Diese Strassenpolitik war das beste Ruestzeug des Mitteldeutschen Vereins, und Motz beschloss, die Verbuendeten mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Er eroeffnete Verhandlungen mit Meiningen und Gotha, noch bevor der bayrische Vertrag abgeschlossen war. Der Herzog von Koburg kam selbst nach Berlin. Am 3. Juli 1829 wurde mit Meiningen, tags darauf mit Gotha ein Vertrag geschlossen, "um die Hindernisse zu beseitigen, die vorzueglich durch oertliche Verhaeltnisse dem Handel und gewerblichen Verkehr entgegenstehen". Die drei Staaten verpflichteten sich gemeinsam, einen grossen Strassenzug zu bauen von Langensalza ueber Gotha nach Zelle, von da ueber Meiningen nach Wuerzburg und ueber Suhl, Hildburghausen, Lichtenfels nach Bamberg. Preussen schoss den kleinen Herren die Gelder vor. Der Durchfuhrhandel auf den neuen Strassen wurde voellig freigegeben. Dazu mehrfache Zollerleichterungen und freier nachbarlicher Verkehr zwischen Meiningen, Gotha und Preussens thueringischen Enklaven. Es war dieselbe Strasse quer ueber den Kamm des Thueringer Waldes, die nachher in der Eisenbahnpolitik des Deutschen Reiches noch einmal eine bedeutsame Rolle spielen sollte. Diese beiden unscheinbaren Vertraege haben in Wahrheit den Mitteldeutschen Verein vernichtet. Denn jetzt erst erhielt der preussisch-bayrische Vertrag praktischen Wert. Motz eilte selbst nach Thueringen, um den raschen Ausbau der Strassen zu foerdern. Sobald dieser zollfreie Strassenzug vollendet war, standen die beiden verbuendeten Zollvereine in gesicherter geographischer Verbindung, ihre voellige Verschmelzung blieb nur noch eine Frage der Zeit. Zugleich hatte das Berliner Kabinett mit Mecklenburg den Bau einer neuen Strasse von Hamburg nach Magdeburg verabredet. Der maechtige Warenzug zwischen der Nordsee und der Schweiz ward von Hannover, Kassel und Frankfurt hinweggelenkt auf die Strasse Magdeburg-Nuernberg. Der Mitteldeutsche Verein, der Bayern und Preussen auseinander halten sollte, wurde durch einen Meisterstreich der preussischen Diplomatie selber in der Mitte zerspalten. Immer wieder draengt sich der Gedanke auf, wieviel langsamer der Knoten sich haette entwirren lassen, wenn ein Reichstag die diplomatische Aktion des Berliner Hofes laehmte. Wer diese unterirdische Arbeit auf ihren verschlungenen Wegen verfolgt, der muss, wo nicht billigen, so doch verstehen, dass ein freier Geist wie Trendelenburg(105), damals den preussischen Absolutismus als einen Segen fuer Deutschland pries. Preussen vollzog mit jenen zwei Vertraegen nur eine Tat erlaubter Kriegslist wider erklaerte Gegner, und doch keinen feindseligen Schritt, keine gehaessige Retorsion. Die Niederlage des Mitteldeutschen Vereins war um so vollstaendiger, da niemand das Recht hatte, sich ueber Preussen zu beklagen. Waehrend sonst die Handelspolitik den Feind durch Handelserschwerungen zu schlagen sucht, entwaffneten Motz und Eichhorn den Kasseler Sonderbund durch die Erleichterung des deutschen Verkehrs; sie konnten sogar den Dank der Mitteldeutschen beanspruchen fuer die Eroeffnung einer zollfreien Strasse. Den beiden thueringischen Fuersten freilich gereichte der Hergang nicht zur Ehre. Verlockt durch die Aussicht auf den Besitz einer grossen Handelsstrasse, wurden die Herzoege zu Verraetern an ihren mitteldeutschen Verbuendeten. Sie verletzten zwar nicht den Wortlaut, doch den Sinn des Kasseler Vertrages, der den Bundesgenossen allerdings den Abschluss von Handelsvertraegen gestattete, aber unzweifelhaft den Zweck verfolgte, die Erweiterung des preussischen Zollsystems zu verhindern. Das boese Beispiel weckte bald Nachahmung. Der Mitteldeutsche Verein, gegruendet durch partikularistische Selbstsucht, sollte ein wuerdiges Ende finden; er sollte nach und nach zerbroeckeln durch ein frivoles Spiel mit Treu und Glauben. Zugleich bereitete Motz in diesem tatenreichen Sommer den Mitteldeutschen noch eine Ueberraschung, die ihrem Handel Segen, ihrem Sonderbunde Verderben brachte. Er verstaendigte sich mit den Niederlanden ueber die Rheinschiffahrt und eroeffnete also seinen sueddeutschen Verbuendeten die Aussicht auf freien Verkehr mit der Nordsee. Sobald der britische Kaufmann seine Waren zollfrei rheinaufwaerts bis nach Frankfurt und Mannheim senden konnte, musste England das Interesse an dem Mitteldeutschen Verein verlieren, und dem Sonderbunde war eine maechtige Stuetze entzogen. -- Nach so gruendlichen Niederlagen haetten ernsthafte Staatsmaenner den Sonderbund als einen verunglueckten Versuch sofort aufgeben und eine Verstaendigung mit den ueberlegenen Zollvereinen des Suedens und des Nordens suchen muessen. Doch die unverwuestliche Zanksucht dieser kleinen Hoefe wollte nicht Frieden halten, ihr Duenkel straeubte sich gegen ein beschaemendes Gestaendnis. Der saechsische Gesandte in Wien, Graf Schulenburg, wusste Wunder zu berichten von den Handelserleichterungen, die Metternich in allgemeinen Andeutungen dem Verein versprach; aehnliche Zusagen, ebenso unbestimmt gehalten, gab der franzoesische Gesandte Graf Fenelon dem Nassauer Hofe. In Hannover lebte ungebrochen der alte Welfenstolz; Graf Muenster bot alle kleinen Kuenste auf, um den Meininger Herzog durch seine Schwester, die Herzogin von Clarence, von Preussen abzuziehen. Im Februar 1829 war Varnhagen von Ense(106) von der preussischen Regierung nach Kassel und Bonn gesendet worden, um nochmals eine Beilegung des ehelichen Zwistes im kurfuerstlichen Hause zu versuchen. Er hatte sich des undankbaren Auftrags mit erstaunlichem Ungeschick entledigt, bei Hruby, dem grimmigen Feinde Preussens, sich belehren lassen ueber die Lage. Das Ende war, dass die beiden Gatten unversoehnlicher denn je einander gegenueberstanden, und der Kurfuerst in schaeumender Wut seinem koeniglichen Schwager Rache schwur. So geschah es, dass das laengst verlorene Spiel der Mitteldeutschen noch durch einige Jahre fortgesetzt wurde, bis Preussen den Gegnern auch den letzten Stein aus dem Brette geschlagen hatte. Seit dem Juni 1829 tagte in Kassel abermals der Kongress der Mitteldeutschen -- ein Bild vollendeter Ratlosigkeit, ohnmaechtigen Grolles. Alles tobte wider die Verraeter in Meiningen und Gotha, die dem Verein "ein wichtiges Objekt" geraubt hatten; man sendete Kommissaere hinueber, um die beiden Herzoege zu verwarnen. Alles zitterte vor der freien preussischen Handelsstrasse Hamburg-Nuernberg. Selbst die patriotische Hoffnung, dass Daenemark vielleicht den Bau jener Strasse hindern werde, bot keinen Trost; denn das kleine Stueck holsteinischen Gebiets zwischen Hamburg und der mecklenburgischen Grenze konnte leider auf der Elbe umgangen werden! Der nassauische Bevollmaechtigte Roentgen pflegte auch dem befreundeten badischen Hofe Bericht zu erstatten ueber den Gang der Verhandlungen. Diese Berichte wurden von Karlsruhe getreulich der preussischen Regierung mitgeteilt; man kannte also in Berlin aus erster Quelle die rettungslose Verwirrung des feindlichen Lagers. Schon in einer der ersten Sitzungen warf ein Bevollmaechtigter die wohlberechtigte naive Frage auf: "worin denn eigentlich das materielle Wesen des Vereins bestehe?" Man fuehlte, dass man "eine Gesamtautonomie gruenden muesse, um die eigene Autonomie zu bewahren". Man verlangte nach einem "Gemeingut", das als Unterhandlungsmittel gegen Preussen dienen solle. Die Laecherlichkeit eines Zollvereins ohne gemeinsame Zoelle begann zwar einzelnen einzuleuchten; selbst Nassau meinte, die Vorteile des freien Binnenhandels ueberwoegen unendlich jede Erleichterung des auslaendischen Verkehrs. Aber, hiess es dawider, "wuerde der Verein ein wirklicher Mautverband, so muessten wir schliesslich doch preussische Farbe annehmen!" Sechs Kommissionen wurden gebildet, um im Stile des Bundestages ueber alle erdenklichen Fragen der Verkehrspolitik hin und her zu reden. Absonderliche patriotische Freude erregte der Vorschlag, den 21 Guldenfuss anzunehmen und also "das preussische Geld zu verdraengen". Von neuem tauchte der Gedanke auf, mehrere Buende im Bunde zu bilden -- zwei, drei oder vier, was verschlug es? Diese politischen Mollusken liessen sich doch in jede beliebige Form pressen. Hannover wuenschte einen Sonderbund der Kuestenstaaten. In lehrhafter Denkschrift bewies Smidt von Bremen, dass die Vereinsstaaten teils in horizontaler, teils in vertikaler Richtung zu den grossen deutschen Handelsstrassen laegen; sie moechten also zwei oder drei Gruppen bilden. Die freie Stadt Bremen, versteht sich, muesse unabhaengig bleiben, denn sie "qualifiziert sich von selbst als eine Ausnahme von der Regel des Handelsvereins". Indes begann dem gewiegten Handelspolitiker doch unheimlich zu werden; er riet dringend zu Verhandlungen mit den beiden anderen Zollvereinen. Unverhohlen sprach sich die aengstliche Unlust der thueringischen Staaten aus. Reuss beantragte sofort Verhandlungen mit Preussen zu eroeffnen; Meiningen und Gotha drohten, ihres eigenen Weges zu gehen, wenn der Verein nicht mit Preussen sich verstaendige. Geschaeftig trugen die Bevollmaechtigten der kleinen Thueringer dem preussischen Gesandten Haenlein die Geheimnisse des Vereins zu. Doch die groesseren Staaten Hannover, Sachsen, Hessen, Weimar blieben hartnaeckig. Die rastlosen Treiber Carlowitz, Grote, Conta brachten endlich am 11. Oktober 1829 einen neuen Bundesvertrag zustande. Die Verpflichtung, einseitig keinem auswaertigen Zollverein beizutreten, wurde verlaengert bis zum Jahre 1841, weil der preussisch-bayrische Vertrag bis zu diesem Jahre waehrte. Die Durchfuhrzoelle auf den grossen, das Ausland mit dem Auslande verbindenden Strassen sollten nur nach gemeinsamer Verabredung veraendert werden. Es lag auf der Hand, dass dieser Artikel allein bestimmt war, den Verkehr zwischen Preussen und Bayern zu erschweren, die Wiederholung der Gothaer und Meininger Vorgaenge zu verhindern. Preussen versuchte auch sofort den Beschluss zu hintertreiben. Eichhorn schrieb an Buelow in London: "von der kurhessischen Regierung ist man schon lange gewohnt, dass sie das Verkehrte tut und keine Verhaeltnisse achtet"; unbegreiflich aber sei Hannovers Verhalten; der Gesandte solle daher in London nachdrueckliche Beschwerden erheben. Trotzdem ging der Beschluss durch, und nach dieser unzweideutigen Feindseligkeit bestimmte man in Kassel noch, dass Sachsen, Hannover und Kurhessen im Namen des Vereins Verhandlungen mit Preussen eroeffnen sollten -- jenes Kurhessen, das sich in den groebsten Beleidigungen gegen den Berliner Hof erging! Im uebrigen blieb auch dieser zweite Vertrag nahezu inhaltlos; keine irgend erhebliche Verkehrserleichterung war vereinbart. Daher erhob sich sofort nach dem Abschlusse des Vertrages ueberall heftiger Widerstand. Die Ratifikation konnte erst im April 1830 erfolgen. Meiningen und Gotha versagten ihre Zustimmung. Die reussischen Laender folgten am 9. Dezember 1829 dem Beispiel ihrer Nachbarn, sie vereinbarten mit Preussen Handelserleichterungen und Strassenbauten und versprachen, dem preussischen oder dem bayrischen Verein beizutreten, sobald sie ihrer Pflichten gegen die Mitteldeutschen ledig seien. Im Frankfurter gesetzgebenden Koerper fragte man murrend: warum verstaendige Kaufleute sich verpflichten sollten, zwoelf Jahre lang nichts zu tun? Einflussreiche Firmen forderten den Anschluss an Preussen, selbstverstaendlich nicht zu gleichem Rechte: das maechtige Frankfurt sollte nur "einen Freihafen des preussischen Vereins" bilden. Die Stadt litt schwer; Spedition und Fabriken begannen nach Offenbach ueberzusiedeln. Dennoch behauptete die oesterreichische Partei die Oberhand. Sachsen und Weimar, erschreckt durch den schwunghaften bayrisch-preussischen Verkehr dicht neben ihren Grenzen, knuepften ihre Ratifikation an den Vorbehalt: vom Jahre 1835 muesse ihnen der Austritt freistehen, falls bis dahin Preussen und Bayern zu einem Zollverein sich verschmolzen haetten. Der rastlose Roentgen reiste von einer preussischen Gesandtschaft zur anderen, versuchte sich zu entschuldigen: wer haette denn vor einem Jahre ahnen koennen, dass Preussen in der orientalischen Frage und in den Zollsachen eine so glueckliche Rolle spielen wuerde? Als Maltzan allen Anzapfungen nur ein diplomatisches Schweigen entgegensetzte, fuhr der beleidigte Nassauer heraus: "Es ist unrecht, auch den kleinsten Feind zu missachten" -- worauf jener verbindlich erwiderte: "Also Ihr seid unsere Feinde?" Endlich genehmigte Nassau den Vertrag nur mit der Erklaerung: als unbedingt verpflichtend koenne er nicht gelten. So drohten Abfall und Verrat von allen Seiten her. Bei der verblendeten Selbstueberschaetzung dieser Kabinette laesst sichs nicht leicht entscheiden, ob die drei fuehrenden Mittelstaaten ernstlich hofften, Zugestaendnisse von Preussen zu erlangen, oder ob sie die Verhandlungen mit dem Berliner Hofe lediglich begannen, um ihre unzufriedenen thueringischen Bundesgenossen zu beschwichtigen. Genug, das hannoeversche Kabinettsministerium richtete schon am l4. August an Bernstorff die Frage, ob Preussen mit den Verbuendeten unterhandeln wolle, und fuegte in der ueblichen hochtrabenden Weise hinzu: "Der Verein sei wohl imstande, solche Vorteile anzubieten, welche die Zugestaendnisse aufwiegen duerften". In Berlin ergriff man die Gelegenheit, den Mitteldeutschen unumwunden die Meinung zu sagen und zugleich den nationalen Sinn der preussischen Handelspolitik ausfuehrlicher als je zuvor darzulegen. Ein Ministerialschreiben vom 31. Oktober 1829 hielt der hannoverschen Regierung ihr gehaessiges unaufrichtiges Verfahren vor, schilderte drastisch den Handelsverein, der "nichts Gemeinsames habe als das Motiv, woraus er entsprang; im uebrigen findet man nur ein Aggregat besonderer Interessen". Wesentliche Vorteile hat der Verein uns nicht zu bieten, es muesste denn sein, dass er den Verkehr zwischen unseren Provinzen erschweren wollte. "Vor dergleichen feindseligen Massregeln hegt die preussische Regierung ueberhaupt keine Besorgnis." Mit Hannover allein sind wir bereit zu verhandeln, nicht mit einer Mehrzahl grundverschiedener Staaten. Preussen hat jetzt, nach den neuesten vorteilhaften Vertraegen, noch weniger als sonst ein unmittelbares Interesse an solchen Verhandlungen, sondern nur das eine Interesse, "dass dadurch eine engere Verbindung zwischen den deutschen Voelkern begruendet und durch diese ein neuer Segen ueber Deutschland und dessen einzelne Staaten verbreitet werde. Wird dabei der Grundsatz befolgt, solche gemeinschaftliche Massregeln zu verabreden, wodurch nur in dem eigenen Gebiet bisher bestandene Hemmungen im gegenseitigen Verhaeltnis zueinander aufgehoben und keine neuen zur Stoerung des Verkehrs mit anderen Staaten angeordnet werden, so kann sich niemand ueber eine Vereinigung, welche auf einer solchen Grundlage errichtet wird, beschweren. Jede solche Vereinigung bildet vielmehr den Uebergang zu einer neuen; und in einer solchen praktisch fortschreitenden Entwicklung, welche keinem feindseligen Prinzip Raum gibt, laesst sich hoffen, dass allmaehlich das Problem einer gegenseitigen Freiheit des Verkehrs zwischen den deutschen Staaten in dem groesstmoeglichen Umfange, welchen ueberhaupt die Natur der Verhaeltnisse gestattet, geloest werde." Hannover suchte noch einige unwahre Entschuldigungen vorzubringen, doch allein mit dem Berliner Hofe zu verhandeln, war dem Welfenstolze unmoeglich. Sachsen und Kurhessen unterliessen nunmehr jede Anfrage; indes konnte sich der Dresdener Hof eine Rechtfertigung seiner Handelspolitik nicht versagen. Geh. Rat v. Koenneritz(107) -- in spaeteren Jahren als Minister eine Saeule der hochkonservativen Partei --, verfasste eine Denkschrift im kursaechsischen Kurialstile und wiederholte darin die alten hundertmal widerlegten Anklagen gegen das preussische Zollsystem. Dann versicherte "Man annoch fordersamst": der Mitteldeutsche Verein sei "eine voelkerrechtlich vollkommen statthafte und in der Staatengeschichte gar nicht ungewoehnliche Uebereinkunft mehrerer souveraener Staaten, eine zur Rettung der dem hiesigen Lande unentbehrlichen Nahrungszweige, des Fabrikwesens und des Handels, notwendig bedungene Massregel" -- und sprach sein Befremden aus, dass Preussen dieser unschuldigen Verbindung entgegenarbeite. Motz, von Eichhorn befragt, ob eine Verhandlung mit Sachsen raetlich sei, erwiderte: "Sachsen gewinnt durch eine Zollvereinigung mit Preussen in allen Beziehungen vorzugsweise, und Preussen kann dieselbe mehr nur in politischer, weniger in finanzieller Beziehung wuenschen. Auch die politischen Vorteile sind mehr in der hierdurch gefoerderten Einigung von Deutschland als in dem besonderen Anschluss von Sachsen an Preussen zu suchen. Sachsen kann freundlicher, ruecksichtsvoller Verhandlungen gewaertig sein, wenn es seine mitteldeutschen Verpflichtungen aufgibt, deren Dauer den Anschluss an das preussische Zollsystem geradezu verhindert. Herr v. Koenneritz gehoert zu den beschraenkten einseitigen Koepfen, deren Belehrung, wenn man auch Zeit daran wenden wollte, ebenso unfruchtbar bleiben wuerde als die ganze Idee des Mitteldeutschen Vereins." Darauf verwies das Auswaertige Amt dem Gesandten in Dresden, dass er das anmassende saechsische Schriftstueck angenommen habe, und begnuegte sich, die Beschuldigungen der Denkschrift kurz zu widerlegen. Unterdessen arbeitete Hannover heimlich an einem Verein der Kuestenstaaten. Am 27. Maerz 1830 kam zu allgemeiner Ueberraschung der Eimbecker Vertrag zustande, ein Werk Grotes, die Grundlage des spaeteren norddeutschen Steuervereins. Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Kurhessen verpflichteten sich, innerhalb des Mitteldeutschen Vereins einen Zollverein mit gemeinschaftlichen niedrigen Zoellen zu bilden. Vorderhand war alles freilich noch Entwurf. Dass die Kuestenstaaten sich zusammentaten, erschien nicht ganz unnatuerlich; Motz selbst urteilte mild ueber den Eimbecker Vertrag. Hannover war nun einmal unfrei der englischen Handelspolitik gegenueber; auch bestand damals weit verbreitet und festgewurzelt die Meinung, dass die Volkswirtschaft der Nordseekueste von den preussischen Zustaenden sehr weit abweiche -- ein Vorurteil, das erst nach zwei Jahrzehnten ueberwunden wurde. Um so mehr musste die Teilnahme des Binnenlandes Kurhessen befremden. Die Luft ward schwuel in dem ungluecklichen Lande. Die Reichenbach befuerchtete einen Aufstand; irgend etwas, stellte sie dem Kurfuersten vor, muesse geschehen, um das misshandelte Volk zu beschwichtigen. Da nun der Kurfuerst nicht mit Preussen gehen wollte, so schloss er den Eimbecker Vertrag, der mindestens an der hannoverschen Grenze Erleichterungen versprach. -- Das war die Lage der deutschen Volkswirtschaft, als die Julirevolution hereinbrach, das alte System in den Hauptstaaten des Mitteldeutschen Handelsvereins ueber den Haufen warf und also dem Verein den letzten Stoss gab. Motz selber sollte den vollstaendigen Sieg seiner Ideen nicht erleben; er starb, erst vierundfuenfzigjaehrig, am 30. Juni 1830. Er nahm ins Grab die feste Zuversicht, dass Preussens Handelspolitik die eingeschlagenen Bahnen nicht mehr verlassen koenne; "mein eigenes Departement macht mir am wenigsten Sorge", sagte er oft in seinen letzten Tagen. Wie gaenzlich hatte sich Preussens deutsche Machtstellung veraendert in den fuenf Jahren, seit dieser Mann den Staatshaushalt leitete! Die auslaendische Presse selbst, die sonst so gleichgueltig an den deutschen Dingen vorueberging, fing schon an aufzumerken. Wenn diese Staaten, schrieb der Constitutionnel, schon die Einheit ihrer Handelsinteressen erkennen, so werden sie auch bald entdecken, dass sie dieselben politischen Interessen haben, und das wird ein Sieg sein ueber Oesterreich. Die Edinburgh Review aber sagte mit jener englischen Bescheidenheit, die sich auch im Lobe nie verleugnet: "Die preussische Handelspolitik, die vielleicht der jedes anderen Staates in der Welt ueberlegen ist, verdankt ihren Ursprung wahrscheinlich dem Selbstbereicherungstriebe eines absoluten Herrschers." Vor kurzem noch verhasst und gemieden, war Preussen jetzt mit den bekehrten Kernlanden des Rheinbundes zu einem grossen nationalen Zwecke verbuendet. Das vor zehn Jahren von ganz Deutschland bekaempfte preussische Zollgesetz begann bereits siegreich vorzudringen, und schon liess sich voraussehen, dass es seine Herrschaft bis zum Bodensee erstrecken wuerde. In Berlin, nicht mehr in Frankfurt und Wien, wurden die grossen Geschaefte der Nation erledigt. Motz hatte in einem kurzen diplomatischen Kriege, der mit seinen fest und sicher geleiteten weitverzweigten Verhandlungen an die Entstehung des fridericizianischen Fuerstenbundes erinnert, nicht bloss den Gegenzollverein nahezu gesprengt, sondern auch durch geistige Waffen die Gegner geschlagen, den Unsinn des feindlichen Unternehmens dargetan und vor aller Welt erwiesen, dass Oesterreich fuer die Noete der Nation nur leere Worte hatte, Preussen die heilende Tat. Nicht eine zufaellige Verkettung der Umstaende fuehrte den Sueden auf kurze Zeit mit dem Norden zusammen, wie einst die Genossen des Fuerstenbundes. Die Gemeinschaft, die jetzt sich bildete, war unzerstoerbar. Sie entsprang den Lebensbeduerfnissen eines arbeitenden Jahrhunderts, und ueber ihren unscheinbaren ersten Anfaengen waltete der freie Geist eines Mannes, der fast allein in mueder, verdrossener Zeit schon hellen Auges die schlummernden Kraefte des germanischen Riesen erkannte, die grosse Zukunft des "in Wahrheit verbuendeten Deutschlands" ahnte. Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte usw. III, 623ff. ------------------ 65 Maximilian I., Joseph, Koenig von Bayern von 1805-1825, geb. 27. Mai 1756. 66 Staat im Staate. 67 August v. Roentgen, geb. 10. Juni 1781, gest. 5. August 1865, damals nassauischer Gesandter in Muenchen. 68 Wilhelm (gest. 20. August 1839). 69 Ludwig, seit 13. Oktober 1825 Koenig Ludwig I. 70 Karl Salomon Zachariae von Lingenthal, geb. 14. September 1769, gest. 27. Maerz 1843, Professor der Rechte an der Universitaet Heidelberg, 1825 Mitglied der zweiten badischen Kammer. 71 Ludwig I., geb. 14. Juni 1753, gest. 6. April 1830. 72 Preussischer Gesandter am badischen Hofe. 73 Karl Ludwig Wilhelm v. Grolman, geb. 23. Juli 1775, gest. 14. Februar 1829, Professor der Rechte in Giessen, seit 1819 Minister des Innern und der Justiz. 74 Joachim Graf v. Muench-Bellinghausen, geb. 29. September 1786, gest. 3. August 1866, von 1823-1848 oesterreichischer Bundestagsgesandter. 75 Friedrich Karl Gustav Freiherr v. Langenau, oesterreichischer Feldmarschalleutnant, war von 1817-1827 oesterreichischer Bevollmaechtiger bei der Militaerkommission der deutschen Bundesversammlung. 76 Philipp Moritz Freiherr v. Schmitz-Grollenburg, geb. 22. Dezember 1765, gest. 27. November 1849, seit 1821 als wuerttembergischer Gesandter in Muenchen. 77 Joseph Ludwig Graf v. Armansperg, geb. 28. Februar 1787, gest. 3. April 1853, seit 1826 bayrischer Finanzminister. 78 So Treitschke. Doch liegt hier eine Verwechslung mit Joseph v. Baader vor, der, geb. 30. September 1763, gest. 20. November 1835, Ingenieur war und um das Eisenbahnwesen in Bayern sich hoch verdient gemacht hat. Sein Bruder Franz v. Baader war in erster Linie Philosoph, beschaeftigte sich aber auch mit technischen und naturwissenschaftlichen Studien. 79 Napoleons Sohn von Marie Louise, der den Titel eines roemischen Koenigs trug. 80 Emmerich Joseph Herzog v. Dalberg, geb. 30. Mai 1773, gest. 27. April 1833, Pair von Frankreich und franzoesischer Gesandter am Turiner Hofe. 81 Karl Friedrich Graf Reinhard, Pair von Frankreich, geb. 2. Oktober 1761, gest. 25. Dezember 1837, damals franzoesischer Gesandter am Bundestag. 82 Als "drittes Deutschland" bezeichnete man die Mittel- und Kleinstaaten als Gegengewicht gegen Preussen und Oesterreich. 83 Oldwig v. Natzmer, geb. 18. April 1782, gest. 1. Nov. 1861. 84 Graf Detlev v. Einsiedel, geb. 12. Oktober 1773, gest. 20. Maerz 1861, von 1813-1830 als Minister ein Gegner aller Reformen. 85 Eduard von Wietersheim, geb. 10. September 1787, gest. 16. April 1865, damals Kreishauptmann in Plauen, von 1840-1848 saechsischer Kultusminister. 86 Georg August Ernst v. Manteuffel, geb. 26. Oktober 1765, gest. 8. Januar 1842, Praesident des Geh. Finanzkollegiums, seit 1828 Konferenzminister, in Sachsen verhasst wegen seines starren Widerstandes gegen jede Reform. 87 Hans Georg v. Carlowitz, geb. 11. Dezember 1772, gest. 18. Maerz 1841, von 1821-1827 Koenigl. saechsischer Bundestagsgesandter. 88 Christoph Anton Ferdinand v. Carlowitz, geb. 6. Juni 1785, gest. 21. Januar 1840. 89 Christian Wilhelm Schweitzer, geb. 1. November 1781, gest. 26. Oktober 1856, anfangs Professor der Rechte an den Universitaeten Wittenberg und Jena, wurde 1818 ins Ministerium berufen als Geheimer Staatsrat mit Sitz und Stimme im Ministerium, doch ohne ein bestimmtes Departement. 90 Bernh. Aug. v. Lindenau, geb. 11. Juni 1779, gest. 12. Mai 1854, von 1827-29 saechs. Bundestagsgesandter, darauf Direktor der Kommerziendeputation, 1830 Kabinettsminister, von 1831 bis 1843 Staatsminister. -- Vor seinem Eintritt in den Koenigl. saechs. Staatsdienst war er erst in Sachsen-Gotha-Altenburg taetig, dann nach der Teilung als Landschaftsdirektor in S.-Altenburg. Literarisch ist er durch Arbeiten auf dem Gebiete der Sternkunde hervorgetreten. 91 Grossherz. hess. Geheimrat und Bundesgesandter fuer die XVI. Kurie, gest. 6. April 1839. 92 Ernst Friedr. Herbert Reichsgraf zu Muenster-Ledenburg, geb. 1. Maerz 1766, gest. 20. Mai 1839, von 1805-1831 Minister fuer die hannoeverschen Angelegenheiten am Londoner Hofe. 93 Aug. Otto Graf Grote, geb. 19. November 1747, gest. 26. Maerz 1830, hannov. Gesandter in Hamburg. 94 Joh. Smidt, geb. 5. November 1773, gest. 7. Mai 1857, anfangs Professor der Geschichte am Bremer *Gymnasium illustre*, dann Syndikus und Ratsherr, war 1821-1849 u. 1852-1857 Buergermeister. 95 des bestehenden Zustandes. 96 nicht darueber hinaus. 97 irgendein Drittes. 98 Hans Christoph Ernst Freiherr v. Gagern, geb. 25. Januar 1766, gest. 22. Oktober 1852, politischer Schriftsteller und einige Jahre als Gesandter fuer Luxemburg beim Deutschen Bunde taetig. 99 Des satirischen Dichters Gottlieb Wilh. Rabener (geb. 1714, gest. 1771). 100 Karl Freiherr v. Varnbueler, geb. 12. August 1776, gest. 27. April 1832, wuerttembergischer Finanzminister. 101 Joh. Friedrich Cotta, Freiherr v. Cottendorf, geb. 27. April 1764, seit 1787 Chef der Cottaschen Buchhandlung, vielfaeltig auch in politischen Verhandlungen taetig, gest. 29. Dezember 1832. 102 Job von Witzleben, geb. 20. Juli 1783, gest. 9. Juli 1837, preuss. Generalleutnant und als Chef des Militaerkabinetts vertrauter Ratgeber des Koenigs. 103 Paul Pfizer, geb. 12. September 1801, gest. 30. Juli 1867, forderte in dem "Briefwechsel zweier Deutschen" Trennung Oesterreichs von Deutschland und eine Verzichtleistung der kleinen Fuersten auf die Rechte der Souveraenitaet zugunsten Preussens. 104 d. h. des Rechtes jedes Teils, bei Abschluss von Vertraegen seinen Namen in der fuer ihn bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde an erster Stelle aufzufuehren. 105 Adolf Trendelenburg, geb. 30. November 1802, gest. 24. Januar 1872, Professor der Philosophie an der Universitaet Berlin und Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. 106 Karl Aug. Varnhagen v. Ense, geb. 21. Februar 1785, gest. 10. Oktober 1858; erst als Offizier in oesterreichischen, nachher in russischen Diensten, wurde er 1814 in die preussische Diplomatie berufen und nahm als Hardenbergs Begleiter am Wiener Kongress teil. Seit 1821 lebte er als Geh. Legationsrat in Berlin, meist literarisch taetig, wurde aber auch gelegentlich zu politischen Sendungen verwandt. 107 Julius Traugott v. Koenneritz, geb. 1792, gest. 28. Oktober 1866, damals Hof- und Justizrat bei der Landesregierung, von 1821-1846 Justizminister. 7. Der Deutsche Zollverein. a) _Kurhessens Beitritt._ Nach dem Tode Motzs {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} erhielt sein Freund Maassen, der Begruender des Zollgesetzes, die Leitung des Finanzwesens. Die Wahl des Koenigs konnte keinen wuerdigeren Mann treffen. Maassen ueberragte den Verstorbenen durch umfassende Sachkenntnis; klug, gerecht, wohlwollend, verstand er bei den Unterhandlungen, sich das Vertrauen der argwoehnischen kleinen Kronen stets zu erhalten. Freilich fehlten ihm der kuehne Wagemut und der weite staatsmaennische Blick des Vorgaengers; er liess die Dinge gern an sich kommen und hegte nicht wie jener den Ehrgeiz, auf die Leitung der gesamten preussischen Politik einzuwirken, obgleich er als der bedeutendste Kopf des Ministeriums klar erkannte, wie gemaechlich die Mittelmaessigkeit in den anderen Departements sich wieder einzunisten begann {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} So erklaert es sich, dass die muehselige Arbeit der handelspolitischen Einigung zwar stetig vorwaerts schritt, aber zunaechst nicht so schnell gefoerdert wurde, wie man wohl erwarten konnte, nachdem Motz Schlag auf Schlag die letzten Enklaven aufgenommen, den Zollverein mit Darmstadt, den Handelsvertrag mit Bayern-Wuerttemberg abgeschlossen, den feindlichen Handelsverein der Mitteldeutschen nahezu zersprengt hatte. Die Nachspiele der Julirevolution gereichten der preussischen Handelspolitik zum Vorteil; sie raeumten ploetzlich alle die Hemmnisse hinweg, welche das alte System in den norddeutschen Mittelstaaten dem Zollverbande entgegenstellte. Durch den Untergang der staendischen Anarchie in Sachsen, der despotischen Willkuer in Hessen war die Verwaltung beider Laender den preussischen Institutionen angenaehert worden; frueher oder spaeter musste die Verstaendigung erfolgen. In Kurhessen zunaechst wurde die Morschheit des alten Mautwesens offenbar. Nicht zuletzt die wirtschaftliche Not hatte die Volksbewegungen im Herbst 1830 hervorgerufen. Das Laendchen mit seinen 154 Geviertmeilen besass 154 Meilen Zollgrenze. Frecher als irgendwo auf deutschem Boden gedieh hier der Schmuggel; in geschlossenen Scharen zogen die Schwaerzer aus, massen sich mit den Zollwaechtern in offenem Gefechte. Waehrend die Kosten der Zollverwaltung den Ertrag der Eingangsabgaben fast verzehrten, begann jetzt auch der ergiebige Durchfuhrzoll zu versiegen, da der Transit sich nach der neuen Thueringer Strasse hinueberzog. Als die Unruhen ausbrachen, verliessen alle Mautbeamten im Hanauischen und Fuldischen ihre Amtshaeuser; Massen fremder Waren stroemten unverzollt ins Land, und der Bundesgesandte Meyerfeld erklaerte dem Bundestage, die Regierung duerfe nicht wagen, die Zollaemter wieder herzustellen. Entsetzt schrieb Blittersdorff: "Die Mauten koennen leicht fuer ganz Deutschland ein Losungswort des Aufruhrs werden." Doch wie konnte Kurhessen aus dem unertraeglichen Notstande heraus? Die Regierung war zwiefach gebunden: durch den Mitteldeutschen Handelsverein und durch den Eimbecker Vertrag. Jener lag im Sterben, dieser war vorderhand noch ein Entwurf, aenderte nichts an den Leiden des Landes. Man schwankte lange; noch im Herbst 1830 widmete Geh. Rat Meisterlin, einer der Urheber des Eimbecker Vertrags, den Landstaenden eine Flugschrift, die den Eintritt in das preussische Zollsystem verwarf, weil Hessens Gewerbefleiss die Mitwerbung der ueberlegenen rheinischen Industrie nicht ertragen koenne. Die alte Abneigung des Kurfuersten gegen Preussen war nicht verflogen, auch schien ihm doch bedenklich, eine zweifache Verflichtung ohne weiteres zu brechen. Er wuenschte -- und mit ihm wohl die Mehrzahl im Lande -- einen Mautverband des gesamten Deutschlands, der die Sonderbuende von selbst aufgehoben haette. In diesem Sinne musste Meyerfeld bei dem bayrischen Bundestagsgesandten Lerchenfeld vertraulich anfragen. Das Muenchener Kabinett aber kannte jetzt die handelspolitischen Plaene wie die Verhandlungsweise des Berliner Hofes; daher gab Graf Armansperg an Lerchenfeld die verstaendige Weisung: diese Sache sei vorsichtig dahin zu lenken, dass sie in Berlin unter Preussens Leitung erledigt werde. Gleichwohl konnte der Kurfuerst sich noch immer nicht entschliessen, mit dem verhassten Preussen und dem so groeblich beleidigten Darmstaedter Vetter allein zu verhandeln. Noch im folgenden Fruehjahr erhielt Meyerfeld den Auftrag, die Vereinigung saemtlicher deutscher Mautverbaende beim Bundestage zu beantragen; da warnte ihn Nagler: niemals werde Preussen einer solchen Utopie zustimmen. Unterdessen hatte Motz, ein Verwandter des preussischen Ministers, das hessische Finanzministerium uebernommen. Die Anarchie im Zollwesen ward unhaltbar; die Kommissaere des Eimbecker Vereins, die in Hannover tagten, konnten sich nicht einigen. Motz und sein wackerer Amtsgenosse Schenk zu Schweinsberg bewogen endlich den Kurfuersten, dass er die Geheimraete Ries und Meisterlin im Juni nach Berlin schickte, um mit Preussen-Darmstadt und Bayern-Wuerttemberg zugleich einen Zollverein zu schliessen. Doch unerbittlich hielt Eichhorn den beiden Bevollmaechtigten den alten preussischen Grundsatz entgegen: Verhandlungen mit mehreren Staaten zugleich sind aussichtslos. Vergeblich straeubte sich der Kurfuerst; man musste sich der Forderung des Berliner Hofes fuegen, mit Preussen-Darmstadt allein verhandeln. In Maassens Auftrag fuehrte L. Kuehne die Unterhandlung. Der schlicht buergerliche kleine Mann erwies sich jetzt schon, wie spaeterhin in allen Geschaeften des Zollvereins, als meisterhafter Diplomat. Klar und bestimmt, mit ueberlegener Sachkenntnis und ehrlichem Wollen, entwickelte er seine Vorschlaege; wenn ihm aber das toerichte Misstrauen der Kleinen entgegentrat, dann funkelten seine kleinen scharfen Augen, und er fertigte alle Winkelzuege mit schneidenden Sarkasmen ab. Auf die Frage des Preussen, ob Kurhessen nicht noch durch die mitteldeutschen Handelsvertraege gebunden sei, verweigerten die Hessen jede Antwort, weil ihnen das Gewissen schlug. Man ging also ueber diesen wunden Punkt schweigend hinweg. Die Kurhessen draengten zur Eile; denn sie befuerchteten einen neuen Umschwung an ihrem heimischen Hofe, wo Oesterreich und England-Hannover alle Minen springen liessen, und sie wollten, geaengstigt durch die nahende Cholera, den unheimlichen Boden Berlins schleunigst wieder verlassen. Schon am 29. August 1831 war alles beendigt. Um dem zollvereinsfreundlichen Koenige von Bayern eine Ehre zu erweisen, wurde der Vertrag auf den Ludwigstag (25. August) zurueckdatiert. Kurhessen trat dem preussischen Zollsystem bei, im wesentlichen unter denselben Bedingungen wie einst Darmstadt. Der alte Kurfuerst liess diese Demuetigung noch ueber sich ergehen, wenige Tage bevor er die Regierung seinem Sohne abtrat. Vor sieben Jahren war man in Berlin bereit gewesen, ein erhoehtes Einkommen an Kurhessen zu bewilligen; jetzt hatte das Kurfuerstentum seinen Durchfuhrhandel verloren und durch gehaeufte Suenden jeden Anspruch auf Beguenstigung verscherzt. Hessen musste sich begnuegen mit dem Massstabe der Kopfzahl. Der Vertrag war fuer Kurhessen eine politische Notwendigkeit, er rettete das Land aus namenlosem Elend. Selbst der Kasseler Landtag wagte nicht zu widersprechen. Die mitteldeutschen Verbuendeten freilich drohten und laermten. Nicht ohne Grund: Kurhessen hatte in den rohesten Formen seine Vertragspflicht gebrochen, ohne auch nur ernstlich eine Verstaendigung mit den alten Bundesgenossen zu versuchen. Fuer Preussen dagegen war ein klarer Gewinn errungen. Wie die Gotha-Meininger Strasse den Verkehr mit dem Sueddeutschen Verein gesichert hatte, so wurde jetzt die lang ersehnte Verbindung zwischen dem Osten und dem Westen hergestellt, der Mitteldeutsche Verein noch an einer zweiten Stelle durchbrochen. Waehrend in Thueringen die Zollfreiheit der preussischen Durchfuhrstrasse den mitteldeutschen Verbuendeten gefaehrlich wurde, musste Kurhessen die hoeheren Transitzoelle des preussischen Tarifs einfuehren. Auf Bayerns dringende Vorstellungen setzte Preussen diese hessischen Zoelle bald auf die Haelfte herab. Eine noch weitergehende Verminderung war vorderhand untunlich; die mitteldeutschen Verbuendeten, vornehmlich die Frankfurter Kaufleute, sollten fuehlen, dass sie von Preussen abhingen, und durch heilsamen Druck bestaerkt werden in ihrer beginnenden Bekehrung. Durch den Abfall Kurhessens ward der Mitteldeutsche Handelsverein vernichtet. Der Liberalismus freilich kam so schnell nicht los von den liebgewonnenen Phrasen. In Bayern deklamierte Siebenpfeiffer gegen die Maut: sie haette zur Volkssache werden sollen und ist zur Volksfeindin geworden! Stromeyer in Baden schrieb in die gefuerchtete Zeitschrift "Rheinbayern" einen donnernden Artikel: Die preussische Aristokratenstirne wagt es, sich an das Nationalgefuehl zu wenden! In Preussen herrscht, haerter als irgendwo auf der Welt, die eiserne Konsequenz des Merkantilsystems; der Mitteldeutsche Verein vertritt die Freiheit. Darum soll Baden festhalten an seinem trefflichen liberalen Zollwesen. Dann wird Wuerttemberg, das ohnedies durch seine hohe politische Bildung dem konstitutionellen Musterstaate nahe steht, und bald auch das konstitutionelle Bayern, Sachsen, Kurhessen dem badischen System sich anschliessen! -- Auch einer der edelsten und gelehrtesten Vertreter deutscher Wissenschaft brach eine Lanze fuer den sterbenden Sonderbund. Johann Friedrich Boehmer(108) verfasste das wunderliche Buechlein "das Zollwesen in Deutschland geschichtlich beleuchtet". Der Legitimist des heiligen Reiches stellte den kuehnen Satz auf, die Zollfreiheit der deutschen Fluesse muesse von Recht wegen auch fuer die Landstrassen gelten. Er pries den Mitteldeutschen Verein als "den letzten Versuch, von dem, was einstens als gemeines deutsches Recht und Freiheit gegolten, soviel wie moeglich, wenigstens vertragsweise zu sichern". Er schalt Preussen den "Reichsfeind und Landfriedensbrecher", warnte die Kleinstaaten, "wie leicht sich Einverleibungen der Nachbarlaender an Zollangelegenheiten knuepfen", und getroestete sich des schoenen Wortes, das vor zwoelf Jahren der k. k. Praesidialgesandte gesprochen: dass "die hohe Bundesversammlung die Befoerderung und Erfuellung des deutschen Handels in die Hand nehmen werde!" Die saechsischen Hoefe waren laengst nicht mehr in der Lage, solchen Schrullen nachzuhaengen. Die Not des Haushalts, das laute Murren des Volkes zwang sie, demuetig bittend in Berlin anzuklopfen. Armselige Advokatenkuenste mussten vorhalten, um den Vertragsbruch zu beschoenigen. Meiningen behauptete, der Mitteldeutsche Verein sei durch den Eimbecker Vertrag zerrissen worden, er bestehe nicht mehr zu Recht. Der Verrat des einen diente dem anderen zum Vorwande; sobald die kleinen Thueringer schwankten, berief sich das Dresdner Kabinett auf den Artikel des Kasseler Vertrages, wonach die gaenzlich vom Auslande umschlossenen Gebietsteile den Satzungen des Vereins nicht unterliegen sollten. Das sei jetzt Sachsens Fall, wenn Thueringen sich mit Preussen verstaendige -- eine offenbare Sophisterei, da jene Klausel sich nur auf entlegene Enklaven bezog. Wollte der saechsische Hof ehrenhaft verfahren, so musste er sofort einen neuen Kongress der mitteldeutschen Verbuendeten berufen, dort die Aufloesung des unhaltbaren Vereins beantragen und dann erst mit Preussen unterhandeln. Aber die alte Politik der Winkelzuege, der Halbheit, des Misstrauens gegen Preussen wurde selbst unter dem neuen Ministerium Lindenau nicht sogleich aufgegeben. Die saechsische Regierung glaubte, ihre Wuensche in Berlin sicherer durchsetzen zu koennen, wenn sie an dem Gespenste des Mitteldeutschen Vereins noch einen Rueckhalt haette; sie begann mit Preussen zu verhandeln, noch bevor sie ihrer aelteren Verpflichtung entbunden war. Nachdem das Dresdner Kabinett schon im August 1830 bei den sueddeutschen Kronen leise angefragt, musste sich der alte Koenig Anton endlich entschliessen, an den Koenig von Preussen selber zu schreiben. Er beteuerte, dass er laengst die Absicht gehabt, mit Preussen in kommerzielle Verbindung zu treten "und somit im Sinne des hochwichtigen und wohltaetigen Zwecks zu handeln, dessen Erreichung von Ew. Majestaet bereits seit laengerer Zeit beabsichtigt wird. Dass diese Verhandlung von Preussen begonnen und eingeleitet werde, scheint die notwendige Bedingung des Erfolges zu sein." Lindenau, der im Januar 1831 dies Handschreiben nach Berlin brachte, ueberreichte zugleich eine Denkschrift, worin Sachsen den Entschluss aussprach, die Aufloesung des Mitteldeutschen Vereins durchzusetzen, "da Veranlassung, Zweck und Grund des Vereins nicht mehr vorhanden sind. Das Beduerfnis einer bewegten Zeit, die Zuversicht, durch den Antritt einer solchen Verhandlung die aufgeregten Gemueter am sichersten zu beruhigen, endlich die Hoffnung, dass ein solcher die Mehrzahl der deutschen Bundesstaaten umfassender Verband auch auf die groesseren Weltereignisse einen friedlich besaenftigenden Einfluss aeussern koenne", ermutigten den saechsischen Hof, die Verhandlungen in Berlin zu beginnen. Noch klaeglicher war die Demuetigung Weimars. Derselbe Minister Schweitzer [S. Fussnote S. 132], der seit Jahren das preussische Zollsystem als den Todfeind deutscher Handelsfreiheit bekaempft hatte, versicherte im Juli 1830 dem Auswaertigen Amte: "dass zur Foerderung des von dem Koenig von Preussen begonnenen, in seinen Zwecken und seinen Gruenden immer klarer hervortretenden deutschen Werkes, also zur Foerderung eines freien Handels und Verkehrs im deutschen Vaterlande von Preussen aus, der Grossherzog von Weimar im Einverstaendnis mit dem Koenigreich Sachsen mit Vergnuegen die Hand bieten wird." Dann sang der weimarische Minister Fritsch [S. Fussnote S. 47] die Totenklage des Sonderbundes: "Auf hinreichende Zeit zur Ausbildung des Vereins ist nicht mehr zu rechnen, nachdem die grossen welthistorischen Ereignisse seit dem 25. Juli 1830 und deren Folgen auf deutschem Boden eine weit schleunigere Hilfe notwendig gemacht, man kann sagen, die Uebel, welche als chronische behandelt werden sollten, in akute verwandelt haben. Nur Schaden, nur Verderben koennte es bringen, wenn man sich unter solchen Umstaenden noch gegenseitig beschraenken, sich zum Nichtstun verpflichtet halten wollte in einer Zeit, welche in allen oeffentlichen Dingen ganz andere Forderungen stellt. Was uns die Jahre 1829 und 1830 genommen und gebracht haben, liess sich im Jahre 1828 nicht voraussehen, nicht vorausahnen. Der Kasseler Verein war und bleibt ein bedeutendes Unternehmen, nicht ohne Folgen. Es wird den Stiftern desselben ein gerechtes Urteil in der Geschichte um so weniger entgehen, je bereitwilliger sie jetzt das Gestaendnis ablegen und betaetigen, dass eine ganz neue Zeit uns gekommen ist." Friedrich Wilhelm antwortete dem Koenig von Sachsen sehr freundlich, er sei bereit, Sachsens Antraege zu erwaegen, und sprach sich zugleich offen aus ueber die nationalen Ziele seiner Handelspolitik: "Wiewohl der Abschluss dieser Vertraege stets nur mit einzelnen Staaten erfolgte, so hatte man dennoch dabei nicht ein ausschliessliches Interesse der unmittelbar Beteiligten im Auge, sondern man verfolgte zugleich den Gesichtspunkt, dass die einzelnen Vertraege als Mittel dienen moechten, der Freiheit des Verkehrs in Deutschland ueberhaupt eine groessere Ausdehnung zu geben." Dem weimarischen Hofe drueckte der Minister des Auswaertigen seine Freude aus, dass unser Werk auch in den Augen Weimars "immer klarer als ein deutsches Werk hervortritt"; dann wiederholte er in schneidenden Ausdruecken die hundertmal von Preussen ausgesprochene Ermahnung: die Thueringer sollten sich erst unter sich verstaendigen, bevor Preussen mit ihnen verhandeln koenne. Nach solchen Erfolgen stand in Berlin fester denn je die Ueberzeugung, dass der eingeschlagene Weg der Einzelverhandlungen allein zum Ziele fuehre. Mit voller Sicherheit schrieb Bernstorff dem Koenig: "Die Schoepfung eines allgemeinen deutschen Zoll- und Handelssystems oder irgendeiner anderen bleibenden Institution aehnlicher Natur ist eine Aufgabe, deren Loesung dem Bunde solange unmoeglich bleiben wird, als derselbe nicht eine andere, von der jetzigen ganz verschiedene Organisation besitzt". Seit dem Zerfall des mitteldeutschen Sonderbundes schien die Bahn frei fuer die vollstaendige Vereinigung der beiden befreundeten Zollvereine des Suedens und des Nordens. Was sollte jetzt noch hindern, da beide Teile die Unhaltbarkeit des bestehenden Zustandes lebhaft empfanden? da die zwischenliegenden Staaten nicht mehr feindlich im Wege standen, sondern selbst um ihre Aufnahme baten? da das Grundgesetz des preussisch-hessischen Vereins sich von selber darbot als die Regel fuer den grossen Verein? Und dennoch musste Preussen wieder und wieder durch den Flugsand waten, der im Wuestenwinde der deutschen Kleinstaaterei emporwirbelte. Fast drei Jahre lang, von 1830 bis 1833, spielte in Berlin, vielfach unterbrochen, eine dreifache Reihe muehseliger Verhandlungen: mit Bayern- Wuerttemberg, mit Sachsen, mit den thueringischen Staaten; und das Geschaeft waere nie zum Abschluss gelangt, wenn man nicht, dem alterprobten Grundsatz getreu, die Unterhandlungen mit den einzelnen Gruppen scharf auseinandergehalten haette. Der Vergleich draengt sich unwillkuerlich auf: der Deutsche Zollverein ging aus dem Preussisch-Hessischen hervor unter aehnlichen Kaempfen und Bedenken, wie spaeterhin das Deutsche Reich aus dem Norddeutschen Bunde. Der Zollverein wie der Norddeutsche Bund stiess auf die hoechsten Schwierigkeiten erst, als die groesseren Mittelstaaten, mit ihrem festgewurzelten und nicht ganz unberechtigten Partikularismus, mit der Fuelle ihrer scheinbar oder wirklich abweichenden Interessen in die Verhandlungen eintraten. In Versailles, wie 40 Jahre zuvor in Berlin, gebaerdeten sich die sueddeutschen Kronen anfangs, als staende man vor einem Neubau, als sei noch gar kein Grundgesetz vorhanden; erst nach langem, peinlichem Zoegern erkannten sie die im Norden bestehende Ordnung an, doch indem der Bau erweitert wurde, lockerte man zugleich das feste Gefuege seiner Mauern. Der Handelsvertrag zwischen Preussen-Hessen und Bayern- Wuerttemberg war von vornherein in der Absicht fortschreitender Erweiterung abgeschlossen. In Muenchen aber begann die ultramontane Partei, sofort an dem neuen Bunde zu zerren und zu nagen. Ihre Fuehrer, Schenk(109), Goerres, Ringseis(110), standen durch den k. k. Legationsrat Wolff mit der Hofburg im Verkehr; der Gesandte in Wien, Graf Bray(111), war fuer Metternich gewonnen, desgleichen neuerdings auch der alte Feldmarschall Wrede.(112) Angesichts dieser maechtigen Gegner und der unberechenbaren Launen Koenig Ludwigs hielt Bernstorff fuer noetig, allen Begehren Bayerns soweit als moeglich entgegenzukommen. Der Muenchener Hof wuenschte zunaechst den Eintritt Badens in den bayrisch-wuerttembergischen Verein; denn das badische Gebiet ragte als ein trennender Keil zwischen die bayrische Pfalz und die Hauptmasse der Vereinslande hinein, und unter dem Schutze der geruehmten Karlsruher Freihandelspolitik, die fuer die Grenzbewachung wenig tat, bluehte auf dem Schwarzwalde wie am Rheinufer ein gefaehrlicher Schmuggelhandel. War der kraenkelnde Sueddeutsche Zollverein durch Badens Zutritt neu gekraeftigt, dann erst sollte -- so rechnete Koenig Ludwig -- ueber die voellige Verschmelzung der beiden Vereine des Nordens und des Suedens verhandelt werden {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Eine handelspolitische Verstaendigung zwischen Bayern und Baden blieb aber voellig aussichtslos, solange die beiden Hoefe einander noch als Feinde betrachteten und Koenig Ludwig seine traumhaften Ansprueche auf badisches Gebiet nicht aufgab. Als Grossherzog Ludwig starb und sein Nachfolger sogleich von allen Maechten anerkannt wurde, da wagte man in Muenchen gar nicht mehr wie frueher zu behaupten, dass mit der Thronbesteigung der Hochbergischen Linie das Haus der Zaehringer ausgestorben sei. Der Wittelsbacher trug seine vorgeblichen Ansprueche auf den "Heimfall" der badischen Pfalz stillschweigend zu Grabe. Um so mehr lag ihm daran, mindestens durch eine kleine Gebietserweiterung der Welt zu beweisen, dass Bayern doch nicht ganz im Unrecht gewesen sei. Gegen Ende Mai 1830 erschien Armansperg in tiefem Geheimnis zu Berlin und bat um Preussens gute Dienste. Koenig Friedrich Wilhelm uebernahm die Vermittlung, im Verein mit dem Koenig von Wuerttemberg, und liess den badischen Minister Boeckh nach Berlin einladen. Er hoffte nicht nur den leidigen Gebietsstreit beizulegen, sondern auch Baden zum Eintritt in den Bayrisch-Wuerttembergischen Zollverein zu bewegen. Am 10. Juli brachte Bernstorffs versoehnliches Zureden endlich eine Uebereinkunft zustande, kraft deren Baden dem sueddeutschen Verein beizutreten versprach; dafuer wollten beide Teile auf ihre Sponheimer Erbansprueche verzichten. Um Bayern gaenzlich zufrieden zu stellen, wurde noch ein geringfuegiger Gebietsaustausch irgendwo an der badischen Ostgrenze vorbehalten. Damit schien der jaemmerliche Handel aus der Welt geschafft. Metternich sprach bereits allen Teilnehmern seinen Glueckwunsch aus, und Koenig Ludwig dankte dem preussischen Minister aufs waermste {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Sobald man jedoch ueber die Ausfuehrung der Uebereinkunft verhandelte, verlangte Bayern einen Zuwachs von etwa 20000 Einwohnern und setzte erst nach langem Feilschen seine Forderung ein wenig herab; das schoene Wertheim vornehmlich, das Heidelberg der Mainlande, erschien dem romantischen Wittelsbacher unwiderstehlich verlockend. Der Karlsruher Hof wies jede groessere Gebietsabtretung entschieden zurueck und verschanzte sich hinter der gesinnungstuechtigen Entruestung seines Volkes. Die Stadt Wertheim selbst hatte freilich gegen die Abtretung wenig einzuwenden, weil die Beamten den Main-Tauberkreis als das badische Sibirien behandelten; auch der Fuerst Georg von Loewenstein, der dort Hof hielt, wollte sich als treuer deutscher Patriot den Herrschaftswechsel wohl gefallen lassen, wenn dadurch nur endlich das Elend der Binnenmauten aufgehoben wuerde. Anders empfand die grosse Mehrzahl der Liberalen; sie dachte von dem Musterlande der konstitutionellen Freiheit nicht eine Geviertmeile aufzuopfern, und ihr Entschluss stand um so fester, da sie auch den Zollvereinsplaenen misstraute. Der Hauptverkehr des langgestreckten Landes ging von Norden nach Sueden und konnte durch den Anschluss an Bayern-Wuerttemberg wenig gewinnen. Man uebersah oder wollte uebersehen, dass dieser Anschluss nur das Mittel bilden sollte zur spaeteren Vereinigung mit Preussen; unleugbar war der bayrische Plan zu fein, zu verwickelt, um sogleich vom Volke verstanden zu werden. Ueberall in Baden sprach man begeistert von einem gesamtdeutschen Zollverbande; denn soviel Boden hatte die Idee der deutschen Handelseinheit durch Preussens Siege doch gewonnen, dass niemand mehr sie schlechthin zu verwerfen wagte. Freilich benutzten viele badische Liberale das schoene Wort vom allgemeinen deutschen Zollverein nur als ein Schurzfell, um die Bloesse ihrer partikularistischen Selbstsucht zu bedecken. Wie behaglich lebte sichs doch unter der badischen Handelsfreiheit -- auf Kosten der lieben Nachbarn! Mit Stolz sah der Badener -- so sagte eine Flugschrift des Rastatter Kaufmanns F. Meyer "ueber die Zollverhaeltnisse Badens" -- wie die Nachbarn aus dem Elsass, aus Schwaben, aus der Rheinpfalz in "das wohlfeile, gastfreie" Laendle kamen, um dann ihre billigen Einkaeufe ueber die heimatliche Grenze hinueberzuschmuggeln. Nimmermehr sollte diese gemuetliche Unordnung durch eine gewissenhafte Grenzbewachung beseitigt werden. Der Freiburger Handelsstand stellte dem Landtage vor: ein Zollverein "wird rechtliche, sittlich gute Menschen in eine Rotte von Zoellnern, Schmugglern, Spionen und Gaunern verwandeln" -- wobei nur verschwiegen ward, dass die grosse Mehrzahl der badischen Geschaefte, zumal die Kolonialwarenhandlungen, dem Schleichhandel laengst als Herbergen dienten. Noch kraeftiger sprach das Strassburger Konstitutionelle Deutschland: "Maut, Maut, preussische Maut erhalten wir. Unglueckliches Vaterland! Im Geheimen, im Dunkel der Nacht wird sie dir gegeben! Wehe dir, Kammer von 1831!" Als Grossherzog Leopold sein Oberland bereiste, wurde er ueberall dringend gewarnt, und Winter(113), der in Fragen der grossen Politik immer ratlos war, wagte nicht, einer scheinbar so starken Volksueberzeugung zu widersprechen. So schleppte sich der Zank durch fast anderthalb Jahre dahin. Die beiden vermittelnden Hoefe boten alle ihre Beredsamkeit auf. Der Berliner sprach sanft, der Stuttgarter schroff: denn Koenig Wilhelm sah sein Land unmittelbar unter dem badischen Schmuggel leiden, er drohte dem Karlsruher Hofe geradezu: Bayern und Wuerttemberg wuerden "dem bisherigen ganz feindseligen Betragen Badens gemeinschaftlich ein jedes Mittel entgegensetzen, um nicht mitten in unserem Verein das System einer Regierung zu sehen, das mit Vorbedacht Unzufriedenheit und Unruhe in unserer so bedenklichen Zeit stiftet". Ebenso vergeblich schrieb Koenig Ludwig selbst in seinem wuchtigsten Partizipialstile an den Grossherzog: "durch meine letzten Vorschlaege habe ich das Aeusserste getan, um die Sponheimer Angelegenheit zur Ausgleichung zu bringen, von und grossem Wert ist mir die von Ew. K. Hoheit ausgedrueckte Willfaehrigkeit, damit sie und Beitritt zum Zollverein stattfinde, ueberzeugt, dass fester Wille beides bei Ihren Staenden durchsetzen werde". An diesem festen Willen gebrach es dem badischen Hofe gaenzlich. Die Minister verteidigten den Zutritt zum Sueddeutschen Zollverein sehr lau; Welcker(114) tobte mit gewohnter Wortfuelle gegen die absolute preussische Krone, Rotteck(115) unterstuetzte ihn etwas ruhiger. Die phrasenreichen Verhandlungen gereichten dem Musterlandtage wenig zur Ehre; ueber die volkswirtschaftliche Bedeutung der Frage wussten nur einzelne grosse Geschaeftsmaenner ein treffendes Wort zu sagen, so der liberale Fabrikant Buhl aus Ettlingen und der Tabakshaendler v. Lotzbeck aus Lahr. Selbst der liberale E. E. Hoffmann, der aus Darmstadt herueberkam, um den badischen Parteifanatikern Vernunft zu predigen, richtete nichts aus. Schliesslich einigte sich der Landtag ueber eines jener unwahren Kompromisse, wie sie der Partikularismus liebt, wenn er nichts mehr zu sagen weiss. Beide Kammern verwarfen einstimmig den Eintritt in den Sueddeutschen Verein und gaben der Regierung Vollmacht, ueber einen gesamtdeutschen Zollverein zu verhandeln (November 1831). Dabei konnte sich jeder das Seine denken, denn an die Moeglichkeit eines Zollvereins mit Oesterreich, Hannover und Holstein glaubte eigentlich niemand mehr. Auch die von Bayern geforderte Gebietsabtretung wurde durch die zweite Kammer verworfen, einstimmig, unter brausenden Hochrufen auf den Grossherzog. Dem gefeierten Fuersten ward bei dieser Begeisterung seiner getreuen Opposition sehr schwuel zu Mute. In einem flehentlichen Briefe wendete er sich abermals hilfesuchend an Bernstorff {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} , und wirklich unterzog sich der geduldige preussische Minister noch einmal den undankbaren Muehen der Vermittlung. Koenig Ludwig aber empfand jenen Beschluss des badischen Landtages als eine persoenliche Beleidigung; er hielt es fuer schmachvoll, eine Forderung, die schon soviel Staub aufgewirbelt hatte, ohne jede Entschaedigung fallen zu lassen. An dem ergrimmten Wittelsbacher war jetzt jeder Zuspruch verschwendet. Auch der Koenig von Wuerttemberg liess nach einiger Zeit in schnoeden Worten erklaeren, dass er mit dem unbelehrbaren badischen Hofe nichts mehr zu schaffen haben wolle. In Berlin urteilte man milder, doch die erneuten Verhandlungen blieben fruchtlos. Der koenigliche Dichter in Muenchen hinterliess die imaginaeren Sponheimer Ansprueche seinen Nachfolgern als ein heiliges Vermaechtnis, untertaenigen Historikern als einen koestlichen Stoff fuer bajuvarische Grosssprechereien. Also ward Baden, frueherhin immer ein wackerer Vorkaempfer der deutschen Handelseinheit, teils durch die Torheit seiner Kammern teils durch eine seltsame diplomatische Verwicklung ganz in das Hintertreffen gedraengt und von den entscheidenden Verhandlungen der Zollvereinspolitik mehrere Jahre hindurch ausgeschlossen. b) _Beitritt des Sueddeutschen Zollvereins._ Nach alledem war eine Verstaendigung zwischen Bayern und Baden vorlaeufig undenkbar. Der deutschen Handelseinheit aber kam jener ablehnende Beschluss der badischen Kammern seltsamerweise zu gute. Der kuenstliche Gedanke, zunaechst den sueddeutschen Verein zu vergroessern und dann erst die Vereinigung mit dem Norden zu suchen, war fortan beseitigt. Die oberdeutschen Koenigshoefe, ausserstande, ihren unergiebigen Sonderbund aufrecht zu halten, sahen sich genoetigt, statt des Notbehelfs sogleich das durchschlagende Mittel zu waehlen; sie stellten jetzt bei dem preussischen Kabinett den Antrag auf voellige Vereinigung. Im Dezember 1831 wurden die Verhandlungen in Berlin eroeffnet. Doch sofort ergab sich eine Fuelle gewichtiger Bedenken. Preussen hatte schon durch die Aufnahme der beiden Hessen ein fuehlbares finanzielles Opfer gebracht; der Ertrag seiner Zoelle, der um 1829 gegen 25,3 Sgr. fuer den Kopf der Bevoelkerung abwarf, begann bereits zu sinken. Durfte man auch die oberdeutschen Lande, die von Kolonialwaren noch weit weniger verzehrten als die beiden Hessen, zu den gleichen Bedingungen aufnehmen? Die Finanzpartei in Berlin fuerchtete schwere Verluste, wie denn in der Tat Preussen im Durchschnitt der Jahre 1834-1839 nur 22 Sgr. auf den Kopf erhalten hat. Sie verlangte entschieden ein Praecipuum zugunsten Preussens; ein Ausfall in den Einnahmen schien hochbedenklich in so unruhiger Zeit. Die bayrisch-wuerttembergischen Finanzmaenner dagegen lebten in dem wunderlichen Wahne, dass die Konsumtion im Sueden staerker sei als in Preussen; sie meinten schon seltene Grossmut zu zeigen, wenn sie auch nur die Verteilung nach der Kopfzahl zugestaenden. Die Einfuehrung der preussischen Konsumtionssteuern war in Hessen ohne Schwierigkeit erfolgt; Bayern aber sah sich ausserstande, seine Malzsteuer abzuaendern. Waehrend Preussen kaum 1,3 Millionen Taler, 3 Sgr. auf den Kopf, durch die Besteuerung des Bieres bezog, gewann Bayern allein in seinem rechtsrheinischen Gebiete 5 Millionen Gulden, 21 Sgr. auf den Kopf, und aus diesem Ertrage musste nach der Verfassung die Staatsschuld verzinst werden. Unmoeglich konnte Preussen seine Biersteuer zu der gleichen Hoehe hinaufschrauben. Der angestammte Durst liess sich ebenso wenig in den Norden verpflanzen wie die Realgerechtigkeiten der bayrischen Brauer, die jenen reichen Steuerertrag erst ermoeglichten, aber den Grundsaetzen der preussischen Gewerbefreiheit widersprachen. Da die gleichmaessige Besteuerung der inlaendischen Konsumtion mithin unausfuehrbar blieb, so bestand die preussische Finanzpartei hartnaeckig auf der Einfuehrung von Ausgleichungsabgaben. Die an sich richtige Meinung, dass jede Zollgemeinschaft die annaehernde Gleichheit der indirekten Steuern voraussetze, war seit dem Jahre 1818 eine der leitenden Ideen der preussischen Handelspolitik. Die Berliner Finanzmaenner hatten sich so tief in diesen Gedanken eingelebt, dass sie ihn alsbald mit fiskalischer Haerte auf die Spitze trieben. Die Ausgleichungsabgaben sind lange, wesentlich durch Preussens Schuld, ein wunder Fleck der Zollgesetze geblieben; sie belaestigten den Verkehr und brachten geringen Ertrag, auch nachdem sie spaeterhin die rein fiskalische Gestalt der "Uebergangsabgaben" annahmen. Irrte Preussen in dieser Frage, so erhoben auch die Suedstaaten hoechst unbillige Ansprueche. Sie verlangten anfangs eine voellige Umgestaltung des Tarifs und fanden namentlich die preussischen Zoelle auf Baumwollenwaren unertraeglich hoch, da sie selbst noch fast gar keine Baumwollspinnereien besassen. Und doch konnte Preussen nicht nachgeben. Sachsens Eintritt stand bevor, die preussische Industrie klagte laut ueber die drohende Mitwerbung des Erzgebirges; in solcher Stunde die Zoelle herabzusetzen, schien selbst dem Freihaendler Maassen nicht ratsam. Auch die von Wuerttemberg geforderte Herabsetzung der Zuckerzoelle ging nicht durch; die Interessen der maechtig aufbluehenden Magdeburgischen Ruebenzuckerindustrie durften nicht preisgegeben werden. Desgleichen die gefuerchteten preussischen Transitzoelle blieben noch unentbehrlich als ein sanfter Wink fuer die Nachbarn. Ueberhaupt war die Lage des Augenblicks der Vereinfachung des Tarifs keineswegs guenstig; Preussens Staatsmaenner ahnten, dass die sueddeutschen Hoefe in einer nahen Zukunft die Farbe wechseln, mit schutzzoellnerischem Eifer auf die Erhoehung der Zoelle dringen wuerden. Lebhafter noch als dieser staatswirtschaftliche Kampf entbrannte der "staatsrechtliche Streit", wie man in Muenchen zu sagen pflegte. Die verstaendige Bestimmung der preussisch-hessischen Vertraege, wonach Preussen in der Regel allein die Handelsvertraege fuer den Zollverein schliessen sollte, galt dem bayrischen und dem wuerttembergischen Hofe als eine schimpfliche Unterwerfung; sie forderten unbedingte Gleichheit in allem und jedem. So mannigfache sachliche Bedenken ins Gleiche zu bringen, konnte nur erprobter staatsmaennischer Kraft gelingen. Die oberdeutschen Hoefe aber hatten, toericht genug, zwei junge Subalternbeamte fuer diese schwierige Mission bevollmaechtigt, vermutlich nur aus Sparsamkeit. Die Ersparnis sollte ihnen teuer zu stehen kommen. Eichhorn hatte an den Unterhaendlern der Kleinstaaten schon des Wundersamen viel beobachtet; eine Persoenlichkeit wie dieser wuerttembergische Bevollmaechtigte, der Assessor Moritz Mohl(116), war ihm noch nicht vorgekommen. Die Diplomatie in Berlin konnte nicht genug ihre Verwunderung aussprechen ueber den ungestuemen Mann mit der roten Perruecke und den vollgepfropften Aktenmappen: welch eine weitschweifige Kleinlichkeit, welche Lust an unfruchtbarem theoretischem Streite, welche Fuelle unverdauter Gelehrsamkeit, welch ein hartnaeckiges Misstrauen gegen Preussen! Der fruehreife schwaebische Staatsweise entfaltete bereits alle jene Talente, die noch 40 Jahre spaeter den deutschen Reichstag bezaubern sollten; L. Kuehne nannte ihn "einen eingebildeten Narren, der den Baeren des Nordlands seine kindische konstitutionelle Weisheit zu predigen dachte". Als Mohl dem einzigen Kuestenstaate des Zollvereins die Abschliessung von Schiffahrtsvertraegen verbieten wollte, da erwiderte der Preusse: "dann werden wir also einen unserer Ostseehaefen an Wuerttemberg abtreten muessen, um die Gleichheit zwischen den Zollgenossen herzustellen!" Mit einem solchen Kollegen behaftet, konnte auch der bayrische Assessor Bever nichts foerdern. Die hochstehenden preussischen Staatsmaenner fanden es bald unertraeglich, mit Subalternen zu verhandeln, die bei jeder Kleinigkeit daheim anfragten; und zu allem Unheil begann auch wieder der alte Streit der Berliner Departements: Kuehne und Eichhorn, die doch beide das naemliche wollten, betrachteten einander mit gegenseitiger Eifersucht. Also gestalteten sich die Verhandlungen mit dem befreundeten Sueden wider Erwarten zu einem unerquicklichen Zwist. Im Mai 1832 brach man sie ab. Moritz Mohl schrieb nun eine ungeheure Denkschrift und bewies, dass der Zollverein mit Preussen den sicheren Untergang Wuerttembergs herbeifuehren muesse. Ein Menschenalter darauf hat Freiherr v. Varnbueler dies klassische Aktenstueck der Vergessenheit entrissen, um der Welt den Weitblick des Volksmannes zu zeigen. Koenig Wilhelm wuenschte nach wie vor den Abschluss, selbst Wangenheim hatte einiges gelernt, mahnte aus der Ferne zur Verstaendigung. Doch die grosse Mehrheit im Lande widerstrebte. Die Fabrikanten, die bisher aus der Beherrschung des bayrischen Marktes grossen Gewinn gezogen, fuerchteten die Industrie des Niederrheins, die Bequemlichkeit des maechtigen Schreiberstandes zitterte vor der strengen preussischen Kontrolle, der gesinnungstuechtige Liberale schlug ein Kreuz vor dem Schreckbilde des norddeutschen Absolutismus. Mehr als ein halbes Jahr brauchten die sueddeutschen Hoefe, um sich einen neuen Entschluss zu bilden. Unterdessen trieb die Diplomatie Oesterreichs und der auswaertigen Maechte ihr verdecktes Spiel an den Hoefen der Mittelstaaten. Eine Zeitlang stand die grosse Sache fast hoffnungslos. Baden tut wohl, alle Zollvereinsgedanken vorlaeufig aufzugeben -- sagte der bayrische Minister Gise zu dem badischen Gesandten Fahnenberg --, Preussen stellt unerhoerte Forderungen, verlangt von uns materielle Opfer und die Beschraenkung der Souveraenitaet, Kurhessen bereut schon den uebereilten Anschluss! Zudem bestand wenig Freundschaft zwischen den Beamten der beiden Koenigreiche; ein Glueck nur, dass Schmitz-Grollenburg, der wuerttembergische Gesandte in Muenchen, das Vertrauen Koenig Ludwigs besass und die Faeden nicht gaenzlich abreissen liess. So verging das Jahr in leidiger Verstimmung. Da raffte sich endlich Koenig Ludwig auf und liess am Silvesterabend eine derbe Note an Schmitz-Grollenburg schreiben: Der Sueddeutsche Verein sei tatsaechlich aufgeloest, die Wiederaufnahme der preussischen Verhandlungen schlechthin unvermeidlich. Zugleich kam vom Berliner Hofe eine ernste Mahnung: wolle man zu Ende gelangen, so muesse statt unbrauchbarer Subalternen ein faehiger hochgestellter Staatsmann die Unterhandlungen in Berlin fuehren. Der Rat wirkte. Zu Ende Januars l833 wurde der bayrische Finanzminister v. Mieg als gemeinsamer Bevollmaechtigter der beiden Kronen nach Berlin gesendet: ein Jugendfreund Koenig Ludwigs {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}, ein trefflicher Beamter von grosser Sachkenntnis und seltener Arbeitskraft, die der Koenig nach seiner Weise bis auf den letzten Tropfen auspresste -- in der Handelspolitik sehr frei gesinnt, dabei guetig und liebenswuerdig, hochgebildet, von feinen gewinnenden Formen. Er vermied ueber Stuttgart zu reisen, weil er der pedantischen Schwerfaelligkeit der wuerttembergischen Schreiber misstraute, sprach aber unterwegs in Dresden ein, verstaendigte sich mit den saechsischen Finanzmaennern und erschien am 6. Februar in der preussischen Hauptstadt. Eichhorn und Maassen kamen ihm herzlich entgegen; es bewaehrte sich wieder {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} "Preussens seltenes Talent, fremde Staatsmaenner in Berlin zu gewinnen". Noch boten sich der Bedenken viele; allein da Preussen auf seinen erprobten Tarif, seine festbegruendete Zollverwaltung verweisen konnte, so blieb nur uebrig, die im Norden bestehende Ordnung mit einigen Aenderungen anzunehmen. Preussen verzichtete auf jedes Praecipuum {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Die Einnahmen wurden nach der Kopfzahl verteilt; nur fuer die Schiffahrtsabgaben auf der Oder und Weichsel, die ja gar nicht zur Zollgemeinschaft gehoerten, bezog Preussen eine Bauschsumme. Auch der teuerste Herzenswunsch des bayrischen Grossmachtsbewusstseins fand Erfuellung: jeder Staat erhielt das Recht, Handelsvertraege zu schliessen, lediglich die Vertraege mit dem russischen Polen blieben dem preussischen Staate vorbehalten. Zum Entgelt fuer so grosse Zugestaendnisse wagte Mieg, in einem Punkte seine Instruktionen zu ueberschreiten: er bewilligte, dass die preussische Zollverwaltung des rascheren Uebergangs halber sofort im Sueden provisorisch eingefuehrt wuerde, noch bevor die Zollgemeinschaft in Kraft trat. Am 4. Maerz wurden die hessischen Bevollmaechtigten zur ersten Plenarversammlung gerufen, am 22. kam der Vertrag zustande: die verbuendeten Staaten, "in fortgesetzter Fuersorge fuer die Befoerderung der Freiheit des Handels zwischen ihren Staaten und hierdurch zugleich in Deutschland ueberhaupt", bilden einen "Gesamtverein", der am 1. Januar 1834 fuer acht Jahre ins Leben tritt. Das Grundgesetz entsprach im wesentlichen den hessischen Vertraegen, nur dass die Selbstaendigkeit der Bundesgenossen erheblich verstaerkt wurde. Fuer jede Aenderung der Zollgesetze wurde Einstimmigkeit der Verbuendeten gefordert. Das schlimmste Gebrechen des Vereins lag weniger in seinen Satzungen als in der Verschiebung der Machtverhaeltnisse. Durch den Zutritt mehrerer groesserer Staaten mit gleichem Stimmrecht wurde die freie Taetigkeit der preussifchen Handelspolitik unvermeidlich erschwert. Die neuen Rechte dagegen, die man den Zutretenden einraeumte, schienen bedenklicher als sie waren {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Die Befugnis, Handelsvertraege zu schliessen, dies von Bayern mit so leidenschaftlichem Eifer erstrebte Kleinod, erwies sich als ein harmloses Spielzeug {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Preussen allein galt im Auslande als Haupt und Vertreter des Zollvereins; daher sind alle irgend wichtigen Handelsvertraege durch Preussen im Namen des Vereins abgeschlossen worden. Auch die Kontrolle ward ermaessigt, auf Bayerns Andringen. Die Verbuendeten sendeten bloss Vereinsbevollmaechtigte zu den Zolldirektionen, Kontrolleure zu den Hauptzollaemtern der Genossen; eine gegenseitige Visitation des Grenzdienstes fand nicht mehr statt. Solche Formen verschlugen wenig; denn im Grunde war der Verein auch bisher nur durch wechselseitiges Vertrauen und die Macht der Interessen zusammengehalten worden. Die Bundesgenossen gelobten einander "unbeschraenkte Offenheit" in der Zollverwaltung, und sie haben ihr Wort redlich gehalten {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Da Bayern und Wuerttemberg noch immer ihre toerichte Sorge vor finanziellen Verlusten nicht aufgaben, so wurde in einem geheimen Artikel den Verbuendeten das Recht vorbehalten, den Verein vor der Zeit zu kuendigen, falls ihre Zolleinnahmen einen Ausfall von 10 Proz. des bisherigen Rohertrags aufwiesen. Maassen unterschrieb getrosten Mutes; er wusste, dass der Vertrag ein Loewenvertrag war zugunsten des Suedens, und der Erfolg sollte seine Erwartungen noch weit uebertreffen. In den Jahren von 1834 bis 1845 hat der Norden an Bayern 22,29 Millionen Taler, an Wuerttemberg 10,3 Millionen herausgezahlt, in dem Zeitraum von 1854-1865 empfing Bayern vom Norden 34 Millionen. Waehrend der zwei ersten Jahrzehnte des Zollvereins haben bei der Abrechnung regelmaessig nur Preussen, Sachsen, Frankfurt und Braunschweig herausgezahlt; alle anderen Staaten gewannen. Allerdings geben jene grossen Zahlen kein ganz zutreffendes Bild, da ein Teil der fuer das Binnenland bestimmten Einfuhr in den Haefen und Speditionsplaetzen des Nordens verzollt wurde. Deutlicher erhellt der unverhaeltnismaessige Gewinn des Suedens aus der Tatsache, dass die Verwaltungskosten in Bayern schon waehrend des ersten Jahres von 44 auf 16, spaeter auf nahezu 10 Proz. sanken, Bayerns Anteil an dem Kaffeezoll sofort auf das Dreifache, bis zum Jahre 1845 auf das Fuenffache stieg. Um auch den leisesten Anschein preussischer Hegemonie zu vermeiden, wurde verabredet, dass die alljaehrlichen Konferenzen der Zollvereinsbevollmaechtigten nicht mehr, wie im preussisch-hessischen Verein, regelmaessig zu Berlin sich versammeln sollten; sie wanderten fortan, nach dem Belieben der Verbuendeten, von Ort zu Ort, der erste Zusammentritt fand in Muenchen statt. Streitigkeiten wollte man der Entscheidung eines Schiedsrichters unterwerfen, der durch einstimmigen Beschluss fuer jeden einzelnen Fall zu ernennen war. Doch ist ein solcher Schiedsspruch niemals angerufen worden -- nicht weil die Eintracht ungetruebt bestanden haette, sondern weil der Duenkel der Kleinstaaten den freiwilligen Ausgleich der schimpflichen Unterwerfung unter eine fremde Gewalt regelmaessig vorzog. Dass Bayern seine Biersteuer behielt, war unvermeidlich. Man begnuegte sich daher, ein Maximum fuer die Konsumtionssteuern festzusetzen und die allmaehliche Annaeherung der Steuersysteme in Aussicht zu stellen. In einem so lockeren Bunde blieb das *liberum veto* [Einspruchsrecht] und das Kuendigungsrecht fuer Preussen ebenso unentbehrlich wie fuer die Kleinstaaten, als ein letztes verzweifeltes Mittel, um dem schwerfaelligen Koerper einen Entschluss zu entreissen. Nur die Hoffnung auf einen hohen politischen Gewinn konnte den preussischen Hof zu so schweren Opfern, zu einer so weitgehenden Nachsicht fuer die Grillen und Eitelkeiten der Mittelstaaten bestimmen. Mit ueberlegener Geduld erwartete Eichhorn, dass aus den fast laecherlichen Formen dieses lockeren Vereins doch eine unloesbare Gemeinschaft der Interessen emporwachsen muesse. Mieg kehrte heim in der festen Erwartung, dass der so ueberaus vorteilhafte Vertrag ihm die Verzeihung fuer sein eigenmaechtiges Vorgehen verbuerge. Er taeuschte sich schwer. Koenig Ludwig konnte selbstaendigen Willen nicht ertragen, empfing den Freund mit bitteren Vorwuerfen; dass die preussische Zollordnung sofort provisorisch eingefuehrt werden sollte, schien ihm eine Entwuerdigung der bayrischen Krone. Der Minister wollte, tief verletzt, sein gegebenes Wort nicht zuruecknehmen; er forderte und erhielt seine Entlassung {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Nunmehr nahm der Koenig die Akten an sich, und lange blieb das Schicksal des Vertrages zweifelhaft. Miegs Nachfolger, Lerchenfeld, erkannte zwar, nachdem er die Papiere eingesehen, die Notwendigkeit des Abschlusses, doch rueckte er nicht recht mit der Sprache heraus. Fuerst Oettingen-Wallerstein(117) vollends, der vielgewandte liberalisierende Minister, bewies in ausfuehrlicher Denkschrift: kein Zollverein ohne Oesterreich, die preussische Hegemonie ist Bayerns Verderben. Der preussische Gesandte hielt schon alles fuer verloren und schrieb verzweifelnd: nur Eichhorn selber koenne noch retten. Darauf eilte Eichhorn sofort nach Muenchen (Juli 1833), gewaehrte noch das letzte Zugestaendnis, gab zu, dass kein Provisorium stattfinden solle, seine gewinnende Freundlichkeit brachte in wenigen Tagen alles ins reine. Jetzt brach des Koenigs gute Natur wieder durch; er wuenschte sich Glueck zu der Wiederkehr der friderizianischen Tage, liess eine Denkmuenze praegen auf das Gelingen seines eigensten Werkes und sagte zu dem Nassauer Roentgen: "Oesterreich ist ein abgeschlossener Staat, mit dem wir wohl Handelsvertraege, doch keinen Zollverein schliessen koennen; Preussen ist ein Blitz, der mitten durch Deutschland hindurchfaehrt." Kaum war die Krone Bayern gewonnen, so begann der Kampf mit dem wuerttembergischen Landtage. Die schwaebischen und badischen Liberalen hatten sich zu Anfang des Jahres in Pforzheim versammelt und dort beschlossen, dem vordringenden preussischen Absolutismus mannhaft zu widerstehen. Die Schutzzoellner beweinten den nahen Untergang der schwaebischen Industrie; die Partikularsten bewiesen, dass Wuerttembergs Absatzwege nach Frankfurt und der Schweiz, nicht nach dem Norden fuehrten; manche pessimistische Radikale goennten dem verhassten Ministerium nicht ein Verdienst, das der Regierung allein gebuehrte, sie wuenschten noch weniger, dass ein wichtiger Grund der allgemeinen Unzufriedenheit beseitigt werde. Die gemuetlichen Leute wollten die geforderten Opfer nur einem gesamtdeutschen Verein bringen. Selbst den gemaessigten Liberalen schien es hochbedenklich, einer absoluten Krone mittelbare Einwirkung auf den wuerttembergischen Haushalt zu gestatten. Zudem wurden die Kammern nur zu einer Erklaerung ueber den Vertrag, nicht zu foermlicher Genehmigung aufgefordert. Der Landtag empfand bitter seine Ohnmacht. Koenig Wilhelm setzte seinen Stolz darein, das Werk hinauszufuehren; kein Zweifel, er haette auch ohne die Zustimmung der getreuen Staende den Vertrag vollzogen und also den leeren Schein der schwaebischen Verfassungsherrlichkeit vor aller Welt erwiesen. Darum wollte selbst Paul Pfizer, der Bewunderer Preussens, sich nicht zur Genehmigung entschliessen; wenn er zustimmte, so verlor er jedes Ansehen unter den Parteigenossen, jede politische Wirksamkeit in seiner Heimat. In solchen tragischen Widerspruch war der sueddeutsche Liberalismus geraten. Endlich, im November, genehmigte der Landtag den Vertrag nach harten Kaempfen. Nur einzelne waren ueberzeugt {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}, die Mehrzahl gab ihr Ja nur aus gedankenlosem Gehorsam; alle Fuehrer der Liberalen, Pfizer, Uhland(118), Roemer(119), stimmten dawider. Es war ein vollstaendiger Triumph des geschaeftskundigen Beamtentums ueber den schwaermenden Liberalismus. Neue unerquickliche Haendel folgten, da nun das preussische Zollwesen durch eine gemeinsame Vollziehungskommission im Sueden eingefuehrt wurde. Wie oft musste der preussische Kommissaer L. Kuehne von den gemuetlichen bayrischen Beamten bittere Klagen hoeren ueber diese verwuenschte Berliner Strammheit; er bestand darauf, dass in den Grenzbezirken, wo offenkundiger Schmuggel bluehte, drei Monate lang eine strenge Binnenkontrolle gruendlich aufraeumte. Die unfreie soziale Gesetzgebung der Mittelstaaten fand so leicht nicht den Uebergang zur preussischen Freiheit {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Doch der wesentliche Inhalt des Vertrags wurde redlich ausgefuehrt. Seit in Muenchen ein neuer Zolldirektor, der verdiente Knorr, ernannt war, arbeitete die Zollverwaltung fest und puenktlich. Jeder neue Tag der Erfahrung warb dem Zollverein neue Anhaenger im Sueden; die besseren Koepfe des Liberalismus gestanden beschaemt ihren Irrtum {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} c) _Anschluss von Sachsen und Thueringen._ _ Die Neujahrsnacht 1834. _ Gleichzeitig mit Bayern und Wuerttemberg unterhandelte Sachsen in Berlin. Es geschah, wie Motz vorhergesehen: keine der Zollvereinsverhandlungen hat den preussischen Staatsmaennern schwerere Ueberwindung gekostet. Gewiss trat mit Sachsens Beitritt nur die Natur der Dinge in ihr Recht. Das Erzgebirge erhielt wieder ungehemmten Verkehr mit seiner alten Kornkammer, den Muldenniederungen in der Provinz Sachsen, Leipzig wieder freie Verfuegung ueber seine wichtigsten Handelsstrassen; Macht und Bedeutung des Zollvereins stiegen erheblich, sobald eines der ersten Fabriklaender und der groesste Messplatz Europas hinzutrat. Gleichwohl war der unmittelbare Vorteil fast ausschliesslich auf Sachsens Seite; in Preussen erhoben sich ernste staatswirtschaftliche und finanzielle Bedenken. Preussen gewann in Sachsen nur einen kleinen Markt, der ueberdies durch seinen eigenen Gewerbefleiss schon reichlich versorgt war. Da die Lebenshaltung und demnach der Arbeitslohn im Erzgebirge niedriger stand als in irgendeinem anderen Industriebezirke, so fuerchteten die preussischen Fabriken, vornehmlich die Webereien und Druckereien in Schlesien und in der Provinz Sachsen, der saechsischen Konkurrenz zu erliegen. Von allen Seiten her wurde das Finanzministerium mit Warnungen bestuermt; am Niederrhein rief die erste Nachricht von dem Beginn der preussisch- saechsischen Verhandlungen weithin im Lande eine starke Aufregung hervor. Die Frage, wie ein grosser Messplatz einem Zollsystem sich einfuegen lasse, galt noch allgemein als ein fast unloesbares Problem; sie war bei den Verhandlungen mit Bayern-Wuerttemberg oft eroertert und endlich zur Seite geschoben worden, da man an der Verstaendigung verzweifelte. An der saechsisch-boehmischen Grenze hatte sich ein ungeheurer Schmuggel festgenistet; das Volk nahm den elenden Zustand hin wie eine Notwendigkeit, ja wie einen Segen. Selbst Lindenau wagte nach dem Abschluss des Zollvereins im Gespraech mit Blittersdorff nur die schuechtern zweifelnde Bemerkung: dass der Schmuggel im Erzgebirge jetzt aufhoeren wird, "ist wohl schwerlich ein Unglueck". Die hochherzige Gesinnung des neuen Mitregenten, des Prinzen Friedrich August, wurde in Berlin ebenso bereitwillig anerkannt, wie die Einsicht der trefflichen Maenner, die er in sein Kabinett berufen. Doch ein volles Jahr verfloss, bis die Ordnung in dem aufgeregten Laendchen sich wieder befestigte; Maassen fragte besorgt, ob eine Regierung, die den schwaechlichen Auflaeufen in Leipzig und Dresden so wenig nachhaltigen Widerstand entgegengestellt, auch den festen Mut besitzen werde, die Schmuggelnester im Gebirge auszuheben. Und lehrte denn nicht der Gang der Verhandlungen, dass die neue Regierung das alte kleinliche Misstrauen gegen Preussen nicht gaenzlich ueber Bord geworfen hatte? Man kam in Berlin nicht los von dem Argwohn, Sachsen wuerde einen Zollverein mit Oesterreich vorziehen, wenn nur die Hofburg mehr boete als leere Redensarten. Wenn Koenig Friedrich Wilhelm keinen deutschen Staat locken und einladen wollte, so doch am allerwenigsten diesen saechsischen Hof, der als Stifter des Mitteldeutschen Vereins eine so boesartige Gehaessigkeit zur Schau getragen hatte. Der preussische Konsul Baumgaertner empfing einen herben Verweis, als er zu Anfang 1830 eine Flugschrift ueber die Notwendigkeit eines saechsisch-preussischen Zollbundes schrieb und in Sachsen verbreitete. Bis zum Sturze des alten Systems erging sich die saechsische Regierung in Umwegen und Kuensteleien, nach der alten Gewohnheit der Mittelstaaten. Sie fragte in Stuttgart und Muenchen an, ob Sachsen nicht dem Sueddeutschen Verein beitreten koenne. Ihr Berliner Geschaeftstraeger Koenneritz richtete an Ancillon die Bitte: Preussen moege sofort seinen Tarif zu Sachsens Gunsten herabsetzen, da die Verhandlungen ueber den unmittelbaren Anschluss vorderhand noch ausgesetzt werden muessten. Maassen aber antwortete (15. September 1830): "ohne vorhergegangene Vereinigung zu einem gegenseitig erleichterten Handelsverkehr" koennen wir bei der Ordnung unseres Tarifs auf dritte Staaten keine Ruecksicht nehmen. Erst das Ministerium Lindenau fand den Mut einzugestehen, was sich mit Haenden greifen liess: dass Sachsens Gewerbefleiss ohne Preussens Freundschaft untergehen musste; nahm doch die gesamte ueberseeische Ausfuhr des Landes ihren Weg durch Preussen, desgleichen fast die gesamte Einfuhr der rohen Baumwolle. Leider war nur ein Teil der Fabrikanten im Gebirge dem Anschluss guenstig, das Landvolk und vornehmlich Leipzig wehklagten ueber das hereinbrechende Verderben. Also hat selbst der allzeit patriotische und einsichtige Handelsstand der wackeren Pleissestadt, ganz wie spaeterhin die Kaufmannschaft von Frankfurt, Bremen, Hamburg, die unliebsame Wahrheit erhaertet, dass der Interessent fast niemals sachverstaendig ist. Auch der grosse Kaufherr wird zum Kraemer, sein Gesichtskreis verengt sich, sobald er seinen unmittelbaren Vorteil bedroht waehnt; stolz auf seine persoenliche Kraft und Freiheit, empfindet er es als eine Anmassung, eine Beleidigung, wenn die Maenner des gruenen Tisches ihm zumuten, seine altgewohnten Geschaeftsformen zu aendern, und will nicht zugestehen, dass ueber grosse handelspolitische Fragen nicht die privatwirtschaftliche Anschauung des Kaufmanns, sondern das staatswirtschaftliche Urteil des Staatsmannes zu entscheiden hat. Trotz alledem entschloss sich die Regierung gegen Jahresschluss zu jener ersten Anfrage in Berlin. Das Ministerium des Auswaertigen antwortete (24. Januar 1831): Die Schwierigkeiten scheinen sehr gross, die Interessen ueberaus verschieden; "dennoch ist die Aufgabe so gemeinnuetzig und deutscher Regierungen, welche neben der Sorge fuer ihre Untertanen zugleich die Befoerderung des Wohls von ganz Deutschland im Auge haben, so entschieden wuerdig", dass wir den Versuch wagen wollen. Die oberdeutschen Koenige, von allem unterrichtet, ueberliessen die Verhandlungen vertrauensvoll dem preussischen Hofe; die Ueberlegenheit der saechsischen Industrie, meinte Armansperg zuversichtlich, ist in einem grossen Verein wenig zu fuerchten, auch die schwierige Grenzbewachung muss sich durchfuehren lassen, so man ernstlich will. Im Maerz 1831 kam der saechsische Finanzminister v. Zeschau(120) nach Berlin -- neben dem Bayern Mieg, dem Hessen Hofmann und dem Badener Boeckh(121) sicherlich der faehigste unter allen den Finanzmaennern, mit denen Preussen zu verhandeln hatte -- taetig und kenntnisreich, ein ritterlicher Charakter, schweigsam und bedaechtig, noch von seiner preussischen Dienstzeit her mit L. Kuehne wohl bekannt. Die in Dresden gewuenschte Aenderung des gesamten Tarifs gab er bald auf, gleichwohl ward er mit Maassen nicht handelseinig. Erschreckt durch die Warnungen seiner Fabrikanten, wollte Preussen provisorische Schutzzoelle zugunsten einiger Fabrikwaren einfuehren, damit die Industrie Zeit behielte, sich auf die Konkurrenz des Erzgebirges zu ruesten. Zugleich verlangte man Entschaedigung fuer den drohenden starken Verlust an Durchfuhrzoellen. Kuehne selbst fand diese Forderungen zu hart; aus dem Magdeburgischen gebuertig, betrachtete er die Kursachsen halb als seine Landsleute und hielt dem Minister vor: nach der Teilung Sachsens sei Preussen schon ehrenhalber verpflichtet, dem Nachbarlande Wohlwollen zu zeigen. Als Maassen in diesen Fragen endlich nachgegeben hatte, erhob sich sofort ein neues Hemmnis: die Messfrage. Frankfurt an der Oder hatte bisher fuer seine Messen einen Zollrabatt genossen, der erst vor kurzem auf 20 Proz. herabgesetzt war; nun der Eintritt Leipzigs bevorstand, wollte Preussen seinen schwer bedrohten kleinen Messplatz nicht unguenstiger stellen als bisher. Die Leipziger Kaufmannschaft dagegen sagte den unfehlbaren Verfall ihrer Messen voraus, falls Frankfurt irgendein Vorrecht behalte; und "keine Regierung, am wenigsten eine konstitutionelle -- schrieb der saechsische Bevollmaechtigte Wietersheim --, kann einer so ausdruecklichen Erklaerung der Repraesentanten des gefaehrdeten Nationalinteresses entgegenhandeln". Auch das Altenburgische Geheime Ministerium sendete ein dringendes Mahnungsschreiben nach Berlin -- "ohne alle aeussere Aufforderung", wie man unschuldig beteuerte --, und schilderte in herzbrechenden Worten das furchtbare Schicksal, das dem ungluecklichen Leipzig drohe. Da die Verhandlungen sich so unguenstig anliessen, so wuenschte der saechsische Hof, geaengstigt durch die fortdauernde Gaerung im Lande, mindestens einige Handelserleichterungen sofort zu erlangen, falls die vollstaendige Vereinigung nicht moeglich sei. Der Prinz-Mitregent selber stellte diese Bitte in einem Handschreiben an den Koenig von Preussen (11. April 1831). Er gab zu bedenken, dass mit dem gaenzlichen Misslingen dieser Verhandlungen "die Ausfuehrung des grossen und fuer die Sicherheit und Ruhe Deutschlands begruendeten, von Ew. K. Majestaet verfolgten Planes, die Interessen des Handels und Verkehrs in verschiedenen deutschen Staaten zu vereinigen und dadurch zugleich das politische Band zu befestigen, gefaehrdet werden oder mindestens Aufschub erleiden wuerde. Auch mag ich mir selbst nicht verschweigen, dass eine erfolglose Verhandlung in der gegenwaertigen Zeit auch hier nicht ohne einen sehr unguenstigen Eindruck bleiben wuerde". Ein solcher Mittelweg schien aber den besten Koepfen der preussischen Regierung kleinlich und nutzlos. Eichhorn bewies in einem ausfuehrlichen Gutachten: sofortige Handelserleichterungen wuerden, nach der Lage der Dinge, nur dem preussischen Staate einseitige Opfer auferlegen; wolle Sachsen dagegen zu Preussen in ein aehnliches Verhaeltnis treten, wie bisher Bayern und Wuerttemberg, so sei dazu eine vollstaendige Neugestaltung seines Zollsystems erforderlich; warum also nicht sogleich das hoechste Ziel, den Zollverein, ins Auge fassen? {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Die letzten muendlichen Verhandlungen erfolgten im Juli, bald nachher stockte auch der schriftliche Verkehr. Die deutschen Kabinette begannen zu fuerchten, dass Sachsen den Plan aufgegeben habe; der Dresdner Hof sah sich um die Wende des Jahres genoetigt, in einer langen Denkschrift seine Handelspolitik vor den oberdeutschen Koenigen zu verteidigen. Erst als Bayern und Wuerttemberg ihre Zollvereinsverhandlungen in Berlin eroeffneten, fasste man sich in Dresden wieder ein Herz. Im Maerz 1832 erschien Zeschau zum zweitenmal in Berlin. Abermals kam man einen Schritt weit vorwaerts; Sachsen erklaerte sich bereit, das preussische System der indirekten Steuern anzunehmen. Doch ueber die Messen konnte man sich wieder nicht verstaendigen. Nun wirkte auch die Staatsweisheit Moritz Mohls laehmend auf Sachsen zurueck; ohne die sueddeutschen Hoefe, die jetzt ihre Verhandlungen abbrachen, wollte das Dresdner Kabinett, wie begreiflich, nicht beitreten. Im Mai wurde die letzte Beratung gehalten; der Sommer verlief in peinlicher Verlegenheit {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Inzwischen beging der saechsische Hof einen schweren politischen Fehler, der den schlimmsten Verdacht zu rechtfertigen schien. Hannover hatte am Bundestage wieder einmal die Ausfuehrung des Artikels 19 beantragt -- in der unverhohlenen Absicht, den Gang der preussischen Handelspolitik zu stoeren. Ohne jede Ruecksprache mit Preussen, ohne auch nur den Bericht der Bundestagskommission abzuwarten, stimmte Sachsen als die erste deutsche Regierung dem toerichten Antrage zu und erklaerte: Hoechster Zweck des Bundes in Zollsachen ist, dasjenige durch gemeinschaftliche Gesetze zu erreichen, was durch Einzelverhandlungen nur schwer zu erreichen ist; sollen in Deutschland ueberhaupt Durchfuhrzoelle bestehen, so doch jedenfalls ein anderes System als das preussische! -- Die Finanzpartei in Berlin klagte laut ueber die offenbare Zweizuengigkeit. Geh. Rat Michaelis fragte in einer scharfen Denkschrift: soll diese Sprache des saechsischen Bundestagsgesandten etwa die oeffentliche Meinung in Sachsen fuer den preussischen Zollverein gewinnen? -- Wen konnten auch die nichtigen Entschuldigungen ueberzeugen, die der saechsische Minister Minckwitz seinem Berliner Gesandten Watzdorf schrieb (29. November 1832)? Der harmlose Mann beteuerte, die Vorgaenge in Frankfurt sollten den Berliner Verhandlungen "keinen Eintrag tun"! Eichhorn aber, als ein gewiegter Kenner des Charakters der kleinen Hoefe, mahnte seine erzuernten Amtsgenossen zur Geduld: goennen wir doch den Herren in der Eschenheimer Gasse ihre unschuldigen Stiluebungen; der Dresdner Hof meint es ehrlich, wenngleich er zuweilen einem Anfall von Schwaeche unterliegt; noch eine kurze Frist, und er kommt wieder zu uns. Und so geschah es. Im Januar 1833 besprach sich Mieg in Dresden mit Zeschau, und als darauf die Berliner Verhandlungen mit Bayern so gluecklich vorangingen, kam der saechsische Finanzminister (24. Maerz) zum drittenmal in die preussische Hauptstadt. Nach kaum acht Tagen (30. Maerz 1833) schlossen Eichhorn, Maassen, Zeschau und Watzdorf den Zollvereinsvertrag, der woertlich mit dem soeben beendigten bayrischen uebereinstimmte. Einige Separatartikel ordneten den Zustand der Messen. Der Frankfurter Zollrabatt blieb etwas ermaessigt bestehen, doch durfte Sachsen seinem Leipzig aehnliche Verguenstigungen zuwenden. Der Messhandel erhielt eine grosse Erleichterung durch die Einrichtung der Messkontierung; fuer Leipziger Grosshandlungen von gutem Rufe wurde sogar ein ueber die Messzeiten hinaus fortdauerndes Steuerkonto zum Abschreiben eroeffnet -- eine wichtige Verguenstigung, die noch manchen Missbrauch veranlassen sollte. Auch die Herabsetzung einiger Zollsaetze, namentlich fuer Woll- und Baumwollwaren, wurde vereinbart. Preussen verpflichtete sich, die Ermaessigung der Elbschiffahrtsabgaben, welche Anhalt dem preussischen Elbhandel zugestanden hatte, auch dem saechsischen Verkehre zuzuwenden; der gute Vorsatz scheiterte freilich an Anhalts Kleinsinn. Nicht ohne Zagen unterschrieb Maassen den Vertrag, der den preussischen Markt den Fabriken des Erzgebirges eroeffnete; von allen seinen Raeten stimmte ihm nur Kuehne unbedingt zu. "Das ist ein schwerer Vertrag -- sagte er zu Kuehne {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} --, es haette ihn nicht jeder unterzeichnet." Die Besorgnis des Staatswirts hatte zuruecktreten muessen vor den Hoffnungen der Politiker. Sachsen stand gerade in den Flitterwochen seines konstitutionellen Lebens; der Eintritt dieses Staates musste die oeffentliche Meinung guenstig stimmen. Leider verging wieder eine geraume Frist, bis die deutsche Welt mit der vollendeten Tatsache sich versoehnte. Die preussischen Fabrikanten laermten, die gute Stadt Leipzig ueberliess sich einer masslosen Verzweiflung. Eine Petition, die der k. k. Konsul Bercks geschaeftig umhertrug, warnte die Regierung; die Stadtverordneten richteten eine dringende Vorstellung nach Dresden. An Zeschaus Wohnung fand sich eines Morgens ein Anschlag: "Allhier wird von einem Parvenu, einem preussischen Landrat, so saechsischer Finanzminister geworden ist, das Land fuer Geld und Orden an Preussen verkauft." Der Taumel ergriff jeden Stand und jedes Alter. Die Leipziger Schulbuben kauften sich englische Farbkaesten auf Vorrat, weil sie mit fruehreifer handelspolitischer Vorsicht befuerchteten, das gewohnte Spielzeug werde nunmehr fuer buergerliche Geldbeutel unerschwinglich werden. Ein Jahr darauf schon begann fuer die Pleissestadt eine neue Epoche glaenzender Handelsbluete; das kleine Frankfurt wurde durch den ueberlegenen Nebenbuhler ganz zurueckgedraengt, die maechtigen Leipziger Firmen lernten bald, den Frankfurter Messrabatt fuer sich selber zu benutzen. Auch die Klagen der preussischen Fabrikanten verstummten, und niemand wollte die warnenden Petitionen unterschrieben haben. Zeschau selbst, der Wohltaeter Leipzigs, hat freilich von den stolzen Kaufherren der Messstadt niemals irgendeine Genugtuung fuer so viele Schmaehungen erhalten. Waehrend diese verwickelte zweifache Verhandlung in wiederholten Ansaetzen erledigt wurde, hatte Eichhorns unverwuestliche Geduld zugleich ein drittes schwieriges Geschaeft zu fuehren: die Unterhandlungen mit den thueringischen Staaten. In Thueringen wie in Sachsen und Kurhessen wurde die beginnende Bekehrung gefoerdert durch den unruhigen Sommer von 1830, durch die Angst vor den murrenden Massen. Hier wie in Sachsen hoffte man anfangs, sogleich einseitige Handelserleichterungen von Preussen zu erlangen. Der weimarische Minister Gersdorff kam im Januar 1831 zugleich mit Lindenau nach Berlin, ueberbrachte ein Handschreiben seines Grossherzogs, das um solche Verguenstigung bat: "dies wuerde in einer Periode mannigfacher Aufregungen Uebelgesinnten einen Vorwand zu schlechten Einwirkungen entnehmen." Auf wiederholte aehnliche Anfragen kleiner thueringischer Hoefe antwortete das Berliner Kabinett (5. Juli 1831): man sei bereit, ueber einen Zollverein zu verhandeln, doch nur mit allen thueringischen Staaten gemeinsam, und nur wenn diese Hoefe sich nicht mehr gebunden glaubten an den mitteldeutschen Verein. Erst als Kurhessen zu dem preussischen Vereine uebergetreten war, erklaerten die ernestinischen Hoefe: der Mitteldeutsche Verein sei tatsaechlich aufgeloest. General Lestocq, der vielgeplagte Gesandte, den die thueringischen und einige andere kleine Dynasten in Berlin auf gemeinsame Kosten ernaehrten, ueberreichte am 15. Januar 1832 eine Verbalnote: Preussen moege die Initiative ergreifen, aeltere bindende Verpflichtungen bestaenden nicht mehr. Weimar draengte am eifrigsten; das Grossherzogtum besass an Gersdorff und O. Thon zwei treffliche Verwaltungsbeamte, die wohl einsahen, wo der Grund der ewigen Finanznot lag. Sproeder verhielt sich Gotha, da hier der hergebrachte Schmuggel allgemein als ein Nationalglueck betrachtet wurde. Maassen und Eichhorn entwickelten nun ausfuehrlicher den einfachen Gedanken, den sie so oft schon ausgesprochen hatten: die verzettelten thueringischen Gebiete sollen zunaechst unter sich einen Verein mit gemeinsamer Zollverwaltung bilden und dann erst als eine geschlossene Einheit in den grossen Zollverein treten; Preussen will die Kreise Erfurt, Suhl und Ziegenrueck diesem thueringischen Vereine zuteilen, wird auch dafuer sorgen, dass Kurhessen sein Schmalkaldener Land hinzugefuegt. Zu foermlichen Verhandlungen kam es auch jetzt noch nicht; denn Eichhorn hoffte, vorher mit Bayern und Wuerttemberg abzuschliessen. Diese beiden Hoefe fuehlten sich schon beunruhigt durch die Anfragen der Ernestiner; sie meinten: schliesse Thueringen frueher ab, so sei der Sueden auf Gnade und Ungnade dem Belieben Preussens ueberliefert. Darum richteten sie sogar eine Verwahrung an den Berliner Hof (15. November 1832): ohne die vorhergehende Zustimmung Bayerns und Wuerttembergs duerfe Preussen die Thueringer nicht aufnehmen. Der Dresdener Hof, der sich noch immer als das geborene Oberhaupt der Ernestiner fuehlte, verlangte zu allen Verhandlungen mit seinen Stammesvettern zugezogen zu werden. Preussen erwiderte: wir werden Sachsens Interessen sorgsam wahren, doch der Zutritt eines saechsischen Bevollmaechtigten kann die Verhandlungen nur erschweren. Immerhin haben diese Bedenken der drei kleinen Koenigskronen den Beginn der Unterhandlungen verzoegert. Erst im Dezember 1832 begannen die Konferenzen mit den Thueringern. Die preussischen Staatsmaenner schlugen vor, eine Zentralbehoerde fuer das thueringische Zollwesen zu bilden. Grosse Bestuerzung; keiner der Kleinen wollte eine solche Beschraenkung seiner Souveraenitaet zugeben. Da meinten die Preussen beguetigend: es werde genuegen, einen Generalinspektor einzusetzen; der muesse freilich in Erfurt wohnen, als dem Mittelpunkte des Landes, doch solle er nicht von Preussen, sondern von der thueringischen Hauptmacht Weimar ernannt werden. Hiermit schien jeder Widerspruch entwaffnet. Wenn Preussen sein Zollwesen einem weimarischen Beamten unterstellte, so durfte auch der Reussenstolz und der Gothaerduenkel nicht klagen. Gleichwohl erhoben Altenburg und Meiningen neue Bedenken; sie konnten sich nicht in den Gedanken finden, dass ihre Verwaltung fremder Aufsicht unterliegen solle. Schon war man nahe daran, ohne Meiningen abzuschliessen. Da drohte Kuehne: wenn man die preussischen Beamten als Spione betrachte, dann muesse Preussen sein gefuerchtetes Enklavensystem gegen die kleinen Nachbarn anwenden. Das schlug durch. Am 10. Mai 1833 wurde der "Zoll- und Handelsverein der thueringischen Staaten" gebildet, am folgenden Tage erklaerte der neue Verein, der das gesamte System der preussischen indirekten Steuern annahm, seinen Zutritt zu dem Deutschen Zollvereine. Ein weimarischer Generalbevollmaechtigter vertrat die Thueringer auf den Konferenzen des Zollvereins, gab in Tarifsachen nur eine Gesamtstimme ab; in einigen anderen Faellen sollte er die Meinung jedes einzelnen thueringischen Staates gesondert vortragen. Dieser Bund im Bunde, welchen Preussens Staatsmaenner seit dem Jahre 1819 erstrebt hatten, erwies sich als so einfach und naturgemaess, dass niemals, auch nicht in den schwersten Krisen des Zollvereins, an die Aufloesung des thueringischen Vereins gedacht worden ist. -- Also war des grossen Werkes schwerster Teil gelungen. Ein unerhoerter Ordenssegen belohnte die treue Arbeit des Beamtentums; die Jahrgaenge der deutschen Gesetzsammlungen schwollen zu unfoermlichen Baenden an, von allen den neuen Vertraegen und Gesetzen. Dann kam jene folgenschwere Neujahrsnacht des Jahres 1834, die auch den Massen das Nahen einer besseren Zeit verkuendete. Auf allen Landstrassen Mitteldeutschlands harrten die Frachtwagen hochbeladen in langen Zuegen vor den Mauthaeusern, umringt von froehlich laermenden Volkshaufen. Mit dem letzten Glockenschlage des alten Jahres hoben sich die Schlagbaeume; die Rosse zogen an, unter Jubelruf und Peitschenknall ging es vorwaerts durch das befreite Land. Ein neues Glied, fest und unscheinbar, war eingefuegt in die lange Kette der Zeiten, die den Markgrafenstaat der Hohenzollern hinaufgefuehrt hat zur kaiserlichen Krone. Das Adlerauge des grossen Koenigs blickte aus den Wolken, und aus weiter Ferne erklang schon der Schlachtendonner von Koeniggraetz. Gluecklicher als sein leidenschaftlicher Freund hat Maassen die Stunde der Genugtuung noch genossen. Er starb am 4. November 1834. Einen ebenbuertigen Nachfolger fand er nicht; nur in Eichhorn und den Geheimen Raeten des Finanzministeriums lebten die Ueberlieferungen von 1818 fort. Der erweiterte Handelsbund nahm jetzt den Namen des _Deutschen Zollvereins_ an.(122) Aus dem dunstigen Nebel des Deutschen Bundes traten schon erkennbar die Umrisse jenes Kleindeutschlands hervor, das dereinst den Ruhm und die Macht des Heiligen Roemischen Reiches ueberbieten sollte. d) _Politische Bedeutung des Deutschen Zollvereins._ Die politischen Wirkungen des Zollvereins sind dank der unvergleichlichen Schwerfaelligkeit des deutschen Staatslebens nicht so rasch und nicht so unmittelbar eingetreten, als manche kuehne Koepfe meinten. Schon zu Anfang der dreissiger Jahre hoffte Hansemann(123), ein Parlament des Zollvereins und daraus vielleicht einen Deutschen Reichstag erstehen zu sehen, und wie viele andere wohlmeinende Patrioten haben nicht aehnliche Erwartungen an den deutschen "Zollstaat" geknuepft. Aber der Handelsbund war kein Staat, er bot keinen Ersatz fuer die mangelnde politische Einheit und konnte noch durch Jahrzehnte fortdauern, ohne die Luege der Bundesverfassung zu zerstoeren. Als Minister du Thil im Jahre 1827 seinem Grossherzog den Rat gab, jenen entscheidenden Schritt in Berlin zu wagen, da sprach er offen aus: Wir duerfen uns darueber nicht taeuschen; indem wir den Handelsbund schliessen, verzichten wir auf die Selbstaendigkeit unserer auswaertigen Politik; bricht ein Krieg aus zwischen Oesterreich und Preussen, so ist Hessen an die preussischen Fahnen gebunden. Desgleichen Dahlmann(124), der nach seiner grossen und tiefen Art den Zollverein sofort als das einzige deutsche Gelingen seit den Befreiungskriegen begruesste, erklaerte zuversichtlich, der Handelsbund stelle uns sicher vor der Wiederkehr buergerlicher Kriege. Auch diese Weissagungen sind nicht buchstaeblich eingetroffen. Der Zollverein hat die oberdeutschen Staaten nicht verhindert, die Waffen zu ergreifen gegen Preussen. Und dennoch sollte gerade das Jahr 1866 die gewaltige Lebenskraft dieses handelspolitischen Bundes erproben. Der rasche Siegeszug der preussischen Fahnen ueberhob Preussen der Muehe, seine wuchtigste Waffe zu schwingen, durch die Aufhebung der Zollgemeinschaft die oberdeutschen Hoefe sofort zu bekehren. Das Bewusstsein, dass man zueinander gehoere, dass man sich nicht mehr trennen koenne von dem grossen Vaterlande, war durch die kleinen Erfahrungen jedes Tages in alle Lebensgewohnheiten der Nation eingedrungen, und in dieser mittelbaren politischen Wirkung liegt der historische Sinn des Zollvereins {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} es ging doch zu Ende mit dem Philistertum der alten Zeit, das an die Herrlichkeit der Kleinstaaten kindlich glaubte. Der Geschaeftsmann folgte mit seinen Gedanken den Warenballen, die er frei durch die deutschen Laender sandte, er gewoehnte sich, wie schon laengst der Gelehrte, ueber die Grenzen des heimischen Kleinstaates hinauszublicken; sein Auge, vertraut mit grossen Verhaeltnissen, sah mit ironischer Gleichgueltigkeit auf die Kleinheit des engeren Vaterlandes. Der Gedanke selbst, dass die alten trennenden Schranken jemals wiederkehren koennten, wurde dem Volke fremd; wer einmal in dem Handelsbund stand, gehoerte ihm fuer immer. Eine unerbittliche Notwendigkeit stellte nach jeder Krisis die alten Grenzen des Zollvereins wieder her; kalte politische Koepfe konnten mit mathematischer Sicherheit den Verlauf des Streites im voraus berechnen {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Der preussische Staat erfuellte, indem er Deutschlands Handelspolitik leitete, einen Teil der Pflichten, welche dem Deutschen Bunde oblagen, wie er zugleich allein durch sein Heer die Grenzen des Vaterlands sicherte. So ist er durch redlichen Fleiss langsam emporgewachsen zur fuehrenden Macht des Vaterlandes, und nur weil die europaeische Welt es nicht der Muehe wert hielt, das Heerwesen und die Handelspolitik Preussens ernstlich kennen zu lernen, bemerkte sie nicht das stille Erstarken der Mitte des Festlandes. Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte usw. IV, 350ff. ------------------ 108 Joh. Friedr. Boehmer, geb. 22. April 1795, gest. 22. Oktober 1863, hervorragender Forscher, vornehmlich auf dem Gebiete der Geschichte des deutschen Mittelalters. 109 Eduard v. Schenk, geb. 10. Oktober 1788, gest. 26. April 1841. Als Protestant geboren, trat er 1817 zur katholischen Kirche ueber und wurde 1828 Minister der geistl. Angelegenheiten. 110 Joh. Nepomuk Ringseis, geb. 16. Mai 1785, gest. 22. Mai 1880, Arzt von Beruf. 111 Francois Gabriel Graf v. Bray, geb. 1765, gest. 1832. 112 Karl Philipp Fuerst Wrede, geb. 29. April 1767, gest. 12. Dezember 1838. 113 Georg Ludwig Winter, geb. 18. Jan. 1778, gest. 17. Maerz 1838, seit 1830 Leiter des Ministeriums des Innern in Baden. 114 Karl Theodor Welcker, geb. 29. Maerz 1790, gest. 10. Maerz 1869, Professor der Rechte in Kiel, Heidelberg, Bonn, Freiburg i. Br., Mitglied der badischen Kammer und einer von den Fuehrern des sueddeutschen Liberalismus. 115 Karl v. Rotteck, geb. 18. Juli 1775, gest. 26. November 1840, Professor der Geschichte und der Staatswissenschaften an der Universitaet Freiburg i. Br., von 1831 an Mitglied der 2. badischen Kammer, in der er als gewandter Redner die Gedanken des Liberalismus vertrat. 116 Moritz Mohl, geb. 1802, gest. 18. Februar 1888, damals als Assessor bei der Finanzkammer in Reutlingen, seit 1841 Obersteuerrat, 1848 Mitglied des Parlaments sowie der Nationalversammlung, seitdem Fuehrer der grossdeutschen Partei in der wuerttembergischen Kammer. 117 Ludwig Kraft Ernst Fuerst zu Oettingen-Wallerstein, geb. 31. Januar 1791, gest. 22. Juni 1870, von 1831 bis 1838 bayrischer Minister des Innern. 118 Der Dichter Ludwig Uhland, geb. 26. April 1787, gest. 13. November 1862. 119 Friedrich v. Roemer, geb. 4. Juni 1794, gest. 11. Maerz 1864, Mitglied der liberalen Opposition in der wuerttembergischen Kammer, deren Praesident er in spaeteren Jahren war. 120 Heinrich Anton v. Zeschau, geb. 4. Februar 1789, gest. 17. Maerz 1870, seit 1822 in saechsischen Diensten, von 1831-1848 Finanzminister bzw. Minister des Auswaertigen, von 1851-1869 Minister des Koenigl. Hauses. 121 Christian Friedrich v. Boeckh, geb. 13. August 1777, gest. 21. Dezember 1855, von 1828 bis 1844 badischer Finanzminister. 122 Von den noch ausserhalb des Zollvereins stehenden Staaten bildeten Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Schaumburg-Lippe durch die Vertraege vom 1. Mai 1834 und 7. Mai 1836 einen _Steuerverein_, dem auch einige preussische und kurhessische Gebietsteile angeschlossen wurden; Baden, Nassau und Hessen-Homburg traten am 1. Januar 1836, Frankfurt a. M. am 2. Januar 1836 in den Zollverein ein; am 1. Januar 1842 auch Braunschweig und Lippe, am 1. April 1842 Luxemburg. Durch Vertrag vom 1. September 1851 kam auch mit dem Steuerverein eine Einigung zustande, die am 1. Januar 1854 den Eintritt desselben in den Zollverein zur Folge hatte. 123 David Hansemann, geb. 12. Juli 1790, gest. 4. August 1864, preussischer Staatsmann und publizistischer Schriftsteller, 1848 kurze Zeit Finanzminister, nachher bis 1851 Chef der Preussischen Bank. 124 Friedrich Christoph Dahlmann, geb. 13. Mai 1785, gest. 5. Dezember 1860, Geschichtsforscher und Politiker. Register. Addington, englischer Gesandter am Bundestag; 136. Akzisewesen, preussisches; 5. Alexander I., Zar; 6. Alexius Friedrich Christian, Herzog von Anhalt-Bernburg; 62. Altenstein, Karl, Freiherr v. Stein zum; 34. 85. Alternat, Streit ueber das A.; 159. Altpreussen, Notstand in A.; 82 f. Ancillon, Johann Peter Friedrich; 196. Anhalt im Kampf gegen das preussische Zollgesetz; 37. 43. 57 ff. 63. 90 ff. Anhalt-Bernburg; 43. 62. Anhalt-Dessau; 62. -- Beitritt von Anhalt-Dessau und Anhalt-Koethen zum Zollverein; 92. Anhalt-Koethen; 44. 48 ff. 59 ff. 63. v. Anstett, russischer Gesandter am Bundestag; 161. Anton, Koenig von Sachsen; 131. 177. 179. Anton Guenther, Fuerst von Schwarzburg-Sondershausen; 41. 42. 43. 44. 150. Aretin, Adam Freiherr v.; 72. 73. 74. 75. Armansperg, Joh. Ludw., Graf v.; 120. 152. 153. 154. 159. 174. 181. 197. Arnoldi, E. W.; 22. 23. 69. Arnstadter Beratung der thueringischen Staaten; 70. Auguste, Tochter des Koenigs Friedrich Wilhelm II. von Preussen, Kurfuerstin von Hessen; 128. 129. 130. Baader, Joseph (Franz); 121. Baring; 11. Baumgaertner, preussischer Konsul; 196. Bayer, Fabrikant; 106. Bayrisches Zollgesetz vom 22. Juli 1819; 46 f. -- Bayrisch-Wuerttembergischer Zollverein 113 f. 151. 181. Beguelin, Geheimrat; 8. Bernstorff, Christ. Guenther, Graf v.; 33. 38. 45. 46. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 60. 64. 67. 90. 94. 107. 125. 140. 146. 147. 150. 168. 179. 181. 184. Benzenberg, Joh. Friedr.; 21. Bercks, oesterreichischer Konsul in Leipzig; 201. Beroldingen, wuerttembergischer Minister; 123. Berstett, Wilh. Ludw. Leop. Reinh., Freiherr v., badischer Minister; 28. 29. 47. 53. 56. 57. 69. 70. 72. 75. 76. 100. 101. 102. 103. 105. 138. 140. Bever, Assessor; 188. Biersack, Finanzrat; 111. Blomberg, Freiherr v.; 155. Blum, Robert; 24. Bignon, Louis Pierre, Baron; 66. Bluecher, G. v.; 35. Blittersdorf, Friedr. Landolin, Freiherr v.; 66. 99. 117. 121. 123. 146. 162. 173. 195. Boeckh, badischer Minister; 181. Boehmer, Joh. Friedr.; 176. Bombelles, Ludw. Phil., Graf. v.; 50. Braun, Kammerrat; 132. Bray, Francois Gabriel, Graf v., bayrischer Gesandter in Wien; 180. Bruenneck, Oberst; 82. Buchholz, Publizist; 149. Buhl, Fabrikant; 184. Buelow, Heinrich v.; 90. 95. 124. 137. 149. 167. Bundesakte, Artikel; 19. 23. 25. 27. 28. 35. 38. 46. 53. 54. 99. 139. 140. 142. 146. 147. 199. Buol, Joh. Rud., Freiherr v.; 55. Burke, Edmund; 11. Buesch, Joh. G.; 22. Camuzzi, Geheimrat; 121. Canning, Georg, engl. Minister. Ministerium; C. 10. Anm. 80. Carlowitz, Christoph Anton Ferd. v.; 132. 133. 138. Carlowitz, Hans Georg v.; 131. 133. 137. 167. Clarence, Herzogin von; 165. Conta; 167. Cotta, Joh. Friedr., Freiherr C. v. Cottendorf; 153. 154. 155. 159. 160. 161. Cromwell, Oliver; 11. Czartoriski, Fuerst; 6. Dahlmann, Friedr. Christoph; 205. Dalberg, Emmerich Joseph, Herzog von; 122. Darmstaedter Zollkonferenzen; 68ff. 98. 100. 101. Deutscher Zollverein; 172 ff. 203. 204. Du Bos du Thil, Karl Wilh. Heinr. Freiherr v. ({~DAGGER~} 1859) hessen-darmstaedtischer Minister; 56. 72. 73. 74. 77. 98. 100. 101. 105. 106. 107. 108. 123. 126. 127. 144. 205. Eichhof, oesterreichischer Hofrat; 161. Eichhorn, Joh. Albr. Friedr.; 14. 16. 31. 32. 33 ff. 37. 38. 40. 42. 62. 67. 78. 90. 92. 107. 108. 110. 112. 114. 118. 120. 124. 127. 148. 155. 164. 167. 170. 174. 187. 188. 189. 192. 198. 200. 201. 202. 204. Eimbecker Vertrag (27. Maerz 1830) 170 f. 173 f. 177. Einsiedel, Detlev, Graf v.; 131. 140. Elbschiffahrt, Freiheit der E.; 49. 54. 57. Elbschiffahrtsakte (23. Juli 1821); 60. 62. 90. Elbuferstaaten, Konferenz der E. in Dresden; 54. 58. 59. Elsflether Zoll; 58. Emil, Prinz von Hessen; 110. 112. 122. Englische Handelskrisis; 81. Enklavensystem, preussisches; 37 f. 40. 41. 43. 53. 59. 62. 88. Ernst I., Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha; 47. 69. 132. 133. 150. 162. 163. Erskine, Lord; 161. Eschenheimer Gasse (d. i. Bundestag); 72. 91. 126. 134. 200. Fahnenberg, badischer Gesandter in Muenchen; 123. 189. Fenelon, Graf, franzoesischer Gesandter am Nassauer Hof; 165. Ferber, Geheimrat; 7. Ferdinand, Herzog von Anhalt- Koethen; 44. 48. 49. 53. 54. 55. 57. 59. 60. 61. 62. 64. 66. 88. 89. 90. 92. Fitzgerald, englischer Minister; 137. Frank, Pfarrer; 106. Franz II., Kaiser von Oesterreich; 50. 52. 55. Freihandel, Preussen als Vorkaempfer des Freihandelsgedankens; 11. Friedheim, Kaufmann; 61. 62. Friedrich August, Mitregent von Sachsen; 195. 198. Friedrich der Grosse; 34. 45. 148. 157. 160. 204. Friedrich Wilhelm I.; 45. Friedrich Wilhelm III.; 5. 6. 7. 8. 12. 17. 18. 19. 20. 36. 37. 38. 40. 41. 43. 44 f. 48. 49. 57. 61. 62. 66. 67. 77. 78. 80. 82. 83. 84. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 107. 109. 110. 112. 113. 115. 119. 125. 129. 130. 132. 138. 148. 150. 154. 156. 160. 165. 172. 177. 179. 181. 195. 198. Friedrich Wilhelm, Kronprinz von Preussen; 154. Friedrich Wilhelm, Kurfuerst von Hessen; 175. Friedrich Guenther, Fuerst von Schwarzburg-Rudolfstadt; 88. Fritsch, Karl W., Freiherr v., Minister; 47. 53. 178. Gagern, Hans Christoph Ernst, Freiherr v.; 141. 144. Geldausfuhr. Aufhebung des Verbots der G. in Preussen; 6. Generalkontrolle. Aufhebung der G. in Preussen; 84 f. Georg, Grossherzog von Strelitz; 91. Gersdorff, v., saechsisch- weimarischer Minister; 201. 202. Gesetz vom 26. Mai 1818; 8 ff. 30. 38. 40. Gesetz vom 8. Februar 1819 ueber die Besteuerung des Konsums inlaendischer Erzeugnisse; 12. Gise, bayrischer Minister; 189. Goltz, Aug. Friedr. Ferd., Graf v. d.; 27. 53. 56. Goltz, Familie v.; 83. Gneisenau; 7. 34. Goerres, Joseph v.; 24. 26. 180. Gothaer Lebensversicherungsbank; 23. Grandauer, Kabinettsrat; 123. Grant, Charles; 124. Grolman, Karl Ludw. Wilhelm v.; 10. Grote, Aug. Otto, Graf; 137. 149. 167. 170. Guaita, Senator; 138. 161. Guenther Friedrich Karl I., Fuerst von Schwarzburg-Sondershausen; 88. Handelsverein, deutscher; 25. Haenlein, preussischer Gesandter am kurhessischen Hofe; 128. 167. Hansemann, David; 204. Hardenberg, Fuerst; 6. 13. 14. 19. 21. 39. 45. 64. 84. 165 Anm. Hatzfeldt, Franz Ludwig, Graf v.; 88. Heidelberger Protokoll; 100. 101. 110. Herzog, Geheimrat; 100. Hessen-Darmstadt, Zollvertrag mit Preussen; 109 ff. Hessen-Kassel, Gesetz vom 17. September 1819; 48. -- Beitritt Hessen-Kassels zum preussischen Zollsystem; 175. Heydebreck, v., Oberpraesident; 7. 8. Hofmann, hessischer Staatsrat; 106. 109. 110. 115. 116. 122. 126. 155. 160. 161. Hoffmann, E. E.; 184. Hoffmann, J. G.; 17. 18. 42. 43. 100. Hohenzollern-Wuerttembergischer Zollverein; 88. Hruby, Freiherr v.; 128. 138. 165. Humboldt, A. u. W.; 7. -- W. v. H.; 34. 58. 90. 153. Huskisson, W.; 10. 11. 103. Jordan, v., preussischer Gesandter in Dresden; 62. 149. 170. Joerres; 72. Julia, Graefin von Brandenburg, Gemahlin des Herzogs Ferdinand von Anhalt-Koethen; 49. 66. 88. Juli-Revolution (1830); 171. 173. Kamptz, Karl Friedr. Heinr. v.; 85. Karl VII. (Albrecht), deutscher Kaiser; 157. Karl, Herzog von Braunschweig; 139. Karl August, Grossherzog von Sachsen-Weimar; 40. 47. 50. 145. Karl Friedrich, Grossherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach; 178. 201. Karlsbader Beschluesse (1819); 19. 50. Karlsbader Konferenzen (1819) 19. 28. 45. -- (1821) 61. Kasseler Vertrag 175. 177. Kessler, Direktor der Domaenen 86. Kircheisen, Friedr. Leop. v. 34. Klewiz, Wilh. Anton v. 29. 41. 62. 77. 84. 94. Klickermann, Zollinspektor 63. Knorr, Zolldirektor 194. Koenneritz, Jul. Traugott v. 169. 170. 196. Kotzebue 17. Koester, Abgeordneter 69. Krafft, Praesident 116. Kress, v., oesterreichischer Hofrat 135. Krug 18. Kuehne, Leopold 129. Kuehne, Ludw. Samuel 85. 87. 175. 188. Kunth, Staatsrat 7. Kuester, preussischer Gesandter in Muenchen 123. 125. 152. 192. 194. 197. 200. 203. Ladenberg, Phil. v. 8. 77. 84. 85. La Ferronays, franzoesischer Minister 123. Landwirtschaftliche Krisis in Deutschland 81. Langenau. Fr. Karl Gustav, Freiherr v. 117. 118. 135. Lassalle, Ferd. 25. 29 Anm. Lehrbach, Graf 115. Leipzig, Schlacht bei L. 79. Leonhardi, grossherzoglich hessischer Geheimrat 135. Leopold III., Friedrich Franz, Herzog von Anhalt-Dessau 64. Leopold IV., Friedrich, Herzog von Anhalt-Dessau 62. 89. 90. 92. Leopold, Grossherzog von Baden 181. 183. 184. Leopold von Dessau (der alte Dessauer) 59. Lerchenfeld, Maximilian v. 72. 99. 106. 123. 141. 160. 174. 192. Lestocq, General 41. 202. Lindenau, Bernh. v. 134. 135. 136. 137. 138. 139. 140. 141. 144. 177. 178. 195. 196. 201. List, Friedr. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 32. 51. 52. 55. 57. 68. 69. 70. Listscher Verein s. Verein deutscher Kaufleute. Lottum, Graf 84. 87. Lotzbeck, v. 184. Loewenstein, Fuerst Georg v. 182. Luden 17. Lueder, Kammerrat 126. Ludwig, Grossherzog von Baden 117. 181. Ludwig I., Koenig von Bayern 102. 104. 105. 106. 108. 121. 122. 123. 125. 126. 130. 141. 151. 152. 153. 154. 155. 159. 160. 161. 175. 181. 182. 183. 184. 185. 189. 192. 193. Ludwig I., Grossherzog von Hessen 72. 107. 112. 125. 126. 129. 205. Luetzerode, Freiherr v. 126. Luxburg, Graf 155. Maassen, Generaldirektor 8. 9. 10. 11. 12. 21. 29. 31. 32. 42. 79. 85. 108. 112. 155. 172. 175. 187. 189. 191. 195. 196. 197. 202. 204. Mainzer Konferenzen 102. Maltzan, v. 107. 112. 135. 145. 168. Manteuffel, Georg Aug. Ernst v. 131. Marschall, Freiherr v., Vertreter Nassaus am Bundestag 47. 52. 53. 56. 61. 66. 71. 72. 76. 100. 102. 117. 129. 134. 143. Martens, Georg Friedr. v. 27. Marx 29 Anm. Maximilian I. Joseph, Koenig von Bayern 100. 122. Meisterlin, Geheimer Rat 174. Merckel, Oberpraesident 7. Metternich, Fuerst Klemens 19. 28. 36. 47. 49. 50. 52. 55. 61. 64. 70. 75. 76. 88. 89. 118. 139. 140. 149. 151. 152. 153. 165. 180. 182. Meyer, S., Kaufmann 183. Meyerfeld, v., kurhessischer Bundestagsgesandter 173. 174. Meysenbug, Freiherr v. 126. Mieg, v., bayrischer Finanzminister 189. 190. 192. 200. Michaelis, Geheimrat 199. Milbanke, englischer Geschaeftstraeger bei der Stadt Frankfurt 136. Miller (Immenstadt) 25. 69. 103. 126. Minkwitz, Freiherr v., saechsischer Minister 199. Mitteldeutscher Handelsverein 130 ff. 139 ff. 148. 149. 151. 153 f. 162. 163. 165. 171. 173. 175 f. 178. 195. 202. Mohl, Moritz 187. 188. 199. Mollerus, niederlaendischer Geschaeftstraeger in Muenchen 124. Motz, Friedr. Christ. Ad. v. 42. 77. 78 ff. 81. 83. 84. 85. 86. 87. 88. 92. 97. 107. 108. 110. 112. 114. 116. 118. 129. 146. 147. 148. 150. 151. 153. 154. 155. 156. 157. 159. 161. 162. 163. 164. 170. 171. 172. 173. 194. Motz, hessischer Finanzminister 174. Mueller, Adam 49. 50. 52. 59. 62. 63. 64. 88. 89. 91. 93. Muench-Bellinghausen, Joachim, Graf v. 62. 117. 118. 119. 135. 146. 161. Muenster-Ledenburg, Ernst Friedr. Herbert, Reichsgraf 136. 165. Nagler, Karl Friedr. v. 91. 127. 174. Napoleon I. 71. 122. 128. 158. Napoleon, roemischer Koenig 122. Navigationsakte 11. Natzmer, Oldwig v., preussischer General 129. Nebenius, Karl Friedr. 29. 30. 31. 32. 33. 42. 53. 68. 70. 72. 73. 74. 76. 99. 100. 101. 102. 103. 104. 153. Neujahrsnacht 1834 204. Oberkamp, Geheimrat 126. 127. 128. 141. Oberschoenaer Punktation 133. 134. 142. Oesterreichische Tendenzluegen 119. Otterstedt, v., preussischer Gesandter am badischen Hofe 108. 116. 118. Oettingen-Wallerstein, Ludwig Kraft Ernst, Fuerst zu 192. Perrot, Abgeordneter 106. Pfizer, Paul 158. 193. 194. Phoenix, Versicherungsgesellschaft 23. Pitt, William 79. Pochhammer 160. Poelitz 18. Porbeck, v., Praesident 126. Preussisch-Bayrischer Handelsvertrag 145 ff. 155 ff. 180 f. Preussisch-Hessischer Zollverein 109 ff. Prohibitivzoelle, franzoesische 10. 11. Rabener, Gottlieb Wilh. 145. Radowitz, Freiherr v. 37. Rauch, Christian, Bildhauer 160. Rechberg, Aloys, Graf v. R. u. Rothenloewen 72. 99. Reden, v., hannoverscher Gesandter in Dresden 140. Reichenbach (Emilie Ortloepp), Graefin, Geliebte des Kurfuersten Ludwig II. von Hessen 126. 127. 171. Reichenbach, Zusammenbruch der Firma R. in Leipzig 81. Reinhard, Karl Friedrich, Graf 122. 136. Renner, Defraudationsprozess der Firma R. 71. Rheinischer Merkur 24. 26. Rheinoktroi von 1814 58. Ricardo, David 29. Ries, kurhessischer Geheimrat 174. Ringseis, Joh. Nepomuk 180. Roemer, Friedr. v. 194. Roentgen, Aug. v. 101. 143. 161. 166. 168. 193. Rothschild, Anselm Meyer, Freiherr v. 116. 134. Rotteck, Karl v. 184. Rumigny, Graf 161. Sachsen, Koenigreich, Beitritt Ss. zum Zollverein 194 ff. 200. Sachsen-Koburg-Gotha, Vertrag Preussens mit S.-K.-G. 163. Sachsen-Meiningen, Vertrag Preussens mit S.-M. 163. Sachsen-Weimar sucht um Aufnahme in das preussische Zollsystem nach 178. Sack 34. Salmuth, v. 89. Salzregal, Einfuehrung des S.s in Preussen 6. Schenk, Abgeordneter 115. 180. Schenk zu Schweinsberg 174. Schill 34. Schleiermacher, Friedr. Ernst Dan. 34. Schlieben, Familie der Grafen v. 83. Schlussakte 53. Schminke, Finanzminister 127. Schmitz-Groltenburg, Freiherr v., wuerttembergischer Gesandter in Muenchen 99. 120. 122. 189. Schmuggel (Schwaerzen) an den preussischen Grenzen 20 f. 41. 43. 57 ff. 63. 71. 98. 173. -- Auf dem Schwarzwald und am Rhein 181. 183. -- An der saechsisch-boehmischen Grenze 195. Schmuggelpraemie 31. Schnell, J. J. (Nuernberg) 25. 51. Schoen, Praesident 78. 82. 83. Schoenberg, Praesident 78. 155. Schuckmann, Kasp. Friedr. Freih. v. 7. Schulenburg, Graf Friedr. Albr. v. d., saechsischer Gesandter in Wien 165. Schuetz, v., Steuerdirektor 86. Schwarzburg-Rudolstadt 43. Schwarzburg-Sondershausen und Preussens Zollgesetz 41 ff. Schwerer, Ehr. Wilh. 132. 133. 178. Schwerz 81. Siebein, Geheimrat 126. Siebenpfeiffer 176. Smidt, Joh., Buergermeister von Bremen 137. 166. Smith, Adam 8. 11. 29 Anm. Sotzmann, Geheimrat 95. 160. Spiegel, Graf, oesterreichischer Gesandter in Muenchen 123. Spittler, Ludw., Freiherr v. 34. Sponheimer Handel 125. 152. 155. 161. 181. 183. 185. Stader Zoll 60. Staegemann, Friedr. Aug. v. 82. Stem, Freiherr vom 7. 24. 34. 35. 84. 135. 138. 141. Stein-Hardenbergsche Reformen 80. Sternegg, v., Hofmarschall 64. Steuerverein, Norddeutscher 170. Stralenheim, hannoverscher Gesandter in Stuttgart 144. Stromeyer 176. Stuttgarter Zollkonferenzen 98 ff. 101 ff. Sueddeutscher Zollverein 56. 57. 72 ff. 181. 184. 185. 189. -- Beitritt des S. Z.s zum Preussisch-Hessischen Zollverein 190. Tann, Freiherr v. d. 123. 126. Teplitzer Besprechungen (1819) 19. Thaer 81. Thomas, Buergermeister von Frankfurt a. M. 138. Thon, weimarischer Bevollmaechtigter 133. 202. Thueringen. Beitritt Th.s zum Zollverein 194 ff. 202 ff. Thueringischer Handelsverein 39. 94. Tilsiter Friede 79. Trauttmannsdorf, Graf v., oesterreichischer Gesandter 91. Trendelenburg, Adolf 164. Truchsess-Waldburg, Graf 124. Uhland, Ludwig 194. Varnbueler, Friedr. Gottlob Karl 188. Varnbueler, Karl Freiherr v. 151. 160. Varnhagen v. Ense, Karl Aug. 165. Verein deutscher Kaufleute und Fabrikanten 25. 39. 45. 70. Verstolck van Soelm, hollaendischer Minister 124. Vincke, Georg v., Praesident 78. Wangenheim, Karl Aug. Freiherr v. 57. 68. 72. 76. 88. 99. 109. 137. 188. Watzdorf, Graf v., saechsischer Gesandter in Berlin 140. 199. 200. Weber, E. (Gera) 25. 27. 51. Weise, v. (Vater), Kanzler 41. 42. Weise, v. (Sohn), Geheimer Rat 41. 42. Welcker, Karl Theodor 184. Wertheim, Verhandlungen wegen Abtretung W.s an Bayern 182. Wiener Vertrag vom 3. Mai 1856 6. Wiener Konferenzen 28. 29. 44. 45 ff. 93. 107. Wiener Kongress 13. 14. 49. 52. 58. 59. 64. Wiener Kongressakte, Art. 108 bis 116 58. Wietersheim, Eduard v. 131. 198. Wilhelm I., Kurfuerst von Hessen 48. Wilhelm II., Kurfuerst von Hessen 74. 79. 97. 109. 126. 127. 128. 129. 130. 138. 145. 165. 171. 174. Wilhelm, Herzog von Nassau 102. 130. 135. Wilhelm I., Koenig von Wuerttemberg 103. 104. 105. 123. 144. 151. 153. 155. 160. 181. 183. 185. 188. 193. Windhorn, Finanzrat 155. Winter, Georg Ludwig, badischer Minister 183. Wittgenstein, Prinz 126. 127. 128. Wittgenstein, Wilh. Ludw. Georg, Graf zu Sayn-W. 61. 87. 150. Witzleben, Job. v., preussischer Generalleutnant 153. Wolfs, oesterreichischer Legationsrat 180. Wrede, Karl Philipp, Fuerst 180. Zachariae v. Lingenthal, Karl Salomon 103. Zentner, Georg Friedr., Freiherr v. 50. 57. 123. Zeschau, Heinrich Anton v., saechsischer Finanzminister 197. 199. 200. 201. Zollanschlussvertrag mit Schwarzburg-Sondershausen 42. Zollgesetz, Maassens preussisches Z. 6. 8 ff. Zoll- und Handelsverein der thueringischen Staaten 203. Zu Rhein, Freiherr v. 104. 122. ***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE GRUeNDUNG DES DEUTSCHEN ZOLLVEREINS*** CREDITS October, 17 2007 Project Gutenberg TEI edition 01 Ralf Stephan, Norbert H. Langkau, and The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net. Page-images available at October, 20 2007 Project Gutenberg TEI edition 02 Ralf Stephan A WORD FROM PROJECT GUTENBERG This file should be named 23065.txt or 23065.zip. This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/dirs/2/3/0/6/23065/ Updated editions will replace the previous one -- the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at http://www.gutenberg.org/fundraising/pglaf. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at http://www.pglaf.org For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director gbnewby@pglaf.org Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit http://www.gutenberg.org/fundraising/donate While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. 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